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VfGH vom 25.09.2013, U1217/2012

VfGH vom 25.09.2013, U1217/2012

19789

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Aussetzung des Asylverfahrens - hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten sowie der Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei - bis zum rechtskräftigen Abschluss eines anhängigen Auslieferungsverfahrens mangels Bindung des Asylgerichtshofes an die Entscheidung des Strafgerichts; Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit das Beschwerdeverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Auslieferungsverfahrens gemäß § 38 AVG ausgesetzt wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden. Die angefochtene Entscheidung wird insoweit aufgehoben. 2. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 1.200,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste am in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs rechtskräftig zu einer 36-jährigen Haftstrafe verurteilt worden sei. In der Türkei werde nach ihm gefahndet. Angehörige seines Stammes hätten im Zuge einer Fehde mit den Angehörigen eines anderen Stammes einige Männer aus diesem Stamm erschossen; er sei aber unschuldig. Im Falle der Rückkehr fürchte er, inhaftiert oder im Rahmen der Blutrache getötet zu werden.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005), BGBl I 100, idgF (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß § 8 Abs 1 leg.cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom betreffend Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. setzte der Asylgerichtshof das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Auslieferungsverfahrens gemäß § 38 AVG aus.

2.1. Begründend führte der Asylgerichtshof zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten aus, dass der Verurteilung des Beschwerdeführers keine asylrelevanten Motive zugrunde lägen und die dem Beschwerdeführer drohende Inhaftierung nicht als asylrelevante Verfolgung anzusehen sei. Dem Beschwerdeführer seien Mord und versuchter Mord zur Last gelegt worden; die Ahndung dieser Delikte stelle eine legitime Strafverfolgung dar. Im Verfahren seien auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass seine Verurteilung im Zusammenhang mit einem politischen Delikt, seiner politischen Einstellung oder Volksgruppenzugehörigkeit stehe. Verglichen mit dem österreichischen Strafrahmen sei das Strafausmaß von 36 Jahren auch nicht unverhältnismäßig hoch.

Der Beschwerdeführer sei im gesamten Strafverfahren anwaltlich vertreten gewesen und habe gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts ein Rechtsmittel erhoben, das vom Höchstgericht bestätigt worden sei. Aus den Länderberichten folge, dass Strafverfahren in der Türkei nach rechtsstaatlichen Prinzipien durchgeführt würden. Zwei Personen, die im Zusammenhang mit denselben Stammesfehden verurteilt worden seien, hätten zwar in Österreich Asyl erhalten, allerdings hätten diese ein über diese Verurteilungen hinausgehendes glaubwürdiges Vorbringen betreffend eine starke Nahebeziehung zur PKK und eine daraus resultierende Gefährdung erstattet, weshalb aus deren Verfahren keine Rückschlüsse auf das Verfahren des Beschwerdeführers, der angegeben habe, nie politisch aktiv gewesen zu sein, gezogen werden könnten.

Daher sei die Beschwerde betreffend Spruchpunkt I. abzuweisen gewesen.

2.2. Zur Aussetzung des Verfahrens hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides führte der Asylgerichtshof aus:

"Sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, ist die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Aus dem unmissverständlichen Wortlaut des § 38 AVG folgt, dass das Ermessen, zur Klärung einer Vorfrage das Verfahren mit einem im Instanzenzug anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheid auszusetzen, nur dann zulässig ausgeübt wird, wenn die Vorfrage bereits den Gegenstand eines anhängigen oder zugleich anhängig zu machenden Verfahrens bei der zur Entscheidung der Vorfrage zuständigen Behörde bildet.

[…] Im gegenständlichen Fall ist gegen den BF bei der Staatsanwaltschaft I. unter der Zahl […] ein Auslieferungsverfahren wegen der oben beschriebenen Delikte anhängig. Zum Verhältnis von Auslieferungs- und Asylverfahren ist zunächst anzumerken, dass sich nach Ansicht des AsylGH aus den einzelnen gesetzlichen Regelungen relativ klar ergibt, dass – vereinfacht ausgedrückt – das Auslieferungsverfahren eine Art Vorrang vor dem Asylverfahren genießt. In diesem Sinne führte der OGH etwa zuletzt aus, der bloßen 'Stellung als Asylwerber' könne im Auslieferungsverfahren keine besondere Bedeutung beigemessen werden, 'weil weder die MRK noch eines ihrer Zusatzprotokolle ein Recht auf politisches Asyl in einem Konventionsstaat garantiert' (; siehe auch ). Daraus folgt auch, dass nach Ansicht des OGH selbst der Status des Asylberechtigten nicht eine Entscheidung im Auslieferungsverfahren präjudiziert, geht es im Auslieferungsverfahren doch primär – wenn auch nicht ausschließlich (§19 Z 3 ARHG) – um die gemäß der EMRK gewährleisteten Rechte. Dieser Vorrang des Auslieferungsverfahrens spiegelt sich auch sehr deutlich in der Regelung des § 13 ARHG wieder, wonach es unzulässig ist, einen Ausländer, gegen den ein Auslieferungsverfahren anhängig ist oder eingeleitet werden wird, auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen – gemeint sind damit offensichtlich asyl- und fremdenrechtliche Regelungen – außer Landes zu bringen. Vor diesem Hintergrund wäre es dem AsylGH wohl verwehrt, eine Person vor Abschluss des Auslieferungsverfahrens in den ersuchenden Staat auszuweisen, würde dadurch ja die dem Gericht zukommende Auslieferungsentscheidung faktisch vorweggenommen werden. Andererseits könnte das für die Auslieferung zuständige Gericht seine Entscheidung ohne Bindung an allenfalls bereits ergangene Entscheidungen der Asylbehörden treffen bzw. könnte die Auslieferung auch während eines anhängigen Asylverfahrens bewilligen, wobei sich das Gericht im ersten Fall allerdings wohl mit der Argumentation der Asylbehörden auseinandersetzen müsste.

Aufgrund der dargestellten Erwägungen wurde im gegenständlichen Fall das Verfahren hinsichtlich der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des bekämpften Bescheids bis zum rechtskräftigen Abschluss des Auslieferungsverfahrens ausgesetzt. Im Auslieferungsverfahren sind nämlich im Wesentlichen die Kriterien zu prüfen, die auch der Refoulemententscheidung zugrunde zu legen sind (insbesondere Art 3 EMRK, wobei im Auslieferungsverfahren ein weiterer Fokus auf Art 6 EMRK hinzukommt), sodass die diesbezügliche – 'Vorrang' genießende – Auslieferungsentscheidung des Gerichts nach Ansicht des AsylGH in gegenständlichem Verfahren eine Vorfrage iSd § 38 AVG darstellt; eine Entscheidung des AsylGH, den BF in den ersuchenden Staat auszuweisen, würde wohl gar eine iSd § 13 ARHG unzulässige, faktische Vorwegnahme der Auslieferungsentscheidung bedeuten, sodass auch in dieser Hinsicht das Verfahren auszusetzen war. Hingegen hegt der AsylGH in Anbetracht der dargestellten Judikatur des OGH, wonach der Asylstatus der betroffenen Person das Auslieferungsverfahren nicht zu präjudizieren vermag bzw. in Anbetracht der in der Judikatur des OGH vorgenommenen Betonung, dass die EMRK eben kein Recht auf politisches Asyl im Konventionsstaat garantiere (so etwa und ), keine Bedenken daran, die Asylentscheidung selbständig und ohne Abwarten der Auslieferungsentscheidung zu treffen.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die vom VfGH jüngst mit Erkenntnis vom , Zahl: U1789/09 [= VfSlg 19.312/2011], gebilligte Vorgangsweise des AsylGH, das Verfahren (gänzlich) abzuschließen und lediglich eine allfällige Ausweisung in analoger Anwendung des § 10 Abs 3 AsylG bis zum Abschluss des Auslieferungsverfahrens aufzuschieben, in gegenständlichem Fall nicht in Betracht kommt: So lag dem erwähnten Verfahren vor dem VfGH ein 'Dublin-Fall' zugrunde, sodass sich die asylbehördliche Prüfung der Zulässigkeit der Rückverbringung lediglich auf den Dublin-Staat bezog und erfolgte die – aufgeschobene – Ausweisung ebenfalls in den Dublin-Staat, wodurch das Auslieferungsverfahren und das Asylverfahren keinerlei Überschneidungen hatten und nur die Ausweisung in den Dublin-Staat aufgrund des in § 13 ARHG normierten Vorrangs des Auslieferungsverfahrens zunächst aufzuschieben war. Im vorliegenden Fall geht es jedoch sowohl im Asyl- als auch im Auslieferungsverfahren um die Rückverbringung in ein- und denselben Staat."

3. Gegen diese Entscheidung – sowohl betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch betreffend die Aussetzung des Verfahrens – richtet sich die auf Art 144a B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG gerügt wird.

3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten führt der Beschwerdeführer aus, der von ihm als unfair erachtete Prozess in der Türkei verwirkliche den Tatbestand einer politischen Verfolgung. Der Asylgerichtshof hätte der Befangenheit eines ermittelnden Polizisten mehr Bedeutung zumessen müssen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers mit seiner politischen Gesinnung und der seiner Familie im Zusammenhang gestanden sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers werde auch nicht dadurch entkräftet, dass er sich nach den Morden noch 13 Jahre lang in der Türkei aufgehalten habe, weil er sich in der Zeit versteckt gehalten habe. Jedenfalls hätte der Asylgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

3.2. Zur Aussetzung des Verfahrens führt der Beschwerdeführer aus, dass sich der Vorrang des Auslieferungsverfahrens nicht nur auf die in der EMRK geschützten Rechtspositionen beziehe, sondern auch auf alle subjektiven Rechte, die im Rahmen des Asylverfahrens zu prüfen seien, somit auch auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten. Lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl vor, wäre die Auslieferung nach umfassender Prüfung vom Strafgericht für unzulässig zu erklären. Das Asylverfahren wäre daher auch betreffend Spruchpunkt I. auszusetzen gewesen. Im vorliegenden Fall werde nicht dieselbe Rechtsfrage je nach ihrem Zusammenhang einmal von einem Gericht und einmal von einer Verwaltungsbehörde als Haupt- und Vorfrage beantwortet, vielmehr werde über die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung unter dem Aspekt der Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes nach den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention sowohl von den Asylbehörden als auch von den ordentlichen Gerichten entschieden.

4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde.

II. Rechtslage

1. Die §§38 und 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl 51, idF BGBl I 158/1998 lauten:

"§38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) [– (4) …]"

2. Die relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005AsylG 2005), BGBl I 100, idF BGBl I 38/2011 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. [– 12. …]

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das – auf welche Weise auch immer artikulierte – Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

14. ein Asylwerber: ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens;

15. der Status des Asylberechtigten: das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

16. der Status des subsidiär Schutzberechtigen: das vorübergehende, verlängerbare Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;

17. ein Herkunftsstaat: der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes;

18. [– 25. …]

(2) [– (3) …]

Status des Asylberechtigten

§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt AZ2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden ist von Amts wegen und ohne weiteres Verfahren der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn sich die Republik Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet hat.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

[…]

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs 1 oder aus den Gründen des Abs 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs 1 Z 2 gilt Abs 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu verfügen, wenn diese gemäß § 10 Abs 2 nicht unzulässig ist. § 10 Abs 3 gilt.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

[…]

Verbindung mit der Ausweisung

§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§8 Abs 3a oder 9 Abs 2 vorliegt.

(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

2. diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

d) der Grad der Integration;

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§45 und 48 oder §§51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

(6) Ausweisungen nach Abs 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§46 FPG) hinzuweisen."

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen (Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz – ARHG), BGBl 529/1979, idF BGBl I 134/2011 lauten:

"Allgemeiner Vorbehalt

§2. Einem ausländischen Ersuchen darf nur entsprochen werden, wenn die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen der Republik Österreich nicht verletzt werden.

Gegenseitigkeit

§3. (1) Einem ausländischen Ersuchen darf nur entsprochen werden, wenn gewährleistet ist, daß auch der ersuchende Staat einem gleichartigen österreichischen Ersuchen entsprechen würde.

(2) [– (4) …]

[…]

Vorrang der Auslieferung

§13. Ist ein Auslieferungsverfahren gegen einen Ausländer anhängig oder liegen hinreichende Gründe für die Einleitung eines solchen Verfahrens vor, so ist es unzulässig, ihn auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen außer Landes zu bringen.

Strafbare Handlungen politischen Charakters

§14. Eine Auslieferung ist unzulässig

1. wegen politischer strafbarer Handlungen,

2. wegen anderer strafbarer Handlungen, denen politische Beweggründe oder Ziele zugrunde liegen, es sei denn, daß unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Art der Begehung, der angewendeten oder angedrohten Mittel oder der Schwere der eingetretenen oder beabsichtigten Folgen, der kriminelle Charakter der Tat den politischen überwiegt.

[…]

Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze; Asyl

§19. Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn zu besorgen ist, daß

1. das Strafverfahren im ersuchenden Staat den Grundsätzen der Art 3 und 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, nicht entsprechen werde oder nicht entsprochen habe,

2. die im ersuchenden Staat verhängte oder zu erwartende Strafe oder vorbeugende Maßnahme in einer den Erfordernissen des Art 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde, oder

3. die auszuliefernde Person im ersuchenden Staat wegen ihrer Abstammung, Rasse, Religion, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volks- oder Gesellschaftsgruppe, ihrer Staatsangehörigkeit oder wegen ihrer politischen Anschauungen einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder aus einem dieser Gründe andere schwerwiegende Nachteile zu erwarten hätte (Auslieferungsasyl).

Unzulässige Strafen oder vorbeugende Maßnahmen

§20. (1) Eine Auslieferung zur Verfolgung wegen einer nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedrohten strafbaren Handlung ist nur zulässig, wenn gewährleistet ist, daß die Todesstrafe nicht ausgesprochen werden wird.

(2) Eine Auslieferung zur Vollstreckung der Todesstrafe ist unzulässig.

(3) Die Bestimmungen der Abs 1 und 2 sind auch auf Strafen oder vorbeugende Maßnahmen, die den Erfordernissen des Art 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, nicht entsprechen, sinngemäß anzuwenden.

[…]

Prüfung des Auslieferungsersuchens durch das Gericht

§33. (1) Die Zulässigkeit der Auslieferung ist an Hand des Auslieferungsersuchens und seiner Unterlagen zu prüfen.

(2) Ob die betroffene Person der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung nach den Auslieferungsunterlagen hinreichend verdächtig ist, ist nur zu prüfen, wenn insoweit erhebliche Bedenken bestehen, insbesondere wenn Beweise vorliegen oder angeboten werden, durch die der Verdacht ohne Verzug entkräftet werden könnte.

(3) Die Zulässigkeit der Auslieferung ist in rechtlicher Hinsicht einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung der betroffenen Person, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechtes, umfassend unter dem Gesichtspunkt der der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen.

[…]

Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens

§39. Das Auslieferungsverfahren ist auf Antrag der betroffenen Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen wiederaufzunehmen, wenn sich neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben, die geeignet erscheinen, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Beschlusses zu bewirken. Über die Wiederaufnahme entscheidet das Gericht (§43 Abs 4 StPO) in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 357 Abs 2 zweiter bis fünfter Satz und Abs 3 StPO. Für das weitere Verfahren nach einem Beschluss, durch den das Auslieferungsverfahren wiederaufgenommen wird, gelten die Bestimmungen des §§31, 33 und 34; § 43 Abs 2 StPO ist sinngemäß anzuwenden."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG:

1.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008), was unter anderem bei gehäufter Verkennung der Rechtslage der Fall ist (zB VfSlg 11.436/1987, 16.238/2001, 19.519/2011, 19.591/2011).

Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Asylgerichtshof bei Anwendung des für ihn nach § 23 Abs 1 Asylgerichtshofgesetz maßgeblichen § 38 AVG hier vorzuwerfen:

1.2. § 38 AVG ermächtigt den Asylgerichtshof, tauchen im Ermittlungsverfahren Vorfragen auf, die als Hauptfragen von Verwaltungsbehörden oder von anderen Gerichten zu entscheiden wären, das bei ihm anhängige Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. "Vorfrage" im Sinne des § 38 AVG kann damit nur eine Rechtsfrage sein, die eine andere Verwaltungsbehörde oder ein anderes Gericht als Hauptfrage zu entscheiden hat (VfSlg 15.232/1998; Hengstschläger/Leeb , AVG § 38 Rz 2 mwH). Nur eine solche Entscheidung über die Hauptfrage kann dann für den sein Verfahren nach § 38 letzter Satz AVG aussetzenden Asylgerichtshof jene Bindungswirkung entfalten, ohne die der prozessökonomische Zweck des § 38 letzter Satz AVG nicht erreicht werden kann (siehe ebenfalls nur Hengstschläger/Leeb , AVG § 38 Rz 6 mwH).

1.3. Der Asylgerichtshof hat die Frage zu beurteilen, ob dem Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben ist. Das Strafgericht hat die Frage zu klären, ob dem Auslieferungsersuchen stattzugeben oder dieses abzulehnen ist. Beide Gerichte haben hiebei das Vorliegen einer Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention und die Zulässigkeit des Refoulements zu beurteilen. Keines der beiden Gerichte spricht jedoch für das andere bindend über diese Rechtsfragen ab. Asyl- und Auslieferungsrecht sehen vielmehr zwei von unterschiedlichen Gerichten parallel zu führende Verfahren – eines über den Antrag auf internationalen Schutz, eines über das Auslieferungsersuchen – vor, die bei der Identität von Herkunftsstaat und ersuchendem Staat (und nur in diesem Fall) zur parallelen Prüfung derselben Fragen im Hinblick auf Asylberechtigung und Refoulementschutz führen (in diesem Sinn auch ). § 13 ARHG sieht nur den Vorrang der Auslieferung vor der Vollziehung der Ausweisung vor, indem er die Abschiebung in den ersuchenden Staat nach asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen während des Auslieferungsverfahrens untersagt. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof auch nicht beanstandet, dass der Asylgerichtshof mit Blick auf die genannte Regelung des § 13 ARHG für eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs 3 AsylG 2005 einen Durchführungsaufschub gewährt (VfSlg 19.312/2011).

Aus § 13 ARHG folgt aber nicht, dass dann, wenn es sowohl im Auslieferungsverfahren wie auch im Asylverfahren um die Rückverbringung in denselben (ersuchenden und Herkunfts-)Staat geht, der Asylgerichtshof an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden wäre (vgl. auch die [Unzulässigkeits-]Entscheidung des EGMR , Appl. 54.845/10, Fall Barnic). Daher stellt auch eine allfällige Entscheidung des Asylgerichtshofs, dem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, einen möglichen Grund für die Wiederaufnahme des bereits abgeschlossenen Auslieferungsverfahrens nach § 39 ARHG dar, weil sich neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben haben, die geeignet erscheinen, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Beschlusses des Strafgerichts zu bewirken ( Göth - Flemmich in WK 2 ARHG § 13 Rz 2 und § 39 Rz 6).

1.4. § 38 AVG berechtigt den Asylgerichtshof im vorliegenden Fall also nicht dazu, das bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des vor dem Asylgerichtshof bekämpften Bescheids bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Auslieferungsverfahrens auszusetzen. Er hat daher auch in dieser Hinsicht selbst zu entscheiden. Dieser Fehler bei der Auslegung des § 38 AVG verstößt gegen das Willkürverbot, weil der Asylgerichtshof dabei die Rechtslage in gehäufter Weise verkennt:

Zum einen ist es in sich widersprüchlich, wenn der Asylgerichtshof hinsichtlich seiner Refoulemententscheidung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 AVG ausgeht, dies aber für seine Asylentscheidung verneint, hat doch das Auslieferungsstrafgericht ebenso zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl vorliegen, weil diesfalls die Auslieferung vom Gericht nicht für zulässig zu erklären wäre (). Die Entscheidung des Asylgerichtshofs über den Status des Beschwerdeführers als Asylberechtigter ist daher für das Strafgericht in gleicher Weise von Bedeutung wie die Entscheidung des Asylgerichtshofs über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz (etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Asylgerichtshofs auch nicht aus der Entscheidung des ; insbesondere verwechselt der Asylgerichtshof die dort getroffene Aussage zur Bedeutung der "Stellung als Asylwerber" mit einem Abspruch über den Status des Asylberechtigten). Zum zweiten führt die wie dargestellt unzutreffende Auslegung des § 38 AVG durch den Asylgerichtshof dazu, dass ein Ermittlungsverfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennung von subsidiärem Schutz durch den Asylgerichtshof nicht geführt wird, dessen Ergebnisse, wenn zwar für das Auslieferungsstrafgericht nicht bindend, so doch von rechtlicher Relevanz sein können (vgl. oben den Hinweis auf § 39 ARHG).

1.5. Durch die qualifiziert unrichtige Anwendung des § 38 AVG verletzt der Asylgerichtshof den Beschwerdeführer somit in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (vgl. VfSlg 12.840/1991, 15.808/2000).

1.6. Da die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet im Falle der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 unzulässig ist, ist die bekämpfte Entscheidung, soweit sie die Aussetzung des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Ausweisung betrifft, ebenfalls aufzuheben. Im Übrigen wird betreffend die Ausweisung auf VfSlg 19.312/2011 verwiesen.

2. Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten:

2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB , 98/01/0262; , 98/20/0350; , 99/01/0280) sowie des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 19.086/2010; ; , U485/2012) zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft eines Asylwerbers muss eine wohlbegründete Furcht vor staatlicher Verfolgung gewisser Intensität vorliegen, welche ihren Grund in der Rasse, Religion, Nationalität, Gruppenzugehörigkeit oder in der politischen Gesinnung des Asylwerbers hat.

2.2. Der Asylgerichtshof hat in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass den Angaben des Beschwerdeführers die Befürchtung, im Falle seiner Rückkehr drohe Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention, nicht glaubhaft zu entnehmen sei. Der Asylgerichtshof konnte sohin – auch vor dem Hintergrund der aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Länderfeststellungen – zutreffend vom Nichtvorliegen asylrelevanter Fluchtgründe ausgehen und die Beschwerde insoweit gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abweisen. Auch konnte der Asylgerichtshof in ebenso verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 unterbleiben konnte (vgl. VfSlg 19.632/2012).

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt II. und III. gemäß § 38 AVG ausgesetzt wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher in diesem Umfang schon aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat, soweit die Beschwerde die Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten bekämpft, nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer insofern in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalls unbedenklichen angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher in diesem Umfang abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a iVm § 88 VfGG sowie dem (auch weiterhin sinngemäß handzuhabenden) § 43 ZPO (§35 Abs 1 VfGG idF BGBl I 33/2013). Dem Beschwerdeführer sind nur Kosten in der Höhe der Hälfte des Pauschalsatzes zuzusprechen, weil er im Rahmen der Beschwerde nur in diesem Ausmaß mit seinem Beschwerdevorbringen durchgedrungen ist (vgl. VfSlg 12.815/1991). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 200,– enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2013:U1217.2012