VfGH vom 13.09.2013, U1513/2012

VfGH vom 13.09.2013, U1513/2012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Ausweisung des Beschwerdeführers nach Afghanistan mangels Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz Daikondi bzw mit familiären und sozialen Anknüpfungspunkten in Kabul

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan und seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973). Die angefochtene Entscheidung wird insoweit aufgehoben. 2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste am in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 100, idF BGBl I 38/2011 (im Folgenden: AsylG 2005) (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 leg.cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Asylgerichtshof aus:

2.1. Der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Identität könne nicht festgestellt werden. Laut sachverständiger Altersschätzung sei er volljährig und spreche neben Dari auch Farsi. Er sei nicht politisch aktiv gewesen, nicht vorbestraft und habe auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme im Herkunftsstaat.

Als fluchtauslösendes Ereignis habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sein Vater Leibwächter eines Kommandanten gewesen sei, der gegen die Taliban gekämpft habe. Wegen der Angriffe der Taliban auf das Haus der Familie des Beschwerdeführers habe dessen Vater das Dorf mit dem Kommandanten verlassen. Zudem würde sein Vater von der Regierung verdächtigt, jemanden getötet und Waffen gestohlen zu haben. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers werde nunmehr von der Regierung gesucht und auch dem Beschwerdeführer drohe die Todesstrafe.

Das Fluchtvorbringen sei aber weder bewiesen noch belegt worden. Bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie eines Steckbriefes handle es sich um ein Gefälligkeitsschreiben, dessen Inhalt sich nicht mit seinem Vorbringen decke: Während der Beschwerdeführer behaupte, dass sein Vater auch wegen Mordes gesucht werde, werde er nach diesem Steckbrief nur wegen der Waffendelikte gesucht. Zudem sei laut dem Schreiben die Familie des Beschwerdeführers bereits auf der Flucht gewesen, während der Beschwerdeführer angegeben habe, zu diesem Zeitpunkt noch unbehelligt in seinem Heimatdorf gelebt zu haben.

Dem Einschreiter fehle auch die persönliche Glaubwürdigkeit; der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof sei der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer unentschuldigt nicht nachgekommen. Er habe die Verfolgung durch seine vagen, widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben nicht glaubhaft machen können: Es habe zwischen den Einvernahmen gravierende Divergenzen in der Schilderung gegeben, sodass nicht einmal der Kern des Fluchtvorbringens gleich geblieben sei. Während er zunächst nur eine Bedrohung durch die Taliban behauptet habe, weil sein Vater der Leibwächter eines namentlich genannten Kommandanten gewesen sei, habe er später behauptet, wegen Waffendiebstahls und illegalen Waffenhandels durch seinen Vater von der Regierung verfolgt zu werden. Ermittlungen zu diesem Kommandanten hätten ergeben, dass er im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers während dessen Aufenthalt in Afghanistan selbst noch ein Taleb gewesen sei und erst nach der Ausreise des Beschwerdeführers die Seiten gewechselt habe. Zudem sei dieser Kommandant nicht in der Heimatregion des Beschwerdeführers tätig gewesen. Die Verfolgung durch die Taliban sowie die Entführung seines Bruders durch diese seien daher unwahrscheinlich.

Der Beschwerdeführer habe somit eine drohende Verfolgung durch die afghanische Regierung bzw. die Taliban nicht glaubhaft machen können. Verfolgung aus asylrelevanten Gründen sei auch nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt.

2.2. Gleichfalls habe kein reales Risiko einer Verletzung der Art 2 oder 3 EMRK festgestellt werden können. Hierzu führt der Asylgerichtshof aus:

"Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe deutsches Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan" vom , Seite 14).

Beim BF handelt es sich um einen jungen, arbeitsfähigen und gesunden Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es ist daher anzunehmen […], dass er im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen. Der BF verfügt ferner über eine vierjährige Schulbildung sowie Berufserfahrung, da er seinen Angaben nach als Automechaniker und in der Landwirtschaft tätig war.

Hinsichtlich familiärer Anknüpfungspunkte in seiner Heimatprovinz ist auszuführen, dass die Angaben des BF betreffend die Flucht bzw. den Wegzug seiner Familie aus dem Heimatort und das Verschwinden seines Bruders mangels einer konkreten und glaubwürdigen Bedrohung von seiten der Taliban bzw. der Regierung […] sehr zweifelhaft erschienen. Es ist daher anzunehmen, dass sich seine näheren Angehörigen (Vater, Stiefmutter, Bruder und Halbbruder) nach wie vor im Heimatdorf in Afghanistan aufhalten, und das behauptete Verschwinden seiner Familie lediglich zur Untermauerung eines erfundenen Fluchtvorbringens diente. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass dem BF im Fall der Rückkehr in seinen Heimatort im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung (zunächst vor allem mit Wohnraum und Nahrung) zuteil wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der BF einerseits den Großteil seiner bisherigen Lebenszeit in seiner Heimatprovinz verbracht hat und somit mit den dortigen örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut ist.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben des BF und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde ( Zahl 98/21/0427; , Zahl 2002/18/0028; vgl. dazu auch Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom , Zahl BVerwG 10 C10.09). Wie der EGMR in seinem Urteil vom , N. vs. Schweden, Zahl 23505/09, Rz 52, ausgeführt hat, stellt sich die Lage in Afghanistan trotz der verfügbaren Berichte über ernste Menschenrechtsverletzungen jedenfalls nicht so dar, dass gleichsam jede Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf Grund der persönlichen Situation des Betroffenen die Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen würde.

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan durchaus möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz Uruzgan (nunmehr Daikondi) zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales bzw. familiäres Netz verfügt. Letztlich steht dem BF ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich unmittelbar nach erfolgter Ankunft an in Kabul ansäßige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt wird, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden können."

2.3. Eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben durch die Ausweisung sei nicht zu erkennen: Der unbescholtene Beschwerdeführer sei illegal eingereist und habe niemals über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügt. Er habe keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen seien zu einer Zeit entstanden, zu der er sich seines unsicheren rechtlichen Aufenthalts bewusst sein musste. Er besuche in Österreich keine Bildungseinrichtungen, den Erwerb von Sprachkompetenzen habe er zwar behauptet, aber nicht belegt. Er sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Zu Afghanistan habe er nach wie vor starke familiäre, kulturelle und sprachliche Bindungen, sodass er jederzeit in der Lage sei, dort wieder Fuß zu fassen.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf Art 144a B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art 2, 3 und 8 EMRK sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) gerügt wird.

Begründend führt der Beschwerdeführer aus, dass der Asylgerichtshof auf Grundlage veralteter Länderberichte entschieden habe. Laut den vom Beschwerdeführer herangezogenen Länderberichten aus 2011 bestehe das Risiko für Leib und Leben von Zivilpersonen auf Grund der schlechten Sicherheitslage fort. Auch in Kabul habe es in den letzten Jahren spektakuläre Anschläge gegeben.

Die Rückkehr von Flüchtlingen werde durch die schlechte Sicherheitslage sowie die weitgehend fehlenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Existenzaufbau sowie die schwache Verwaltungsstruktur beeinträchtigt. Weil die soziale Absicherung traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden liege, stießen Afghanen außerhalb ihres Familienverbandes oder nach längerer Abwesenheit im westlich geprägten Ausland bei ihrer Rückkehr auf größte Schwierigkeiten. Ihnen würde mit übersteigerten Erwartungen an ihre finanzielle Leistungsfähigkeit begegnet, sodass ihnen vielfach überhöhte Preise abverlangt würden. Sie hätten auch den Status vollwertiger Afghanen verloren und seien bei ihrer Rückkehr oft mit Land- und Grundstücksstreitigkeiten konfrontiert. Auch der Zugang zu Wasser, Arbeit, Gesundheitsversorgung etc. sei häufig eingeschränkt. Eine Durchsetzung von Rechtsansprüchen sei oft nicht möglich. Oft fehle auch das Startkapital für einen wirtschaftlichen Neuanfang. Die Lebensbedingungen seien landesweit schlecht. Ob man sich der Gefährdung, Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu werden, durch Übersiedlung innerhalb des Landes entziehen könne, hänge maßgeblich vom Grad der sozialen Vernetzung und der Verwurzelung im Familienverband ab. Die Zahl der Binnenflüchtlinge habe sich in den letzten Jahren verdoppelt. Auf Grund der verbreiteten Armut komme es nach wie vor zu Mangelernährung.

Der Beschwerdeführer habe vor dem Asylgerichtshof glaubwürdig dargelegt, dass er keine Möglichkeit habe, in Afghanistan ein Leben in Sicherheit zu führen oder einen ausreichenden Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Er habe in seinem Herkunftsstaat weder Familie noch Grundbesitz (das Haus der Familie befinde sich auf feindlichem Gebiet und sei daher wirtschaftlich wertlos). Der Asylgerichtshof habe dennoch keine individuellen Ermittlungen zu den Rückkehrbedingungen durchgeführt, obwohl der Beschwerdeführer klar aufgezeigt habe, dass er im Falle der Rückkehr in eine aussichtslose Lage geriete. Der Beschwerdeführer wäre im Falle der Rückkehr mit behördlicher Strafverfolgung, Arbeitslosigkeit, fehlender Unterkunft, mangelnder Gesundheitsversorgung und mit Sicherheitsrisiken wie Übergriffen durch die Feinde seines Vaters konfrontiert. Es habe daher im Lichte des Art 3 EMRK einer genauen Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers bedurft. Diese sei aber nicht erfolgt.

4. Der Asylgerichthof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan sowie die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan richtet, begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken (zB VfSlg 18.614/2008, 18.741/2009, 18.986/2010, 19.455/2011).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Asylgerichtshof bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vorzuwerfen:

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivil-person eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat können unter dem Gesichtspunkt des Art 3 EMRK relevant sein (VfSlg 19.602/2011 mwN).

2.2. Der Asylgerichtshof stützt sich auf eine Vielzahl von Berichten zu Afghanistan aus 2011, die sohin im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung ca. ein Jahr alt waren. Er gibt sie zwar in der angefochtenen Entscheidung – abgesehen von einem Bericht betreffend Kabul aus 2011 – nicht wieder, erörterte sie aber in der mündlichen Verhandlung, an der der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer unentschuldigt nicht teilnahm. Es ist daher (anders als in VfSlg 13.897/1994, 18.646/2008, ; , U1306/12; , U1006/12) entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht davon auszugehen, dass sich der Asylgerichtshof auf veraltete Länderberichte stützte, noch dass er das Parteiengehör des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich relevanter Weise beschränkte.

2.3. Die Entscheidung des Asylgerichtshofes ist aber aus folgendem Grund mit Willkür belastet:

2.3.1. Der Asylgerichtshof stellt gestützt auf einen aktuellen Länderbericht fest, dass Kabul sicher sei, auch wenn es zu medienwirksamen Anschlägen komme. Die aktuelle Lage in Afghanistan stelle sich – auch gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte – nicht so dar, dass sie für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringe. Nicht jede Rückkehr nach Afghanistan stelle eine Verletzung der EMRK dar. Es sei vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf Grund der persönlichen Situation des Betroffenen die Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung des Art 3 EMRK darstelle.

Auch wenn in Afghanistan die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, sei es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimtatort in der Provinz Uruzgan (nunmehr Daikondi) zu gelangen, wo er nach wie vor über ein soziales Netz verfüge. Auf Grund der unglaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers gehe der Asylgerichtshof davon aus, dass sich die näheren Verwandten des Beschwerdeführers (Vater, Stiefmutter, Bruder, Halbbruder) weiterhin im Heimatort des Beschwerdeführers aufhielten. Im Falle der Rückkehr würde ihm daher im Rahmen seines Familienverbandes wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteil. Er habe überdies den Großteil seines Lebens in seiner Heimatprovinz verbracht und sei somit mit den örtlichen und infrastruktuellen Gegebenheiten vertraut. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er sei in der Lage, sich im Herkunftsstaat notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu sichern, um nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen. Er verfüge überdies über eine vierjährige Schulbildung sowie über Berufserfahrung in der Landwirtschaft und als Automechaniker.

Letztlich stehe dem Beschwerdeführer ergänzend auch die Möglichkeit offen, sich unmittelbar nach erfolgter Ankunft an in Kabul ansässige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenngleich nicht verkannt werde, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden könnten.

2.3.2. Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt (vgl. § 8 Abs 1 AsylG 2005) auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (; , U2087/2012).

Der Asylgerichtshof geht zwar davon aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimatprovinz Daikondi leben könne, weil ihm dort wirtschaftliche und soziale Unterstützung im Rahmen seines Familienverbandes zuteil werde, mit der dortigen Sicherheitslage setzt er sich in diesem Zusammenhang jedoch nicht auseinander, er gibt nur Länderberichte zur Situation in Kabul wieder (vgl. ). Die Sicherheitslage in Afghanistan variiert – wie der Asylgerichtshof festgestellt hat – von Provinz zu Provinz (vgl. ). Auf Grund aktueller Länderberichte ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Süden Afghanistans, wo auch die Provinz Daikondi liegt, schlecht ist und sich dort die militärischen Operationen der ISAF konzentrieren (s. ). Da der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in seine Herkunftsregion Daikondi zurückkehren kann, hätte er sich mit den Länderberichten betreffend die dortige Situation auseinandersetzen müssen.

2.3.3. Überdies hat der Asylgerichtshof bloß lapidar in den Raum gestellt, dass es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar sei, von Kabul aus in seine Heimatprovinz Daikondi zu gelangen, ohne Feststellungen zum Reiseweg zu treffen (vgl. ; , U2436/2012; , U241/2013).

2.4. Auch wenn man die Ausführungen des Asylgerichtshofes zur Sicherheitslage in Kabul und zur Möglichkeit, sich in Kabul an Hilfseinrichtungen zu wenden, so versteht, dass der Asylgerichtshof von Kabul als alternativem Zielort ausgeht, hätte er die Entscheidung mit einem Begründungsmangel belastet: Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar sei, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien sei es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden sei, sei aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (EGMR, , Fall Husseini , Appl. 10.611/09, Rz 96; , Fall H. und B. , Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Rz 45 und 114). Eine derartige Einzelfallprüfung bezogen auf Kabul hat der Asylgerichtshof jedoch unterlassen (vgl. ; , U1006/12). Ob der Beschwerdeführer etwa vor seiner Flucht in Kabul gelebt habe oder dort über sonstige soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfüge, hat der Asylgerichtshof nicht geprüft (vgl. ). Auch im Hinblick auf die Möglichkeit, sich in Kabul an Hilfseinrichtungen zu wenden, lässt der Asylgerichtshof die, angesichts seiner eigenen Feststellung, dass diesen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zukämen, notwendige Prüfung, inwieweit der Beschwerdeführer wirklich von ihnen unterstützt werden könne, vermissen (vgl. hiezu ; , U1325/12).

2.5. Der Asylgerichtshof belastet zusammengefasst seine Entscheidung mit Willkür, weil er sich nicht mit der Sicherheit des Beschwerdeführers in seiner Heimatprovinz und der Möglichkeit, dorthin zu gelangen, bzw. der Frage auseinandersetzt, ob der Beschwerdeführer über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Kabul verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob der Beschwerdeführer auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art 3 EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt. Er unterlässt sohin jegliche Ermittlungstätigkeit in entscheidenden Punkten. Die angefochtene Entscheidung ist daher, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, aufzuheben.

3. Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 voraussetzt, dass der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ist die bekämpfte Entscheidung, soweit der Beschwerdeführer damit aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen wird, ebenfalls aufzuheben.

B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichthof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art 144a B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs 2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Insbesondere konnte der Asylgerichtshof in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass das einschlägige Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig ist.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten bekämpft wird, abzusehen.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973).

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und die Ausweisung nach Afghanistan abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.