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VfGH vom 18.09.2014, U27/2014

VfGH vom 18.09.2014, U27/2014

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers in den Libanon mangels Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz Nabatäa

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit ihm damit der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer in den Libanon ausgewiesen wird, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Libanon aus Kossaybeh in der Provinz Nabatäa, reiste am auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, die Hisbollah habe ihn wiederholt aufgefordert, eine militärische Ausbildung zu absolvieren und für sie zu kämpfen. Dies habe der Beschwerdeführer abgelehnt, weshalb er mehrmals von Mitgliedern der Hisbollah geschlagen worden sei. In der Folge habe er sich aus Furcht vor der Hisbollah für die Dauer eines Jahres versteckt gehalten und sei schließlich ausgereist. Im Fall seiner Rückkehr in den Libanon fürchte er, von der Hisbollah getötet zu werden. Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 4/2008, ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 4/2008, den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 4/2008, in den Libanon aus (Spruchpunkt III.).

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1 Z 1 und § 10 Abs 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 67/2012 (im Folgenden: AsylG 2005) ab. Zur Begründung führt die angefochtene Entscheidung aus, dass das Fluchtvorbringen aufgrund der teilweise widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei.

Zur Person des Beschwerdeführers stellt der Asylgerichtshof fest, dass dieser "aus K. im Südlibanon" stamme.

In Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten trifft der Asylgerichtshof u.a. folgende Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

"Zur Lage im Libanon werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Hinblick auf die aktuelle Situation im Libanon wird auf die Feststellungen im Bericht des Deutschen Auswärtige[n] Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom sowie die Feststellungen der Staatendokumentation vom Februar 2013 verwiesen.

Diesen Berichten zufolge gibt es im Libanon keine Anhaltspunkte für staatliche Repressionen gegen bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Im Besonderen geht aus dem Berichtsmaterial auch hervor, dass nicht von einer allgemeinen Gefahr für Leib und Leben dorthin rückverbrachter Personen gesprochen werden kann. Der staatliche Justiz- und Sicherheitsapparat ist im Wesentlichen funktionsfähig und erstreckt sich auf den gesamten Libanon mit Ausnahme der Flüchtlingslager.

Durch die aktuellen Ereignisse in Syrien, die punktuell Auswirkungen auf die allgemeine Lage im Libanon einerseits in Form von fallweisen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des syrischen Regimes im Norden des Libanon, insbesondere in der Hafenstadt Tripolis, andererseits durch den Zustrom von syrischen Kriegsflüchtlingen in den Libanon zeitigen, ist es zu keiner Verschlechterung der Lage gekommen, die auf den BF in einer Weise durchschlägt, dass er dadurch dem realen Risiko einer möglichen Verletzung seiner durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre."

Die angefochtene Entscheidung enthält keine weiteren Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat.

Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hält der Asylgerichtshof fest:

"Die dem BF in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen beruhen auf den genannten Quellen, an deren Seriosität und Plausibilität der Asylgerichtshof keine Bedenken hegt; sie geben ein in sich stimmiges Bild der derzeitigen Lage im Libanon ab und wurden vom BF auch nicht substantiiert bekämpft.

Soweit es zwischenzeitig vor dem Hintergrund der allgemein bekannten Ereignisse in Syrien zu punktuellen Veränderungen der Lage im Libanon gekommen ist, war als notorisch festzustellen, dass sich diese als Einzelereignisse und regional begrenzt darstellen. Aus diesen Feststellungen resultiert folgerichtig auch, dass das reale Risiko einer gravierenden Verletzung der Rechtssphäre des BF aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Region als nicht wahrscheinlich anzusehen ist."

Der einen Bestandteil des Gerichtsakts bildende Bericht der Staatendokumentation des Bundesasylamts zum Libanon vom Februar 2013, auf den die angefochtene Entscheidung verweist, lautet auszugsweise wie folgt:

"Sicherheitslage

Nach dem Bombenattentat in Beirut am und den Krawallen am Rande der Begräbnisfeierlichkeiten einiger Opfer am 21.10. ist die Sicherheitslage im ganzen Land sehr angespannt. Weitere Demonstrationen und Ausschreitungen sind nicht auszuschließen. Landesweit sind seit dem ca. 40 illegale Straßenblockaden errichtet worden, welche mitunter ein Sicherheitsrisiko darstellen. Der Bürgerkrieg in Syrien wirkt sich auf die Sicherheitslage im Libanon aus. Seit Mai 2012 kam es zu zahlreichen gewaltsamen Ausschreitungen im Libanon, u.a. auch in Tripoli und Beirut mit mehreren Dutzend Toten. Seither kommt es immer wieder zu Demonstrationen und vereinzelten Straßensperren. Entführungen sind im Libanon eine weit verbreitete Praxis. Der Flughafen Beirut war vorübergehend blockiert.

[…]

Zurzeit wird die Innenpolitik im Libanon durch die Auswirkungen der Syrien-Krise auf den Libanon dominiert. Im Blickpunkt stehen dabei die wiederholten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des syrischen Regimes insbesondere in Tripoli sowie die Frage der syrischen Flüchtlinge im Libanon. Die Regierung unter Premierminister Mikati bemüht sich stark um eine Stabilisierung der Lage. Alle etablierten politischen Kräfte haben wiederholt zur Mäßigung aufgerufen.

[…]

Seit April 2011 steht Libanon zunehmend unter dem Schatten der Ereignisse in Syrien. Neben einem Zustrom von Flüchtlingen verschlechtert sich die Sicherheitslage und in Teilbereichen die Menschenrechtslage im Land. Neben Grenzverletzungen durch die syrische Armee kam es wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tripoli und vereinzelt auch in anderen Landesteilen, einschließlich der Hauptstadt Beirut.

[…]

Die Situation an der Grenze zu Israel im Süden des Landes blieb angespannt. Wie die UN berichteten, wurden am 15. Mai sieben palästinensische Flüchtlinge getötet und 111 Menschen verletzt, als israelische Truppen das Feuer auf palästinensische Flüchtlinge und weitere Personen eröffneten, die sich am Nakba-Tag (Gedenktag an die Vertreibung der Palästinenser in den Jahren 1948/49) an der Grenze versammelt hatten. Einige von ihnen hatten versucht, die Grenze nach Israel zu überqueren. Mindestens drei Menschen verloren durch israelische Streubomben und Landminen ihr Leben, weitere wurden verletzt. Die Munition war nach den Kampfhandlungen der vergangenen Jahre im Süden Libanons zurückgeblieben.

[…]"

Der ebenfalls einen Bestandteil des Gerichtsakts bildende Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom , auf den die angefochtene Entscheidung verweist, lautet auszugsweise wie folgt:

"Zusammenfassung

[…]

Seit April 2011 steht Libanon zunehmend unter dem Schatten der Ereignisse in Syrien. Neben einem Zustrom von Flüchtlingen verschlechtert sich die Sicherheitslage und in Teilbereichen die Menschenrechtslage im Land. Neben Grenzverletzungen durch die syrische Armee kam es wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tripoli und vereinzelt auch in anderen Landesteilen, einschließlich der Hauptstadt Beirut. Es herrscht weitgehend Pressefreiheit. Dennoch ist es insbesondere durch nicht-staatliche Akteure zu Übergriffen gegen Medien oder Journalisten bzw. zur Behinderung ihrer Arbeit gekommen. Unter Druck stehen auch aus Syrien geflüchtete Journalisten und Aktivisten.

[…]

Die Unruhen in Syrien und die traditionell engen und komplizierten Beziehungen zu diesem großen Nachbarland bestimmen derzeit die libanesische Politik. PM Mikati verfolgt einen strikten Kurs der Nichteinmischung, um drohende Auswirkungen der syrischen Krise auf den Libanon zu verhindern. Die Angst vor einer Destabilisierung des Libanon ist allgegenwärtig.

So ist es im Libanon insbesondere im Mai und Juni 2012 vermehrt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des syrischen Regimes und dessen Gegnern gekommen. Bereits am kamen bei Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Alawiten in Tripoli drei Menschen ums Leben. Erneute Auseinandersetzungen forderten dort zwischen dem 12. und dem 15. Mai weitere 7 Todesopfer. Nachdem am 20. Mai ein sunnitischer Geistlicher und sein Begleiter an einem Checkpoint des libanesischen Militärs im Norden des Libanon getötet wurden, kam es zum ersten Mal auch in Beirut zu tödlichen Auseinandersetzungen (2 Tote). Insbesondere die Sicherheitslage in Tripoli bleibt angespannt. Zuletzt flammten die Auseinandersetzungen dort im August wieder auf und forderten mindestens 17 Menschenleben; nur ein massiver Einsatz der Armee konnte die Lage oberflächlich beruhigen.

[…]

Die allgemeine Sicherheitslage gibt vielen Libanesen insbesondere aus Furcht vor einem Übergreifen des Konflikts in Syrien auf den Libanon Anlass zur Besorgnis. Seit Beginn der Auseinandersetzungen in Syrien ist bereits eine merkliche Verschlechterung eingetreten. So waren von März bis Juli 2011 sieben estnische Fahrradtouristen in der Bekaa-Ebene entführt – die erste Entführung westlicher Ausländer seit Ende des Bürgerkrieges. Seitdem kommt es in der Bekaa immer wieder zu kriminell motivierten Entführungen von Libanesen und Syrern. Neben den bereits erwähnten Kämpfen in Tripoli und z.T. in Beirut wurden im Mai, Juli und Dezember 2011 drei Sprengstoffanschläge auf UNIFIL-Truppen in Sidon und Tyros verübt, bei denen es zu Verletzten kam. Die Grenze zu Israel blieb – nach dem Schusswechsel beider Armeen am mit vier Toten – relativ ruhig. Es kam allerdings am zu einem erneuten Schusswechsel beider Armeen und am eskalierte eine Demonstration zum sog. Nakba-Tag am Grenzzaun. Nachdem palästinensische Demonstranten zum Grenzzaun vorstießen und diesen zu überwinden versuchten, starben in israelischem Feuer sieben Demonstranten. Am wurden erstmals seit zwei Jahren wieder zwei Raketen auf Israel abgefeuert. Bei allen Vorfällen konnte eine weitere Eskalation vermieden werden, Hisbollah trat – mit Ausnahme logistischer Unterstützung der Demonstration am – nicht in Erscheinung. Am haben unbekannte Täter versucht, den Vorsitzenden der christlichen anti-syrischen Partei 'Lebanese Forces', Samir Geagea, zu ermorden. Darüber hinaus wird von vereitelten Attentatsplänen gegen führende Mitglieder der inneren Sicherheitsbehörde ISF berichtet."

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, der Sache nach auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die angefochtene Entscheidung berufe sich ohne jegliches materielle Substrat auf notorische Kenntnisse, dass die Ereignisse in Syrien nur punktuelle und regional begrenzte Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Libanon hätten. Diese unrichtigen Tatsachenfeststellungen ohne die Heranziehung nachvollziehbarer Quellenangaben stellten sowohl einen Begründungsmangel als auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung dar. Selbst aus den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung könne eine Gefährdungslage abgeleitet werden, weil auch regional begrenzte Einzelereignisse ein Risiko- und Gefährdungsfaktor seien. Tatsächlich habe sich die Gefährdung des gesamten Landes dramatisch verschärft und es herrsche Kriegszustand.

4. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon sowie die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon richtet, begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem Asylgerichtshof bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit einer Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.602/2011 mwN). Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt (vgl. § 8 Abs 1 AsylG 2005) auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfSlg 19.739/2013; ; , U689/2013; , U2643/2012).

2.2. Die angefochtene Entscheidung gibt die Berichte, auf die sich die Feststellungen zur Lage im Libanon stützen, nicht wieder, sondern verweist nur auf die Berichte des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom sowie die Feststellungen der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom Februar 2013. Die durch den Asylgerichtshof getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage im Libanon, wonach die aktuellen Ereignisse in Syrien nur "punktuell Auswirkungen auf die allgemeine Lage im Libanon einerseits in Form von fallweisen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des syrischen Regimes im Norden des Libanon, insbesondere in der Hafenstadt Tripolis, andererseits durch den Zustrom von syrischen Kriegsflüchtlingen in den Libanon zeitigen", stehen aber in Widerspruch zu diesen Berichten. Danach sei die Sicherheitslage im ganzen Land sehr angespannt und gewaltsame Auseinandersetzungen seien nicht nur im Norden des Landes, sondern auch in anderen Landesteilen, u.a. der Hauptstadt Beirut, erfolgt.

2.3. Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage hätte sich der Asylgerichtshof mit der Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, um beurteilen zu können, ob eine Rückkehr nach Nabatäa, der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 zur EMRK bedeuten bzw. für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Die "notorische" Feststellung des Asylgerichtshofs, dass sich Änderungen der Sicherheitslage auf Grund der Ereignisse in Syrien nur "als Einzelereignisse und regional begrenzt darstellen", stellt keine – auf der Würdigung ausgewogener Quellen oder amtswegigen Erhebungen basierende – hinreichende Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatregion dar und reicht nicht aus, um die Feststellung des Asylgerichtshofs, dass das reale Risiko einer gravierenden Verletzung der Rechtssphäre des Beschwerdeführers aufgrund der aktuellen Ereignisse in der Region als nicht wahrscheinlich anzusehen sei, zu stützen. Weder trifft aber der Asylgerichtshof selbst Feststellungen zu Nabatäa, der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, zumal die angefochtene Entscheidung diese nicht einmal nennt, sondern nur den Herkunftsort des Beschwerdeführers mit "K. im Südlibanon" bezeichnet, noch finden sich derartige Feststellungen in den angeführten Länderberichten.

2.4. Der Asylgerichtshof hat daher, indem er einerseits die Feststellungen zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Widerspruch zu den von ihm selbst zitierten Länderberichten getroffen hat und andererseits jegliche Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers – die vor dem Hintergrund der Berichtslage einen wesentlichen Aspekt der Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten darstellt – vermissen lässt, seine Entscheidung mit Willkür belastet.

2.5. Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, ist die bekämpfte Entscheidung, auch soweit damit die Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Insbesondere konnte der Asylgerichtshof in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass das einschlägige Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig ist.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit damit die Abweisung des Asylantrages bekämpft wird, abzusehen (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2. Die Entscheidung ist daher, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und die Ausweisung in den Libanon abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Die als "ERV-Kosten" geltend gemachten Kosten sind schon deshalb nicht zuzusprechen, da diese bereits mit dem Pauschalsatz abgegolten sind (vgl. VfSlg 17.366/2004 zum Porto bei papierförmiger Einbringung).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:U27.2014