TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 26.06.2013, U2557/2012

VfGH vom 26.06.2013, U2557/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Asylantrags einer irakischen, aus Bagdad stammenden Beschwerdeführerin kaldäisch-katholischen Glaubens mangels Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation der Christen im Irak, insbesondere in Bagdad

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin, eine ca. zweiundsiebzigjährige irakische Staatsangehörige kaldäisch-katholischen Glaubens, die ihr gesamtes Leben in Bagdad lebte, stellte am , nachdem sie am legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, einen Antrag auf internationalen Schutz. Bereits in ihrer Erstbefragung am brachte sie u.a. vor, dass sie als Angehörige der kleinen christlichen Minderheit verfolgt werde. In ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am brachte die Beschwerdeführerin erneut vor, dass sie wegen ihrer Religionsangehörigkeit Probleme habe; sie habe Angst, die Kirche zu besuchen, müsse sich verstecken und habe als Christin keine Rechte. Weiters habe sie Angst, zu Hause gefunden und, so wie viele andere, getötet zu werden. Sie fürchte auch die Bomben und die täglichen Schießereien. Bei einer weiteren Einvernahme vor dem Bundes asylamt am brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, dass andauernd Unbekannte an ihre Haustür geklopft und sie mit dem Tode bedroht hätten, die Haustüre jedoch nicht aufgebrochen worden sei. Darüber hinaus sei ihr nichts geschehen. Im Irak halte sich noch die ca. achtzigjährige Schwester der Beschwerdeführerin auf; sie habe auch eine Vielzahl an Nichten und Neffen, von denen sie aber nicht wisse, ob sie noch im Irak lebten.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) abgewiesen und ihr der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Die Abweisung des Asylbegehrens wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerin keine individuellen Fluchtgründe glaubhaft vorgebracht habe bzw. diese nicht die nötige Intensität erreicht hätten und sie den Herkunftsstaat wegen der dortigen allgemeinen Situation verlassen habe. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 zuerkannt und ihr gemäß § 8 Abs 4 leg.cit. eine bis zum befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkte II. und III.), welche aktuell bis zum gültig ist.

3. In der ausschließlich gegen Spruchpunkt I. gerichteten Berufung gegen den soeben genannten Bescheid des Bundesasylamtes wurde u.a. die Verfolgung der Beschwerdeführerin wegen ihrer Religionsangehörigkeit geltend gemacht.

4. Der Asylgerichtshof führte im Rahmen des Beschwerdeverfahrens am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der er der Beschwerdeführerin vorläufige Feststellungen zur Lage im Irak zur Kenntnis brachte und ihr eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme einräumte. In ihrer daraufhin eingebrachten Stellungnahme vom wies die Beschwerdeführerin erneut auf die schlechte Situation von Christen im Irak hin.

5. Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung des Asylgerichtshofes vom wird die Beschwerde der Beschwerdeführerin gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Zunächst trifft der Asylgerichtshof im Wesentlichen folgende Feststellungen zur Situation von Christen im Irak:

"Lage der Christen

Gemäß dem Weltverfolgungsindex (WVI) 2011 von Open Doors werden rund 100 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens weltweit verfolgt und sind damit die größte Gruppe aller aus religiösen Gründen Verfolgten.

Der Irak ist von Position 17 auf Platz 8 unter jenen Ländern vorgerückt, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Grund hierfür ist die hohe Zahl von Gewaltakten mit Todesopfern und Verletzten. Zudem erhielt Open Doors vermehrt Informationen über die Zahl entführter Christen sowie über christenfeindliche Anschläge. Nach Sprengstoffanschlägen auf Kirchen im Dezember 2009 ist etwa annähernd die Hälfte der christlichen Einwohner von Mosul aus der Stadt geflohen. Auch während der Parlamentswahlen nahmen die Angriffe auf Christen deutlich zu. Die Ausschreitungen begannen kurz vor den im Januar 2010 erwarteten Wahlen und dauerten bis zu dem auf Anfang März verschobenen Wahltermin an. Ende Oktober 2010 endete ein Geiseldrama in einer Kirche in Bagdad für 58 Menschen tödlich. Mindestens 60 Menschen wurden verletzt. Im Berichtszeitraum kam es noch zu weiteren gezielten Tötungen von mindestens 90 Christen u.a. in Mossul, Bagdad und Kirkuk.

Bereits vor 2.000 Jahren gab es in der Region erste christliche Gemeinden, lange vor der Entstehung des Islam. Nur schätzungsweise 334.000 Christen leben noch im Irak, weniger als halb so viele wie im Jahr 1991. Die meisten gehören traditionellen Kirchen an, wie assyrischen, chaldäischen, katholischen oder armenischen Gemeinden. Zudem gibt es etliche tausend evangelikale Christen.

Die Motive für die Gewalt gegen Christen sind vielfältig: religiös, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Heute sind sie v.a. der Verfolgung durch kriminelle Banden und radikale Islamisten ausgesetzt, die sie als Verbündete des Westens ansehen.

[…]

Situation der Christen im Besonderen:

In einem Bericht vom Februar 2011 über das Phänomen der Vertreibung innerhalb des Landes stellt IOM fest, dass Christen in Bagdad – trotz der größeren Anzahl von 'Checkpoints' (Sicherheitskontrollpunkten) nahe ihrer Wohnungen – einer Lebensbedrohung ausgesetzt sind. Laut IOM suchten daher über 1.300 Christenfamilien in den nördlichen Provinzen Arbil (Erbil), Dohuk und Sulaimania (Sulaymaniyah) und Ninewa (Ninewa, Ninawa) Zuflucht. Arbil hat dabei den größten Flüchtlingsstrom mit über 700 vertriebenen Christenfamilien seit Dezember 2010 erlebt. Einige dieser Familien flüchteten ursprünglich in die Provinz Ninewa (Ninawa), bevor sie von dort neuerlich vertrieben wurden, in Ninewa lebten zum Berichtszeitpunkt noch 276 Familien.

Die Vertreibung der Christen führt auch zu finanziellen Härten. Oft nicht in der Lage, ihre Häuser (Wohnungen) zu einem gerechten Preis schnell zu verkaufen und mit Schwierigkeiten konfrontiert, ihre Arbeitsplätze zu transferieren oder neue Einnahmequellen zu finden, finden es laut IOM viele Christenfamilien schwer sich während der Vertreibung selbst zu versorgen und sind in manchen Gebieten mit einer hohen Anzahl von vertriebenen Christen die Mieten auch für bescheidene Unterkünfte drastisch gestiegen.

Der Bildungsbereich ist für viele Vertriebene ein ernstes Problem, besonders unter den Universitätsstudenten. Fast alle, die vorher in Bagdad und in Mosul studiert haben, fanden es unmöglich ihre Studien an anderen Universitäten fortzusetzen, weshalb sich manche gezwungen sahen, nach Mosul zurückzukehren um (dort) ihre Prüfungen abzulegen.

IOM berichtet auch, dass – mit wenig Aussicht auf eine verbesserte Sicherheitslage für Christen im übrigen Irak und im Speziellen in Ninewa – eine Mehrheit derjenigen, die nach Erbil (Arbil), Dahuk (Dohuk) und Sulaymaniyah (Sulaimania) vertrieben wurden, beabsichtigt sich dort niederzulassen.

[…]

Die Erhöhung der Zahl von registrierten IDP-Familien in Erbil (Arbil) ist teilweise durch einen Zustrom von ungefähr 200 Familien von Ninewa nach Erbil zu erklären, ein anderer signifikanter Teil damit, dass viele Familienoberhäupter in die KRG reisten um dort ihre Familien zu registrieren, aber dann nach Bagdad oder Mosul zurückkehrten um ihre Familien und ihr Eigentum für die Reise vorzubereiten.

[…]

Der Direktor von BMD, Erbil, erklärte, dass die Aufgabe des Migrationsbüros die Registrierung und Förderung der Rückkehr von Binnenflüchtlingen (IDP) sei. Dieses Verfahren sei in allen drei Provinzen des KRG gleich. Die KRG unterstützt die Binnenflüchtlinge, sollten diese wünschen in ihren Herkunftsort zurückzukehren. Die Förderung der freiwilligen Rückkehr findet in Zusammenarbeit mit den Regierungsbehörden in Bagdad statt.

BMD hat ungefähr 2.000 Christenfamilien, 1.000 Jezidenfamilien und 74 Sabäer-Mandäer-Familien registriert.

BMD hat in Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm (WFP) einige der Binnenflüchtlinge mit Nahrungsmitteln und mit Mobiliar versorgt. Aber die Zentralregierung hat die Finanzmittel für diesen Zweck an die Kurdenregion eingestellt, was dazu geführt hat, dass das BMD die Verteilung der Hilfsgüter an die Binnenflüchtlinge einstellen musste.

Die drei Nichtregierungsorganisationen CDO (Civil Development Organization, Sulaimania), PAO (Public Aid Organization, Arbil) und HARIKAR (NGO, Dohuk) treten als Partner von UNHCR auf, sie betreiben 'Schutz- und Hilfszentren' des UNHCR (sogen. PAC) und beobachten dabei die Situation der Binnenflüchtlinge in der KRG.

Laut ICRC, (Unter-)Abteilung-Erbil, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Christen gegenüber anderen Minderheiten diskriminiert würden.

Laut PAO (Public Aid Organization, Erbil) kann ein Christ überall in Erbil Eigentum kaufen, während ein Moslem kein Eigentum in Ainkawa kaufen könne. Ainkawa sei eine Christenenklave in Erbil und die Regierung habe das Land für die Christengemeinde frei zur Verfügung gestellt. Es wurde jedoch hinzugefügt, dass die christlichen Binnenflüchtlinge, die aus Mosul fliehen und nach Erbil kommen, bei der Ankunft (in der KRG) kein Land mehr kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Die Regierung stoppte diesen Service vor zwei Jahren.

Die Situation der Christen in Shamoun (KRG) betreffend betonte die Chaldäische Kulturgemeinschaft (CCS), dass diese sehr sicher sein würden, ebenso Christen, die vom Süden (des Irak) in die Kurdenregion fliehen. Das Finanzministerium der Kurdenregion (KRG) teile der chaldäischen Kirche in Ainkawa Geld und Nahrungsmittel zu, um sie den christlichen Binnnenflüchtlingen zu geben. Jede Familie bekomme $ 100,-- (an Unterstützung) pro Monat. Die Chaldäische Kulturgemeinschaft habe alle christlichen Binnenflüchtlinge in der Kurdenregion (KRG) registriert. Jede(r) Christ(in) mit einer irakischen ID-Karte kann in die Kurdenregion einreisen. Nach der Einreise in die KRG kann die betreffende Person bei den Sicherheitskräften (Asayish) um eine Aufenthaltsgenehmigung ansuchen. Die Chaldäische Kulturgemeinschaft in Shamoun wußte nur von fünf Christen, denen die Aufenthaltserlaubnis in der Kurdenregion verweigert wurde, diese fünf Personen waren vorbestraft bzw. Steuerhinterzieher. Arbeitsmöglichkeiten und Dienstleistungen seien für die Christen in der Kurdenregion gleich gut wie für Kurden und Moslems. Aber die Arbeitslosigkeit sei hoch und die Situation für Christen sei bei Nichtzugehörigkeit zu den wichtigsten politischen Parteien (PUK und KDP) besonders schwierig. Diese Diskriminierung am Arbeitsmarkt sei am meisten im öffentlichen Sektor verbreitet. Aber das Fehlen der Zugehörigkeit zu den Parteien PUK oder KDP habe keinen negativen Einfluss auf die Unterkunftssuche oder den Zugang zum Gesundheitswesen.

[…]

UNHCR hat in einer Anfragebeantwortung vom an den AsylGH zu seiner Position zur internen Fluchtalternative für Christen angemerkt:

'Wie im Juli 2010 in den Anmerkungen zur Fortdauer der Anwendbarkeit der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs irakischer Asylsuchender vom April 2009 festgestellt wurde, kommt letzteren bis zu ihrer Aktualisierung und Anpassung Geltung zu.

UNHCR spricht sich daher dafür aus, dass sich die für die Beurteilung von Anträgen irakischer Asylsuchender zuständigen Stellen weiterhin an die UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Iraqi Asylum-Seekers vom April 2009 halten. UNHCR ist somit nach wie vor der Auffassung, dass die Frage, ob innerhalb der drei nordirakischen Provinzen eine interne Fluchtalternative besteht, sorgsam und unter Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalles im Lichte der erforderlichen Relevanz- und Zumutbarkeitsanalyse geprüft werden sollte.

Zur für die Prüfung der Zumutbarkeit der internen Fluchtalternative relevanten aktuellen Situation von Personen christlichen Glaubens, die jüngst in die drei nordirakischen Provinzen geflohen sind, dürfen wir Ihnen ergänzend nach Rücksprache mit unserer Zentrale in Genf folgende aktuelle[…] Informationen übermitteln:

Im Zeitraum von Anfang November 2010 bis sind rund 600 Familien aus Bagdad und Mosul in das Gebiet der drei nordirakischen Provinzen geflohen.

Die Verfügbarkeit von Wohnraum stellt dabei die größte Herausforderung für die Binnenvertriebenen dar: Über 90% der rund 420 nach Erbil geflohenen Familien suchten in Ainkawa Zuflucht. Gemäß einem Vertreter der christlichen Gemeinschaft gab es in Ainkawa infolge dessen Ende November 2010 keine freien Mietimmobilien mehr. In Sulaimaniya haben im gleichen Zeitraum rund 100 christliche Familien Zuflucht gesucht. Die Hälfte von ihnen lebt notdürftig in einer Kirche mit dem Namen Mariot Yousif, die übrigen Familien leben in der Stadt verstreut.

Die meisten der Familien haben ihr Zuhause überstürzt verlassen und bedürfen somit grundlegender Unterstützung. UNHCR hat die betroffenen Familien – wie alle besonders hilfsbedürftigen Binnenvertriebenen – mit elementaren Gebrauchsgütern wie Plastikplanen, Bettdecken, Kanistern sowie Küchenutensilien versorgt. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) verteilt, welche zusätzlich Eisenbetten, Gasöfen, Decken und Teppiche zur Verfügung stellte. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) hat an die betreffenden Personen darüber hinaus Lebensmittelpakete verteilt.

Die finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite ist beschränkt. Christliche binnenvertriebene Familien, die seit in die drei nordirakischen Provinzen geflohen sind, erhalten vom Ministerium für Vertriebene und Migration eine einmalige Beihilfe in Höhe von 500.000 irakischen Dinar (umgerechnet rund 310 Euro).'

[…]

Einer aktuellen Angabe des zuständigen Ministeriums der KRG zufolge lebten ursprünglich bereits ca. 2.200 christliche Familien in Ainkawa, einem überwiegend christlichen Teil von Erbil, mittlerweile kamen ca. 2.700 binnenvertriebene christliche Familien dazu. Außerhalb von Ainkawa leben aktuell ca. 150 Familien im Stadtgebiet von Erbil. Weiteren Angaben zufolge lebten ursprünglich über 2.800 christliche Familien in der Provinz Erbil, über 2.700 kamen als vertriebene dazu, in der Provinz Suleimaniya lebten ursprünglich 350 christliche Familien, zu denen 150 dazukamen, in der Provinz Dohuk ehemals über 5.500 christliche Familien, zu denen über 7.200 dazukamen.

Dem Bürgermeister von Ainkawa zufolge stellte – nach dem Fall des Saddam-Regimes 2003, als ca. 3.000 Familien vor allem nach Ainkawa kamen – der bekannte Angriff auf eine Kirche in Bagdad am einen wesentlichen auslösenden Faktor für die Flucht von damals ca. 700 weiteren Familien aus dem Restirak in die Region dar. Die Mehrheit der Flüchtlinge verbleibe grundsätzlich in der Region um sich hier niederzulassen und Geschäfte zu eröffnen, die übrigen würden versuchen das Land zu verlassen, alle christlichen Familien würden im Nordirak wohlwollend aufgenommen und von Regierungsbehörden, Lokalbehörden, Kirchenorganisationen, UNHCR und ICRC betreut und soweit nötig versorgt, es fehle an jedweder Diskriminierung oder Verfolgung durch andere ethnische Gruppen oder durch Behörden. Es sei auch zum Neubau zahlreicher Kirchen gekommen, in der Region des KRG gebe es zwischenzeitig mehr als 50 Kirchen verschiedener Glaubensrichtungen, alleine in Ainkawa befänden sich 5. In der Region würden Angehörige der Assyrer, Armenier, Orthodoxe, Chaldäer, Katholiken, Syrisch-Orthodoxe, Protestanten und Sabäer-Mandäer leben, deren größte Gruppe sei die der Chaldäer, auch etwa 100 Familien der Sabäer-Mandäer würden gut integriert in Ainkawa leben. Das Phänomen der Emigration von Christen aus dem Irak nach Europa werde sowohl von Vertretern der KRG als auch von lokalen Kirchenvertretern mit Bedauern wahrgenommen.

Einem verantwortlichen Behördenvertreter der Provinz Dohuk zufolge waren bis März 2011 insgesamt über 19.000 binnenvertriebene Familien registriert, deren größter Teil aus Mosul und Umgebung stammt, unter denen wiederum zahlreiche Christen zu finden waren, die ursprünglich aus der Provinz Dohuk selbst dorthin verzogen waren.

Dem Gouverneur der Provinz Suleimaniya zufolge werden die meisten christlichen Binnenflüchtlinge von deren lokalen Kirchen unterstützt.

Beim Zugang zum Wohnungsmarkt, zu Gesundheitsleistungen, Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt unterliegen Binnenflüchtlinge in der Region KRG offiziell weiterhin keinerlei Einschränkungen. In der Praxis gibt es lediglich Ausnahmen für Angehörige der arabischen Volksgruppe, die keinen höheren Bildungsgrad oder kein größeres Investitionsvermögen besitzen, beim Erwerb von Immobilien. Während ehedem christliche IDP zur Niederlassung in Mehrheitsgebieten wie z.B. in Ainkawa tendierten, führte der Druck des Zuzugs in der jüngsten Vergangenheit zur Niederlassung in allen Teilen der Städte Dohuk, Erbil und Suleimaniya, in Ainkawa etwa waren die Preise für Mieten und Kaufobjekte stark gestiegen, sodass Christen vermehrt in andere Teile von Erbil auswichen.

Der Zugang zu den besser bezahlten Segmenten des Arbeitsmarktes hängt auch von Kurdisch-Sprachkenntnissen ab, die Zugezogenen mit arabischer Muttersprache oftmals fehlen, welche sich daher meist mit schlechter bezahlten Jobs zu begnügen haben. Personen mit höherer Bildung haben in der Regel keine Probleme eine Beschäftigung zu finden. Die ausschließliche Kenntnis der arabischen Sprache führt in der Regel zu keinen Verständigungsschwierigkeiten im täglichen Leben oder bei Behörden, da die arabische Sprache generell gesprochen und verstanden wird. Alleinstehende Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert, ja werden sie aus Sicherheitsüberlegungen und wegen ihrer Verläßlichkeit überwiegend bevorzugt eingestellt, sie werden im Einzelfall von Kirchen und Privatpersonen besonders unterstützt, soweit dies erforderlich ist.

Aus dem Ausland zurückkehrende ehemalige Asylwerber können problemlos durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen von Erbil einreisen, dies gilt auch für Binnenreisende vom Flughafen in Bagdad kommend." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten)

Begründend wird in der Entscheidung des Asylgerichtshofes sodann im Wesentlichen ausgeführt, dass eine asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden könne. Den vorgebrachten konkreten Verfolgungshandlungen käme mangels Intensität keine Asylrelevanz zu bzw. seien sie auch nicht glaubwürdig. Zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom führt der Asylgerichtshof in der Beweiswürdigung im Wesentlichen Folgendes aus.

"Aus der Beschwerde bzw aus der Stellungnahme ergibt sich implizit, dass alleine der Umstand, dass man Angehöriger der christlichen Religion sei, ausreiche, um von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Hierzu ist festzustellen, dass sich auch aus Sicht des Asylgerichtshofes in den Jahren nach 2003 in bestimmten Landesteilen, vor allem in manchen Stadtteilen Bagdads und in der Gegend von und um Mosul, zielgerichtete Anschläge und andere kriminelle Handlungen wie z.B. Entführungen gegen Christen ereigneten, aber andererseits diese Vorfälle nicht jene Quantität, die eine sogen. Gruppenverfolgung indizieren würden, und auch nicht jene Qualität, die über 'allgemeine Folgen eines Bürgerkrieges' hinausgingen, erreichten. Zutreffend wird in der Beschwerde zwar auf einige gravierende Vorfälle verwiesen, die Beobachtung der Lage seither zeigte aber, dass deren Quantität in der jüngsten Zeit sogar abgenommen hat. So treten im Irak neben punktuellen Übergriffen auf Minderheitenangehörige in gleichem Maße solche auf Mitglieder anderer Bevölkerungsgruppen auf, sodass aktuell von keiner disproportionalen Gefährdung der Christen im Vergleich zu anderen Gruppen oder Individuen auszugehen ist, sondern vielmehr unterschiedlichste Individuen oder Gruppen im Land in unbestimmtem Ausmaß mit einer aus der schlechten allgemeinen Sicherheitslage resultierenden Gefährdung zu rechnen haben, deren Ursachen oftmals kaum voneinander zu differenzieren sind und von bloßen kriminellen Motiven, solchen aus religiösen oder sozialen Gründen bis zu solchen mit politischem Hintergrund, wie die sich wiederholenden Angriffe auf Mitglieder der irakischen Sicherheitsbehörden oder insbesondere zuletzt auf bloße Zivilistenansammlungen wie etwa Pilgergruppen mit dem Ziel der Destabilisierung des Landes an sich, reichen. Derlei Folgen einer schlechten allgemeinen Sicherheitslage wird aber schon durch die Gewährung subsidiären Schutzes wie auch im Falle der Beschwerdeführerin selbst entsprochen. Dass Mitglieder christlicher Minderheiten aktuell keiner maßgeblichen Gefährdung schon alleine aufgrund ihrer bloßen Zugehörigkeit zur Gruppe der Christen an sich ausgesetzt sind, bestätigten im Übrigen auch die persönlichen Angaben der Beschwerdeführerin, die ihrerseits darlegte, bis zur Ausreise unverfolgt im Irak gelebt und das Land aus sonstigen, nicht aber aus Gründen individueller Verfolgungsgefahr verlassen zu haben. Aus diesen Erwägungen heraus war zur obigen Feststellung einer fehlenden Gruppenverfolgung von Christen an sich im Irak zu gelangen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom , Zl. E7 307.765-1/2008/22E).

[…]

Vor diesem Hintergrund war das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer individuellen und aktuellen, vor allem asylrelevanten, Verfolgung zu überprüfen. Zusammengefasst muss daher ausgeführt werden, dass der Asylgerichtshof – wie schon das Bundesasylamt – im Vorbringen der Beschwerdeführerin keine individuelle und aktuelle im Sinne der GFK asylrelevante Verfolgung erkennen kann. Auch aus den diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergibt sich keine aktuelle und vor allem individuelle Verfolgungswahrscheinlichkeit der Person der Beschwerdeführerin, die aufzugreifen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang war noch festzuhalten, dass dem in der Stellungnahme vom zitierten Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom , E5 306.156-1/2008-29E, ein ganz anderer Sachverhalt zugrunde lag (im Speziellen kam es zu glaubwürdigen und vor allem asylrelevanten Vorverfolgungshandlungen), weshalb der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Diese spezielle Kumulation von Umständen liegt gerade im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor, zumal sie auch nicht in der Lage war, behauptete Vorfälle detailliert und somit glaubhaft darzulegen und im Übrigen bei Wahrunterstellung dem Gesagten eine entsprechende asylrelevante Intensität fehlt. Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling ist ein Eingriff, der eine solche Intensität erreicht, dass es unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben. Im konkreten Fall war jedoch gerade in Anbetracht der behaupteten Vorfälle – die auch überaus allgemein gehalten waren – die Verfolgung zu verneinen. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre der Beschwerdeführerin zu verstehen. Je schwerer der drohende Eingriff, desto geringer ist die erforderliche Gefahrenneigung. Bei schwersten Eingriffen, etwa bei drohenden Eingriffen in Leben, Gesundheit oder Freiheit, ist darauf abzustellen, ob die Verfolgungsgefahr mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die behaupteten Eingriffe in die Privatsphäre der Beschwerdeführerin waren von geringer Intensität. Drohungen in Form von Klopfen an der Tür mögen wohl unangenehm sein, sind aber ein Vorgehen, das nicht das von der Genfer Flüchtlingskonvention geforderte Ausmaß einer Verfolgung erreicht. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass aufgrund der geringen Intensität der behaupteten Verfolgungshandlungen der Maßstab der erforderlichen Gefahrenneigung extrem hoch anzusetzen ist. Die Gefahrenneigung bzw. die Annahme, dass es bei einer Rückkehr der Beschwerdeführerin nochmals zu solchen Vorfällen kommt, ist jedoch als nicht besonders groß anzusehen. Eine Verfolgungsgefahr wäre aber nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (; , 2001/20/0011)."

6. Gegen diese Entscheidung des Asylgerichthofes richtet sie die auf Art 144a B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorgebracht und die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt wird.

7. Der im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

3. Ein solches willkürliches Vorgehen ist dem Asylgerichtshof – soweit er undifferenziert vom Nichtvorliegen einer Gruppenverfolgung von Christen im Irak ausgeht – vorzuwerfen:

Der Asylgerichtshof trifft in der angefochtenen Entscheidung eigene Länderfeststellungen, die sich u.a. mit der allgemeinen Sicherheitslage sowie der Situation von Christen im Irak im Speziellen auseinandersetzen. Nach diesen Länderfeststellungen hat sich die "Sicherheitslage im Irak […] zwar erheblich verbessert, […] ist aber […] immer noch verheerend", wobei je nach Provinz ein regional sehr unterschiedliches Bild der auf verschiedenen Motiven gründenden Bedrohung gezeichnet wird; "am stärksten von Gewalt betroffen" ist u.a. Bagdad und dort insbesondere jene Stadtteile, "die eine nicht unerhebliche Anzahl von Christen aufweisen". In diesen Länderfeststellungen werden darüber hinaus auch explizit Feststellungen zur Lage von Christen im Irak getroffen (s. I.5.). Für Christen ist demnach die Bedrohungssituation in den einzelnen Provinzen des Landes ebenfalls unterschiedlich hoch. Es wird ausgeführt, dass "vermehrt Informationen über […] christenfeindliche Anschläge" eingegangen seien, die – nach einem Bericht vom Februar 2011 – auch zu Vertreibungen der Christen – insbesondere aus Bagdad, wo sie "nahe ihrer Wohnungen […] einer Lebensbedrohung ausgesetzt sind" – führt.

Beweiswürdigend führt der Asylgerichtshof dazu aus, dass die in der Beschwerde und der Stellungnahme an den Asylgerichtshof aufgezeigten Vorfälle "in den Jahren nach 2003 in bestimmten Landesteilen, vor allem in manchen Stadtteilen Bagdads" nicht jene Quantität und Qualität erreichten, die "über [die] allgemeine[n] Folgen eines Bürgerkrieges" hinausgingen und deren "Quantität in der jüngsten Zeit sogar abgenommen hat".

Diese beweiswürdigenden Ausführungen des Asylgerichtshofes stehen zunächst in Widerspruch zu den von ihm selbst getroffenen Länderfeststellungen neueren Datums, die jedenfalls keine Abnahme der gegen Christen gerichteten Gewalt aufzeigen und vor allem aufzeigen, dass viele Christen aus bestimmten Gebieten wegen der gegen sie gerichteten Gewalt in den Norden Iraks flüchten (müssen). Insbesondere sind – nach den vom Asylgerichtshof zitierten Berichten zur "Situation der Christen im Besonderen" – jene Christen besonders gefährdet, die in Bagdad leben. Der Asylgerichtshof hat es – vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles, in dem die mehr als siebzigjährige Beschwerdeführerin immer in Bagdad lebte – unterlassen, sich mit der – angesichts der politischen Situation sich rasch ändernden Lage im Irak – aktuellen Situation der Christen im Irak auseinanderzusetzen (vgl. ; ). Der Asylgerichtshof hat es demnach unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Situation in Bagdad, in der die Beschwerdeführerin lebte, dergestalt ist, dass sie keine asylrelevante (Gruppen-)Verfolgung darstellt.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§88 iVm 88a VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,– enthalten. Die darüber hinausgehenden Kosten waren nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe auch im Umfang der Befreiung von der Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG gewährt wurde und der für den vorliegenden Fall geltende Pauschalbetrag € 2.000,– beträgt.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.