VfGH vom 24.02.2014, U2112/2012

VfGH vom 24.02.2014, U2112/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan infolge widersprüchlicher Ausführungen betreffend die Sicherheitslage in der Heimatprovinz Ghazni und die Zumutbarkeit der Rückkehr

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit ihm damit der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer nach Afghanistan ausgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 leg.cit. nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dieser gemäß § 10 Abs 1 Z 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung als unbegründet abgewiesen:

2.1. In der angefochtenen Entscheidung trifft der Asylgerichtshof u.a. folgende Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

"Allgemeine Sicherheitslage

Die Lage in Afghanistan ist unverändert weder sicher noch stabil. Die Daten belegen seit 2006 eine stete Zunahme sicherheitsrelevanter Vorfälle. Aufgrund der militärischen Operationen besonders im Südwesten und Süden des Landes (Helmand und Kandahar) war auch für 2010 ein deutlicher Anstieg sicherheitsrelevanter Zwischenfälle zu verzeichnen.

Dabei variiert die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der Politik der Regierung, Kriminalität, Aktivitäten illegaler Milizen sowie bewaffnete Konflikte zwischen Ethnien bestimmen einerseits das Bild. Boomende Städte, durchgehend zweistellige wirtschaftliche Wachstumsraten und eine positive Grundstimmung der Bevölkerung bestimmen das Bild aber nicht minder. […]

Sicherheitslage im Süden und Südosten des Landes

(Provinzen: Helmand, Ghazni, Kandahar, Khost, Nimroz, Paktika, Paktya, Uruzgan und Zabul)

In der südlichen und südöstlichen Region passieren 64% aller sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Jahr 2011.

In der zweiten Hälfte 2011 ging die Zahl der zivilen Toten in Helmand und Kandahar auf 290 zurück. Dies bedeutet einen Rückgang von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dennoch bleiben diese beiden Provinzen jene mit den höchsten Opferzahlen.

In der zweiten Jahreshälfte 2011 wurden in den Provinzen Khost, Paktika, Ghazni, Kunar und Nangarhar insgesamt 446 Zivilisten getötet. Das bedeutet einen Anstieg von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. […]

[…]

Familienanschluss/Soziales Netz

[…]

Eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-i Sharif, Jalalabad und Herat ist grundsätzlich auch für Personen ohne Beziehungen möglich, sofern sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte ist dies nur unter großen Schwierigkeiten möglich. […]

[…]

Arbeitsmöglichkeiten

Die Rückkehrer sind meist allein stehende junge Männer. Rückkehrer, die über eine Berufsausbildung verfügen, haben gute Chancen ein Job zu finden. Es gibt eine kleine Zahl von qualifizierten Rückkehrern, die an Banken oder Internationale Organisationen vermittelt werden. Bei Rückkehrern ohne Ausbildung ist das Problem größer, da es nicht genügend Programme für Rückkehrer gibt.

[…]

Hazara

[…]

Soziale Diskriminierung gegenüber den schiitischen Hazara bestand weiterhin. […]

Die Volksgruppe der Hazara ist trotz nennenswerter Bestrebungen der Regierung, gegen historische ethnische Spannungen vorzugehen, weiterhin einem gewissen Grad an Diskriminierung ausgesetzt. Trotz der relativ stabilen Sicherheitslage in Provinzen und Distrikten, in welchen die Hazara die Mehrheit oder eine größere Minderheit darstellen, wie die Distrikte Jaghatu, Jaghori und Malistan in der Provinz Ghazni, hat sich die Sicherheitslage in der restlichen Provinz, einschließlich der Zufahrtsstraßen zu und von diesen Distrikten, verschlechtert. […]"

2.2. Der Asylgerichtshof führt in der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung auszugsweise aus wie folgt:

"[…]

Die Ausführungen in der Beschwerde über die Grundstückstreitigkeiten zwischen Verwandten sind für den Beschwerdeführer nicht relevant, da dieser - wie oben festgestellt - keine Ansprüche auf ein Grundstück stellt und somit kein Grund für das Bestehen eines Grundstückstreits ersichtlich ist. Aus den Ausführungen der Beschwerde über die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ergibt sich schließlich keine konkrete Gefährdung, da dieser nicht behauptet, das Ziel von Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte zu sein und überdies auch eingeräumt hat, im Heimatland niemals Opfer eines Übergriffes gewesen zu sein oder jemals Probleme mit staatlichen Behörden gehabt zu haben.

[…] Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat sich nicht ergeben, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan am Leben bedroht oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er in der Heimat in eine ausweglose Lebenssituation geraten würden. Der Beschwerdeführer hat Berufserfahrung als Hilfsarbeiter im Baugewerbe und war auch vor seiner Ausreise in der Lage seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist ihm zumutbar, nach einer Rückkehr durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten."

2.3. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung finden sich hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auszugsweise folgende Ausführungen:

"[…]

Wie festgestellt wurde, ist im Herkunftsstaat keine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer gegeben.

Die konkrete individuelle Lebenssituation des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der festgestellten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Herkunftsstaat führt nicht dazu, dass eine allfällige Abschiebung den Beschwerdeführer in eine 'unmenschliche Lage' im Sinne von Art 3 EMRK bringen würde.

[…]

Es ist angesichts der persönlichen Situation des gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführers nicht zu ersehen, dass er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht in der Lage sein sollte, sich durch eigene Erwerbstätigkeit zumindest die notdürftigste Lebensgrundlage zu sichern.

Vor dem Hintergrund der im Herkunftsstaat bestehenden Versorgungslage ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von derart außergewöhnlichen Umständen betroffen sein würde, die die hohe Eingriffsschwelle des Art 3 EMRK übersteigen und eine massive Bedrohung seiner Lebensgrundlage bilden könnten, zumal es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen gesunden jungen Menschen handelt. Für eine Gefährdung iSd § 8 Abs 1 AsylG (Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und Nr 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe) ergibt sich somit kein Anhaltspunkt.

Aufgrund der Situation in seiner Herkunftsregion im Herkunftsstaat ergibt sich auch nicht, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Wenn von der beschwerdeführenden Partei impliziert wird, dass afghanischen Asylwerbern in der Regel nur aufgrund der prekären allgemeinen Lage in Afghanistan subsidiärer Schutz zu gewähren sei, kann nicht gefolgt werden: Der Asylgerichtshof hat sowohl in der Vergangenheit als auch in jüngsten Entscheidungen wiederholt und im Ergebnis übereinstimmend erkannt, dass es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht ausreicht, sich bloß auf die allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern dass vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden müssen, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen (siehe dazu unter vielen anderen die hg. Erkenntnisse […]).

Wie sich vor allem auch aus jüngsten Entscheidungen des EGMR ergibt (siehe etwa EGMR , N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; , Husseini gg. Schweden, ZI. 10611/09, Rz 84; , J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz 55), hat der EGMR für Afghanistan wiederholt das Vorliegen einer Situation verneint, in der die Rückkehr für sich alleine genommen bereits eine Verletzung des Art 3 EMRK bedeuten würde. Im Urteil des EGMR vom , Husseini gg. Schweden, Rz 84, heißt es wörtlich: 'The Court considers there are no indications that the Situation in Afghanistan is so serious that the return of the applicant thereto would constitute, in itself, a violation of Article 3 of the Convention.'"

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973), darauf, keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, (Art3 EMRK) und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Art47 Abs 2 GRC) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Begründend wird u.a. ausgeführt, der Asylgerichtshof habe die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers unzureichend ermittelt. In der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes sei bestimmten Länderfeststellungen dezidiert entgegengetreten worden, wobei ergänzende Länderberichte zur Sicherheitslage speziell in Ghazni als auch landesweit, insbesondere auf die Rückkehr- und Wiederansiedlungsmöglichkeit "junger gesunder Männer" als Quellen angegeben und zitiert worden seien. Diese Länderberichte seien vom Asylgerichtshof nicht gewürdigt und damit das Parteivorbringen ignoriert worden.

Der Beschwerdeführer habe in der Beschwerde an den Asylgerichtshof vorgebracht, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan prekär sei und nicht einmal in Kabul die Sicherheit von der Regierung gewährleistet werden könne. Er habe auch unterstrichen, dass er – auf Grund der Ermordung seiner gesamten Kernfamilie – alleinstehend, ohne finanzielle Mittel und ohne jegliche weitere familiäre Anbindung wäre. Aus den Berichten des Bundesasylamtes, welche vom Asylgerichtshof zur Erkenntnisgrundlage gemacht worden seien, gehe hervor, dass eine Ansiedlung solcher Personen selbst in großen Städten für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte nur unter großen Schwierigkeiten möglich wäre. In diesen von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Berichten werde ebenso festgestellt, dass solche Personen in ländlichen Gebieten ohne ausreichende Sozialstruktur keine Chance zum Überleben hätten. Der Asylgerichtshof führe lediglich aus, der Beschwerdeführer habe als Hilfsarbeiter im Baugewerbe gearbeitet, die Bestreitung des Lebensunterhaltes wäre daher möglich. Feststellungen dazu habe er jedoch keine getroffen und ignoriere damit wiederum das Vorbringen des Beschwerdeführers, der angegeben habe, im Iran einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein, nicht jedoch in seinem Herkunftsstaat, wo er vor seiner Ausreise in den Iran beim Onkel gelebt und diesem bei der Viehwirtschaft geholfen habe.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen auszugsweise wie folgt entgegengetreten wird:

"[…]

Entgegen den Beschwerdeausführungen hat der Asylgerichtshof nicht die Vornahme von erforderlichen Ermittlungen unterlassen. Die vorliegende Beschwerde unternimmt es nicht, die bei den verschiedenen Befragungs- und Einvernahmeterminen zwischen Angaben des Beschwerdeführers erfolgten Widersprüche aufzuklären und bietet auch keine Rechtfertigung für die bei der Einvernahme am erfolgte Steigerung seiner Angaben über eine letztlich persönlich erfolgte Bedrohung durch seinen Onkel an. Diese in der Beweiswürdigung der Entscheidung des Asylgerichtshofs berücksichtigten Elemente tragen die Beurteilung, dass eine konkrete persönliche Bedrohungslage für den Beschwerdeführer wegen des allfälligen Grundstücksstreites zwischen dem Onkel und dem Bruder des Beschwerdeführers nicht gegeben ist. Weitere Ermittlungen waren daher nicht geboten.

Dieses Fehlen einer persönlichen Bedrohungssituation kann nicht durch die Hinweise auf die in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom zitierten Abschnitte aus Länderberichten über verbreitete Grundstücksstreitigkeiten innerhalb von Familien in Afghanistan ersetzt werden. Aus den auf Seite 8ff der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom dargestellten Fallbelegen kann überdies nicht abgeleitet werden, dass derartige Konflikte um Grundstücke sich jedenfalls auch gegen nicht unmittelbar am Konflikt beteiligte Mitglieder einer betroffenen Familie richten; vielmehr ist den beschriebenen Fällen lediglich zu entnehmen, dass der Einsatz von Gewalt gegen unmittelbar an den Konflikten beteiligte Personen erfolgt sei. Die in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom wiedergegebenen Abschnitte aus Länderberichten haben daher für den vorliegenden Fall keine Relevanz und hätten auch bei ausdrücklicher Zugrundelegung im Verfahren zu keinem anderen Ergebnis führen können.

Das beweiswürdigende Element der angefochtenen Entscheidung, dass der Beschwerdeführer nicht behauptet, das Ziel von Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte zu sein, beruht entgegen den Beschwerdeausführungen nicht auf einer Aktenwidrigkeit, da die behauptete Tötung des Bruders des Beschwerdeführers durch Taliban nicht als Ergebnis einer gegen den Beschwerdeführer selbst gerichteten Aktivität regierungsfeindlicher Kräfte anzusehen ist.

Entgegen den Beschwerdebehauptungen wurden die in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom enthaltenen Abschnitte aus Länderberichten über die Sicherheitslage in der behaupteten Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht ignoriert, sondern entsprechen ihrem Inhalt nach den in der nunmehr angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen des Bescheides des Bundesasylamtes, die auf eine aktuellere Quelle gestützt werden.

Auch Feststellungen über die Rückkehr und Ansiedlungsmöglichkeiten 'junger gesunder Männer' wurden bereits im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom getroffen und auf sie auch in der dagegen gerichteten Beschwerde (auf Seite 5) Bezug genommen.

[…]

Vor dem Hintergrund der in der Beschwerde zitierten Feststellung, wonach selbst in großen Städten für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte eine Ansiedlung nur unter großen Schwierigkeiten möglich wäre, ist darauf hinzuweisen, dass es dem gesunden und volljährigen Beschwerdeführer durchaus zumutbar ist, derartige Schwierigkeiten zu überwinden. Entgegen den Beschwerdeausführungen hat der AsylGH keineswegs das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Iran einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, ignoriert, sondern es ist dies in den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Seite 11 der angefochtenen Entscheidung) ausdrücklich festgehalten. Bei der Beurteilung der Erwerbschancen des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr ist diese Berufspraxis in der angefochtenen Entscheidung zulässigerweise berücksichtigt worden. Da es dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben ohne familiären Rückhalt möglich war, im Iran über mehrere Jahre einer derartigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und überdies die Mittel der Kosten seiner Schleppung nach Österreich in der Höhe von 5000.- Euro zu erwerben, muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auch unabhängig von der behaupteten nur kurzen Schulbildung als Person in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt und auch darüber hinausreichende Erfordernisse aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Dazu bedarf es entgegen der diesbezüglichen Andeutung in der Beschwerde nicht notwendigerweise einer Erwerbspraxis im Herkunftsstaat.

[…]

Im vorliegenden Fall hätte die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lassen. Bereits im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom wurden in der Beweiswürdigung die Widersprüche zwischen Angaben des Beschwerdeführers bei den unterschiedlichen Befragungs- bzw. Einvernahmeterminen über den unmittelbaren Anlass für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie die gegen die Glaubhaftigkeit der entsprechenden Angaben sprechende Steigerung seines Verbringens über eine unmittelbare Bedrohung durch seinen Onkel herangezogen. Der Beschwerdeführer hat diese gegenüber dem Bundesasylamt auf Vorhalt nicht ausgeräumt und hat es auch in der gegen den Bescheid vom gerichteten Beschwerde nicht unternommen, diese nachvollziehbar zu erklären. Auch die nunmehr vorliegende Beschwerde wendet sich nicht gegen die Schlüssigkeit der in der Entscheidung des Asylgerichtshofes ebenfalls herangezogenen Beweiswürdigung. Da somit eine persönliche Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer nicht vorliegt, ist es nicht maßgeblich, ob der Bruder des Beschwerdeführers tatsächlich wegen eines Streites um Grundstücke getötet worden ist.

Die mangelnde Glaubhaftigkeit der teilweise widersprüchlichen und gesteigerten Angaben des Beschwerdeführers über eine erfolgte persönliche Bedrohung durch seinen Onkel kann – wie oben ausgeführt – nicht durch den Hinweis auf die in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom zitierten Länderfeststellungen ersetzt werden. Da somit ausgeschlossen werden konnte, dass bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine gänzliche Neubewertung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers möglich gewesen wäre, war die Abhaltung der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht erforderlich.

[…]"

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan sowie die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan richtet, begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkenn bar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. ge währleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Dis kriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Ver fassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Er mittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unter lassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivor bringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit einer Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.602/2011 mwN).

2.2. Basierend auf den oben auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan führt der Asylgerichtshof im Rahmen der Beweiswürdigung aus, es würden keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer in der Heimat in eine ausweglose Lebenssituation geraten würde. Er habe Berufserfahrung als Hilfsarbeiter im Baugewerbe und sei auch vor seiner Ausreise in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es sei ihm zumutbar, nach einer Rückkehr durch eigene Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dabei übersieht der Asylgerichtshof, dass der Beschwerdeführer im Iran (und nicht in Afghanistan) als Hilfsarbeiter im Baugewerbe tätig war und dort auf diese Weise seinen Lebensunterhalt bestritten hat. In seiner Heimat hat er bei seinem Onkel und dessen Familie in der – nach den Feststellungen – vergleichsweise gefährlichen Provinz Ghazni gelebt. Es finden sich keine hinreichenden Ausführungen zur Frage, warum eine Rückkehr in die genannte Provinz für den Beschwerdeführer keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 zur EMRK bedeuten bzw. für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Ausführungen des Asylgerichtshofes hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Rückkehr in die Heimatregion des Beschwerdeführers stehen im Widerspruch zu den diesbezüglich getroffenen Feststellungen zur dortigen Sicherheitslage.

2.3. Soweit der Asylgerichtshof die Situation in Kabul (und anderen großen Städten) schildert, kommt diesen Ausführungen kein hinreichender Begründungswert zu, weil sich der Beschwerdeführer vor seiner Flucht weder in Kabul aufgehalten hat noch über irgendwelche sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte dort verfügt (vgl. ). Den in der Entscheidung wiedergegebenen Länderberichten ist zu entnehmen, dass unterschiedliche Faktoren, etwa persönliche Ressourcen und Anknüpfungspunkte in der Stadt bzw. Chancen einer Erwerbstätigkeit, für die Möglichkeit der Niederlassung einer Person in Kabul ausschlaggebend seien und eine Ansiedelung in Kabul allgemein nur unter großen Schwierigkeiten möglich sei, wenn die betreffende Person dort weder Familie noch Verwandte habe, um sie zu unterstützen (vgl. dazu auch VfSlg 19.695/2012). Das Bestehen eines familiären oder sonstigen sozialen Netzes des Beschwerdeführers in Kabul oder einer anderen großen Stadt hat der Asylgerichtshof nicht festgestellt. Aus dem Umstand der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers im Iran kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass es dem Beschwerdeführer möglich sein wird, in Kabul eine Existenz aufzubauen bzw. eine solche auch über einen längeren Zeitraum hindurch zu sichern.

3. Der Asylgerichtshof hat daher, indem er eine hinreichende Auseinandersetzung mit diesen, für die Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wesentlichen, Aspekten vermissen lässt, seine Entscheidung mit Willkür behaftet.

4. Da die Ausweisung aus dem Bundesgebiet die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, ist die bekämpfte Entscheidung, auch soweit damit die Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG in der mit in Kraft getretenen Fassung). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2. Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

3. Dem Asylgerichtshof ist bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung keine Verletzung des Art 3 EMRK unterlaufen, hat er sich doch in aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandender Weise mit allen aus Art 3 EMRK erfließenden Aspekten auseinandergesetzt (vgl. zB VfSlg 18.610/2008).

4. Zur behaupteten Verletzung des Art 47 GRC durch die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.632/2012 verwiesen.

5. Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit ihm damit der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und der Beschwerdeführer nach Afghanistan ausgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden. Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG und § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.