VfGH vom 11.06.2012, U1570/11
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Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch eine Entscheidung des Asylgerichtshofes; Unterlassung der Ermittlungstätigkeit in entscheidungswesentlichen Punkten; willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes
Spruch
1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden, soweit durch sie die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone festgestellt wird (Spruchpunkt II.) und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen wird (Spruchpunkt III.).
Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.
2. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde
abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er gab an, in Sierra Leone geboren worden zu sein, dem Volksstamm der Krio anzugehören und Staatsangehöriger Sierra Leones zu sein. Den Asylantrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er von Rebellen gefangen genommen, in ein Camp gebracht und zu ihrer Unterstützung bei der Zwangsrekrutierung junger Menschen verpflichtet worden sei. Schließlich habe er sich von den Rebellen absetzen und fliehen können. Im Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone fürchte er, entweder von den Rebellen oder von der Regierung getötet zu werden.
1.2. Das Bundesasylamt wies (im zweiten Rechtsgang) den Asylantrag mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 126/2002, ab (Spruchpunkt I.), erklärte gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 idgF die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.).
1.3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Berufung (nunmehr: Beschwerde). Über diese erging die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom . Der Spruch dieser Entscheidung lautet:
"I. Die Beschwerde von [...] wird gemäß § 7
AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, abgewiesen.
II. Gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von [...] nach Sierra Leone zulässig ist.
III. Gemäß § 10 Abs 1 Z. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I
Nr. 122/2009, wird [...] aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen."
In der Entscheidung kommt der Asylgerichtshof (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund mangelnder Glaubhaftmachung seiner Fluchtgründe die Asylrelevanz zu versagen sei.
Auf die Gründe, warum der Asylgerichtshof die Feststellung trifft, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig ist (Non-refoulement-Prüfung), wird unten näher einzugehen sein (s. Pkt. II.A.1.2.). Die Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone begründet der Asylgerichtshof insbesondere mit der beharrlichen Straffälligkeit des Beschwerdeführers in Österreich.
2. Gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes
richtet sich die auf Art 144a B-VG, BGBl. I 2/2008, gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht darin die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I 390/1973) sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
3. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor. Von der Erstattung einer Gegenschrift nahm er Abstand und verwies auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
A. Die Beschwerde ist begründet, soweit sie sich
gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone sowie gegen die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone wendet.
1. In der Sache
1.1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung dieses Grundrechts liegt unter anderem vor, wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.
1.2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:
1.2.1. Der Beschwerdeführer hatte bereits bei seinen ersten Einvernahmen erklärt, aus Sierra Leone zu stammen und Staatsangehöriger dieses Landes zu sein. Diese Angaben hielt er während des gesamten Verfahrens aufrecht.
Zwecks Klärung der Frage der Herkunft veranlasste das Bundesasylamt schon im Jahre 2001 eine Sprachanalyse. Diesbezüglich heißt es in der angefochtenen Entscheidung des Asylgerichtshofes:
"Das Bundesasylamt ersuchte am beim Schwedischen Institut Sprakab um Durchführung einer Sprachanalyse auf Basis einer gleichzeitig übermittelten Tonbandaufnahme.
Mit Gutachten vom stellte das genannte
Institut fest, dass Akzent und Sprachmelodie des auf der Aufnahme vom Beschwerdeführer gesprochenen Englisch typisch dem nigerianischen Englisch zuordenbar wären.
Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen
Einvernahme vor dem Bundesasylamt, die am stattfand, wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Sprachanalyse zur Kenntnis gebracht und ihm mitgeteilt, dass demnach von einer Herkunft aus dem östlichen Teil Nigerias auszugehen sei. Der Beschwerdeführer beharrte bei seinen bisherigen Angaben, aus Sierra Leone zu stammen und warf dem untersuchenden Institut einen Irrtum vor."
Mit dem im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde im Jahr 2006 durch eine Entscheidung des Asylgerichtshofes aufgehoben, weil die Voraussetzungen für die Annahme eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages nicht gegeben gewesen seien.
Auch bei den in weiterer Folge durchgeführten Einvernahmen hat der Beschwerdeführer darauf beharrt, aus Sierra Leone zu stammen.
In seinem im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom erklärte das Bundesasylamt (verbunden mit der neuerlichen Abweisung des Asylantrags) allerdings die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig und verfügte die Ausweisung des Beschwerdeführers in diesen Staat (s. oben Pkt. I.1.2.).
Den weiteren Ablauf der Ermittlungen zur Klärung der Herkunft des Beschwerdeführers schildert der Asylgerichtshof in der angefochtenen Entscheidung wie folgt:
"Der Asylgerichtshof veranlasste mit Verfahrensanordnung vom die Durchführung einer Sprachanalyse bei einem Sachverständigen für Afrikanistik und Linguistik. Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Sprachanalysen gemacht zu haben und seither an der Kompetenz der Sachverständigen Zweifel zu haben.
Mit Gutachten vom wurde auf Basis einer am erfolgten Befundaufnahme sowie unter Heranziehung der Tonbandaufzeichnung, die dem am erstellten Gutachten des Instituts Sprakab zugrunde gelegt worden war, zusammengefasst festgehalten, dass eine Hauptsozialisierung bzw. ein längerer Aufenthalt des Beschwerdeführers in Sierra Leone mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und mit gleicher Wahrscheinlichkeit dessen Hauptsozialisierung in Nigeria festzustellen war. Bemerkt wurde weiters, dass der Beschwerdeführer weder in Krio noch in Englisch über eine andere muttersprachliche Kompetenz verfüge [gemeint wohl: weder in Krio noch in Englisch über eine muttersprachliche Kompetenz verfüge] und daher davon auszugehen sei, dass er über eine muttersprachliche Kompetenz verfüge, die er offenbar aber nicht anzugeben bereit sei.
Das Gutachten vom wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. In einem in englischer Sprache mit dem Titel 'To whom it may concern' abgefassten und an das Bundesasylamt adressierten Schreiben teilt der Beschwerdeführer mit, dass er, entgegen den Ausführungen des Gutachtens, nicht aus Nigeria stamme und Krio sowie Susu spräche. Krio würde er fließend beherrschen, wie jeder andere aus Sierra Leone stammende Staatsangehörige auch. Er sei während der Befundaufnahme aufgefordert worden, eine Reihe von Begriffen in seiner Muttersprache zu sagen. Er habe dies getan, jedoch würden in dem Gutachten andere Dinge festgehalten. So sei es bereits bei der ersten mit ihm durchgeführten Sprachanalyse im Jahr 2001 geschehen."
Es ist offensichtlich, dass ein Widerspruch zwischen den Angaben bzw. Behauptungen des Beschwerdeführers einerseits und den Ergebnissen der Sprachanalyse aus 2001 sowie jener aus 2011 andererseits besteht: Der Beschwerdeführer brachte - während des ganzen Verfahrens unverändert - vor, aus Sierra Leone zu stammen und Staatsangehöriger dieses Landes zu sein; die von den Asylbehörden veranlassten Analysen legen hingegen den Schluss nahe, dass er aus Nigeria stammt.
In Anbetracht dessen wäre der Asylgerichtshof
verhalten gewesen, zu begründen, warum er (in diesem Punkt) letztlich den Angaben des Beschwerdeführers folgte bzw. warum er den Inhalt der erwähnten Erkenntnisquellen (Sprachanalysen aus 2001 und 2011 samt Gutachten) als offenbar nicht ausreichend ansah, um von Nigeria als Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ausgehen zu können.
Dies wäre insbesondere auch aus nachstehendem Grund geboten gewesen:
In der Begründung der Abweisung des Asylantrags bezweifelt der Asylgerichtshof massiv die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und untermauert diese Zweifel sogar ausdrücklich durch die Bezugnahme auf die Ergebnisse der beiden Sprachanalysen/Gutachten. Diesbezüglich heißt es in der Entscheidung des Asylgerichtshofes:
"Es kann [...] vor dem Hintergrund der massiven Widersprüche [im Vorbringen des Beschwerdeführers] nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer das Geschilderte tatsächlich erlebt hat. Dass es sich um ein rein verfahrensbezogenes, konstruiertes Vorbringen handelt, ergibt sich für den Asylgerichtshof letztlich auch aus den sowohl vom Bundesasylamt im Jahr 2001 beauftragten Sprachanalysegutachten als auch aus den Ausführungen eines vom Asylgerichtshof ebenfalls mit einer Sprachanalyse beauftragten Sachverständigen für Afrikanistik und Linguistik aus dem Jahr 2011. In beiden, unabhängig voneinander erstellten Gutachten wird festgehalten, dass die behauptete Herkunft des Beschwerdeführers aus Sierra Leone mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann und aufgrund der sprachlichen Merkmale mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit von einer Herkunft aus Nigeria auszugehen ist. Bemerkenswert waren die wechselnden Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Sprachkompetenz in Krio. So hatte er zuvor vor dem Bundesasylamt bei seiner Einvernahme behauptet, dem Volksstamm der Krio anzugehören, meinte aber gleichzeitig, diese Sprache nicht zu sprechen und erklärte, dies damals mit seiner fehlenden höheren Schulbildung. Im weiteren Verlauf des Verfahrens, insbesondere nach Durchführung der Sprachanalysen und Konfrontation mit den jeweiligen (gleichlautenden) Ergebnissen, behauptete der Genannte, über eine Sprachkompetenz in Krio zu verfügen und nicht entsprechend danach gefragt worden zu sein. Diese Aussage steht einerseits im Widerspruch mit den ursprünglichen Ausführungen vor dem Bundesasylamt und andererseits mit den klaren Ergebnissen der Sprachanalyse, die dem Genannten keinerlei Kompetenzen in Krio bescheinigten."
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Asylgerichtshof - dessen ungeachtet - ohne konkrete Begründung (und in Abkehr von dem bei ihm angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom ) nicht mehr von Nigeria, sondern von Sierra Leone als jenem Staat ausgegangen ist, der hinsichtlich der Non-refoulement-Prüfung (nach § 8 AsylG 1997) und Ausweisung (nach § 10 AsylG 2005) im konkreten Fall maßgeblich sei.
1.2.2. Daran ändern auch die folgenden allgemeinen Ausführungen des Asylgerichtshofes in Zusammenhang mit der Non-refoulement-Prüfung nichts:
"Gemäß § 8 AsylG 1997 ist keine Feststellung in Bezug auf einen unbekannten tatsächlichen Herkunftsstaat zu treffen, sondern die Gefährdungssituation in dem Staat zu prüfen, in dem der Fremde aus Gründen der Flüchtlingskonvention verfolgt zu werden behauptet (Hinweis E , 98/02/0044). Vom Zweck des AsylG 1997 her, nämlich der Gewährung von Schutz vor Verfolgung, ist der Begriff des Herkunftsstaates im Sinne des § 8 AsylG 1997 somit dahin zu verstehen, dass damit derjenige Staat bezeichnet wird, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Fremden aufgrund seines Antrages zu prüfen ist ()."
1.2.3. Zunächst ist in diesem Zusammenhang klarzustellen, dass § 8 (später: § 8 Abs 1) AsylG 1997 folgenden Wortlaut hatte:
"Non-refoulement-Prüfung
§8. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."
Der Begriff "Herkunftsstaat" war in § 1 Z 4 AsylG 1997 wie folgt definiert (nahezu wortgleich nunmehr § 2 Abs 1 Z 17 AsylG 2005):
"Begriffsbestimmungen
§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[...]
4. Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes."
1.2.4. Im Spruch der angefochtenen Entscheidung wird der Beschwerdeführer ausdrücklich als "Staatsangehöriger von Sierra Leone" bezeichnet. Wenn der Asylgerichtshof - obgleich ohne nähere Begründung und deshalb mangelhaft - diese Aussage trifft, so hat er damit den Herkunftsstaat im Sinne der Legaldefinition des § 1 Z 4 AsylG 1997 genannt. Sollte der Asylgerichtshof die Staatsangehörigkeit von Sierra Leone (bloß) in Hinblick darauf angenommen haben, dass der Beschwerdeführer behauptete, aus diesem Land zu stammen, so wäre dieser Schluss widersinnig, weil der Asylgerichtshof damit in Zusammenhang mit der Non-refoulement-Prüfung und der Ausweisungsentscheidung Angaben des Beschwerdeführers (betreffend seine Herkunft) zugrunde gelegt hätte, denen er im Rahmen der Asylentscheidung jegliche Glaubwürdigkeit absprach.
1.2.5. Ergänzend wird weiters darauf hingewiesen,
dass für den Standpunkt des Asylgerichtshofes auch aus den beiden von ihm zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes argumentativ nichts zu gewinnen ist:
1.2.5.1. Dessen Erkenntnis Zl. 98/02/0044, betraf die Anfechtung eines Schubhaftbescheides eines Unabhängigen Verwaltungssenates. Abgesehen davon, dass es somit gar nicht um eine Non-refoulement-Prüfung bzw. eine Ausweisungsentscheidung im Rahmen eines Asylverfahrens ging, handelte es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Fremden, dessen Staatsangehörigkeit - zumindest hinsichtlich eines zweier Staaten (Ghanas) - geklärt war, weil ihm von den Behörden Ghanas ein Reisepass ausgestellt worden war (mit dessen Verwendung der Betreffende die Ausstellung eines Touristensichtvermerkes für Österreich beantragt und diesen erhalten hatte). Gestützt auf diesen Umstand hielt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich fest:
"Die belangte Behörde konnte somit zutreffend davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer (zumindest auch) Staatsbürger von Ghana ist." Im vorliegenden Fall ist die Frage der Staatsangehörigkeit aber eben gerade nicht geklärt, weil der Asylgerichtshof jegliche Begründung für seine Feststellung schuldig blieb, dass es sich um einen Staatsangehörigen Sierra Leones handle (und die diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers sogar als unglaubwürdig einstufte). Schon allein deshalb ist mangels Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Beschwerdefälle die Bezugnahme auf das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes unzutreffend.
1.2.5.1. Ebensowenig zielführend ist der Verweis auf das Erkenntnis Zl. 97/18/0144, weil sich diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gar nicht mit dem "Begriff des Herkunftsstaates im Sinne des § 8 AsylG 1997" beschäftigt.
1.2.6. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Asylgerichtshof jegliche Begründung dafür unterlassen hat, warum die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers sowie dessen Ausweisung gerade in Hinblick auf Sierra Leone ausgesprochen wurde bzw. warum er davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Sierra Leone sei. Durch dieses willkürliche Verhalten hat der Asylgerichtshof den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
2. Ergebnis und damit in Zusammenhang stehende Ausführungen
2.1. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, soweit damit die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone festgestellt und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen wird.
2.2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§88 iVm 88a VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde (vgl. nachfolgenden Pkt. B) kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- enthalten.
2.3. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).
B. Die Behandlung der Beschwerde wird aus folgenden Gründen abgelehnt, soweit sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtet:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art 144a B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs 2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages
gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtet (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).
Fundstelle(n):
VAAAE-28504