VfGH vom 27.06.2012, U462/12

VfGH vom 27.06.2012, U462/12

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Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Asylantrags und Ausweisung eines afghanischen Staatsangehörigen nach Italien mangels jeglicher Auseinandersetzung in einem entscheidungswesentlichen Aspekt

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er hinsichtlich seines Fluchtweges an, sein Heimatland bereits im Jahr 2005 verlassen zu haben und zunächst über Griechenland nach Belgien gelangt zu sein, von wo er nach Griechenland rücküberstellt worden wäre. In Griechenland hätte er sich sodann von März 2006 bis November 2011 aufgehalten. Danach wäre er nach Italien gereist, wo er einen Asylantrag gestellt hätte. Kurz darauf wäre seine Weiterreise nach Österreich erfolgt. Italien hätte er deshalb verlassen, weil er von anderen Afghanen über die dortigen schlechten Lebensbedingungen erfahren hätte.

Auf Grund dieser Angaben stellte das Bundesasylamt am an Italien ein Ersuchen um Aufnahme des Beschwerdeführers im Sinne des Art 17 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin-II-VO). Italien antwortete auf dieses Ersuchen nicht.

1.2. Das Bundesasylamt wies daraufhin den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom gemäß § 5 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005), als unzulässig zurück, weil gemäß Art 16 Abs 1 litc Dublin-II-VO Italien für die Prüfung des Antrags zuständig wäre. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde vom wies der Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung vom gemäß §§5 und 10 AsylG 2005 ab. Betreffend die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers hält der Asylgerichtshof Folgendes fest:

"2.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art 6-12 bzw 14 und Art 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

2.2. In den vorliegenden Fällen ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Italiens gemäß Art 16 Abs 1 litc. Dublin II VO besteht. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Reiseroute sowie der damit korrelierenden EURODAC-Treffer nahm das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Italien auf und hat Italien die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort gemäß Art 20 Abs 1 litc. akzeptiert.

Art 20 Abs 1 litb. und litc. lauten:

(1) Gemäß Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben c), d) und e) wird ein Asylwerber nach folgenden Modalitäten wieder aufgenommen:

b) der Mitgliedstaat, der um Wiederaufnahme des Asylwerbers ersucht wird, muss die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Antrag so rasch wie möglich und unter keinen Umstände später als einen Monat, nachdem er damit befasst wurde, beantworten. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen;

c) erteilt der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen gemäß Buchstabe b) keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert.

Es ist den Ausführungen des Bundesasylamtes im erstinstanzlichen Bescheid zu folgen, dass - wie eben zitiert - die Zustimmung durch Verfristung in der Dublin-II-VO gesetzlich geregelt ist und fehlende Antworten von Asylbehörden nichts Außergewöhnliches darstellen. Die Überstellungsmodalitäten nach Italien sind die gleichen wie bei Vorliegen einer expliziten Zustimmung und sind daher keine wie immer gearteten Nachteile für den Beschwerdeführer zu erwarten.

Zum Beschwerdevorbringen, das Bundesasylamt habe mit Italien willkürlich Konsultationen geführt, indem den italienischen Behörden nicht mitgeteilt worden wäre, dass der Beschwerdeführer sich vor Antragstellung in Italien unter anderem für lange Zeit in Griechenland aufgehalten habe, ist auszuführen, dass den italienischen Behörden im Wiederaufnahmeersuchen alle entscheidungswesentlichen Umstände umfassend mitgeteilt wurden:

'The eurodac-result proves four eurodac-hits in sum. Please have a look at the attachment.

In his first hearing the applicant stated credibly that he left his homecountry and entered the territory of the European Union via Greece first time in 2005. After a short stay in Greece the applicant moved to Belgium, applied for asylum and was transferred back to Greece, after a rejection at Belgium. He further said, that he lived in Greece until November 2011 illegally. Afterwards he moved from Greece to Italy by ship, after his arriving in Italy the a. m. person applied for asylum in Italy on . Finally the a. m. person travelled to Austria and applied for asylum once again.

The statement looks like credibly and plausibly in connection with the eurodac-result of the a.m. person. ...'

Es ist somit offensichtlich, dass den italienischen Behörden sowohl die vier EURODACTreffer (somit inklusive der in Griechenland registrierten Asylantragstellung) als auch der behauptete Aufenthalt in Griechenland mitgeteilt wurde.

Es sind somit aus der Aktenlage - auch vor dem Hintergrund des oben erwähnten vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens der italienischen Asylbehörde - keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im 'Dublin-Verfahren', Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei und gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen daher ins Leere."

Zwingende Gründe für einen Selbsteintritt Österreichs in die materielle Prüfung des Asylantrags gemäß Art 3 Abs 2 Dublin-II-VO seien nicht erkennbar: So liege hinsichtlich Italien keine Berichtslage des UNHCR oder anderer Organisationen vor, die eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art 3 EMRK durch seine Überstellung dorthin wahrscheinlich machen würden. Zudem seien - anders als dies durch den EGMR in seinem Urteil vom , Fall M.S.S., Appl. 30.696/09, in Bezug auf Griechenland festgestellt worden sei - keine schweren systemischen Mängel im italienischen Asylverfahren zu ersehen. Schließlich stehe auch Art 8 EMRK der Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht entgegen, weil er in Österreich keine familiären Bezüge aufweise und schon auf Grund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet kein schützenswertes Privatleben entwickelt habe.

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art 3, 8 und 13 EMRK sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Begründend wird dabei ausgeführt, der Asylgerichtshof habe sich lediglich kursorisch auf die Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes bezogen, ohne sich inhaltlich näher mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Insbesondere sei auf die Problematik einer Kettenabschiebung des Beschwerdeführers durch die italienischen Behörden an Griechenland nicht eingegangen worden. Zudem habe es der Asylgerichtshof unterlassen, wegen der gesundheitlichen Beschwerden des Beschwerdeführers das Selbsteintrittsrecht Österreichs gemäß Art 3 Abs 2 Dublin-II-VO auszuüben. Schließlich sei auch jegliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich eines allenfalls im Bundesgebiet bestehenden Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers verabsäumt worden.

4. Der Asylgerichtshof sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und übermittelte die Verfahrensakten.

II. Rechtslage

1. Nach § 5 Abs 1 AsylG 2005 ist ein nicht bereits

wegen Drittstaatssicherheit erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-II-VO zur Prüfung des Antrags zuständig ist. Eine derartige Zurückweisung ist gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden.

2. Die Dublin-II-VO ersetzte in ihrem Geltungsbereich das Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (kundgemacht in BGBl. III 165/1997).

2.1. Die Dublin-II-VO legt die Kriterien und das Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest. Gemäß des in Kapitel III enthaltenen Art 5 der Verordnung finden diese Kriterien in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge Anwendung. Hält ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags für zuständig, führt er ein so genanntes Konsultationsverfahren durch, in dem er im Rahmen der Verwaltungskooperation gemäß Art 21 Dublin-II-VO den anderen Mitgliedstaat um Daten und Informationen über den Asylwerber oder gemäß Art 17 leg.cit. gleich um Aufnahme des Asylwerbers ersucht. Der ersuchte Mitgliedstaat entscheidet über dieses Gesuch gemäß Art 18 leg.cit. innerhalb von zwei Monaten.

2.2. Kapitel III der Dublin-II-VO lautet

auszugsweise:

"KAPITEL III

RANGFOLGE DER KRITERIEN

Artikel 5

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Artikel 6

Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt.

Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.

Artikel 7

Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen.

Artikel 8

Hat ein Asylbewerber in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde, so obliegt diesem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags, sofern die betroffenen Personen dies wünschen.

Artikel 9

(1) Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

(2) - (5) [...]

Artikel 10

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Asylbewerber - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich zum Zeitpunkt der Antragstellung zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Hat der Asylbewerber sich für Zeiträume von

mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo dies zuletzt der Fall war, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 11

(1) Reist ein Drittstaatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein, in dem für ihn kein Visumzwang besteht, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

(2) Der Grundsatz nach Absatz 1 findet keine

Anwendung, wenn der Drittstaatsangehörige seinen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat stellt, in dem er ebenfalls kein Einreisevisum vorweisen muss. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 12

Stellt ein Drittstaatsangehöriger einen Asylantrag im internationalen Transitbereich eines Flughafens eines Mitgliedstaats, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 13

Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung

nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Artikel 14

Stellen mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Asylantrag, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:

a) zuständig für die Prüfung der Asylanträge

sämtlicher Familienmitglieder ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist;

b) andernfalls obliegt die Prüfung dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist."

2.3. Auch wenn ein Mitgliedstaat nach den dargelegten Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, kann er einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen.

Art3 Dublin-II-VO lautet:

"Artikel 3

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Asylbewerber nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Wahrung der Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention in einen Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

(4) Der Asylbewerber wird schriftlich und in einer ihm hinreichend bekannten Sprache über die Anwendung dieser Verordnung, ihre Fristen und ihre Wirkung unterrichtet."

2.4. Der Asylgerichtshof stützt seine Entscheidung auf Art 16 Abs 1 litc sowie Art 20 Abs 1 litb und c Dublin-II-VO.

Die genannten Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"KAPITEL V

AUFNAHME UND WIEDERAUFNAHME

Artikel 16

(1) Der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

a) - b) [...]

c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen;

[...]"

"Artikel 20

(1) Gemäß Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben c), d) und e) wird ein Asylbewerber nach folgenden Modalitäten wieder aufgenommen:

a) das Wiederaufnahmegesuch muss Hinweise enthalten, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen kann, dass er zuständig ist;

b) der Mitgliedstaat, der um Wiederaufnahme des Asylbewerbers ersucht wird, muss die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Antrag so rasch wie möglich und unter keinen Umstände später als einen Monat, nachdem er damit befasst wurde, beantworten. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen;

c) erteilt der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen gemäß Buchstabe b) keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert;

[...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden,

nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit.

gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa

VfSlg. 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Schließlich ist von einem willkürlichen Verhalten auch auszugehen, wenn die Behörde die Rechtslage gröblich bzw. in besonderem Maße verkennt (zB ; VfSlg. 18.091/2007, 19.283/2010 mwN).

2. Ein solches willkürliches Vorgehen ist dem

belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Der Asylgerichtshof geht von der Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags des Beschwerdeführers gemäß Art 16 Abs 1 litc Dublin-II-VO aus. Dabei handelt es sich aber um kein Zuständigkeitskriterium nach Kapitel III der Dublin-II-VO, sondern um eine Bestimmung, die ausschließlich die Wiederaufnahme eines Asylwerbers im Falle der Zuständigkeitsbestimmung nach den Art 5 - 14 Dublin-II-VO regelt. Mit der Frage, nach welchem dieser in Kapitel III der Dublin-II-VO genannten Kriterien Italien für die Prüfung des vorliegenden Asylantrages zuständig sein soll, setzt sich der Asylgerichtshof mit keinem Wort auseinander. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung geht er auch auf die Reiseroute des Beschwerdeführers beziehungsweise dessen langjährigen Aufenthalt in Griechenland überhaupt nicht ein.

Stattdessen begnügt sich der Asylgerichtshof

lediglich mit dem Argument, dass Italien auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesasylamtes vom nicht reagierte, womit die italienischen Behörden gemäß Art 20 Abs 1 litc Dublin-II-VO die Wiederaufnahme akzeptiert hätten. Allein die - im vorliegenden Fall bloß fingierte - Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Übernahme eines Asylwerbers reicht jedoch für eine Entscheidung nach § 5 Abs 1 AsylG 2005 nicht aus (vgl. VfSlg. 18.752/2009).

2.2. Da der Asylgerichtshof somit jegliche Auseinandersetzung in einem für die Begründung seiner Entscheidung wesentlichen Aspekt vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher

aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88

VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.