VfGH vom 20.09.2012, U179/12

VfGH vom 20.09.2012, U179/12

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Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch eine Entscheidung des Asylgerichtshofes; Unterlassung der Ermittlungstätigkeit in entscheidungswesentlichen Punkten; willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes

Spruch

1. Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin - eine 1976 oder 1977

geborene äthiopische Staatsangehörige - ist am illegal nach Österreich eingereist und hat am einen Asylantrag gestellt. Im Zuge des Asylverfahrens brachte die Beschwerdeführerin auf das Wesentlichste zusammengefasst folgende Lebensgeschichte vor, um ihren Antrag zu begründen:

Die Beschwerdeführerin entstamme einer muslimischen Familie. Als 16-jähriges Mädchen sei sie von ihrem späteren Ehemann, Angehöriger einer anderen Volksgruppe als die Beschwerdeführerin und christlicher Religion, entführt, zwangsweise getauft und zwangsgeheiratet worden. Alsbald sei sie auch schwanger geworden. Zunächst habe sie mit ihrem Ehemann in einer von ihrem ursprünglichen Lebensraum weit entfernten Stadt gelebt. In der Folge habe der Ehemann - insbesondere durch Bezahlung des "Brautgelds" - eine Aussöhnung mit der Familie der Beschwerdeführerin herbeigeführt und die Familie sei in den Heimatort der Beschwerdeführerin gezogen. Dort sei die Beschwerdeführerin aber bald wegen ihrer Taufe und Heirat mit einem Christen nachhaltiger Bedrohung und auch körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen. Im Zuge einer solchen Misshandlung durch ihre Brüder sei ihr auch ihr Sohn weggenommen worden. Nachdem bei einem im gleichen Ort lebenden Mann, der eine Christin geheiratet hatte, vergleichbare Todesdrohungen wahrgemacht worden seien, seien die Beschwerdeführerin, ihr Mann und mittlerweile drei weitere Kinder wieder in die weit entfernte Stadt geflüchtet. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei auf Grund eines Unfalls Invalide. Die Familie sei mangels Einkommens in der Folge obdachlos und von Almosen abhängig gewesen.

Die Beschwerdeführerin sei daraufhin nach Dubai

gereist, um dort Arbeit zu suchen, um ihre Familie zu ernähren. Eine solche habe sie als Dienstmädchen gefunden, sei aber in sklavenähnlichen Verhältnissen ausgebeutet worden, insbesondere sei ihre Arbeit nur unzulänglich bezahlt worden. Einen Aufenthalt mit ihrer Arbeitgeberfamilie in Österreich habe sie dazu genützt, wegzulaufen und um Asyl anzusuchen.

Der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin hat im Verfahren diverse Unterlagen vorgelegt, die auf eine besorgniserregende Entwicklung zwischen Moslems und Christen in Äthiopien hinweisen, die die in einigen Gebieten Äthiopiens nach wie vor gängige Praxis des "Brautraubs" einschließlich damit verbundener Vergewaltigung, um der Frau die in Äthiopien wichtige Jungfräulichkeit zu nehmen, belegen und die schwierige Situation von alleinstehenden Frauen mit Kindern in Äthiopien dartun sollen.

Wie die Beschwerdeführerin durch - sporadischen - telefonischen Kontakt mit ihrer Tochter erfahren habe, habe ihr Ehemann zwischenzeitig eine andere Frau geheiratet und auch mit dieser drei Kinder. Die Kinder der Beschwerdeführerin seien derzeit auf sich alleine gestellt.

2. Die Beschwerdeführerin wurde zunächst mehrmals vor dem Bundesasylamt einvernommen. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt ihren Asylantrag ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Äthiopien für zulässig und wies die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien aus.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am Berufung. Am wurde vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Der in der Folge zuständig gewordene Asylgerichtshof führte am neuerlich eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

Mit Erkenntnis vom wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gemäß § 7 AsylG 1997 ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Äthiopien gemäß § 8 Abs 1 AsylG idF BGBl. I 101/2003 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I 100/2005, für zulässig und ordnete gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 38/2011 die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien an.

3. Gegen diese Entscheidung des Asylgerichtshofes

richtet sich die auf Art 144a B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Asyl, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie nach Art 3 und 8 EMRK geltend gemacht wird.

4. Der Asylgerichtshof hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

II. Erwägungen

Die - zulässige - Beschwerde ist im Ergebnis

begründet:

1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden,

nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit.

gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre reicht, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB

VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001; ).

2. Ein solcher, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Der Asylgerichtshof hält in der angefochtenen Entscheidung zunächst zur Feststellung des Sachverhalts in Bezug auf die Fluchtgründe Folgendes fest:

"Die Beschwerdeführerin ist Staatsgehörige von

Äthiopien. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Folge des widersprüchlich vorgebrachten Bedrohungsszenarios in Äthiopien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt ist. [...]

Der Asylgerichtshof gelangt auf Grundlage der

ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Die Beschwerdeführerin machte im Zuge ihres Vorbringens vor dem Bundesasylamt und vor dem Asylgerichtshof unbestimmte sowie voneinander abweichende Angaben.

Die Beschwerdeführerin gab vor dem Bundesasylamt am an, der amharischen Volksgruppe anzugehören [...]. In ihrer Stellungnahme vom bringt sie jedoch vor, der Volksgruppe der Oromo anzugehören [...]. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erklärte sie, dass ihre Eltern Oromo seien, sie aber amharisch sei und auch amharisch spreche [...].

Bei der Einvernahme vom gab die Beschwerdeführerin an, nur drei Kinder zu haben [...]. Erst im Verlauf der folgenden Einvernahme am ergab sich, dass die Beschwerdeführerin insgesamt vier Kinder hat.

Hinsichtlich ihrer Beweggründe für das Verlassen von Äthiopien gab die Beschwerdeführerin in der ersten Einvernahme an, dass sie in Äthiopien keine Arbeit gefunden habe, weshalb sie nach Dubai gegangen sei und dort als Hausmädchen für eine arabische Familie gearbeitet habe. Als sie mit der Familie nach Österreich gekommen sei - die mit sechs weiteren Familien hier Urlaub gemacht habe - habe sie mit einem anderen äthiopischen Hausmädchen den Plan geschmiedet, von der Familie wegzulaufen. Sie möchte hier in Europa arbeiten, um ihre Familie ernähren und Geld nach Hause schicken zu können [...]. In der folgenden Einvernahme brachte die Beschwerdeführerin familiäre Probleme vor, deretwegen sie Äthiopien verlassen hätte. Demnach wäre ihre Familie nicht mit ihrer Heirat mit einem Christen einverstanden gewesen, weil sie schon jemand anderem versprochen gewesen sei. Ihr erstes Kind hätte ihr die Familie weggenommen und sie hätten von ihr verlangt, dass sie zurückkehre. Sie hätte sich jedoch geweigert, ihren Mann zu verlassen, woraufhin sie von ihren Brüdern mit dem Tod bedroht worden sei[...].

Die Beschwerdeführerin schilderte vor dem Bundesasylamt Übergriffe durch ihre Brüder. Wie oft es zu solchen Übergriffen gekommen sei, konnte sie nicht angeben. Sie meinte nur, es sei 'sehr oft' gewesen [...]. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof brachte sie hingegen vor, dass ihre Brüder ungefähr einmal im Monat zu ihr gekommen seien und sie bedroht und geschlagen hätten [...].

Vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin

[an], dass ihre Brüder ihr einen Finger gebrochen und sie auch am Kopf verletzt hätten [...]. Dagegen gab sie vor dem Asylgerichtshof nur an, dass sie von ihren Brüdern mit einem Stein am Kopf geschlagen worden sei. Dass sie ihr auch einen Finger gebrochen hätten, brachte sie hier nicht vor [...].

Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, dass es geheißen habe, ihre Familie habe ihr ihr erstes Kind weggenommen. Sie habe aber nichts Bestimmtes gesehen und wisse nicht, wer ihr Kind genommen habe [...]. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof behauptete die Beschwerdeführerin jedoch, dass zwei ihrer Brüder gekommen seien, einer sie geschlagen habe und der andere ihren Sohn mitgenommen habe [...].

Die Beschwerdeführerin gab vor dem Bundesasylamt an, dass sie, nachdem sie von ihrem Mann entführt worden sei, getauft und zur Christin erklärt worden wäre [...]. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte die Beschwerdeführerin, dass sie mit ihrem Mann zwei Jahre in Gonder gelebt habe, nachdem er sie entführt hätte. Dann seien sie zurückgegangen, sie hätten eine kleine Hochzeit gefeiert und sie sei Christin geworden. Etwas später erklärte sie jedoch, dass sie bereits zwei Tage nach ihrer Entführung getauft worden sei [...].

Die Beschwerdeführerin meinte vor dem Bundesasylamt, dass ihr Mann beim Anläuten der Glocke in der Kirche heruntergefallen sei. Dabei habe er seinen rechten Arm verloren [...]. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte sie dagegen, dass ihr Mann vom Kirchendach gefallen sei und sich dabei den Arm gebrochen habe, den er jetzt nicht mehr bewegen könne [...].

Zusammenfassend ist somit der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin die von ihr sehr widersprüchlich geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen somit insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war."

2.2. Rechtlich begründet der Asylgerichtshof seine Entscheidung sodann nach Wiedergabe der Gesetzeslage folgendermaßen:

"Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die 'begründete Furcht vor Verfolgung'. Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine 'Verfolgungsgefahr', wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine 'begründete Furcht vor Verfolgung' im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Verfolgung nicht glaubhaft war. Eine aktuelle Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen konnte nicht festgestellt werden.

Insgesamt sind somit die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht erfüllt."

3. Der Asylgerichtshof stützt dabei seine Auffassung von der mangelnden Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin auf einzelne Abweichungen in ihrem Vorbringen während der unterschiedlichen Stadien des mehr als sechs Jahre dauernden Asylverfahrens, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass es sich dabei lediglich um Abweichungen in Details handelt, die nicht den entscheidenden Kern der vorgetragenen Fluchtgründe betreffen (zB Übergriffe durch ihre Brüder "sehr oft" versus "einmal im Monat"; Brechen eines Fingers und Verletzung am Kopf versus mit einem Stein am Kopf geschlagen; Wegnahme des ersten Kindes, wobei die Beschwerdeführerin nicht wisse, wer ihr Kind genommen habe, versus einer ihrer Brüder habe ihren Sohn mitgenommen; ihr Mann sei beim Anläuten der Glocke in der Kirche heruntergefallen und habe seinen rechten Arm verloren versus er sei vom Kirchendach gefallen und habe sich den Arm gebrochen, den er jetzt nicht mehr bewegen könne).

Angesichts bestehender Sprachbarrieren und der

zwischen den einzelnen Vernehmungen der Beschwerdeführerin liegenden langen Zeitspannen ist die aus diesen Abweichungen abgeleitete Schlussfolgerung des Asylgerichtshofes, dass die Beschwerdeführerin die von ihr "sehr widersprüchlich geschilderten Ereignisse" tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen somit "insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen" ist, für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, zumal aus der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen ist, ob der Asylgerichtshof lediglich der Behauptung einer Gefährdung durch die eigene Familie im Heimatland oder auch den Ausführungen über das (zwangsweise) Eingehen einer Mischehe Glaubwürdigkeit versagt.

4. Das Nichtvorliegen einer aktuellen Bedrohung gemäß § 8 Abs 1 AsylG (und damit die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin) begründet der Asylgerichtshof dann folgendermaßen:

"Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes keine aktuelle Bedrohung iSv § 8 Abs 1 AsylG vor. Dies im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht hat."

Zwar setzt sich der Asylgerichtshof zuvor mit von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Krankheiten und ärztlichen Befunden darüber auseinander, sagt - an anderer Stelle, nämlich im Zusammenhang mit der Abwägungsentscheidung nach Art 8 EMRK - auch, dass die Beschwerdeführerin in Äthiopien ein "familiäres Netz" habe, das ihre Wiedereingliederung in die äthiopische Gesellschaft ermögliche und ihr materielle sowie immaterielle Unterstützung bieten könne und verweist auf seine Feststellung, wonach in Äthiopien "keine Bürgerkriegssituation herrscht". Der Asylgerichtshof unterlässt es aber, in irgendeiner Weise auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Bedrohung durch ihre eigene Familie einzugehen, wenn er auf dieses "familiäre Netz" zurückgreift, und setzt sich auch in keiner Weise mit dem Umstand auseinander, dass es sich bei der Beschwerdeführerin möglicherweise um eine alleinstehende Frau (mit Kindern) handelt (vgl. auch ).

In diesem Zusammenhang hat es der Asylgerichtshof

zudem verabsäumt, sich mit der im Rahmen der Schilderung des Verfahrensganges erwähnten, im Übrigen aber in keiner Weise erörterten - und gegebenenfalls erheblichen - Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin über die allgemeine Bedrohungssituation (zwangsverheirateter) Frauen in Mischehen bzw. alleinstehender Frauen mit Kindern aus solchen Ehen in Äthiopien auseinanderzusetzen.

5. Damit erweist sich die ausschließlich auf die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin gestützte rechtliche Würdigung durch den Asylgerichtshof als mit groben Begründungsmängeln behaftet. Der Asylgerichtshof hat die angefochtene Entscheidung daher mit Willkür belastet. In diesem Zusammenhang hält es der Verfassungsgerichtshof für angezeigt, festzuhalten, dass die Frage, ob ein Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand asylrelevanter Verfolgung zu subsumieren oder ob iSd § 8 Abs 1 AsylG ein Refoulment der Beschwerdeführerin zulässig ist, eine Frage der rechtlichen Würdigung darstellt, die - anders als der Asylgerichtshof hier offensichtlich vermeint - nicht als Sachverhalt "feststellungsfähig" ist.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch die

angefochtene Entscheidung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung ist daher aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 iVm

§88a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,- enthalten.

3. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).