VfGH vom 06.06.2014, U2439/2013
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Pakistan mangels Auseinandersetzung mit der prekären Sicherheitslage in der Heimatprovinz al-Anbar
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit der Status als subsidiär Schutzberechtigter nicht zuerkannt und die Ausweisung ausgesprochen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und Moslem sunnitischen Glaubens. Am stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.
Begründend führte der Beschwerdeführer aus, er habe den Irak im April 2013 verlassen, weil er wegen seiner Tätigkeit für eine amerikanische Organisation mehrmals mit dem Tode bedroht worden sei. Er stamme aus der Stadt Ramadi, der Hauptstadt der Provinz al-Anbar.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen.
3. Mit Entscheidung vom behob der Asylgerichtshof diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens an das Bundesasylamt zurück. Begründend führte der Asylgerichtshof aus, es bedürfe weitergehender Ermittlungen, um den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufzuklären.
4. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab, erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu und wies ihn in den Irak aus. Weiters traf das Bundesasylamt länderkundige Feststellungen zur Lage im Irak.
5. Der Beschwerdeführer führte gegen diesen Bescheid erneut Beschwerde an den Asylgerichtshof; diese wurde mit Entscheidung vom als unbegründet abgewiesen; der Beschwerdeführer wurde in den Irak ausgewiesen. In dieser Entscheidung begründet der Asylgerichtshof zunächst, weswegen dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz zukommt. Ferner verweist der Asylgerichtshof auf die im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak; zur Begründung, weswegen dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz nicht zuzuerkennen ist, führt der Asylgerichtshof ausdrücklich aus:
"Was die Feststellung betrifft, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Irak dort keiner möglichen Gefährdung iSd Art 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort unterliege, so verkennt der AsylGH nicht das Berichtsmaterial, wonach die allgemeine Sicherheitslage im Irak immer noch schlecht ist, wenngleich sie sich innerhalb der letzten Jahre erheblich verbessert hat […].
Hält man sich jedoch vor Augen, dass die Eltern und sieben Geschwister des Beschwerdeführers seiner Aussage zufolge weiterhin unbehelligt in Ramadi in eigenen Häusern leben und auch berufstätig sind, so ist seitens des AsylGH nicht davon auszugehen, dass die Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Irak angesichts dieser Umstände eine maßgebliche Gefahr für Leib und Leben mit sich bringt.
[…]
Zur aktuellen Lage im Irak ist auf die Feststellungen des Bundesasylamtes im bekämpften Bescheid zu verweisen, die auch zum Gegenstand der Entscheidung des Asylgerichtshofes erhoben wurden.
Die allgemeinen Lebensumstände in der Heimatregion des Beschwerdeführers sind – auch in Anbetracht der allgemein unsicheren Lage in verschiedenen Landesteilen des Irak – offenbar nicht dergestalt, dass die Rückkehr eine Situation bewirken würde, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art 3 EMRK bedeuten würde.
Diese Feststellungen ergaben sich schlüssig aus dem persönlichen Vorbringen des Beschwerdeführers über ungestörte Lebensumstände seiner Angehörigen in Verbindung mit den länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde."
6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf den früheren Art 144a B VG gestützte und nunmehr nach Art 144 B VG in der am in Kraft getretenen Fassung zu behandelnde Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, beantragt wird.
7. Die belangte Behörde legte die Akten vor, sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage (Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013, [im Folgenden AsylG 2005]) stellt sich wie folgt dar:
"Status des Asylberechtigten
§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden ist von Amts wegen und ohne weiteres Verfahren der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn sich die Republik Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet hat.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
[…]
Status des subsidiär Schutzberechtigten
§8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs 1 oder aus den Gründen des Abs 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs 1 Z 2 gilt Abs 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu verfügen, wenn diese gemäß § 10 Abs 2 nicht unzulässig ist. § 10 Abs 3 gilt.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.
[…]
Verbindung mit der Ausweisung
§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 vorliegt.
(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d) der Grad der Integration;
e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl , Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§45 und 48 oder §§51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
(6) Ausweisungen nach Abs 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.
(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§46 FPG) hinzuweisen."
III. Erwägungen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz richtet, ist sie auch begründet.
2.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Asylgerichtshof unterlaufen:
In der Begründung der Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes verweist der Asylgerichtshof zur aktuellen Lage im Irak auf die Feststellungen des Bundesasylamtes, die "auch zum Gegenstand der Entscheidung des Asylgerichtshofes erhoben wurden." In den verwiesenen, im Bescheid des Bundesasylamtes wiedergegebenen Berichten zur Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, al-Anbar, heißt es:
"Der April 2013 war der tödlichste seit Juni 2008. Insgesamt wurden laut UNO 712 Menschen getötet und 1633 wurden durch Terror- und andere Gewaltakte verletzt. Bagdad war dabei die am stärksten betroffene Provinz mit 697 zivilen Opfern (211 Toten und 486 Verletzten), gefolgt von Diyala, Salaheddin, Kirkuk, Ninewah und Anbar. […] Am begann schließlich eine Welle von Gewalt, als die Sicherheitskräfte gegen die Regierung protestierende sunnitische Protestierende nahe der Stadt Hawijah im Nordirak vorgingen, was mit 53 Toten endete. In vier Tagen starben in den folgenden Unruhen fast 200 Menschen, welche auch Vergeltungsangriffe auf die Sicherheitskräfte in Kirkuk, Ninvewah, Diyala und Anbar beinhaltete. Die Proteste in den sunnitischen Gebieten waren bereits mehr als vier Monate zuvor ausgebrochen. Sie fordern den Rücktritt von Premierminister Nuri al-Maliki, einem Schiiten, und kritisieren die Behörden, dass sie die Sunniten mit fälschlichen Verhaftungen und Anschuldigen über die Involvierung in Terrorismus anzugreifen."
Zur Begründung, weshalb dem Beschwerdeführer trotz dieser Berichtslage kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei, führt der Asylgerichtshof an, seine Eltern und Geschwister würden seiner Aussage zufolge weiterhin unbehelligt in Ramadi leben. Den vorgelegten Akten ist keine solche Aussage des Beschwerdeführers zu entnehmen.
Anders als es der Asylgerichtshof annimmt, ist es für die Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuzuerkennen ist, ohne Belang, ob seine Angehörigen im Herkunftsstaat unbehelligt geblieben sind; diese Beurteilung hat sich danach zu richten, wie sich die dortige Sicherheitslage darstellt (vgl. 13). Der Asylgerichtshof übt Willkür, wenn er es unterlässt, sich mit der zitierten prekären Sicherheitslage auseinanderzusetzen, indem er – aktenwidrig – darauf verweist, der Beschwerdeführer selbst habe ausgesagt, seine Familie würde nach wie vor unbehelligt in seiner Heimatstadt leben.
4. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
4.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG in der mit in Kraft getretenen Fassung). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
4.2. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes und die Ausweisung aus dem Bundesgebiet im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Die angefochtene Entscheidung ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz iVm § 31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2014:U2439.2013