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VfGH vom 26.02.2014, U489/2013

VfGH vom 26.02.2014, U489/2013

19843

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung der Beschwerde beim Asylgerichtshof wegen Rechtsmittelverzichts infolge Unterlassung der Prüfung einer entsprechenden Rechtsberatung durch den gesetzlich vorgesehenen Rechtsberater

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und reiste über die Türkei, Griechenland und Italien in das Bundesgebiet ein, wo er am einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Zu seiner Reiseroute befragt gab der Beschwerdeführer an, in Italien aufhältig gewesen zu sein, dort aber keinen Asylantrag gestellt zu haben. Er wolle auch keinen Antrag in Italien stellen, sein Ziel sei Österreich.

Am wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 67/2012 (im Folgenden: AsylG 2005) die "ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe" (im Folgenden: ARGE) als Rechtsberaterin zur Seite gestellt. Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Am wurde dem Beschwerdeführer mittels Verfahrensanordnung für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof die ARGE als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt.

Am erfolgte ein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und einer Rechtsberaterin der ARGE zwecks Beschwerdeerhebung vor dem Asylgerichtshof. Wenige Stunden später verzichtete der Beschwerdeführer durch Fertigung eines vorgefertigten Formulars schriftlich auf eine Beschwerde gemäß Art 129c Z 1 B–VG gegen den Bescheid des Bundesasylamtes an den Asylgerichtshof. Im vorgefertigten Text des Formulars wird zudem ausgeführt, der Beschwerdeführer wolle freiwillig in einen durch Eintragung in das Formular zu bezeichnenden Staat zurückkehren; es wurde Italien als Zielstaat eingetragen. Ferner besagt der vorgefertigte Text, der Inhalt des Rechtsmittelverzichts sei dem Beschwerdeführer von einer sprachkundigen Vertrauensperson erklärt worden; als im Formular einzutragende "Beraterin" des Beschwerdeführers anlässlich der Abgabe der Verzichtserklärung wurde in dem Formular eine Mitarbeiterin des "Vereins Menschenrechte Österreich" (im Folgenden: VMÖ) namentlich vermerkt.

Am langte beim Bundesasylamt eine von der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH im Namen des Beschwerdeführers eingebrachte Beschwerde ein. Begründend wurde u.a. ausgeführt, das Bundesasylamt habe auf Grund einer falschen rechtlichen Beurteilung die Zuständigkeit Italiens nach der Verordnung (EG) Nr 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin-II-VO), angenommen.

Der AsylGH erkannte dieser Beschwerde mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung mit der Anmerkung zu, der Umstand, dass ein Rechtsmittelverzicht abgegeben und kurz danach (innerhalb der Beschwerdefrist) eine Beschwerde dennoch eingebracht werde, mache die Beschwerde nicht von vornherein jedenfalls unzulässig und erlaube daher nicht ohne weiteres den Schluss auf die Rechtskraft bzw. sofortige Durchführbarkeit des Bescheides des Bundesasylamtes.

2. Mit Entscheidung vom wies der Asylgerichtshof die Beschwerde als unzulässig zurück. Begründend führt er aus, eine Beschwerde sei gemäß § 63 Abs 4 AVG nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet habe.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144a B-VG in der bis zum geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, sowie im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass abgesehen davon, dass nicht geprüft worden sei, ob der Beschwerdeführer bei Unterfertigung des Rechtsmittelverzichts über dessen Rechtsfolgen belehrt wurde, der Rechtsmittelverzicht auch in mehr als auffälligem Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme zwei Tage vor Unterfertigung des Rechtsmittelverzichts stehe. Der Beschwerdeführer habe – was ebenfalls im Widerspruch zur im Rechtsmittelverzicht als Begründung angegebenen "freiwilligen" Rückkehr nach Italien stehe – erfolgreich Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhoben. In seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes habe der Beschwerdeführer ausführlich dargelegt, warum nach seiner Ansicht Österreich für seinen Antrag auf internationalen Schutz zuständig sei. Trotz dieser offenkundigen Widersprüche gehe der Asylgerichtshof ohne weitere Ermittlungen von einem wirksamen Rechtsmittelverzicht aus. Im Hinblick auf die strengen Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Rechtsmittelverzichts sei der Asylgerichtshof aber dazu verpflichtet gewesen, diese genau zu prüfen. Er hätte daher den Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung persönlich zu den Umständen der Unterfertigung des Rechtsmittelverzichts befragen müssen. Erst nach Aufklärung der offenkundigen Widersprüche und Ermittlungen zum Zustandekommen des Rechtsmittelverzichts hätte die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts beurteilt werden können. Dabei hätte der Asylgerichtshof auch prüfen müssen, ob der in Schubhaft angehaltene Beschwerdeführer die Rechtsfolgen des Rechtsmittelverzichts verstanden und die Erklärung frei von Druck abgegeben habe. Durch die Unterlassung von Ermittlungen in diesem wesentlichen Punkt habe der Asylgerichtshof willkürlich gehandelt und außerdem – auf Grund der Unwirksamkeit des vom Beschwerdeführer abgegebenen Rechtsmittelverzichts – eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

5. Der VMÖ äußerte sich über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wie folgt: In den Polizeianhaltezentren werde unter dem Titel "Rückkehrvorbereitung" eine Betreuung durch externe NGOs angeboten, die insbesondere den Aufgaben der fremdenpolizeilichen Perspektivenabklärung und der Vorbereitung auf die erzwungene Rückkehr diene. Es stehe jedem Schubhäftling frei, diese Betreuung auf freiwilliger Basis in Anspruch zu nehmen. In jenem Polizeianhaltezentrum, in dem die Schubhaft des Beschwerdeführers vollzogen wurde, sei der VMÖ mit dieser Aufgabe betraut.

Die Betreuung der Schubhäftlinge einerseits und die amtswegig beigestellte Rechtsberatung andererseits seien zwei zu unterscheidende Aufgaben. Die Zuteilung eines Schubhäftlings an eine juristische Person zur amtswegig beigestellten Rechtsberatung nach dem AsylG 2005 könne keinesfalls zur Folge haben, dass der Schubhäftling im Asylverfahren nicht mehr postulationsfähig sei.

Die Mitarbeiterin des VMÖ sei zwar als Schubhaftbetreuerin eingeschritten. Das schließe jedoch nicht aus, dass der Beschwerdeführer wirksam auf die Beschwerde an den Asylgerichtshof verzichte.

Im Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und der Mitarbeiterin des VMÖ habe der Beschwerdeführer vorrangig den Wunsch geäußert, möglichst kurz in Schubhaft zu sein. Dabei sei ihm der Ablauf eines Verfahrens nach der Dublin-II-VO zur Kenntnis gebracht worden, wobei der Beschwerdeführer keine Gründe angeführt habe, warum er nicht nach Italien könne oder wolle. Er sei daher von der Mitarbeiterin des VMÖ darauf aufmerksam gemacht worden, dass ein Rechtsmittelverzicht die Überstellung nach Italien beschleunigen könne. Die Mitarbeiterin des VMÖ habe den Rechtsmittelverzicht ins Arabische übersetzt und dem Beschwerdeführer erklärt, dass damit der Bescheid des Bundesasylamtes akzeptiert werde.

II. Rechtslage

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl I 100/2005 idF BGBl-I 67/2012 (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) lautet auszugsweise:

"Zuständigkeit eines anderen Staates

§5. (1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

[…]

Verbindung mit der Ausweisung

§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

[…]

und kein Fall der §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 vorliegt.

[…]

Rechtsberatung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt

§64. (1) Im Zulassungsverfahren ist einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen.

(2) Rechtsberater haben Asylwerber vor jeder einer Mitteilung nach § 29 Abs 3 Z 3 bis 6 folgenden Einvernahme im Zulassungsverfahren über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu beraten; ihnen sind zu diesem Zweck bei Bedarf vom Bundesasylamt Dolmetscher beizugeben und das bisherige Ermittlungsergebnis im gesamten Umfang zur Verfügung zu stellen. Rechtsberater sind verpflichtet, an allen Einvernahmen zur Wahrung des Parteiengehörs im Zulassungsverfahren teilzunehmen.

(3) Bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern hat der Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Zulassungsverfahren bei jeder Befragung in der Erstaufnahmestelle und bei jeder Einvernahme im Zulassungsverfahren teilzunehmen.

(4) Das Bundesasylamt legt für jede Erstaufnahmestelle die Zuständigkeit der Rechtsberater je nach Einbringung des Antrages fest. Die Übertragung der Aufgaben an einen anderen Rechtsberater kann im Einzelfall und nur mit Zustimmung dieses Beraters erfolgen. Ist eine juristische Person mit der Besorgung der Rechtsberatung im Zulassungsverfahren betraut, haben der Asylgerichtshof in den Fällen des § 16 Abs 3 und 5 und das Bundesasylamt, auch wenn dem Rechtsberater zuzustellen ist, lediglich der juristischen Person zuzustellen.

(5) Der Bundesminister für Inneres verordnet die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung im Zulassungsverfahren betraut, verordnet der Bundesminister für Inneres die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren.

[…]

Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof

§66. (1) In einem Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof gegen zurück- oder abweisende Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz, die keine Folgeanträge sind, ist einem Asylwerber kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. Darüber hat das Bundesasylamt den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung zu informieren und den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde gemäß Abs 1 und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichts-hof, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen und gegebenenfalls Rückkehrberatung zu veranlassen.

(3) Der Bundeskanzler verordnet die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung vor dem Asylgerichtshof betraut, verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren.

[…]

Rückkehrhilfe

§67. (1) Einem Asylwerber kann in jedem Stadium des Verfahrens Rückkehrberatung gewährt werden. Die Rückkehrberatung umfasst die Abklärung der Perspektiven während und nach Abschluss des Asylverfahrens.

(2) Entschließt sich ein Asylwerber dazu, die ihm angebotene Rückkehrhilfe anzunehmen und auszureisen, kann ihm vor der Ausreise finanzielle Unterstützung gewährt werden (§12 GVG-B 2005). Der Rechtsberater (§64) ist in der Erstaufnahmestelle dem abschließenden Gespräch über die Gewährung von Rückkehrhilfe beizuziehen."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Ein solcher Fehler ist dem belangten Asylgerichtshof unterlaufen:

An einen wirksamen Rechtsmittelverzicht sind strenge Maßstäbe anzulegen, um einen Willensmangel bei seiner Abgabe ausschließen zu können (VfSlg 17.987/2006 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Dieser strenge Beurteilungsmaßstab erfordert eine hinreichende Ermittlung der Umstände, unter welchen der Verzicht abgegeben wurde, um dessen Wirksamkeit beurteilen zu können.

In die Abgabe des Rechtsmittelverzichts war kein Mitarbeiter der zur Rechtsberaterin des Beschwerdeführers im Asylverfahren bestellten ARGE eingebunden. Aus dem Text des Verzichts geht hervor, dass eine Mitarbeiterin des VMÖ den Beschwerdeführer bei der Abgabe des Rechtsmittelverzichts beraten hat. Der VMÖ verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass diese Mitarbeiterin zur Erfüllung der Aufgaben der "Rückkehrvorbereitung" tätig geworden sei. Eine solche Betreuung ist aber mit der amtswegig zu bestellenden Rechtsberatung gemäß § 66 AsylG 2005 schon deswegen nicht gleichzusetzen, weil ihr Gegenstand begrifflich einen aus der Sicht des Asylwerbers negativen Verfahrensausgang oder das Nichtergreifen zu Gebote stehender Rechtsmittel voraussetzt.

Die – wie immer geartete – "Rückkehrvorbereitung" durch den VMÖ kann also die gesetzlich zwingend vorgesehene Rechtsberatung durch den dazu bestellten Rechtsberater nicht ersetzen. Zweck der Rechtsberatung ist es, den Asylwerber im Verwaltungsverfahren wie im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu beraten, was die Beratung darüber einschließt, ob eine Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben werden soll. Damit hat sich die Rechtsberatung aber jedenfalls auf all jene Rechtshandlungen zu beziehen, die diese Fragen in irgendeiner Weise endgültig entscheiden. Die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts zählt jedenfalls dazu.

Der Asylgerichtshof hätte also prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer den Rechtsmittelverzicht nach entsprechender Beratung durch die gemäß § 66 AsylG 2005 bestellte Rechtsberaterin abgegeben hat. Indem der Asylgerichtshof jegliche Ermittlungstätigkeit in diesem entscheidenden Punkt unterlassen hat, hat er Willkür geübt.

IV. Ergebnis

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 220,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:U489.2013