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VfGH vom 22.11.2013, U1800/2013

VfGH vom 22.11.2013, U1800/2013

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Ausweisung des afghanischen Beschwerdeführers nach Ungarn mangels jeglicher Auseinandersetzung in einem entscheidungswesentlichen Aspekt

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er hinsichtlich seines Fluchtweges an, sein Heimatland bereits im Jahr 2009 verlassen zu haben und zunächst über die Türkei nach Griechenland gelangt zu sein, wo er für zwei Monate inhaftiert worden sei. Nach seiner Freilassung sei er über Mazedonien und Serbien nach Ungarn bis zur österreichischen Grenze gereist, wobei ihn die österreichische Polizei an die ungarische Polizei übergeben habe. Die ungarische Polizei habe ihn für 16 Tage eingesperrt und anschließend nach Serbien überstellt. Die serbische Polizei wiederum habe den Beschwerdeführer laufen lassen und dieser habe sich nach Rumänien begeben und dort einen Asylantrag gestellt. Da er einen negativen Bescheid und einen Landesverweis erhalten habe, sei er nach Ungarn gereist, wo er eine Aufenthaltserlaubniskarte erhalten habe. Kurz darauf sei seine Weiterreise nach Österreich erfolgt. Nach Ungarn wolle er nicht zurück, weil er dort keine gute medizinische Versorgung bekomme.

1.2. Auf Grund dieser Angaben stellte das Bundesasylamt am an Ungarn ein Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers im Sinne des Art 16 der Verordnung (EG) Nr 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin-II-VO). Ungarn stimmte der Wiederaufnahme mit Schreiben vom zu.

1.3. Das Bundesasylamt wies daraufhin den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom gemäß § 5 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 87/2012 (im Folgenden: AsylG 2005), als unzulässig zurück, weil gemäß Art 16 Abs 1 litc Dublin-II-VO Ungarn für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen.

1.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Entscheidung vom gemäß §§5 und 10 AsylG 2005 ab. Betreffend die Zuständigkeit Ungarns zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers hält der Asylgerichtshof Folgendes fest:

"Die Dublin II-VO sieht in den Art 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art 5 Abs 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art 5 Abs 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

In Art 16 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:

[…]

Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in Rumänien und in Ungarn Asylanträge gestellt hat. Nach einem Konsultationsverfahren mit Ungarn ist hervorgekommen, dass der Antragsteller eine humanitäre Aufenthaltsberechtigung erhalten hat.

Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes kommt nach den Kriterien der Dublin-II-VO für den Beschwerdeführer deren Art 16 Abs 1 litc für die Wiederaufnahme in Betracht. Ungarn hat auch auf Grundlage dieser Bestimmungen seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme des Beschwerdeführers und Behandlung seines Antrages bereit erklärt (vgl AS 169: 'According to Article 16 (1) c of the Council Regulation (EC) No 343/2003, Hungary accepts the transfer oft [t]he below referred person for determination of the asylum application').

Es ist daher davon auszugehen, dass an der Zuständigkeit Ungarns in Folge der dortigen Asylantragstellung und Zustimmung Ungarns keine Zweifel bestehen und Sachverhalte wie der vorliegende von denjenigen zu unterscheiden sind, welche der Asylgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom zu Zahl S 7 422.194-2/2012/19E zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben (die sich jedoch durch keinen EURODAC-Treffer verifizieren lassen) ursprünglich erstmals in Griechenland in den Bereich der Mitgliedstaaten eingereist ist bzw. laut dem EURODAC-Treffer vom in Rumänien erstmals um Asyl angesucht hat, an diesem Ergebnis nichts ändert. Aus der Zustimmung Ungarns gem. Art 16 Abs 1 litc der Dublin II VO und den näheren Erläuterungen vom ist nämlich offensichtlich, dass Ungarn selbst ein Asylverfahren eingeleitet hat (vgl. AS 75: 'The acting Hungarian asylum authority has not contacted the Dublin Unit in the case oft [t]he applicant, so unfortunately we have not requested Romania to take back the applicant.'). In Hinblick auf Griechenland steht dies schon angesichts der systemischen Mängel im griechischen Asylverfahren und den dortigen schwer mangelhaften Aufnahmebedingungen im Einklang mit der Judikatur der Europäischen Instanzen."

2. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art 3 und 14 EMRK sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Begründend wird dabei ausgeführt, dass das Konsultationsverfahren mit Ungarn mangelhaft geführt worden sei, weil wesentliche Informationen – nämlich die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers – vorenthalten worden seien. Der Asylgerichtshof habe seine Entscheidung vor allem im Hinblick auf das Selbsteintrittsrecht mangelhaft begründet.

3. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Rechtslage

1. Nach § 5 Abs 1 AsylG 2005 ist ein nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Eine derartige Zurückweisung ist gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden.

2. Die Dublin-II-VO ersetzte in ihrem Geltungsbereich das Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages (kundgemacht in BGBl III 165/1997).

2.1. Die Dublin-II-VO legt die Kriterien und das Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest. Gemäß des in Kapitel III enthaltenen Art 5 der Verordnung finden diese Kriterien in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge Anwendung. Hält ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages für zuständig, führt er ein so genanntes Konsultationsverfahren durch, in dem er im Rahmen der Verwaltungskooperation gemäß Art 21 Dublin-II-VO den anderen Mitgliedstaat um Daten und Informationen über den Asylwerber oder gemäß Art 17 leg.cit. gleich um Aufnahme des Asylwerbers ersucht. Der ersuchte Mitgliedstaat entscheidet über dieses Gesuch gemäß Art 18 leg.cit. innerhalb von zwei Monaten.

2.2. Kapitel III der Dublin-II-VO lautet auszugsweise wie folgt:

"KAPITEL III RANGFOLGE DER KRITERIEN

Artikel 5

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Artikel 6

Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt.

Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.

Artikel 7

Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen – ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat –, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen.

Artikel 8

Hat ein Asylbewerber in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde, so obliegt diesem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags, sofern die betroffenen Personen dies wünschen.

Artikel 9

(1) Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

(2) – (5) […]

Artikel 10

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Asylbewerber – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können – sich zum Zeitpunkt der Antragstellung zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Hat der Asylbewerber sich für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo dies zuletzt der Fall war, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 11

(1) Reist ein Drittstaatsangehöriger in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein, in dem für ihn kein Visumzwang besteht, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

(2) Der Grundsatz nach Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Drittstaatsangehörige seinen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat stellt, in dem er ebenfalls kein Einreisevisum vorweisen muss. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 12

Stellt ein Drittstaatsangehöriger einen Asylantrag im internationalen Transitbereich eines Flughafens eines Mitgliedstaats, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 13

Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Artikel 14

Stellen mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Asylantrag, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:

a) zuständig für die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist;

b) andernfalls obliegt die Prüfung dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist."

2.3. Der Asylgerichtshof stützt seine Entscheidung auf Art 16 Abs 1 litc Dublin-II-VO. Die genannte Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"KAPITEL V AUFNAHME UND WIEDERAUFNAHME

Artikel 16

(1) Der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

a) – b) […]

c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen;

[…]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. ge währleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Dis kriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unter lassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Schließlich ist von einem willkürlichen Verhalten auch auszugehen, wenn die Behörde die Rechtslage gröblich bzw. in besonderem Maße verkennt (zB ; VfSlg 18.091/2007, 19.283/2010 mwN).

2. Ein solches willkürliches Vorgehen ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Der Asylgerichtshof geht von der Zuständigkeit Ungarns zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers gemäß Art 16 Abs 1 litc Dublin-II-VO aus. Dabei handelt es sich aber um kein Zuständigkeitskriterium nach Kapitel III der Dublin-II-VO, sondern um eine Bestimmung, die ausschließlich die Wiederaufnahme eines Asylwerbers im Falle der Zuständigkeitsbestimmung nach den Art 5 – 14 Dublin-II-VO regelt. Mit der Frage, nach welchem dieser in Kapitel III der Dublin-II-VO genannten Kriterien Ungarn für die Prüfung des vorliegenden Asylantrages zuständig sein soll, setzt sich der Asylgerichtshof mit keinem Wort auseinander. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung geht er auch auf die Reiseroute des Beschwerdeführers überhaupt nicht ein.

Stattdessen begnügt sich der Asylgerichtshof lediglich mit dem Argument, dass Ungarn das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesasylamtes akzeptiert hätte. Allein die Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Übernahme eines Asylwerbers reicht jedoch für eine Entscheidung nach § 5 Abs 1 AsylG 2005 nicht aus (vgl. , VfSlg 18.752/2009).

2.2. Da der Asylgerichtshof somit jegliche Auseinandersetzung in einem für die Begründung seiner Entscheidung wesentlichen Aspekt vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.