VfGH vom 07.03.2012, U1473/11 ua
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Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung einer vierköpfigen aserbaidschanischen Familie; verfassungswidrige Interessenabwägung
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Entscheidungen, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet abgewiesen werden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK verletzt worden.
Die angefochtenen Entscheidungen werden insoweit aufgehoben.
II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, jeder der beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1.1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Aserbaidschan, stellte gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, und als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter, der Drittbeschwerdeführerin, nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) wies die Anträge mit Bescheiden vom ,
1. FZ 04 17.291-BAW, 2. FZ 04 17.292-BAW, 3. FZ 04 17.293-BAW, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (im Folgenden: AsylG 1997), BGBl. I 76/1997 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 idF BGBl. I 101/2003 für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 idF BGBl. I 101/2003 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan aus.
1.2. Am brachte die Erstbeschwerdeführerin außerdem als gesetzliche Vertreterin ihrer zwischenzeitig in Österreich geborenen zweiten Tochter, der Viertbeschwerdeführerin, beim BAA einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde mit Bescheid vom , FZ 06 01.335-BAW, gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005), BGBl. I 100/2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, wurde der Viertbeschwerdeführerin zudem der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005, die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan verfügt.
2. Die gegen diese Bescheide an den Unabhängigen Bundesasylsenat erhobenen Berufungen (nunmehr: Beschwerden) wurden mit der angefochtenen Entscheidung des Asylgerichtshofes nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am als unbegründet abgewiesen.
Der Asylgerichtshof begründet seine Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass sowohl das eigenständige Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin als auch jenes ihres Ehegatten, auf das sich die Erstbeschwerdeführerin ebenso gestützt hat, unglaubwürdig gewesen seien, weil sie zu wenig detailreich und zu oberflächlich gehalten gewesen seien. Folglich seien die fluchtkausalen Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehemannes der rechtlichen Beurteilung gar nicht als Feststellungen zugrunde zu legen gewesen. Gleiches gelte für die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen, da sie sich im Asylverfahren auf die Fluchtgründe ihrer Eltern gestützt hätten.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. seien die Beschwerden abzuweisen gewesen, weil eine Rückführung der Erst- bis Viertbeschwerdeführer(innen) kein "reales Risiko" einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK sowie des 6. bzw. des
13. ZPEMRK nach sich ziehe und sich der Herkunftsstaat auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt befinde. Auch in der Person der Beschwerdeführer gelegene Rückkehrhindernisse könnten - trotz psychischer Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin - nicht festgestellt werden.
Die in Spruchpunkt III. verfügte Ausweisung greife zwar nicht in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Familienlebens gemäß Art 8 EMRK ein, da die gesamte Kernfamilie von der Ausweisung betroffen sei. Jedoch sei - angesichts der langen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich - jedenfalls ein Eingriff in das den Beschwerdeführern durch Art 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privatleben zu konstatieren. Dieses Recht werde durch die verfügte Ausweisung allerdings nicht verletzt, weil die Beschwerdeführer zum einen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nicht ausreichend integriert seien und zum anderen nur auf Grund eines zu keinem Zeitpunkt berechtigten Asylantrages in Österreich zum Aufenthalt berechtigt gewesen seien.
2.1. Dabei führte der Asylgerichtshof bezogen auf die Erstbeschwerdeführerin u.a. Folgendes aus:
"Die BF lebt in Österreich mit ihrem Gatten und ihren beiden minderjährigen Kindern, die ebenfalls Asylwerber sind. Zu ihrer Familie, die ebenfalls in Österreich lebt, ist nach Angaben der BF ein loser Familienkontakt gegeben, der sich auf einen wöchentlichen Besuch beschränkt. Die Verwandten würden sie finanziell nicht unterstützen, da sie nicht sehr gut situiert wären. Von einer besonderen Beziehungsintensität, wie von der BFV vorgetragen, die sich in intensiver Betreuung der Eltern regelmäßig im Alltag äußern würde bzw. von einer finanziellen Unterstützung durch den Bruder, kann daher aufgrund der Aussagen der BF nicht gesprochen werden. Es liegt somit kein Familienbezug zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person in Österreich vor.
[...]
Da in der gegenständlichen Rechtssache durch die in Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides angeordnete Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in ihren Herkunftsstaat ein Eingriff in das durch Art 8 Abs 1 EMRK geschützte Recht auf Privatleben der BF vorliegt, war eine Interessenabwägung im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK durchzuführen.
Im Falle der im August 2004 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben. Die BF lebt in Österreich von der Grundsversorgung. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit kann daher keine Rede sein. Es wurde auch keine Beschäftigung im Rahmen einer Remunerantentätigkeit oder einer saisonellen Beschäftigung nachgewiesen, die eine Bereitschaft zur Selbsterhaltung zeigen würde. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen [würde], wird durch den etwas mehr als 6,5-jährigen Aufenthalt hier in Österreich seit ihrer Einreise kontraindiziert. Die BF verfügt nach wie vor im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, wenn auch in Form von entfernten Verwandten des Ehegatten. Eine besondere integrative Verfestigung in Vereinen oder sonstigen Institutionen in Österreich wurde von der BF nicht behauptet. Die BF kann zwar auf einen Deutschkurs verweisen, von einer umgangssprachlichen Kenntnis der deutschen Sprache kann jedoch nicht ausgegangen werden, wie sich dies im Laufe der Verhandlung zeigte. Wenn von der BFV angeführt wird, dass aufgrund der zahlreichen Unterstützungserklärungen von einer hervorragenden Integration der BF auszugehen wäre, ist anzuführen, dass die BF über Befragen zu diesen Erklärungen in der Verhandlung erklärte, dass es sich bei P.B. um einen Bekannten handle, der auch einen Sohn hätte und er sie zu Neujahr und den Geburtstagen besuchen und ihnen Geschenke mitbringen würde. Mit einer weiteren Familie P. würden sie sich auch gut verstehen. Diese würde den Kindern Geschenke zu diversen Anlässen geben. Weitere persönliche Kontakte aufgrund der Unterstützungserklärungen konnten von der BF nicht vorgebracht werden. Festzustellen ist in dem Zusammenhang, dass die Unterstützungserklärungen allesamt auf einem Musterbrief 'Bleiberecht für Familie M.' unterfertigt wurden und subjektive Erkenntnisse der Unterfertigten keinen Eingang in die Erklärung gefunden haben.
Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien
brachte keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbl[ei]b der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer
solchen Situation wie die Beschwerdeführerin erfolgreich auf ihr Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen, um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip).
Im Rahmen eines Vergleiches mit den Verhältnissen im Herkunftsstaat sind folgende Überlegungen anzustellen:
Die Beschwerdeführerin verbrachte den Großteil ihres Lebens in Aserbaidschan und wurde dort sozialisiert. Sie spricht die dortige Sprache und gehört dem Mehrheitsglauben an. Ebenso ist davon auszugehen, dass in [Aserbaidschan] Bezugspersonen in Form der - wenn auch entfernten - Verwandtschaft des Ehegatten der BF existieren. Es deutet nichts darauf hin, dass es der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in deren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben ist jedenfalls insofern iSd Art 8 Abs 2 EMRK gerechtfertigt, als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung von Fremden, die wie die Beschwerdeführerin, im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, nur auf Grund der von ihnen gestellten, zu keinem Zeitpunkt berechtigten Asylanträge zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sind, das Interesse der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs 1 FrG z.B. ; , 2004/21/0027; , 2000/18/0257; sowie EGMR , NNYANZI Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).
[...]"
2.2. Neben diesen Argumenten führte der Asylgerichtshof im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer Folgendes aus:
"Im Falle des im August 2004 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben. Der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit kann daher keine Rede sein. Es wurde auch keine Beschäftigung im Rahmen einer Remunerantentätigkeit oder einer saisonellen Beschäftigung nachgewiesen, die eine Bereitschaft zur Selbsterhaltung zeigen würden. Der BF kann lediglich auf eine Probemonat für die Zeitschrift Augustin verweisen. Auch gab der BF keine Bereitschaft einer Arbeitssuche dahingehend bekannt, dass er sich niemals bemühte, beim AMS vorzusprechen. Lediglich [auf] eine Arbeitszusage durch einen P.B., der ihn gleichfalls mit eine[r] Unterstützungserklärung bedachte, kann der BF verweisen. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen [würde], wird durch den etwas mehr als 6,5-jährigen Aufenthalt hier in Österreich seit seiner Einreise kontraindiziert. Der BF verfügt nach wie vor im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, wenn auch in Form von entfernten Verwandten. Eine besondere integrative Verfestigung in Vereinen oder sonstigen Institutionen wurde vom BF nicht behauptet. Der BF kann zwar auf Kurse hinsichtlich Sprachkurse verweisen, von einer umgangssprachlichen Kenntnis der deutschen Sprache kann jedoch nicht ausgegangen werden, wie sich dies im Laufe der Verhandlung zeigte. Der BF konnte nur in sehr beschränktem Ausmaß Kenntnisse der deutschen Sprachen vorweisen. Wenn vom BFV angeführt wird, dass aufgrund der zahlreichen Unterstützungserklärungen von einer hervorragenden Integration des BF auszugehen wäre, ist anzuführen, dass der BF über Befragen zu diesen Erklärungen in der Verhandlung erklärte, dass es sich dabei vorwiegend um Bekannte handle, die er unregelmäßig treffen würde bzw. es gegenseitige Besuche gäbe. Festzustellen ist in dem Zusammenhang, dass die Unterstützungserklärungen allesamt auf einem Musterbrief 'Bleiberecht für Familie M.' unterfertigt wurden und subjektive Erkenntnisse der Unterfertigten keinen Eingang in die Erklärungen gefunden haben.
Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien
brachte keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.
[...]"
2.3. Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin führte der Asylgerichtshof u.a. Folgendes aus:
"Im Falle der im August 2004 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben. Die Familie der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung. Die BF besuchte den Kindergarten und nunmehr die Volksschule. Die BF verfügt nach wie vor im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, wenn auch in Form von entfernten Verwandten des Vaters der BF. Eine besondere integrative Verfestigung, außer dem Pflichtschulbesuch[,] wurde von der BF nicht behauptet. Die BF kann auf schulische Deutschkenntnisse verweisen. Wenn von der BFV angeführt wird, dass aufgrund der zahlreichen Unterstützungserklärungen von einer hervorragenden Integration der BF auszugehen wäre, ist anzuführen, dass über Befragen der Eltern der BF zu diese Erklärungen, [diese] erklärten, dass es sich bei diesen um Bekanntschaften handeln würde, die u.a. der BF Geschenke zu diversen Anlässen geben. Weitere persönliche Kontakte aufgrund der Unterstützungserklärungen konnten nicht vorgebracht werden. Festzustellen ist in dem Zusammenhang, dass die Unterstützungserklärungen allesamt auf einem Musterbrief 'Bleiberecht für Familie M.' unterfertigt wurden und subjektive Erkenntnisse der Unterfertigten keinen Eingang in die Erklärungen gefunden haben.
Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien
brachte keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.
[...]"
2.4. Hinsichtlich der Viertbeschwerdeführerin führte der Asylgerichtshof u.a. Folgendes aus:
"Im Falle der am in Österreich geborenen Beschwerdeführerin hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben bzw. wurden solche von ihr bzw. ihrer gesetzlichen Vertretung auch nicht behauptet. Die Familie der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit der Eltern kann daher keine Rede sein. Die BF befindet sich in einem anpassungsfähigen Alter, sodass ein Wechsel des Wohnsitzes noch leichter verkraftbar ist. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen [würde], wird durch das noch junge Lebensalter der BF und den 5-jährigen Aufenthalt hier in Österreich kontraindiziert. Die BF besucht zwar den Kindergarten, dies ist jedoch eine altersentsprechende Einrichtung die auch von allen anderen Kindern genützt wird. Die BF verfügt nach wie vor im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, wenn auch in Form von entfernten Verwandten des Vaters der BF. Eine besondere integrative Verfestigung, außer dem Kindergartenbesuch[,] wurde von der BF nicht behauptet.
Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien
brachte keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet.
[...]"
In den gegen diese Entscheidungen gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerden wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie des Verbots der Folter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen beantragt.
3. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand.
II. Erwägungen
A. Die - zulässige - Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan richtet, begründet:
1. Ein Eingriff in das durch Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs 1 EMRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. VfSlg. 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).
2. Ein derartiger in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Asylgerichtshof unterlaufen:
2.1. Wie der Asylgerichtshof zunächst zwar zutreffend festgestellt hat, ist die Abweisung der Asylanträge mit der Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat und gemäß dem laut § 75 Abs 8 AsylG 2005, BGBl. I 100 idF BGBl. I 122/2009, anzuwendenden § 10 Abs 1 Z 2 leg.cit. mit der Ausweisung zu verbinden, außer die Ausweisung ist gemäß Abs 2 leg.cit. unzulässig, zB weil die Ausweisung eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde. Dabei sind gemäß § 10 Abs 2 Z 2 AsylG 2005 insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts, die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, und die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen.
2.2. Im Lichte dieser Kriterien erweist sich die vom Asylgerichtshof vorgenommene Abwägung der Interessen der Beschwerdeführer iSd Art 8 EMRK jedoch als verfehlt, weil er zwar den öffentlichen Interessen auf dem Gebiet des Fremdenwesens die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer gegenübergestellt, diese Interessen jedoch weder vollständig berücksichtigt noch nachvollziehbar gewichtet und somit die Abwägung in einer Art 8 EMRK widersprechenden Weise vorgenommen hat:
2.2.1. Dies betrifft zunächst den der sprachlichen Integration zuzurechnenden Umstand, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführer nach ihrem Vorbringen die offizielle "A2-Prüfung" des Österreichischen Integrationsfonds zum Erwerb eines Sprachdiploms absolviert und mit sehr gutem Erfolg bestanden haben. Abgesehen davon, dass der Asylgerichtshof dieses Vorbringen mit Stillschweigen übergeht, ist der vom Asylgerichtshof konstatierte Mangel an "Umgangssprachlichkeit" - abgesehen davon, dass dieser nicht näher erläutert wird - nicht relevant. Die fehlende umgangssprachliche Kenntnis der deutschen Sprache kann nämlich nicht mit einem Mangel an sprachlicher Integration gleichgesetzt werden. Vielmehr legt der Asylgerichtshof seiner Abwägung bei einer solchen Auslegung des Begriffs "Integration" einen Maßstab zugrunde, der mit Art 8 EMRK unvereinbar ist (vgl. dazu bereits ua.) und verkennt in verfassungswidriger Weise den (sprachlichen) Integrationsgrad der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers.
2.2.2. Der Asylgerichtshof hat es in einer zum Teil formelhaften Begründung unterlassen, auf eine Reihe von Umständen einzugehen, die von den beschwerdeführenden Parteien als Nachweis für die Intensität ihrer sozialen Integration ins Treffen geführt wurden (zB soziale Aktivitäten der Mutter im Zusammenhang mit dem Elternverein und (nach dem Beschwerdevorbringen: ehrenamtliche) Erteilung von Englischunterricht, die Integration der Kinder durch Aktivitäten in ihrem sozialen Umfeld).
2.2.3. Soweit der Asylgerichtshof schließlich den Effekt der Integration der beschwerdeführenden Parteien dadurch weitgehend gemindert sieht, dass der Integrationsgrad der beschwerdeführenden Parteien nur durch die Stellung von unbegründeten Asylanträgen erreicht worden sei, übergeht er den Umstand, dass der erreichte Grad der Integration erst durch die lange Verfahrensdauer des (einzigen, von den Beschwerdeführern angestrengten) Asylverfahrens von rund 7 Jahren ermöglicht wurde. Der Asylgerichtshof lässt dabei insbesondere unberücksichtigt, dass es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzung zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführern die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre - beinahe sieben Jahre verstreichen (vgl. ua. und , U760/11 ua.).
2.2.4. Hinsichtlich der Folgen einer Ausweisung lässt der Asylgerichtshof die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden, nach Art 8 EMRK als Teil des Privatlebens grundsätzlich schutzwürdigen familiären Bindungen im Inland zufolge der Annahme bloß "lose[r]" familiärer Beziehungen unberücksichtigt, obwohl die Erstbeschwerdeführerin - wovon auch der Asylgerichtshof ausgeht - nicht nur regelmäßigen Kontakt zu ihrem Bruder unterhält, sondern auch ihre schwer kranken Eltern einmal wöchentlich zur Pflege besucht, womit sehr enge Familienbande dokumentiert sind. Da diesen nach den Feststellungen des Asylgerichtshofes bloß die Existenz eines entfernten Verwandten in Aserbaidschan gegenübersteht, hat der Asylgerichtshof das Gewicht der bei der Abwägung zu berücksichtigenden familiären Bindungen in Österreich einerseits und im Heimatland andererseits grob verkannt.
B. Soweit die Beschwerde im Übrigen die Abweisung der Asylanträge und die Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat bekämpft, wird ihre Behandlung aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art 144a B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs 2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (s. etwa EGMR , Fall Soering, EuGRZ 1989, 314 [319];
, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309];
, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuweisen - oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen -, unter dem Blickwinkel des Art 3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995, 14.998/1997).
Der Asylgerichtshof hat weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechtes darstellen (vgl. VfSlg. 13.897/1994, 15.026/1997, 15.372/1998, 16.384/2001, 17.586/2005; zu den krankheitsbedingten Gründen vgl. auch VfSlg. 18.407/2008 und ). Ob ihm sonstige Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen sind, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.
Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
III. Ergebnis und damit zusammenhängende
Ausführungen:
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtenen Entscheidungen, soweit damit die Abweisung ihrer Beschwerden betreffend die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan ausgesprochen wird, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art 8 EMRK verletzt worden. Die angefochtenen Entscheidungen sind daher insoweit aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 88a iVm § 88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfSlg. 18.862/2009). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils € 400,- enthalten.
3. Im Übrigen wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit die Beschwerdeführer damit die Abweisung ihrer Asylanträge und die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat bekämpfen, abzusehen (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.