VfGH vom 02.07.2011, U2106/10

VfGH vom 02.07.2011, U2106/10

19455

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung der Wiedereinsetzung und Zurückweisung der Beschwerde eines Asylwerbers als verspätet; keine Ermittlungen zur Rechtswirksamkeit einer durch Hinterlegung im Akt erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides; keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Unkenntnis der – aufgrund eines behördlichen Irrtums – vorgenommenen Ummeldung

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Seit war der Beschwerdeführer an der Adresse Große Sperlgasse 4, 1020 Wien, als obdachlos amtlich gemeldet. Der Beschwerdeführer wurde am in die Justizanstalt Wien Josefstadt eingeliefert und am aus der Haft entlassen. Am war der Beschwerdeführer behördlich im Polizeianhaltezentrum Wien angemeldet worden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen; gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat abgewiesen und wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Guinea ausgewiesen.

Diesen Bescheid versuchte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer am und am in das Polizeianhaltezentrum Wien zuzustellen, nachdem es jeweils einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister eingeholt hatte, in dem das Polizeianhaltezentrum Wien als Hauptwohnsitz-Adresse des Beschwerdeführers angeführt war. Diese Zustellversuche blieben erfolglos, weil der Beschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum Wien unbekannt war. Am teilte das Polizeianhaltezentrum Wien dem Bundesasylamt telefonisch mit, dass der Beschwerdeführer noch nie im Polizeianhaltezentrum Wien aufhältig gewesen sei.

Nach telefonischer Mitteilung der Justizanstalt Wien Josefstadt, dass der Beschwerdeführer vom bis zum in der genannten Justizanstalt in Haft gewesen sei, und einer weiteren Abfrage im Zentralen Melderegister, in dem das Polizeianhaltezentrum Wien nach wie vor als Hauptwohnsitz-Adresse des Beschwerdeführers aufschien, hinterlegte das Bundesasylamt am den Bescheid vom gemäß § 23 Zustellgesetz - ZustG im Akt.

1.2. Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt u.a. mit, dass er "ausweislich der Z[M]R-Anfrage … vom bis als obdachlos beim Verein Ute Bock gemeldet gewesen … und diese Kontaktmeldung nur wegen der offensichtlich irrtümlichen Anmeldung im PAZ Wien vom im ZMR untergegangen" sei; "[d]araus und aus dem Unterbleiben einer neuerlichen Anmeldung hätte das Bundesasylamt erkennen müssen, dass [der Beschwerdeführer] tatsächlich von der wohl ohne Berechtigung vorgenommenen Anmeldung im PAZ nichts wusste, sondern nach wie vor die Kontaktadresse beim Verein Ute Bock aufrecht gehalten [hat], weswegen e[s] dorthin hätte zustellen können"; es sei "zu Unrecht nach § 8 Abs 2 iVm § 23 Abs 2 ZustellG vorgegangen" worden "und wäre [dem Beschwerdeführer] der Bescheid demnach neu zuzustellen". Der Beschwerdeführer habe "[a]nlässlich [s]einer Inschubhaftnahme am … durch die BPD Wien erstmals erfahren, dass [er] nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung [ist]" und habe "aus der Akteneinsicht [s]eines Vertreters am … dann erfahren, dass bereits ein Bescheid erlassen worden sei".

Der Beschwerdeführer beantragte unter einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sowie diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; weiters erhob er Beschwerde gegen den Bescheid vom an den Asylgerichtshof.

1.3. In weiterer Folge erließ das Bundesasylamt einen an den Beschwerdeführer gerichteten, mit datierten Bescheid folgenden Inhaltes:

"I. Ihr Antrag vom auf neuerliche Zustellung des Bescheides vom … wird gemäß § 21 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) … iVm § 6 Zustellgesetz (ZustellG) … abgewiesen.

II. Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom wird gemäß § 71 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) … abgewiesen.

III. Ihr Antrag, dem gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß § 71 Absatz 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) … abgewiesen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Beschwerde an den Asylgerichtshof. Dabei beantragte er u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

1.4. Mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom wurde Folgendes verfügt:

"I. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes [vom ] wird gemäß § 71 Abs 1 AVG 1991 … abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom … wird gemäß § 63 Abs 5 AVG 1991 … als verspätet zurückgewiesen."

Begründend wird u.a. Folgendes ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall reduziert sich die Rechtfertigung des Beschwerdeführers hinsichtlich der seinerseits vorliegenden Fristversäumnis im Wesentlichen auf das Argument, wonach er zu Unrecht am amtswegig von seiner bisherigen Kontaktadresse Verein Ute Bock, Große Sperlgasse 4, 1020 Wien, abgemeldet worden wäre. So habe er sich entgegen der ZMR-Eintragung zu keiner Zeit im PAZ … aufgehalten und sei es für ihn daher auch völlig unvorhersehbar gewesen, dass zwischenzeitlich eine behördliche Abmeldung seiner Person vorgenommen worden wäre. In der Annahme, weiterhin an der obgenannten Kontaktanschrift gemeldet zu sein, hätte der Asylwerber weiterhin regelmäßig seine Post kontrolliert und erst anlässlich seiner Schubhaftnahme am erstmalig vom Verlust seiner Aufenthaltsberechtigung erfahren. Vor dem Hintergrund eines offenkundigen Behördenfehlers könne man ihm somit auch keinerlei allfällige Sorgfaltswidrigkeit anlasten.

Dieser Argumentationslinie kann aus nachstehenden Gründen nicht beigetreten werden: Zwar haben die erstinstanzlichen Recherchen ergeben, dass der Asylwerber mit im Polizeianhaltezentrum … Wien … fälschlicherweise eingetragen und daher von seiner bisherigen Kontaktadresse abgemeldet worden ist, jedoch vermag dieser Umstand nicht über das Faktum hinwegzutäuschen, demzufolge der Antragsteller an diesem Tag in der Justizanstalt Josefstadt inhaftiert worden ist … . Nach seiner Entlassung am hat es der Beschwerdeführer in weiterer Folge unterlassen, eine neue Wohn- oder Kontaktadresse bekanntzugeben, weshalb die belangte Behörde am mangels entsprechender Kenntnis hinsichtlich seines aktuellen Aufenthaltsortes völlig rechtskonform eine Bescheidzustellung durch Hinterlegung im Akt gemäß §§8 iVm 23 Abs 2 ZustellG vorgenommen hat. Für den vom Asylwerber gesetzten Verstoß gegen die Meldepflicht nach seiner Strafhaftentlassung ist es völlig unerheblich, ob im ZMR die behördlich erfolgte Abmeldung seiner bisherigen Zustelladresse fälschlich aufgrund seiner Einlieferung ins PAZ … Wien … oder tatsächlich erfolgten Inhaftierung in der Justizanstalt Josefstadt eingetragen worden ist. Rechtlich relevant ist in diesem Kontext lediglich die Tatsache, demzufolge der Antragsteller es entgegen der gebotenen Mitwirkungs- und Sorgfaltspflicht unterlassen hat, im Anschluss nach der Beendigung seiner Haftstrafe der Behörde seine aktuelle Kontaktadresse bekanntzugeben. Da der Beschwerdeführer nach allgemeiner Lebenserfahrung somit nicht davon ausgehen konnte, dass seine vorangegangene Zust[e]lladresse nach seinem insgesamt einen Monat lang dauernden Gefängnisaufenthalt nach wie vor im bisherigen Umfang aufrecht sein würde, wäre es ihm als einer an dem Fortgang seines Asylverfahrens ernsthaft interessierten und sorgfältigen Person zumutbar gewesen, sich unverzüglich um eine neue Zustelladresse zu bemühen. Das Unterlassen einer derartigen Vorgangsweise stellt angesichts der diesbezüglich im erstinstanzlichen Verfahren wiederholt (!!) umfassend erteilten Rechtsbelehrungen hinsichtlich seiner Meldepflichten … jedenfalls ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden dar und waren die daraus resultierenden Folgen aus dem selben Grunde für den Asylwerber weder unvorhersehbar noch unabwendbar.

Hinsichtlich der im Beschwerdeschriftsatz erstmals ins Treffen geführten und durch keinerlei Beweismittel belegten Behauptung, wonach der Antragsteller sich über das Weiterbestehen seiner aufrechten Meldung beim Verein Ute Bock erkundigt und daraufhin eine bestätigende Antwort erhalten habe, ist auszuführen, dass dieses Vorbringen nicht glaubwürdig erscheint, zumal eine derartige Auskunft das Vorhandensein einer ZMR-Abfragemöglichkeit voraussetzen würde, was jedoch bereits aufgrund mangelndem Behörden-,

Anwalts- ... oder Rechtsanwaltsstatus definitiv auszuschließen ist.

Doch selbst wenn eine solche dennoch gegeben gewesen wäre, hätten die Mitarbeiter den aktuellen Meldestatus des Beschwerdeführers und damit auch dessen erloschene Zustelladresse in Erfahrung bringen und entsprechende Auskunft erteilen können. Anzunehmen, dass Mitarbeiter einer Flüchtlingsorganisation ihren Mandanten entgegen besser[e]n Wissens bewusst Falschinformationen liefern, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und ist auch von diesem Blickwinkel aus betrachtet absolut unglaubwürdig. [Dasselbe] gilt analog bei völligem Fehlen einer Abfragemöglichkeit. Darüber hinaus wäre vom Asylwerber vor dem Hintergrund seiner mehrmals erfolgten Rechtbelehrungen jedenfalls zu erwarten gewesen, dass er sich bei den zuständigen Meldebehörden, beim Bundesasylamt oder durch schlichtes Aufsuchen einer nahegelegenen Polizeidienststelle durch Anfertigung eines aktuellen ZMR-Auszuges definitive Gewissheit über seinen gegenwärtigen Meldestatus verschafft.

Vor diesem Hintergrund gelang es dem Antragsteller nicht einmal ansatzweise, das Vorliegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses, welches ihn an der fristgerechten Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert hätte und an dessen Eintritt ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens träfe, glaubhaft zu machen. Zweifel an der Durchführung eines rechtskonformen Zustellvorgangs können anhand der Aktenlage ausgeschlossen werden.

Zusammenfassend schließt sich somit die erkennende Behörde der Einschätzung des Bundesasylamtes vollinhaltlich an, der zu Folge es dem Wiedereinsetzungswerber in keinster Weise gelungen ist, glaubhaft zu machen, durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis objektiv daran gehindert gewesen zu sein, die Rechtsmittelfrist einzuhalten und ihn daran kein Verschulden oder auch nur ein minderer Grad des Versehens träfe.

Es ist letztlich nicht erkennbar, dass der Antragsteller die im Sinne der … Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und dem Asylwerber nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt, konkret die fristgerechte Übermittlung der Beschwerde gegen den ordnungsgemäß zugestellten erstinstanzlichen Bescheid, eingehalten hätte.

Insgesamt war daher der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers abzuweisen, da ihn an der Fristversäumnis ein Verschulden trifft, das über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgeht[,] und dieser letztlich keine Gründe geltend gemacht hat, die ihn an einer fristgerechten Übermittlung eines Rechtsmittelschriftsatzes gehindert hätten. Da sich die vom Asylwerber präsentierten Rechtfertigungen ausschließlich auf die lapidar in den Raum gestellte und durch nichts belegte Behauptung, im fraglichen Zeitraum ohnehin die erforderlichen Sorgfaltspflichten eingehalten zu haben, beschränken, die basierend auf den erstinstanzlichen Erhebungen sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung objektiv nicht nachvollzogen werden können, ist somit kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der Judikatur

ersichtlich, das de[n] Antragsteller... an einer Fristenwahrung,

konkret der rechtzeitigen Einbringung der Berufung, gehindert haben könnte.

Da der Antrag des Asylwerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist bezüglich des Bescheides des Bundesasylamtes vom … abgewiesen wurde, ist die am gegen den am durch Hinterlegung im Akt zugestellten Bescheid erhobene Beschwerde als verspätet zu qualifizieren. Gemäß § 63 Abs 5 AVG beträgt die Beschwerdefrist zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides, sohin war im gegenständlichen Fall der der letzte Tag der Frist und somit die nach Ablauf des eingebrachte Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG unterbleiben."

2. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die bekämpfte Entscheidung sowie die Verletzung in Rechten "wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Der Beschwerdeführer bringt dazu im Wesentlichen Folgendes vor:

"Eine auf § 8 Abs 2 ZustellG gestützte Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch setzt … die Änderung der bisherigen Abgabestelle, die Unterlassung der Mitteilung dieses Umstandes an die Behörde und die Unmöglichkeit bzw schwierige Feststellung seitens der Behörde, eine andere oder neue Abgabestelle ausfindig zu machen, voraus. Entspricht eine Zustellung nicht den gesetzlichen Vorschriften[,] ist sie unwirksam.

Der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend bewirkt auch eine zwei Monate andauernde, im Zeitpunkt der Hinterlegung der Ladung bereits wieder beendete Inhaftierung des Asylwerbers für sich genommen noch kein dauerndes Verlassen der Wohnung und daher keine Änderung seiner bisherigen Abgabestelle (siehe ;2001/20/0050 m.w.N.).

Gegenständlich war ich ein Monat lang inhaftiert, es kam nicht zu einer Änderung der Abgabestelle, das Bundesasylamt hätte daher an die ihr bekannte Zustelladresse beim Verein Ute Bock zustellen können und müssen. Das Aufrecht-Sein der Zustelladresse hätte das Bundesasylamt auch ohne Schwierigkeiten durch Nachfragen beim Verein Ute Bock feststellen können.

Entsprechend der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war die vorgenommene Hinterlegung des Asylbescheides vom bei der Behörde unwirksam.

… Die hier erfolgte Hinterlegung bei der Behörde ist schon deshalb als rechtswidrig zu beurteilen, weil das Bundesasylamt zu Unrecht eine Änderung der Abgabestelle angenommen hat und jedenfalls das Beibehalten meiner bisherigen Abgabestelle ohne Schwierigkeiten hätte feststellen können. Auf eine allfällige Verletzung meiner Mitwirkungspflicht kommt es daher gar nicht an. Aber selbst wenn die vorgenommene Hinterlegung im A[k]t als rechtswirksam zu beurteilen wäre[,] läge ein schuldhaftes Nicht-Mitwirken nicht vor bzw hätte ich meine Sorgfalt nicht schuldhaft verletzt. Es geht nämlich der durchschnittliche Asylwerber davon aus, dass dem Bundesasylamt sowohl die Inhaftnahme als auch die Entlassung aus der Gerichtshaft bekannt wird (die 'Entlassungsadresse' wird ohnehin von der Justiz erfragt und in deren Informationssystem eingetragen) … ."

3. Der belangte Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten des Bundesasylamtes sowie seine Gerichtsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen und auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

II. Rechtslage

1. Die §§2, 8 und 23 ZustellG lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

3. 'Zustelladresse': eine Abgabestelle (Z4) …

4. 'Abgabestelle': die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort …

…"

"Änderung der Abgabestelle

§8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

"Hinterlegung ohne Zustellversuch

§23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

(2) Die Hinterlegung ist von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

(3) Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, daß sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.

(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt."

2. § 23 Abs 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Verfahren

§23. (1) Soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) … nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) … mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs 'Berufung' der Begriff 'Beschwerde' tritt."

3. Die in § 23 Abs 1 AsylGHG verwiesenen § 63 Abs 5 und § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG haben - auszugsweise - den folgenden Wortlaut:

"§63. …

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. …"

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist … ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

… die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten … und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft …

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war … .

...

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. ...

..."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, durch die "Anwendung rechtswidriger genereller Normen" in seinen Rechten verletzt zu sein. Dabei unterlässt er es jedoch, konkrete Normen zu bezeichnen. Gegen die angewendeten Bestimmungen hegt der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2.1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie ).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2.2. Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem Asylgerichtshof unterlaufen:

Eine Hinterlegung gemäß § 23 ZustG ist gemäß § 8 Abs 2 ZustG nur dann zulässig, wenn eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Aus dem gesamten Akt des Bundesasylamtes geht als Zustelladresse des Beschwerdeführers die Adresse Große Sperlgasse 4, 1020 Wien, hervor, die auch in den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister als letzte Meldeadresse aufschien. Die Abmeldung von dieser Adresse erfolgte allein auf Grund eines behördlichen Irrtums. Nach erfolglosen Zustellversuchen in das Polizeianhaltezentrum Wien und telefonischer Mitteilung des Polizeianhaltezentrums Wien am stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer nie im Polizeianhaltezentrum Wien aufhältig war. Der Beschwerdeführer hat überdies in seinem Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich darauf hingewiesen, von seiner Anmeldung im Polizeianhaltezentrum Wien nichts gewusst, sondern "nach wie vor die Kontaktadresse beim Verein Ute Bock aufrecht gehalten" zu haben.

Die vom Bundesasylamt durchgeführten Anfragen an das Zentrale Melderegister erwiesen sich in diesem Fall zur Feststellung der Abgabestelle als nicht geeignet, weil dem Bundesasylamt nach telefonischer Mitteilung durch das Polizeianhaltezentrum Wien klar sein musste, dass die Auskunft aus dem Zentralen Melderegister unrichtig war. Dennoch hat das Bundesasylamt keine weiteren Feststellungen zur Abgabestelle getroffen und auch nicht versucht, dem Beschwerdeführer den Bescheid an der von ihm einmal bekannt gegebenen Abgabestelle - die im Zentralen Melderegister auch als letzte (vor der behördlichen Ummeldung in das Polizeianhaltezentrum Wien bestehende) Meldeadresse aufschien - zuzustellen.

Der Asylgerichtshof hat die soeben angestellten Überlegungen nicht in seine Entscheidung einfließen lassen, sondern stützt seine in der angefochtenen Entscheidung vertretene Rechtsansicht, der erstinstanzliche Bescheid vom sei durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 ZustG rechtswirksam zugestellt worden, ausschließlich auf den Umstand, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe, nach seiner Strafhaftentlassung eine neue Wohn- oder Kontaktadresse bekannt zu geben. Obwohl der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde an den Asylgerichtshof vorgebracht hat, seine bisherige Adresse sei die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aufrechte Kontaktanschrift gewesen und er habe von der behördlich vorgenommenen Änderung seiner Daten im Melderegister nichts gewusst, hat sich der Asylgerichtshof mit den vom Beschwerdeführer dargelegten Behauptungen der mangelnden Kenntnis seiner Ummeldung und mit den sich diesbezüglich aus dem Akteninhalt ergebenden - oben dargelegten - Tatsachen nicht auseinandergesetzt.

Dieses Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in einem wesentlichen Punkt führt dazu, dass der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt ist.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Damit hat der Asylgerichtshof gegen das Willkürverbot des Gebots der Gleichbehandlung von Fremden untereinander verstoßen.

Die angefochtene Entscheidung war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- und Eingabengebühr in der Höhe von € 220,-- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.