VfGH vom 09.10.2010, U609/10

VfGH vom 09.10.2010, U609/10

19214

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch eine Ausweisungsentscheidung der Asylbehörden auf Grund der Anwendung einer Übergangsbestimmung des Asylgesetzes 2005 für Altfälle

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1974 geborener

Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am unter Angabe falscher Nationalien - so gab er einen falschen Namen sowie eine falsche Staatsangehörigkeit (Weißrussland) an - den gegenständlichen Antrag auf Asyl. Diesen begründete er mit seiner Desertion aus der russischen Armee und daraus resultierender Verfolgung.

2. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 76/1997 (im Folgenden: AsylG 1997) ab und stellte unter einem fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Weißrussland gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 zulässig sei.

3. Der Asylgerichtshof (im Folgenden: AsylGH) gab der mit Schriftsatz vom eingebrachten Berufung (nunmehr: Beschwerde) mit Erkenntnis vom statt, behob den Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurück.

4. Im folgenden Verfahren vor dem BAA berichtigte der Beschwerdeführer seine Nationalien wiederholt, gab an, russischer Staatsangehöriger zu sein und wiederholte seine bereits 1999 vorgebrachten Fluchtgründe.

5. Mit Bescheid vom wies das BAA erneut den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 Abs 1 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer nun gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 122/2009 (im Folgenden: AsylG 2005), in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 38 Abs 1 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt IV.). Das Vorbringen hinsichtlich der Fluchtgründe sei unglaubwürdig. Es bestünden keine Bedenken, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in die Russische Föderation in seinen Rechten nach Art 2 oder 3 EMRK verletzt würde. Ebenso würde die Ausweisung, die gemäß § 75 Abs 8 AsylG 2005 auszusprechen sei, Art 8 EMRK nicht widersprechen. Wegen Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 Abs 1 Z 3 und 5 AsylG 2005 sei die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

6. Mit Erkenntnis vom gab der AsylGH der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde vom hinsichtlich Spruchpunkt IV. statt und behob diesen ersatzlos gemäß § 66 Abs 4 AVG.

7. Mit dem gegenständlich angefochtenen Erkenntnis vom wies der AsylGH die Beschwerde vom hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. "gemäß § 7 Asylgesetz

1997, BGBl. I Nr. 76 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002, § 8 Abs 1 Asylgesetz

1997, BGBl. I Nr. 76 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 und § 10 Abs 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2009," ab.

Zur Ausweisungsentscheidung stellte der AsylGH fest, dass der Beschwerdeführer ledig sei, keine Kinder habe und seit September 2003 mit Unterbrechungen als Arbeiter erwerbstätig sei. Gegen den Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom aufgrund dreier, mittlerweile getilgter strafgerichtlicher Verurteilungen ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden.

Zu seiner Zuständigkeit in Bezug auf die Ausweisungsentscheidung führte der AsylGH weiters aus:

"Gegenständlicher Antrag auf die Gewährung von Asyl wurde am gestellt, weshalb auf dieses Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 44 Abs 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003, die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002, anzuwenden sind und in Bezug auf Spruchpunkt II., § 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 i. d.F. BGBl. I Nr. 101/2003 heranzuziehen ist (§44 Abs 3 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003).

Hinsichtlich der Frage der Ausweisung ist unter Berücksichtigung des § 75 Abs 8 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2009, § 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2009, heranzuziehen."

8. Gegen diese Entscheidung des AsylGH richtet sich die auf Art 144a B-VG, BGBl. I 2/2008, gegründete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom . Der Beschwerdeführer bekämpft darin ausschließlich die Abweisung der Beschwerde gegen die Ausweisungsentscheidung und macht die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 sowie nach Art 8 EMRK geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Weiters regt der Beschwerdeführer an, § 75 Abs 1 erster Satz AsylG 2005 hinsichtlich der Wortfolge "mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt" sowie § 75 Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 zur Gänze zu prüfen und wegen gleichheitsrechtlicher Bedenken aufzuheben.

9. Der AsylGH erstattete eine Gegenschrift, legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. § 10 Abs 1 und 2 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 lautet:

"Verbindung mit der Ausweisung

§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 vorliegt.

(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

2. diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würden.

Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

d) der Grad der Integration;

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

(3) - (6) ..."

2. Die Übergangsbestimmungen finden sich in § 75 AsylG 2005, welcher in der Fassung BGBl. I 122/2009 (siehe II.2.4.) auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist. Im Folgenden wird diese Bestimmung insoweit dargestellt, als sie die Verbindung von Entscheidungen mit Ausweisungen betrifft:

2.1. Die Stammfassung dieser Bestimmung wurde durch das "Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheitspolizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden sowie das Fremdengesetz 1997 aufgehoben wird", BGBl. I 100/2005 (im Folgenden: Fremdenrechtspaket 2005), eingeführt und trat am in Kraft:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) - (6) ..."

2.2. Durch das "Bundesgesetz, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Bundesministeriengesetz 1986, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffengesetz 1996 geändert werden", BGBl. I 4/2008 (im Folgenden: Asylgerichtshof - Einrichtungsgesetz) wurde § 75 AsylG 2005 dahingehend novelliert, dass sein Absatz 1 (Änderungen hervorgehoben) - die Änderung trat mit in Kraft - nun wie folgt lautete:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen."

Weiters wurde durch dieselbe Novelle dem § 75 AsylG 2005 ein Absatz 7 angefügt, der die Übergangsbestimmungen zur Zuständigkeit des AsylGH für bereits vor dem am Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren beinhaltet (vgl. ).

2.3. Im Jahr 2009 erfuhr § 75 AsylG 2005 eine erste Novellierung durch das "Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden", BGBl. I 29/2009, mit der § 75 Abs 1 erster Satz AsylG 2005 geändert und dem § 75 leg.cit. ein Absatz 8 angefügt wurde (Änderungen hervorgehoben). Dies trat mit in Kraft. Gegen diese Fassung wendet sich auch der Beschwerdeführer:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) - (7) ...

(8) Auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz, die vom Bundesasylamt vor dem entschieden worden sind, ist § 10 in der Fassung des BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden, es sei denn, dass nach dem abermals eine Zuständigkeit des Bundesasylamtes für die Entscheidung über den Antrag entsteht."

2.4. Im Rahmen einer zweiten Änderung durch das "Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden", BGBl. I 122/2009 (im Folgenden: Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009), die mit in Kraft trat, wurde § 75 Abs 1 AsylG 2005 ergänzt, die § 75 Abs 5, 6 und 7 AsylG 2005 neu formuliert und § 75 AsylG 2005 die Abs 9 bis 14 angefügt, sodass diese Vorschriften nunmehr lauten:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) - (7) ...

(8) § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 ist auf alle am oder nach dem anhängigen Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem Asylgesetz 1997, die vor dem erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs 1 Z 1 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs 1 Z 2 gilt.

(9) - (10) ...

(11) Auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist § 27 Abs 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 anzuwenden, wenn der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, vor dem verwirklicht wurde. § 27 Abs 3 ist auch auf alle am oder nach dem nach dem AsylG 1997 anhängigen Verfahren mit der Maßgabe des § 75 Abs 1 vierter Satz anzuwenden.

(12) - (14) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerde vor, durch die Ausweisungsentscheidung in seinem durch ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden zu sein. In "Altverfahren", in denen das Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 126/2002 zur Anwendung käme, hätten Asylbehörden grundsätzlich keine Ausweisung zu verfügen. Dies läge vielmehr im Bereich der Zuständigkeit der Fremdenpolizei. Durch die neue Regelung würde der Beschwerdeführer im Vergleich zu anderen Altfällen ungleich behandelt und würde des Instanzenzuges an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung der Fremdenpolizei verlustig gehen. Aus diesem Grunde rege der Beschwerdeführer auch an, die §§75 Abs 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 hinsichtlich der Wortfolge "mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt" und 75 Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 zur Gänze in Prüfung zu ziehen und wegen ihrer Gleichheitswidrigkeit aufzuheben.

2. Vorauszuschicken ist, dass die angefochtene Entscheidung des AsylGH am getroffen und am zugestellt wurde, sodass die Übergangsbestimmungen des § 75 AsylG 2005 idF der Novelle BGBl. I 122/2009 anzuwenden waren, die am in Kraft getreten sind. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 iVm § 75 Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009, das BAA und folglich der AsylGH über die Ausweisung abzusprechen hatten; gegen diese Norm bringt der Beschwerdeführer keinerlei Bedenken vor. Er macht vielmehr Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 75 Abs 1 und 8 idF BGBl. I 122/2009 geltend, wobei er dies gegen § 75 Abs 1 und 8 idF BGBl. I 29/2009 vorbringt, mit denen die von ihm als verfassungswidrig erachtete Regelung erstmals eingeführt wurde. Seine Bedenken richten sich inhaltlich aber ebenso gegen die insofern unveränderte Fassung des § 75 Abs 1 idF BGBl. I 122/2009.

3. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie ).

4.1. In den Erläuterungen zur RV 88 BlgNR 24. GP, und somit zu § 75 Abs 1 und Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 finden sich die folgenden Darlegungen:

"Durch die Übergangsbestimmungen in Abs 1 und 8 wird gewährleistet, dass die Verfahren in der Hauptsache (Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz) wie bisher nach den zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Normen - unter Bedachtnahme auf die weiterhin geltenden Übergangsbestimmungen des AsylG 1997 und des AsylG 2005 - zu erledigen sind. Weiters kommen die Änderungen des § 10 nur in Verfahren zur Anwendung, die vom Bundesasylamt ab In-Kraft-Treten der Novelle erstmals oder nach einer Zurückverweisung nach § 66 Abs 2 AVG abermals entschieden werden. Schließlich wird normiert, dass die Ausweisungsentscheidung (und damit gegebenenfalls die Entscheidung, ob die Unzulässigkeit einer Ausweisung vorübergehend oder von Dauer ist) in allen Verfahren - unabhängig vom Antragszeitpunkt - die nach In-Kraft-Treten der Novelle vom Bundesasylamt erstmals oder nach einer Zurückverweisung nach § 66 Abs 2 AVG abermals entschieden werden, nach den Bestimmungen des § 10 AsylG 2005 in der Fassung der vorliegenden Novelle erfolgt.

Dies ist sachgerecht, da nur so sichergestellt werden kann, dass einerseits keine im Hinblick auf das aus dem Diskriminierungsverbot erwachsenen Gleichbehandlungsgebot Fremder untereinander, allenfalls bedenklich erscheinende Überführung von Altfällen in das System des AsylG 2005 bzw. in das System der vorliegenden Novelle erfolgt und anderseits auf alle beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren - so eine Ausweisung aus Gründen des Art 8 EMRK nicht zulässig ist - die den Fremden begünstigenden neuen Normen der Novelle, die gegebenenfalls zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung führen können, anwendbar sind."

4.2. In den Erläuterungen zu RV 330 BlgNR. 24. GP zur darauffolgenden Novelle BGBl. I 122/2009 findet sich lediglich zu § 75 Abs 8 AsylG 2005 folgende Ausführung:

"Gemäß Abs 8 sind alle Ausweisungen, die mit einer asylrechtlichen Entscheidung, gleichgültig ob diese gemäß dem Asylgesetz 1997 oder dem Asylgesetz 2005 erfolgt, zu verbinden sind, künftig gemäß § 10 AsylG 2005 auszusprechen, da nur diese Norm die für notwendig erachtete Bestimmtheit hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausweisung gewährleistet. Eine Zurückweisung oder Abweisung des Asylantrags gemäß dem Asylgesetz 1997 soll im Regelungsregime des § 10 AsylG 2005 als eine entsprechende Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gelten und daher mit einer Ausweisung verbunden werden. Für Verfahren vor dem Asylgerichtshof gilt dies naturgemäß nur insoweit, als eine vom Bundesasylamt erlassene Ausweisung bekämpft wurde und somit einen relevanten Verfahrensgegenstand vor dem Asylgerichtshof darstellt."

5.1. Grundsätzlich hielt der Verfassungsgerichtshof zu VfSlg. 18.613/2008 () in Fortführung seiner Judikatur zur Kompetenz des Unabhängigen Bundesasylsenates (vgl. VfSlg. 17.516/2005) zur Kompetenz und Zuständigkeit des AsylGH in Bezug auf Ausweisungen fest:

"Schließlich verwendet der Verfassungsgesetzgeber bei der Neufassung des Art 129c B-VG zur Festlegung der Zuständigkeit des AsylGH dieselben Worte wie in der früheren Fassung des Art 129c betreffend die Zuständigkeit des UBAS. Eine Änderung des Umfangs der Zuständigkeit war daher offensichtlich nicht beabsichtigt. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mit dem Erkenntnis VfSlg. 17.516/2005 zur Zuständigkeit des UBAS, die Ausweisung auszusprechen, ausführlich dargetan, dass der Begriff Asylsachen auch die Ausweisung durch die Asylbehörden kompetenzrechtlich umfasst. Dass nunmehr durch die Neufassung des Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG im Bundesverfassungsgesetz BGBl. I 2/2008 der Begriff 'Ausweisung' neben dem Begriff 'Asyl' angeführt ist, ändert daran nichts."

5.2. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 17.516/2005 ausgesprochen, dass nach der damals geltenden Rechtslage Ausweisungen, sofern sie Asylwerber betreffen, auch durch die Asylbehörden zu prüfen und auszusprechen sind;

Gleichheitsbedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Ausweisungen durch die Fremdenpolizei einerseits und durch die Asylbehörden andererseits hatte er nicht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in beiden Verfahren von der jeweiligen Behörde eine mögliche Verletzung des Art 8 EMRK zu prüfen ist (vgl. VfSlg. 17.340/2004).

5.3. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Behauptung nicht im Recht, dass er durch die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 75 Abs 1 erster Satz und Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009, in seinem durch ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander dadurch verletzt sei, weil das BAA nunmehr nach Rückverweisung der Rechtssache durch den AsylGH gemäß § 66 Abs 2 AVG - anders als im ersten Rechtsgang, in dem das AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002 anzuwenden gewesen und die Ausweisung im Bereich der Zuständigkeit der Fremdenpolizei gelegen sei - ermächtigt ist, eine Ausweisungsentscheidung zu fällen.

Dem Gesetzgeber kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er es mit § 75 Abs 1 erster Satz und Abs 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 sowie idF BGBl. I 122/2009 ermöglicht, dass durch die Überführung - einer überschaubaren Anzahl - von Altfällen in das System des AsylG 2005, nunmehr auch für diese Fälle die vom Verfassungsgerichtshof allgemein für unbedenklich erachtete Rechtslage herbeiführt, nach der die Asylbehörden auch über die Ausweisung zu entscheiden haben. Im Übrigen kommt damit auch die den "Fremden begünstigende Bestimmung" (vgl. RV 88 BlgNR 24. GP zu BGBl. I 29/2009) des § 10 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 zur Anwendung, die gegebenenfalls über den Ausspruch der dauerhaften Unzulässigkeit einer Ausweisung zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung führen kann.

Der Verfassungsgerichtshof hält somit an seiner Judikatur zur Zuständigkeit des AsylGH, Ausweisungen verfügen zu dürfen (zum Prüfungsmaßstab vgl. VfSlg. 17.340/2004, Pkt. 3.10.2), sowie zum Ausschluss der Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes in Asylsachen fest (vgl. VfSlg. 18.613/2008).

6. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, in seinen Rechten nach Art 8 EMRK verletzt worden zu sein:

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg. 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Der AsylGH hat sich mit der Frage der Gefährdung des Beschwerdeführers in seinen Rechten ausführlich auseinander gesetzt, eigene Ermittlungen getätigt und eine mündliche Verhandlung abgehalten. Ihm kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles - verwiesen sei hiebei auch auf die Tatsache, dass erst im zweiten Rechtsgang die wahre Identität des Beschwerdeführers zu Tage trat - davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art 8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg. 17.340/2004, 17.516/2005).

7. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Ob die angefochtene Entscheidung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung des AsylGH richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zu Kollegialbehörden nach Art 133 Z 4 B-VG mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.