VfGH vom 06.06.2014, U2105/2012
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan; fehlender Begründungswert der Ausführungen des AsylGH
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen, Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete seinen Antrag damit, dass er für den afghanischen Geheimdienst tätig gewesen und deshalb von den Taliban bedroht worden sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 10 Abs 1 Asylgesetz 2005 ausgesprochen.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom gemäß §§3 Abs 1, 8 Abs 1 und 10 Abs 1 Asylgesetz 2005 abgewiesen. In Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe kam der Asylgerichtshof – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung asylrelevanter Verfolgung nicht gelungen sei, da seine Angaben zu seinen Fluchtgründen "nur marginal einem bestimmten Handlungsablauf [folgen], […] in der Schilderung vage und unschlüssig [bleiben] und […] mit eklatanten Widersprüchen behaftet [sind]". Weiters hält der Asylgerichtshof fest, dass der Beschwerdeführer "weder seine Identität, noch seine Lebensumstände oder seine Herkunft, noch einen Fluchtgrund schlüssig, nachvollziehbar und in irgendeiner Weise glaubhaft darlegen kann". Auch die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan erachtet der Asylgerichtshof für zulässig.
Die Nichtzuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung begründet der Asylgerichtshof in der Beweiswürdigung und in den Erwägungen seiner Entscheidung wie folgt:
"Der BF konnte keinerlei konkrete, widerspruchsfreie und glaubhafte Angaben zu seinem Herkunftsort machen. Dass er aus der Provinz Logar stammt, kann aufgrund der samt und sonders mit Widersprüchen behafteten Angaben des BF ebenfalls nicht seriös angenommen werden, da dies eine willkürliche Annahme wäre.
Der BF ist laut eigenen Angaben gesund, erwerbsfähig und (aktuell) nicht in Gefahr, aufgrund einer allenfalls unzureichenden medizinischen Behandlung in eine hoffnungslose, beziehungsweise unmenschliche Lage zu geraten. Er kann sich in seinem Herkunftsstaat voraussichtlich ein ausreichendes Einkommen sichern, da er nach seinen eigenen Angaben ein eigenes Geschäft betrieben hat und seine Familie landwirtschaftliche Grundstücke besitzt. Eine andere Ausgangsgrundlage bietet sich aus dem Verfahren nicht an.
[…]
Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Der BF war nicht in der Lage die Herkunft aus einem bestimmten Gebiet glaubhaft zu machen, da sein gesamtes Vorbringen unglaubhaft war, daher nicht angenommen werden konnte, dass ausgerechnet seine Abstammung aus der Provinz Logar der Wahrheit entsprach. Überdies waren die entsprechenden Angaben zu seinem Wohnort wirr und unnachvollziehbar.
Eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention in Bezug auf den Herkunftsort des BF konnte daher nicht festgestellt werden, da unter 'realer Gefahr' eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen zu verstehen ist, die eine reale Ausgangsbasis (konkrete Herkunft) erfordert. Die bloße Annahme, dass der BF aus einem Gebiet kommt, in welche[m] der Aufenthalt zu einer realen Gefährdung führen könne, wäre Willkür und würde eine Person, die keine Angaben zu ihrer Herkunft macht ad hoc besser stellen, als eine[n] BF, der wahrheitsgemäße und konkrete Angaben macht.
Was nun die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.) als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe deutsches Auswärtiges Amt, 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan' vom ).
Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF verfügt darüber hinaus über eine gewisse Berufserfahrung. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF – wenn man den Angaben zu seiner Familie folgt – noch Eltern und Geschwister, sowie eine Ehefrau in Afghanistan hat, die ihn in gewissem Maß zumindest finanziell unterstützen können, sodass er sich entweder in Kabul oder in seinem tatsächlichen Heimatort eine eigene Existenz aufbauen kann.
Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde.
Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene – unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Afghanistan – einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde ( Zl. 98/21/0427; , Zl. 2002/18/0028; vgl. dazu auch Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. BVerwG 10 C10.09). Wie der EGMR in seinem Urteil vom , N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52, ausgeführt hat, stellt sich die Lage in Afghanistan trotz der verfügbaren Berichte über ernste Menschenrechtsverletzungen jedenfalls nicht so dar, dass gleichsam jede Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf Grund der persönlichen Situation des Betroffenen die Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen würde.
Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, in der Hauptstadt Kabul nach einem – wenn auch anfangs nur vorläufigen – Wohnraum zu suchen und sich mit der bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Letztlich steht dem BF ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich an in Kabul ansässige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht dem BF im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. In der gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes erhobenen Beschwerde wird die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung des Asylgerichtshofes wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und in den Rechten nach Art 2, 3 und 8 EMRK, beantragt. Insbesondere wird vorgebracht, dass der Asylgerichtshof die Lage in Afghanistan nicht zutreffend beurteilt habe.
4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und beantragte, die Beschwerde abzuweisen. Von der Erstattung einer Gegenschrift nahm er Abstand.
II. Erwägungen
Die Beschwerde ist zulässig.
A. Soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan richtet, ist sie auch begründet.
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
Ein willkürliches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken (zB VfSlg 18.741/2009, 18.986/2010, 19.578/2011).
2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen.
2.1. Gemäß § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (VfSlg 19.602/2011 mwN).
2.2. Zunächst geht der Asylgerichtshof davon aus, dass nicht anzunehmen sei, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In weiterer Folge trifft er keine Feststellungen zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers, weil er die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsort, anders als andere Angaben zu seiner Person, für nicht glaubwürdig erachtet. Im Weiteren geht der Asylgerichtshof davon aus, dass sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan – neben Kabul (siehe dazu unten) – "in seinem tatsächlichen Heimatort eine eigene Existenz aufbauen kann".
2.3. Vor dem Hintergrund der vom Asylgerichtshof getroffenen Feststellungen, dass die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan generell weder sicher noch stabil sei und regional sehr variiere, fehlt der Behauptung des Asylgerichtshofes, dass sich der Beschwerdeführer im (nicht festgestellten) Heimatort eine eigene Existenz aufbauen könne, jeder Begründungswert.
Auch die Begründung in der angefochtenen Entscheidung, dass der Beschwerdeführer seine Existenz alternativ in Kabul aufbauen könne, vermag das Ergebnis nicht zu tragen, weil der Asylgerichtshof nicht begründet, weshalb es gerade dem Beschwerdeführer gelingen soll, sich (wenn auch nur vorläufig) in Kabul "Wohnraum zu suchen und sich mit der bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenfalls mit anderen Tätigkeiten ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften" (zur notwendigen "Einzelfallprüfung" s. etwa mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR ; vgl. weiters und U1416/12).
3. Ebenso unterlässt es der Asylgerichtshof, die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer an diverse Hilfsorganisationen in Kabul wenden könne, zu begründen, da – wie in der angefochtenen Entscheidung ebenso festgestellt – individuelle Unterstützungsleistungen von diesen Einrichtungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden könnten (s. abermals ). Aus diesen Gründen fehlt den Ausführungen des Asylgerichtshofes in der angefochtenen Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wird, jeglicher Begründungswert. Die angefochtene Entscheidung verletzt deshalb insoweit den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
4. Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Asylgesetz 2005 voraussetzt, dass der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist die angefochtene Entscheidung, soweit sie den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausweist, ebenfalls aufzuheben.
B. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, wird ihre Behandlung aus folgendem Grund abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art 144 B VG in der mit in Kraft getretenen Fassung ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die übrigen in der Beschwerde gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan und gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Die angefochtene Entscheidung ist insoweit aufzuheben.
2. Im Übrigen ist die Behandlung der Beschwerde abzulehnen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2014:U2105.2012