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VfGH vom 13.09.2013, U370/2012

VfGH vom 13.09.2013, U370/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan mangels ausreichender Ermittlungen im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Übersiedlung nach Kabul; Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten; zutreffende Annahme des Nichtvorliegens asylrelevanter Fluchtgründe

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan und seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973). Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein am geborener Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste am in das österreichische Bundes gebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100, idgF (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 leg.cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 idF BGBl I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Asylgerichtshof aus:

2.1. Der Beschwerdeführer sei ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger, dessen Identität nicht festgestellt werden könne. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten an. Ihm komme keine persönliche Glaubwürdigkeit zu und die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht glaubhaft gemacht worden: Das Vorbringen, dem Einschreiter drohe in Afghanistan Verfolgung durch den eifersüchtigen Exmann bzw. ehemaligen Verlobten seiner Frau, der Kommandant bzw. Polizeikommandant sei, sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Er habe das Vorbringen auch nicht belegen oder beweisen können. Die Widersprüche habe er nicht entkräften können. Dass diese auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher auf Grund des Dialekts des Beschwerdeführers zurückzuführen seien, sei eine Schutzbehauptung. Eine andere Verfolgung habe er nicht vorgebracht. Eine Gefährdung des Beschwerdeführers sei auch unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen von Amts wegen nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer werde in seinem Herkunftsstaat weder wegen seiner Volksgruppen zugehörigkeit noch wegen seiner Religion verfolgt. Auch auf Grund der Ausreise, Asylantragstellung in Österreich oder anderer Umstände, die sich außerhalb seines Herkunftsstaates ereignet haben, drohe dem Einschreiter keine Verfolgung.

2.2. In Afghanistan herrsche keine solche Situation, in der jedermann, der sich in Afghanistan aufhalte, einem realen Risiko einer Verletzung nach Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre oder in der jedermann ein reales Risiko drohe, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu werden. Insbesondere in den Städten, die sich in Regierungshand befänden, sei die Sicherheitssituation zwar angespannt, aber nicht so schlecht, dass sich eine gegenteilige Annahme rechtfertigen ließe. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sei in seinen Urteilen , Fall Husseini , Appl. 10.611/09, Z 84, und , Fall N. , Appl. 23.505/09, Z 52, trotz des Hinweises auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan zu dem Schluss gekommen, dass in Afghanistan nicht eine solche Situation herrsche, in der jedermann, der sich in diesem Land aufhalte, ein reales Risiko treffe, eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK zu erleiden. Aus den in der Entscheidung wiedergegebenen Länderberichten des UK Home Office aus 2011 ergebe sich nicht, dass in Kabul ein Bürgerkrieg bzw. eine bürgerkriegsähnliche Situation herrsche, auch wenn es immer wieder zu Anschlägen komme, die sich allerdings nicht gegen die Zivilbevölkerung richteten, sondern diese allenfalls jeweils zufällig träfen, wenn dies die Taliban billigend in Kauf nähmen. Die Anschläge in Kabul hätten den Länderberichten zufolge weder Art noch Zahl erreicht, dass davon auszugehen sei, dass praktisch jedermann Opfer eines solchen Anschlages werden könne. Der Beschwerdeführer habe somit weder ein reales Risiko einer Verletzung nach Art 2 oder 3 EMRK, noch ein solches Risiko, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein, glaubhaft gemacht.

Der Beschwerdeführer komme aus einem Staat, in dem die Todesstrafe nicht abgeschafft sei. Es gebe jedoch keinen Hinweis auf ein bestehendes reales Risiko, dass der Beschwerdeführer dieser unterworfen werde.

Der gesunde Beschwerdeführer habe auch nicht glaubhaft gemacht, im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Situation zu kommen und dadurch eine Verletzung von Art 3 EMRK befürchten zu müssen. Erst vor dem Asylgerichtshof habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er in Afghanistan mangels Arbeit nicht leben könne und dort "Erde essen" müsse. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, und ob dieser in sicheren Regionen Verwandte habe, sei wegen seiner fehlenden persönlichen Glaubwürdigkeit und mangels Vorlage entsprechender Beweismittel nicht feststellbar. Hiefür sprächen einerseits die Widersprüche zur Frage, wann und unter welchen Umständen der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen habe, und andererseits die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Kernfamilie habe wegen seiner (nicht glaubhaft gemachten) Probleme Afghanistan verlassen. "Aus Verschulden des Beschwerdeführers" könne "sohin nicht festgestellt werden, dass dieser kein hinreichendes soziales Netz in Afghanistan mehr hat und daher im Falle seiner Rückkehr in eine hoffnungslose Lage kommen würde." Rechtlich führt der Asylgerichtshof hiezu aus:

"Ist ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, so ist gemäß § 8 AsylG 2005 in Erledigung des Eventualantrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten festzustellen, ob dem Antragsteller dieser Status zuzuerkennen ist. Dieser ist dann zuzuerkennen, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat wegen des realen Risikos einer Verletzung der Art 2 und 3 EMRK oder des 6. oder 13. Zusatzprotokolls zur EMRK nicht zulässig ist.

Einleitend ist auszuführen, dass auch die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes und unbeschadet ihrer Verpflichtungen aus internationalen Verträgen einschließlich der EMRK das Recht haben, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Ausländern zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Ausländers durch einen Vertragsstaat der EMRK ein Problem nach Art 2 und/oder 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit des beteiligten Staates aufgrund der Konvention auslösen, wenn stichhaltige und nachweisliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall der Ausweisung in den Zielstaat dort einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, einer den Art 2 und/oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. In einem solchen Fall beinhaltet diese Bestimmung die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in dieses Land auszuweisen (EGMR , 22414/93, Chahal/Vereinigtes Königreich, Rn. 73f; , 25964/94, Ahmed/Österreich, Rn. 39). Jedoch muss derjenige, der behauptet, im Fall seiner Ausweisung in ein bestimmtes Land der ernsthaften Gefahr einer den Art 2 und/oder Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein, seine Behauptungen durch eine Glaubhaftmachung untermauern (EKMR , 12102/86, Y.-N./Schweiz); die bloße Behauptung entfernter Auswirkungen genügt nicht (EGMR , 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich, Rn. 85). Ferner zieht die bloße Möglichkeit einer verbotenen Behandlung aufgrund von instabilen Verhältnissen in einem Land an sich keine Verletzung von Art 3 EMRK nach sich (EGMR , 13163/87, Vilvarajah u. a./Vereinigtes Königreich, Rn. 111). Der Asylgerichtshof geht allerdings davon aus, dass die Verpflichtung für die Glaubhaftmachung einer solchen Gefahr einen Fremden nicht trifft, wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat eine solche ist, dass praktisch jedermann ein reales Risiko einer Verletzung nach den Art 2 und/oder 3 EMRK trifft, der sich in diesem Staate aufhält.

Selbiges gilt sinngemäß für ein reales Risiko, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu werden.

Wie der Asylgerichtshof in Übereinstimmung mit der aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe die oben zitierten Urteile des EGMR Husseini gegen. Schweden vom [Fall Nr 10611/09], insbesondere Z 84 samt Überschrift und N. gegen Schweden vom (Nr 23505/09), insbesondere Z 52) festgestellt hat, herrscht in Afghanistan nicht eine solche allgemeine Lage, dass praktisch jedermann ein reales Risiko einer Verletzung nach den Art 2 und/oder 3 EMRK trifft oder praktisch jedermann eine[r] ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt ist.

Daher hätte der Beschwerdeführer – so er vermeint, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan eine Verletzung der oben genannten Rechte darstellen würde – diese Verletzung glaubhaft machen müssen. Allerdings hat der Beschwerdeführer einerseits lediglich eine nicht glaubhafte Fluchtgeschichte vorgetragen, sodass ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte durch aktive Einwirkung Dritter nicht glaubhaft gemacht wurde und andererseits war es dem Asylgerichtshof mangels persönlicher Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auch nicht möglich festzustellen, dass dieser im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Lage kommen würde. Der Asylgerichtshof weist abermals darauf hin, dass das Bestehen eines realen Risikos einer Verletzung nach Art 2 und/oder 3 EMRK oder des realen Risiko[s] als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu werden, vom jeweiligen Antragsteller bzw. [B]eschwerdeführer glaubhaft gemacht werden muss, wenn in seinem Herkunftsstaat nicht eine solche Situation vorliegt, in der praktisch jedermann einem solchen reales Risiko unterliegt; Glaubhaftmachung setzt aber eine zumindest gewisse persönliche Glaubwürdigkeit voraus, auch wenn bei einem aus Afghanistan stammenden Fremden auf Grund der allgemeinen Lage eher von der Gefahr eines solchen Risikos auszugehen sein wird. Diese persönliche Glaubwürdigkeit fehlt dem Beschwerdeführer aber auf Grund seiner erheblich widersprüchlichen Ausführungen, sodass er ein reales Risiko einer Verletzung seiner relevanten Rechte nicht glaubhaft gemacht hat."

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf Art 144a B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

Begründend führt der Beschwerdeführer aus, der Asylgerichtshof hätte auf Grund der widersprüchlichen Angaben zur Erkenntnis gelangen müssen, dass der Beschwerdeführer stark traumatisiert sei und deshalb die Angabe von widersprüchlichen Sachverhalten die Glaubwürdigkeit nicht trübe. Es sei gerichtsnotorisch, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und seine Flucht gegen Entgelt organisiert habe, sowie dass eine derartige Flucht mit einem hohen gesundheitlichen Risiko verbunden sei; würden die Fluchtgründe nicht vorliegen, hätte der Beschwerdeführer dieses Risiko nicht auf sich genommen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer an einer psychiatrischen Erkrankung leide. Der Asylgerichtshof habe einen Verfahrensmangel begangen, weil er es unterlassen habe, trotz der widersprüchlichen Angaben ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Dadurch sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden. Es seien auch keine Feststellungen getroffen worden, welche Versorgung der Beschwerdeführer bei Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung in Afghanistan hätte und ob im Hinblick auf die ärztliche Versorgung Art 8 EMRK gewährleistet werden könne.

4. Der Asylgerichtshof hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, beantragt die Abweisung der Beschwerde und nimmt zum Beschwerdevorbringen Stellung wie folgt:

Der Beschwerdeführer sei am durch Polizeiorgane erstbefragt worden und am , und vom Bundesasylamt einvernommen worden. Der Asylgerichtshof habe am eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Einschreiter sei bei jeder Befragung nach seinem Gesundheitszustand gefragt worden; er habe weder das Vorliegen einer psychischen Erkrankung angedeutet, noch Symptome wie Alpträume oder Rückhallerinnerungen geschildert, die auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung schließen ließen. Auch der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers habe nicht auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung schließen lassen. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer erheblich widersprüchliche Angaben gemacht habe, könne nicht auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung geschlossen werden. Ebensowenig könne der Umstand der geschleppten Migration nach Europa – auch wenn diese mit erheblichen Risiken verbunden sei – das Vorliegen einer Verfolgung im Herkunftsstaat beweisen, weil bei der Planung – aus menschlicher Sicht verständlich – regelmäßig die Risiken ausgeblendet würden.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken (zB VfSlg 18.614/2008, 18.741/2009, 18.986/2010, 19.578/2011).

1. Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005:

1.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB , 98/01/0262; , 98/20/0350; , 99/01/0280) sowie des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 19.086/2010; ; , U485/2012) zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft eines Asylwerbers muss eine wohlbegründete Furcht vor staatlicher Verfolgung gewisser Intensität vorliegen, welche ihren Grund in der Rasse, Religion, Nationalität, Gruppenzugehörigkeit oder in der politischen Gesinnung des Asylwerbers hat.

1.2. Der Asylgerichtshof hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ein Bild gemacht und in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass den Angaben des Beschwerdeführers auf Grund deren Unplausibilität und Widersprüchlichkeit die Befürchtung, im Falle seiner Rückkehr drohe Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention, nicht glaubhaft zu entnehmen sei.

1.3. Auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, die Widersprüche seien einer Traumatisierung bzw. psychiatrischen Krankheit geschuldet und der Asylgerichtshof hätte ein Gutachten zur psychischen Verfasstheit des Beschwerdeführers einholen müssen, ist dem Asylgerichtshof nicht entgegenzutreten, wenn er von der geistigen Gesundheit des Beschwerdeführers ausging, der weder in den drei Einvernahmen vor dem Bundesasylamt noch in der Beschwerde an den oder in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof derartige Probleme releviert, sondern vielmehr behauptet hat, gesund zu sein, und die Widersprüche mit Übersetzungsfehlern zu rechtfertigen suchte.

1.4. Der Asylgerichtshof geht weiters denkmöglich davon aus, dass dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der dem Beschwerdeführer vorgehaltenen, aktuellen Länderberichte weder auf Grund seiner Volksgruppen-, noch auf Grund seiner Religionszugehörigkeit Gefahr drohe und auch von Amts wegen keine Asylgründe zu erkennen seien.

1.5. Er konnte sohin zutreffend vom Nichtvorliegen asylrelevanter Fluchtgründe ausgehen. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin insofern nicht stattgefunden.

2. Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (VfSlg 19.602/2011 mwN).

Da der Asylgerichtshof das Vorbringen des Beschwerdeführers zumindest insofern für glaubwürdig hält, als er von der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgeht, ist das Vorliegen von Gründen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs 1 AsylG 2005 bezogen auf den Herkunftsstaat Afghanistan (§2 Abs 1 Z 17 leg.cit.) zu prüfen.

Hiezu stellt der Asylgerichtshof gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fest, dass in Afghanistan keine solche Situation herrsche, in der jedermann, der sich dort aufhalte, einem realen Risiko einer Verletzung nach Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre oder in der jedermann ein reales Risiko drohe, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein. Der Asylgerichtshof stellt fest, dass dem Beschwerdeführer die persönliche Glaubwürdigkeit fehle und dass er keine Beweismittel vorgelegt habe, um einen § 8 Abs 1 AsylG 2005 unterfallenden Tatbestand darzutun. Er habe auch erst vor dem Asylgerichtshof vorgebracht, im Falle der Rückkehr in Afghanistan keine Arbeit zu finden, seinen Lebensunterhalt nicht sichern zu können und nichts zu essen zu haben. Aus Verschulden des Beschwerdeführers könne weder die Herkunftsregion des Beschwerdeführers festgestellt werden, noch, ob er über ein soziales Netz in Afghanistan verfüge. Da es aber dem Beschwerdeführer oblegen sei, eine drohende Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK glaubhaft zu machen, könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in eine hoffnungslose Lage geraten würde.

2.2. Damit verkennt der Asylgerichtshof aber die Rechtslage in gehäuftem Maße:

2.2.1. Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt (vgl. § 8 Abs 1 AsylG 2005) auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (; , U2087/2012).

2.2.2. Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich unterschiedliche Angaben zu seinem Heimatdorf tätigte oder ob es sich einfach um Übersetzungsfehler handelte und ob angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer gleichbleibend vorbrachte, dass sein Heimatdorf in der Region Ghazni liege, die Heimatregion tatsächlich nicht festgestellt werden konnte, weil der Asylgerichtshof in der angefochtenen Entscheidung nur die Sicherheitslage in Kabul prüft und damit implizit davon ausgeht, dass es dem Beschwerdeführer zumutbar ist, nach Kabul zu ziehen. Davon ausgehend hätte der Asylgerichtshof aber nicht nur die dortigen allgemeinen Gegebenheiten, sondern auch die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine Übersiedlung nach Kabul zu prüfen gehabt.

Auch wenn die Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes vom Fremden glaubhaft zu machen sind (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser , AsylG 2005 6 , 2012, § 8 K 33) müssen notorische Entwicklungen im Herkunftsstaat auch im Rahmen des § 8 Abs 1 AsylG 2005 von Amts wegen berücksichtigt werden (vgl. ; , 99/20/0465, zum Refoulementschutz gem. § 8 Asylgesetz 1997). Es genügt sohin nicht, auf die allgemeine Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers – auch hinsichtlich seiner Herkunftsregion und bezüglich seines sozialen Netzes in Afghanistan – abzustellen. Vielmehr wäre es – angesichts der Länderberichte (vgl. ; , U2436/2012) – erforderlich gewesen, im konkreten Einzelfall zu begründen, inwiefern es dem Beschwerdeführer möglich ist, in einem bestimmten Teil Afghanistans, im konkreten Fall in Kabul, zu überleben (). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – auf den sich der Asylgerichtshof beruft – geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar sei, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder Stamm am Zielort verfügbar sei; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien sei es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemein schaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden sei, sei aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (EGMR, , Fall Husseini , Appl. 10.611/09, Z 96; , Fall H. und B. , Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Z 45 und 114).

Diesen Anforderungen ist der Asylgerichtshof jedoch nicht nachgekommen: Weder hat er sich mit dem im Hinblick auf Art 3 EMRK relevanten Vorhandensein einer Unterkunft bzw. der Möglichkeit der Versorgung an dem von ihm angenommen Zielort Kabul allgemein auseinandergesetzt, noch Feststellungen dazu getroffen, ob Umstände vorliegen, die den Beschwerdeführer auch ohne Vorliegen eines sozialen Netzwerks in Kabul – dessen Vorhandensein der Asylgerichtshof seinen eigenen Angaben zufolge nicht feststellen konnte – in die Lage versetzten, seinen Lebensunterhalt derart zu sichern, sodass er in keine, im Hinblick auf Art 3 EMRK relevante, aussichtslose Lage gerät.

2.3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist dem Asylgerichtshof hingegen auch im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorzuwerfen, dass er von der Gesundheit des Beschwerdeführers ausgeht und die Behandlungsmöglichkeiten psychischer Leiden in Kabul nicht erhebt.

2.4. Zusammengefasst belastet der Asylgerichtshof seine Entscheidung mit Willkür, weil er die ihn treffende Ermittlungspflicht grob verkennt, indem er von der Zumutbarkeit der Übersiedlung nach Kabul ausgeht, ohne zu begründen, wie der Beschwerdeführer dort angesichts der notorisch schwierigen Versorgungslage ohne familiäres Netz seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art 3 EMRK widersprechende aussichtslose Lage gelangt (vgl. ). Die angefochtene Entscheidung ist daher, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, aufzuheben.

3. Zur Ausweisung nach Afghanistan gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005:

Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 voraussetzt, dass der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist die bekämpfte Entscheidung, soweit der Beschwerdeführer damit aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen wird, ebenfalls aufzuheben.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und die Ausweisung nach Afghanistan abgewiesen wird.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat, soweit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wurde, demgegenüber nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer insofern in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher insoweit abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Kosten wurde nicht beantragt.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß Art 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.