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VfGH vom 21.11.2013, U1900/2013

VfGH vom 21.11.2013, U1900/2013

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Asylantrags eines staatenlosen Palästinensers und Ausweisung nach Jordanien wegen objektiver Willkür infolge Unterlassung der Prüfung eines etwaigen Vorliegens des "ipso facto"-Schutzes der Statusrichtlinie

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden. Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.688,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist 1981 geboren und staatenloser Palästinenser. Er ist im Libanon, in Jordanien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgewachsen und 1997 mit seiner Familie nach Jordanien zurückgekehrt, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Er ist am in Österreich eingereist und hat am einen Asylantrag gestellt. Er habe seinem Vorbringen zufolge seinen Herkunftsstaat wegen des Krieges verlassen. Man könne seinem alltäglichen Leben nicht nachgehen, arbeiten oder studieren. Er habe die jordanische Staatsbürgerschaft nicht erhalten. Als Palästinenser würde er in Jordanien diskriminiert.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl I 76 idF BGBl I 105/2003 (im Folgenden: AsylG 1997) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Jordanien gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 nach Jordanien aus.

2. Der Asylgerichtshof wies die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde) nach Beigebung eines Rechtsberaters und Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Berufung auf aktuelle Länderberichte als unbegründet ab. Er begründet die Abweisung der Beschwerde damit, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner palästinensischen Abstammung in Jordanien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei, zumal eine allgemeine Diskriminierung – etwa soziale Ächtung – keine hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweise und bestimmte Benachteiligungen – wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit – bis zu einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre hinzunehmen seien. Die schwierige allgemeine Lage der Palästinenser in Jordanien sei für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Gefährdung iSd Art 3 EMRK könne ebenfalls nicht erkannt werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Jordanien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre. Die Ausweisung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar.

3. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde rügt der Beschwerdeführer u.a. die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973). Hiezu führt er im Wesentlichen aus, der Asylgerichtshof habe sich weder mit der Lage der Palästinenser aus dem Gazastreifen in Jordanien auseinandergesetzt, noch habe er das Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend gewürdigt. Palästinenser aus dem Gazastreifens seien vor allem in den Bereichen Wohnen, Bildung und Beschäftigung erheblichen Diskriminierungen in Jordanien ausgesetzt. Darüber hinaus habe der Asylgerichtshof die Frage, ob eine Ausweisung nach Jordanien überhaupt möglich sei, nicht geprüft.

4. Der Asylgerichtshof sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und übermittelte die Verfahrensakten.

II. Rechtslage

1. Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955 (im Folgenden: GFK):

"Artikel 1

Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'

A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer:

1. gemäß den Vereinbarungen vom und , den Abkommen vom und , dem Protokoll vom oder der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling angesehen worden ist.

Entscheidungen, die von der Internationalen Flüchtlingsorganisation während der Zeit ihrer Tätigkeit über die Anerkennung als Flüchtling getroffen worden sind, werden nicht hindern, daß Personen, die die Bedingungen der Ziffer 2 dieses Abschnittes erfüllen, die Rechtsstellung von Flüchtlingen erhalten;

2. sich infolge von vor dem eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. Falls jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, ist unter dem Heimatland jedes Land zu verstehen, dessen Staatsangehöriger er ist; wenn jemand ohne triftige, auf wohlbegründeter Furcht beruhende Ursache sich des Schutzes eines der Staaten, dessen Staatsangehöriger er ist, nicht bedient, soll er nicht als eine Person angesehen werden, der der Schutz des Heimatlandes versagt wordenist.

[…]

D. Dieses Abkommen wird auf Personen keine Anwendung finden, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten.

Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne daß die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig.

[…]

[…]

Artikel 5

Rechte außerhalb des Abkommens

Dieses Abkommen soll keinerlei Rechte oder Vorteile, die von einem vertragschließenden Staat vor oder neben diesem Abkommen gewährt wurden, beeinträchtigen."

2. Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974:

"Artikel I

ALLGEMEINE BESTIMMUNG

(1) Die Vertragsstaaten dieses Protokolls verpflichten sich, die Artikel 2 bis einschließlich 34 der Konvention auf Flüchtlinge, wie sie im nachstehenden definiert sind, anzuwenden.

(2) Im Sinne dieses Protokolls ist unter dem Ausdruck 'Flüchtling', außer bei der Anwendung des Absatzes 3 dieses Artikels, jede unter die Begriffsbestimmung des Artikels 1 der Konvention fallende Person zu verstehen, so als wären die Worte 'infolge von vor dem eingetretenen Ereignissen' und die Worte 'infolge obiger Umstände' in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 nicht enthalten.

(3) Dieses Protokoll ist von den Vertragsstaaten ohne jede geographische Begrenzung anzuwenden, jedoch sind Erklärungen, die von Vertragsstaaten der Konvention bereits gemäß Artikel 1 Abschnitt B Ziffer 1 lita) der Konvention abgegeben wurden, auch nach diesem Protokoll anzuwenden, sofern sie nicht gemäß Artikel 1 Abschnitt B Ziffer 2 der Konvention erweitert wurden."

3. Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 L 304,12 (im Folgenden: Status-RL):

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[…]

b) 'Genfer Flüchtlingskonvention' das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom in der durch das New Yorker Protokoll vom geänderten Fassung;

c) „Flüchtling“ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

[…]

Artikel 3

Günstigere Normen

Die Mitgliedstaaten können günstigere Normen zur Entscheidung der Frage, wer als Flüchtling oder Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind.

[…]

Artikel 12

Ausschluss

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er

a) den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie;

b) von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat.

[…]

[…]

Artikel 38

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens bis zum nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

[…]

Artikel 39

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft."

4. Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl. 2011 L 337, 9:

"Artikel 12

Ausschluss

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er

a) den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie;

b) von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat.

[…]

[…]

Artikel 39

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um den Artikeln 1, 2, 4, 7, 8, 9, 10, 11, 16, 19, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34 und 35 bis nachzukommen. Sie übermitteln der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Verweise in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie aufgehobene Richtlinie als Verweise auf diese Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten der Bezugnahme und die Formulierung der Erklärung fest.

[…]

Artikel 40

Aufhebung

Die Richtlinie 2004/83/EG wird für die durch die vorliegende Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang I Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht [Anm.: Richtlinie 2004/83/EG – Umsetzungsfrist ] mit Wirkung vom aufgehoben.

Für die durch die vorliegende Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten gelten Verweise auf die aufgehobene Richtlinie als Verweise auf die vorliegende Richtlinie nach der Entsprechungstabelle in Anhang II.

Artikel 41

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 1, 2, 4, 7, 8, 9, 10, 11, 16, 19, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34 und 35 gelten ab dem ."

5. Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005AsylG 2005) BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Be stimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl I Nr 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. […]

[…]"

6. Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG), BGBl I 76 idF BGBl I 105/2003 (im Folgenden: AsylG 1997):

"Asylantrag

§3. (1) Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, begehren mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl. Ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ist nicht zulässig.

(2) Ein Asylantrag ist gestellt, wenn Fremde auf welche Weise immer gegenüber einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erkennen geben, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen.

[…]

Asyl auf Grund Asylantrages

§7. Die Behörde hat Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, daß ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlußgründe vorliegt.

Non-refoulement-Prüfung

§8. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken (zB VfSlg 18.614/2008, 18.632/2008, 18.741/2009, 18.753/2009, 18.986/2010, 18.998/2010, 19.455/2011, 19.578/2011).

2. Ein derartiger Fall liegt hier vor:

2.1. Der Beschwerdeführer legte laut S 15 des Bescheides des Bundesasylamts im Asylverfahren die Kopie einer auf seine Person ausgestellten "UNRWA-Registrierungskarte" vor.

2.2. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art 1 Abschnitt D GFK, auf den Art 12 Abs 1 lita Status-RL Bezug nimmt (, Nawras Bolbol , Slg. 2010, I-5539 [Rz 44]). Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art 12 Abs 1 lita Status-RL sieht – in Entsprechung des Art 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art 12 Abs 1 der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag internationalen Schutz zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art 12 Abs 1 litb oder Abs 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. , Mostafa Abed El Karem El Kott ua. [Rz 76]).

2.3. Das AsylG 1997 trat mit außer Kraft. Alle am anhängigen Verfahren – sohin auch der vorliegende Fall – sind jedoch gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen.

Der zweite Satz des Art 12 Abs 1 lita Status-RL sieht die "ipso facto" Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, vor. Dies bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art 12 Abs 1 lita zweiter Satz der Status-RL fallenden Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art 12 Abs 1 litb oder Abs 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. , Mostafa Abed El Karem El Kott ua. [Rz 76]). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art 12 lita der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung innerhalb der am abgelaufenen Umsetzungsfrist unmittelbar anzuwenden sein dürfte ().

2.4. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Begründung seines Urteils in der Rechtssache Bolbol ausgeführt, dass mit der "Registrierung bei der UNRWA ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Hilfe" iSd Art 12 Abs 1 lita erster Satz Status-RL vorliegt (, Nawaras Bolbol, Slg. 2010, I-5539 [Rz 52]). Der Asylgerichtshof hätte daher zu prüfen gehabt, ob der Beschwerdeführer nicht "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, weil ihm der Beistand der UNRWA zwar – jedenfalls – in der Vergangenheit gewährt wurde, nunmehr jedoch "aus irgendeinem Grund" iSd Art 12 Abs 1 lita zweiter Satz Status-RL nicht mehr gewährt wird (vgl. ).

In seinem Urteil in der Rechtssache El Kott ist der Europäische Gerichtshof nicht davon ausgegangen, dass der "ipso facto"-Schutz infolge des Wegfalls des Beistandes "aus irgendeinem Grund" ausschließlich im Fall individueller Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A GFK eintritt, sondern hat ausgeführt, dass die nationalen Behörden für "die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung […] tatsächlich nicht länger gewährt wird, […] zu prüfen [haben], ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (, Mostafa Abed El Karem El Kott ua, [Rz 61]).

3. Da der Beschwerdeführer im Asylverfahren die Kopie einer Registrierungskarte der UNRWA vorgelegt hat, hätte sich der Asylgerichtshof mit der Frage, ob der Beschwerdeführer gemäß Art 12 Abs 1 lita Satz 2 Status-RL "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, auseinandersetzen müssen (oder möglicherweise begründet darlegen müssen, warum der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie der UNRWA-Registrierungskarte keine diesbezügliche Beweiskraft zukommt). Da der Asylgerichtshof aber den konkreten Sachverhalt vollständig außer Acht gelassen hat, hat er Willkür geübt.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 408,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.