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VfGH vom 21.09.2009, U1655/09

VfGH vom 21.09.2009, U1655/09

Sammlungsnummer

18862

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Asylantrages mangels eigener Begründung im Urteil des Asylgerichtshofes bzw mangels eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und gegen die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung abgewiesen wird, in dem durch das BVG BGBl. I Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird, soweit damit die Beschwerde gegen die Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und gegen die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung abgewiesen wird, aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist ein am geborener,

nigerianischer Staatsbürger und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er in Nigeria als Priester der Unity Church of God tätig gewesen sei und in einer Predigt der nigerianischen Regierung vorgeworfen habe, das Volk der Ogoni zu unterdrücken. Daraufhin sei ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden und habe er nur durch die Hilfe des ihm vorgesetzten Priesters einer Verhaftung entgehen können. Bei einer Rückkehr nach Nigeria befürchtet er, kein faires Verfahren und eine lange Haftstrafe zu bekommen, da der nigerianische Geheimdienst nach ihm suchen würde.

2. Das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) wies den Asylantrag mit Bescheid vom gemäß "§7 Asylgesetz 1997 idgF" ab, erklärte gemäß § 8 Abs 1 leg.cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung für zulässig und wies den nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

3. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde) vom hat der Asylgerichtshof (im Folgenden: AsylGH) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung in allen drei Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Im Erkenntnis führt der AsylGH u.a. zur medizinischen Versorgung in Nigeria lediglich aus, dass die medizinische Grundversorgung in den Städten Nigerias gegeben sei und der Beschwerdeführer, nach den von ihm selbst vorgelegten Befundberichten, ohnehin nur unter Bluthochdruck leide.

4. Gegen diese Entscheidung des AsylGH richtet sich die auf Art 144a B-VG, BGBl. I 2/2008, gegründete Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom . Der Beschwerdeführer macht darin die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung aller Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

5. Der AsylGH hat als belangtes Gericht von einer Gegenschrift abgesehen, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen und die Verfahrensakten übermittelt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen - Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit damit die Abweisung der Beschwerde gegen die Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und gegen die vom BAA verfügte Ausweisung durch den AsylGH bekämpft wird, begründet:

1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung dieses Grundrechts liegt unter anderem vor, wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten AsylGH vorzuwerfen:

Betreffend die Gefährdungssituation des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Gesundheit und eine mögliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung lässt das Erkenntnis eine umfassende Auseinandersetzung vermissen. Während der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Mitwirkung nachkommt, in der mündlichen Verhandlung von seinen kommenden Arztbesuchen erzählt sowie sämtliche Befundberichte hinsichtlich seines Bluthochdruckes und seines akuten, intrazerebralen Hämatoms vorlegt, belässt es der AsylGH - trotz Kenntnis dieser potentiell lebensgefährlichen Erkrankung - bei einer allgemeinen Feststellung, dass die medizinische Grundversorgung in den Städten gegeben ist.

Der AsylGH hat sich trotz des beim Beschwerdeführer vorliegenden intrazerebralen Hämatoms in keiner Weise mit der Situation der Gesundheitsversorgung sowie der Behandelbarkeit der vorliegenden Erkrankung im Heimatstaat auseinandergesetzt. Dies obwohl dem AsylGH die Krankheit bekannt war.

3. Dieses Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt führt dazu, dass der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt ist (vgl. ).

4. Die angefochtene Entscheidung ist daher, soweit damit die Abweisung der Beschwerde gegen die Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und gegen die vom BAA verfügte Ausweisung durch den AsylGH bekämpft wird, aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde nicht mehr einzugehen.

B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Abweisung der Beschwerde an den AsylGH gegen die Abweisung des Asylantrages bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art 144a B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs 2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der dazu aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit damit die Abweisung der Beschwerde an den AsylGH gegen die Abweisung des Asylantrages bekämpft wird, abzusehen.

III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§88 iVm 88a VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten (vgl. ).

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 1 und Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.