Suchen Hilfe
VfGH vom 05.03.2014, U2480/2012

VfGH vom 05.03.2014, U2480/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Ausweisung des Beschwerdeführers in den Iran

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) sowie im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit. Am stellte er bei einer Polizeiinspektion in Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Er habe ca. ein Jahr Wehrdienst im Iran (der in der Regel zwei Jahre dauert) absolviert. Danach sei er (im Jahr 2006) desertiert, weil er auf Grund seiner Geburt im Irak während der Zeit der Absolvierung des Militärdienstes ständig verdächtigt worden sei, ein irakischer Spion zu sein. Davor sei er in der Kaserne ca. eine Woche lang festgehalten und gefoltert worden. Über einen Zeitraum von ca. drei Jahren sei er innerhalb des Iran geflüchtet, von den Behörden jedoch immer wieder aufgespürt worden. Im Jahr 2010 sei dem Beschwerdeführer die Flucht nach Österreich gelungen.

2. Im Verfahren vor dem Bundesasylamt (BAA) präzisierte der Beschwerdeführer diese Angaben. Er legte Identitätspapiere sowie eine Ladung zu einem iranischen Militärgericht vor, die er zwei oder drei Wochen nach seiner Desertion erhalten habe. Weiters gab der Beschwerdeführer die Kontaktdaten jenes Rechtsanwaltes an, der ihn in dem Verfahren vor dem Militärgericht vertreten habe. Der iranische Rechtsanwalt konnte vom Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Teheran ausgeforscht werden und dieser bestätigte, dass er den Beschwerdeführer vor fast drei Jahren (somit ca. 2007) in einem Verfahren wegen Wehrdienstverweigerung vertreten habe. Der Anwalt habe versucht, in den Akt des Beschwerdeführers Einsicht zu nehmen, dies sei ihm aber vom zuständigen Richter mit der Begründung verweigert worden, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien.

3. Mit Bescheid des BAA vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bzgl. der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100/2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 sein Antrag auf internationalen Schutz bzgl. der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an den Asylgerichtshof. Die Beschwerde wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass das BAA sich in seiner Begründung nur auf Mutmaßungen betreffend das zu erwartende Vorgehen des Militärs gestützt habe, die weder belegt noch belegbar gewesen seien.

5. Mit der angefochtenen Entscheidung wies der Asylgerichtshof die an ihn gerichtete Beschwerde zur Gänze als unbegründet ab. Darin finden sich die folgenden (hier nur auszugsweise wiedergegebenen) Feststellungen zur Situation im Iran:

"AA – Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: Juli 2011),

Allgemeines:

[…]

 Über die Zahl der Hinrichtungen liegen aufgrund des zunehmenden Wegfalls unabhängiger Quellen nur Schätzungen vor, es gibt eine hohe und kaum kalkulierbare Dunkelziffer. Es kann dennoch davon ausgegangen werden, dass Iran bei der Zahl der Hinrichtungen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weltweit an der Spitze steht. Hinrichtungen wurden 2011 wieder sehr oft öffentlich vollstreckt. […]

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis

[…]

Wegen Überlastung und Ineffizienz des Gerichtsapparates kommt es oft zu Verzögerungen in den Verfahrensabläufen. Hinzu kommt eine uneinheitliche Rechtsanwendung durch Richter, die juristisch sehr unterschiedlich qualifiziert sind und in einzelnen Fällen auch durch den Chef der Justiz, die unmittelbaren Vorgesetzten oder die Exekutive beeinflusst werden. […]

[…]

Menschenrechtslage

[…]

2. Folter

[…]

[…] Verhörmethoden und Haftbedingungen im Iran beinhalten in einzelnen Fällen seelische (Augenverbindungen, Herbeiführung einer einschüchternden Atmosphäre und Drohungen, u.a. mit Blick auf das Wohlergehen der Familie und negative berufliche Konsequenzen, Dunkelzelle, Kontaktsperre, Schlafentzug, Androhung von Gewalt) wie körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung (Verharrenlassen in unnatürlichen Haltungen, Zusammenpferchen auf kleinem Raum, Geräuschterror, Todesdrohungen, Beleidigungen sowie Vorenthalten notwendiger hygienischer Bedingungen und mangelhafte Ernährung, Schläge u.a. mit Kabeln auf Rücken und Fußsohlen, Elektroschocks, Verbrennungen mit Zigaretten bis hin zu Vergewaltigungen). […]

Seit den Wahlen im Juni 2009 wurden belastbaren Berichten zufolge Häftlinge teils tagelang unter Folter verhört mit dem Ziel, Geständnisse zu erpressen. An den Folgen von Folter und Vergewaltigung sollen Häftlinge verstorben sein, u.a. im Kharizak-Gefängnis. […]

[…]

Wehrdienst

[…] Die Bescheinigung über den Wehrdienst ist von großer Bedeutung. Sie ist u.a. die Grundlage für die Arbeitsaufnahme, wirtschaftliche Tätigkeiten wie Grundstückskäufe und die Eheschließung. […]

[…] Deserteure, die während Kriegs- oder Friedenszeiten innerhalb von sechs Monaten zur Truppe zurückkehren, müssen ihren restlichen Militärdienst ableisten. Sollten sie länger als sechs Monate der Truppe fernbleiben, müssen sie den gesamten Wehrdienst wiederholen. In beiden Fällen sowie im Falle der erzwungenen Rückkehr werden Deserteure zusätzlich bestraft. […]"

In weiterer Folge gibt der Asylgerichtshof die Beantwortung einer von ihm an die Staatendokumentation des BAA gerichteten Anfrage wieder. Dort heißt es auszugsweise:

"1. Inwieweit ist ein Deserteur zu Friedenszeiten im Iran strafbar, wenn er sich nicht freiwillig zur Nachholung des Militärdienstes meldet?

Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran(Stand: Juli 2011), Berlin, den

[…]

Deserteure , die während Kriegs- oder Friedenszeiten innerhalb von sechs Monaten zur Truppe zurückkehren, müssen ihren restlichen Militärdienst ableisten. Sollten sie länger als sechs Monate der Truppe fernbleiben, müssen sie den gesamten Wehrdienst wiederholen. In beiden Fällen sowie im Falle der erzwungenen Rückkehr werden Deserteure zusätzlich bestraft. […]

ACCORD Anfragebeantwortung vom

[…]

In dem Fact-Finding-Bericht des Danish Immigration Service (DIS) vom April 2009 wird berichtet, dass Aussagen des iranischen Generalstaatsanwalts zufolge fahnenflüchtige iranische Wehrdienstpflichtige nach ihrer Rückkehr in den Iran die zweijährige Wehrpflicht fortsetzen müssten – vorausgesetzt, sie seien unter 40 Jahre alt. […]

UK Border Agency Home Office [ID 9182]: Militärdienst/Desertion, http://www.ecoi.net/189469::iran/328787.321921.8983...mr/military-service-desertion.htm, Zugriff 7

[…]

Desertion in Friedenszeiten wird mit sechsmonatigem bis zu zweijährigem Zusatzdienst, in Kriegszeiten mit bis zu zehnjährigem Zusatzdienst oder mit einer im Ermessen des zuständigen Richters liegenden Strafe geahndet. […]

[…]

3. Besteht die Strafdrohung auch aus Körperstrafen?

Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran(Stand: Juli 2011), Berlin, den

[…]

Die Verfassung vom sieht in den Schranken der islamischen Glaubens- und Rechtsordnung die Gewährung umfangreicher Menschenrechte und den Schutz von Grundfreiheiten vor. Allerdings müssen alle Gesetze, auch die Verfassung, im Einklang mit islamischen Prinzipien stehen und sind daran zu messen (Art4, Art 91 der Verfassung). Dies bedeutet u.a., dass nach iranischer Rechtsauffassung die Verhängung und Vollstreckung von Körperstrafen und der Todesstrafe im Einklang mit schiitischem Recht steht und die rechtlich unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau im Prozess-, Straf- Familien- und Erbrecht kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt.

[…]

Personen, die in Friedenszeiten den Militärdienst umgangen haben, werden nicht bestraft, wenn sie sich während Kriegszeiten freiwillig melden. In Ausnahmefällen (Ermessen der Militärgerichte) können sie zu sechs Monaten Gefängnis und/oder einer Körperstrafe verurteilt werden. Deserteure , die während Kriegs- oder Friedenszeiten innerhalb von sechs Monaten zur Truppe zurückkehren, müssen ihren restlichen Militärdienst ableisten. Sollten sie länger als sechs Monate der Truppe fernbleiben, müssen sie den gesamten Wehrdienst wiederholen. In beiden Fällen sowie im Falle der erzwungenen Rückkehr werden Deserteure zusätzlich bestraft.

Österreichische Botschaft Teheran: Asylländerbericht Iran, Stand März 2010

Die Menschenrechtslage im Iran ist unbefriedigend und hat sich in letzter Zeit wesentlich verschlechtert: der Iran liegt regelmäßig bei der Vollstreckung von Todesur-teilen weltweit an zweiter Stelle hinter China. Auch Todesurteile gegen zum Tatzeitpunkt Jugendliche werden, trotz Zusage einer Suspendierung gegenüber der EU, seit 2006 wieder vollstreckt. Auch die Exekution von barbarischen Strafen der Scharia, wie Steinigungen und Körperstrafen (Amputationen), wurde zuletzt wieder vorgenommen. Iranische Offizielle vertreten immer entschlossener die Position, trotz iranischen Beitritts zu internationalen Menschenrechtspakten die Grundregeln des iranischen Scharia-Strafrechts nicht verlassen zu wollen.

[…]"

Die Feststellungen des Asylgerichtshofes zur Lage im Iran schließen mit folgenden Ausführungen:

"Beurteilung der Rückkehrsituation durch den Asylgerichtshof:

In Hinblick auf die Rückkehr von Iranern in ihr Heimatland hat sich die Situation im Iran nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 weiter verschlechtert, die Lage stellt sich derzeit allerdings nicht so dar, dass nun bereits ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention) – im Falle eines Zusammenhanges mit politischen Ansichten: aus asylrelevanten Gründen - gegeben ist. Gegenteiliges ist auch dem aktuellen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran nicht zu entnehmen, vielmehr hat sich die innenpolitische Lage nach den Turbulenzen im Jahr 2009 wieder - zumindest oberflächlich - beruhigt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom , Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art 3 EMRK erscheinen lassen.

Jüngst entschied der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , U1863/09-12, unter Hinweis auf das im Vorabsatz erwähnte Urteil des EGMR, dass bei einer Rückkehr in den Iran bezüglich der Prüfung der Gefahr einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung neben der zuvor erwähnten Berücksichtigung der angespannten Situation auch die speziellen Risiken bedacht werden müssen, denen Iraner ausgesetzt sind, wenn sie, ohne über Beweismittel für ihre legale Ausreise zu verfügen, in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen. Auf Grund aktueller Länderberichte stehe fest, dass diese besonders leicht einer genauen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Ausreise aus dem Iran unterzogen werden. Diesfalls wäre es wahrscheinlich, dass ein Iraner ohne gültige Ausreisepapiere die Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsbehörden auf sich ziehen und seine Vergangenheit dabei offen gelegt würde. Diese beiden Gesichtspunkte zusammen können dazu führen, dass die Ausweisung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat, der bereits vor der Ausreise – oder danach, durch sein Verhalten im Ausland - in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten war, angesichts der gegenwärtigen Umstände eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung (oder eine asylrelevante Gefährdung) darstellt."

Im Rahmen der Beweiswürdigung geht der Asylgerichtshof zunächst davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei als Wehrpflichtiger desertiert, weshalb auch ein gerichtliches Verfahren gegen ihn geführt worden sei, zutreffe. In weiterer Folge nimmt der Asylgerichtshof jedoch an, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise weder aus dem von ihm genannten noch aus einem anderen Grund von den iranischen Behörden verfolgt worden sei. Dies begründet er zusammengefasst mit zahlreichen Widersprüchen in den Aussagen des Beschwerdeführers. Weiters geht der Asylgerichtshof davon aus, dass der Beschwerdeführer den Militärdienst bereits abgeleistet habe bzw. das Verfahren wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion abgeschlossen sei. Der Beschwerdeführer habe keine Anhaltspunkte darlegen können, die für ein zum Zeitpunkt der Ausreise offenes Verfahren gegen ihn wegen Wehrdienstverweigerung sprechen.

Darauf gestützt gelangt der Asylgerichtshof in rechtlicher Hinsicht zunächst zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, sodass ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Zur Nichtgewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten heißt es in der Begründung der angefochtenen Entscheidung:

"Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, im Falle einer Abschiebung in seine Heimat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein, so steht der Annahme einer solchen Gefahrenlage – wie bereits zum Spruchpunkt I erläutert – die mangelnde Glaubhaftmachung und Plausibilität dieser Behauptungen entgegen. Die Tatsache, dass er unverfolgt aus dem Herkunftsland ausgereist ist und während seines Aufenthaltes in Österreich nicht in exponierter Form in Erscheinung getreten ist, spricht gegen eine Gefährdung des BF im Falle der Rückkehr."

Der Asylgerichtshof begründet in weiterer Folge noch näher, dass die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers im Iran dadurch zumutbar sei, da er eine Berufsausbildung zum Automechaniker absolviert und sich vor der Ausreise als Schneider seinen Lebensunterhalt verdient habe. Dem Asylgerichtshof sei daher nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte.

Des Weiteren führt der Asylgerichtshof aus, dass unter Heranziehung der Länderinformationen keine Hinweise auf außergewöhnliche Umstände bestünden, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. Ähnliches gelte für gesundheitliche Beeinträchtigungen physischer oder psychischer Art.

Hinsichtlich der Ausweisung stellt der Asylgerichtshof die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich dem öffentlichen Interesse des Staates an der Ausweisung und der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber und gelangt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers dessen privates Interesse am Verbleib in Österreich überwiege.

6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf den früheren Art 144a B VG gestützte und nunmehr nach Art 144 B VG in der am in Kraft getretenen Fassung zu behandelnde Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973), im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK) sowie im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Art47 Abs 2 GRC) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

7. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Von der Erstattung einer Gegenschrift sah er – mit Verweis auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung – ab.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ein willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes, das eine Verletzung in dem durch ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, gewährleisteten subjektiven Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander bedeutet, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Ein in die Verfassungssphäre reichendes Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt liegt hier vor: Der Asylgerichtshof ist selbst von dem Umstand ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Iran desertiert ist und deshalb ein Strafverfahren gegen ihn anhängig gemacht wurde. Aus der angefochtenen Entscheidung ist aber in keiner Weise nachvollziehbar, wie der Asylgerichtshof ohne ausreichende Anhaltspunkte zu der Annahme gelangt, dieses Strafverfahren sei bereits abgeschlossen und der Beschwerdeführer habe den (fehlenden) Wehrdienst bereits abgeleistet.

Davon ausgehend kann nach den Länderfeststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Zuge eines Strafverfahrens eine asylrelevante Verfolgung bzw. eine den Art 2 und 3 EMRK widersprechende Behandlung droht. Es ist auch notorisch, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner Wiedereinreise in den Iran einer Kontrolle unterzogen werden wird, bei der ein gerichtliches Strafverfahren gegen ihn zutage treten würde (vgl. VfSlg 19.140/2010).

4. Der Asylgerichtshof hat die auf den Beschwerdeführer bezogenen Sachverhaltsfeststellungen großteils nur auf Grund der Ergebnisse des Verfahrens vor dem BAA getroffen. Im Hinblick darauf, dass in der Beschwerde an den Asylgerichtshof begründet wesentliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht wurden, lagen die in § 41 Abs 7 AsylG 2005 niedergelegten Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung offenkundig nicht vor. Indem der Asylgerichtshof dennoch keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, hat er den Beschwerdeführer außerdem im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht nach Art 47 Abs 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt (vgl. mwN).

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie im Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht verletzt worden.

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,– enthalten.

Fundstelle(n):
PAAAE-28600