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VfGH vom 09.10.2010, U1046/10

VfGH vom 09.10.2010, U1046/10

19215

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eines Asylwerbers; kein Verstoß der Regelungen des Asylgesetzes 2005 über den faktischen Abschiebeschutz bei Folgeanträgen gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde und das Rechtsstaatsprinzip

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias,

stellte am seinen ersten Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 101/2003 (im Folgenden: AsylG 1997) abgewiesen. Unter einem wurde die Zurückweisung, die Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 aus dem vsterreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

2. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies die dagegen erhobene Beschwerde vom mit Bescheid vom gemäß §§7, 8 Abs 1 und 2 AsylG 1997 ab. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhobenen Beschwerde abgelehnt.

3. Am stellte der Beschwerdeführer den diesem Verfahren zugrunde liegenden, zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Verfahrensanordnungen vom und vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

4. Das Bundesasylamt hielt am eine niederschriftliche Einvernahme ab, am Ende derer der faktische Abschiebeschutz gemäß §§12a Abs 2 iVm 41a Asylgesetz BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 135/2009 (im Folgenden: AsylG 2005) mit mündlichem Bescheid des Bundesasylamtes aufgehoben worden ist. Eine schriftliche Wiedergabe des Bescheides findet sich in der Niederschrift vom .

5. Mit dem angefochtenen Beschluss vom bestätigte der Asylgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §§12a Abs 2 iVm 41a AsylG 2005. Gegen den Beschwerdeführer liege eine aufrechte Ausweisung aufgrund des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom vor. Diese sei durch die vorgebrachte Weiterreise nach Ungarn noch nicht konsumiert worden. Der Beschwerdeführer habe keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, der Folgeantrag sei voraussichtlich zurückzuweisen. Zu den behaupteten Erkrankungen führte der Asylgerichtshof aus, dass diese einerseits nicht lebensbedrohlich wären (Knieprobleme), sowie dass andererseits zu den angeblichen Herz- und Lungenprobleme keine ärztlichen Befunde vorgelegt worden wären. Der Beschwerdeführer habe gewisse Integrations- und Verfestigungsschritte gesetzt. Angesichts der missbräuchlichen Asylantragstellung und der illegalen Weiterreise nach Ungarn sei dies aber nicht geeignet, den dauerhaften Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu begründen. Die angeführte Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin sei zu einem Zeitpunkt begründet worden, in welchem sich der Beschwerdeführer über seinen unsicheren Aufenthaltsstatus hätte bewusst sein müssen und er auf eine Perpetuierung seines Aufenthaltsrechts nicht vertrauen hätte dürfen. Zusammenfassend könne keine Verletzung der Rechte nach Art 2, 3 oder 8 EMRK sowie nach dem 6. ZPEMRK und dem 13. ZPEMRK festgestellt werden. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes sei aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 12a Abs 2 iVm § 41a AsylG 2005 rechtmäßig.

6. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144a B-VG erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Schutz des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), auf eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend und behauptet weiters eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG).

Ferner erachtet er sich durch die Anwendung der behauptetermaßen verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen der §§12a Abs 2 (zur Gänze), 41a Abs 1, 2 und 3 (jeweils zur Gänze) AsylG 2005 verletzt.

Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

7. Der Asylgerichtshof hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen - Beschwerde erwogen:

1. Die für das Verfahren maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. Jeder Asylwerber, der einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, genießt gemäß § 12 AsylG 2005 für die Dauer des Zulassungsverfahrens faktischen Abschiebeschutz, dh.: Bis eine Entscheidung über die Zulassung zum Asylverfahren vorliegt, darf ein Asylwerber weder zurückgewiesen, noch zurückgeschoben oder abgeschoben werden.

Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 BGBl. I 122/2009 (in Kraft seit ) wurden für so genannte Folgeanträge Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz - zum einen ex lege, zum anderen durch Bescheid - vorsehen. § 12a AsylG 2005 lautet:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn


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1.
gegen ihn eine aufrechte Ausweisung besteht,
2.
kein Fall des § 39 Abs 2 vorliegt und
3.
eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs 1 vor, kann das Bundesasylamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn


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1.
gegen ihn eine aufrechte Ausweisung besteht,
2.
der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3.
die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§2 Abs 1 Z 23) gemäß Abs 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt


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1.
gegen ihn eine aufrechte Ausweisung besteht,
2.
der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§67 Abs 4 FPG) und
3.
darüber hinaus
a)
sich der Fremde in Schubhaft befindet;
b)
gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§77 FPG) angewandt wird, oder
c)
der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 74 Abs 2 Z 1 oder 3 FPG iVm § 39 Abs 2 Z 1 FPG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs 3 hat das Bundesasylamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn


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1.
der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2.
sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§17 Abs 4 und 29 Abs 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz."

1.2. In den Fällen des § 12a Abs 2 AsylG 2005 (das ist die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung) hat das Bundesasylamt gemäß § 29 Abs 3 Z 6 leg.cit. nach der erfolgten Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (Verweis auf § 63 Abs 2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Gemäß § 29 Abs 4 leg.cit. wird der Asylwerber dann zu einem Rechtsberater verwiesen. Dem Asylwerber ist die Aktenabschrift auszuhändigen und eine Vorbereitungszeit von mindestens 24 Stunden einzuräumen; in dieser Zeit hat auch eine Rechtsberatung zu erfolgen. Nach Verstreichen dieser Frist sind der Asylwerber und der Rechtsberater zu einer Einvernahme zu laden.

Die weiteren wesentlichen verfahrensrechtlichen Vorschriften finden sich in § 22 Abs 10 AsylG 2005 (für das Bundesasylamt) und in § 41a AsylG 2005 (für den Asylgerichtshof). Diese Bestimmungen lauten:

"Entscheidungen

§22. (1) - (9)

(10) Entscheidungen des Bundesasylamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Asylgerichtshof unverzüglich von Amts wegen zur Überprüfung gemäß § 41a zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an den Asylgerichtshof; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat der Asylgerichtshof im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a mit Beschluss zu entscheiden.

(11) - (12)

...

Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§41a. (1) Eine Entscheidung des Bundesasylamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§12a Abs 2), ist vom Asylgerichtshof unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 40 gilt sinngemäß. § 66 Abs 2 AVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 und eine aufrechte Ausweisung sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs 2 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Ausweisung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs 10 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Asylgerichtshofes zuzuwarten. Der Asylgerichtshof hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs 1 hat der Asylgerichtshof binnen acht Wochen zu entscheiden."

2. Zur behaupteten Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen:

2.1. Der Beschwerdeführer bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor, die §§12a Abs 2 iVm 41a Abs 1, 2 und 3 AsylG 2005 würden gegen Art 13 EMRK und gegen das rechtsstaatliche Prinzip verstoßen, weil sie zum einen weit reichende Eingriffe in verfassungsgesetzlich geschützte Rechte - ua. in Art 2, 3 und 8 EMRK - einräumen, zum anderen jedoch gegen derartige Eingriffe keine effektiven Rechtsmittel vorsehen würden.

2.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer aufgrund folgender Erwägungen nicht im Recht:

2.2.1. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Art 13 die Verfügbarkeit eines Rechtsmittels auf nationaler Ebene garantiert, um den wesentlichen Inhalt der Konventionsrechte und -freiheiten zu sichern, "in welcher Form auch immer sie in der innerstaatlichen Rechtsordnung gesichert sein mögen". Demnach ist der Zweck von Art 13 EMRK die Bereitstellung eines innerstaatlichen Rechtsmittels, welches es der innerstaatlichen Behörde erlaubt, sich mit dem wesentlichen Inhalt der betreffenden Konventionsbeschwerde auseinanderzusetzen und geeignete Abhilfe zu schaffen. Art 13 EMRK verlangt keine bestimmte Form eines Rechtsmittels; den Vertragsstaaten kommt bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach dieser Bestimmung ein Ermessensspielraum zu (EGMR , Fall Soering, EuGRZ 1989, 324; , Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; , Fall Chahal, ÖJZ 1997, 632ff. [636]; , Fall Jabari, ÖJZ 2002, 37ff. [39]).

Im Fall Chahal hatte sich der EGMR mit einem Fall zu befassen, in welchem der Beschwerdeführer ausgewiesen werden sollte, weil er als Gefahr für die nationale Sicherheit angesehen wurde. Im Zusammenhang mit Art 3 EMRK vertrat der EGMR die Auffassung, dass im Hinblick auf die irreversible Art des Schadens, der entstehen könne, wenn die Gefahr der Misshandlung tatsächlich Wirklichkeit werde und im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Gerichtshof Art 3 EMRK beimesse, eine unabhängige Prüfung der behaupteten Konventionsverletzung gewährleistet sein müsse. Eine solche Prüfung müsse nicht unbedingt von einer gerichtlichen Behörde erfolgen, aber sollte dies nicht der Fall sein, seien ihre Befugnisse und die durch sie gebotenen Garantien für die Entscheidung maßgeblich, ob das Rechtsmittel wirksam sei. Unter Berufung auf seine Rechtssprechung im Fall Vilvarajah wies der EGMR darauf hin, dass er ein gerichtliches Überprüfungsverfahren als ein wirksames Rechtsmittel in Bezug auf ein auf Art 3 EMRK gestütztes Beschwerdevorbringen ansehe (EGMR , Fall Chahal, ÖJZ 1997, 632ff. [636]).

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof führte in seiner ständigen Rechtsprechung zum rechtsstaatlichen Prinzip aus, dass "es unter dem Aspekt dieses Prinzips nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters darlegte - unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. Auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen wird, läßt sich - wie der Gerichtshof folgerte - nicht allgemein sagen" (vgl. VfSlg. 14.374/1995 und die dort angeführte Judikatur).

Diesen Erwägungen folgend kam der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 zu dem Schluss, dass der ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung (basierend auf der Dublin-II-Verordnung) im Hinblick auf den damit verbundenen Ausspruch über die Ausweisung in den Schutzbereich des Art 3 EMRK (zB Durchführung der Ausweisung von schwangeren oder kranken Personen) oder Art 8 EMRK fallen könne. Der ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung würde eine Interessenabwägung iSv Art 8 EMRK zu Gunsten des Asylwerbers unmöglich machen und damit den Berufungswerber in verfassungsrechtlich verbotener Weise einseitig mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung belasten.

2.2.3. Anders als in dem soeben erwähnten Erkenntnis liegt eine solche Rechtslage im vorliegenden Fall nicht vor. Im Fall von Folgeanträgen wurde bereits ein rechtsstaatliches Asylverfahren durchgeführt und rechtskräftig mit einer negativen Entscheidung und einer damit verbundenen Ausweisung beendet, folglich wurde bereits vor der Stellung eines Zweitantrages zumindest einmal eine Refoulement-Prüfung bzw. Interessenabwägung vorgenommen (vgl. auch RV 330 BlgNR 24. GP). Gemäß § 12a Abs 2 Z 1 AsylG 2005 kann der faktische Abschiebeschutz daher nur aufgehoben werden, wenn eine aufrechte Ausweisung vorliegt. § 12a Abs 2 Z 2 leg.cit. verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung (vgl. Muzak, Die Einschränkungen des faktischen Abschiebeschutzes im Asylverfahren, migralex 2010, 2 [4]); die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP). Darüber hinaus sieht § 12a Abs 2 Z 3 leg.cit. vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer Ausweisung erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art 2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art 8 EMRK vorzunehmen sind. Laut den Erläuterungen zu § 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005 hat sich die Refoulement-Prüfung auf einen seit dem Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens geänderten Sachverhalt zu beziehen (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP).

Die - durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an den Asylgerichtshof ausgelöste - "automatische" Überprüfung der Entscheidung des Bundesasylamtes gemäß § 41a AsylG 2005 gewährleistet die rasche Überprüfung durch den Asylgerichtshof (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP). Der Überprüfung durch den Asylgerichtshof kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der - ab Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung beginnenden - Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der Ausweisung zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass der Asylgerichtshof in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des Bundesasylamtes zu beheben, bevor es zu einer Abschiebung kommt (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP zu § 41a Abs 2 leg.cit.).

Unter diesem Blickwinkel wird den - in den oben genannten Erkenntnissen VfSlg. 14.374/1995 und 17.340/2004 - angeführten verfassungsrechtlichen Erfordernissen Rechnung getragen.

2.2.4. Die Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP, AB 387 BlgNR 24. GP) erklären die Einführung der Sonderbestimmungen für Folgeanträge mit der Praxis in der Vergangenheit. Diese habe gezeigt, dass Fremde, deren Asylantrag auch nach Beschwerden vor dem Asyl- und Verfassungsgerichtshof ab- oder zurückgewiesen wurde, oftmals einen oder auch mehrere weitere Asylanträge gestellt hätten (diese Feststellung wird in den Materialien mit entsprechendem Datenmaterial untermauert). Diese Anträge würden oft nicht dem berechtigten Vorbringen neuer Asylgründe dienen, sondern allein auf die Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und damit auf die ungerechtfertigte Verlängerung des faktischen Aufenthalts in Österreich abzielen. Diese Vorgehensweise stelle für das Asylsystem eine enorme Belastung dar und gefährde den geordneten Vollzug des Fremdenwesens.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die von der dreitägigen Zuwartefrist abweichende achtwöchige Entscheidungsfrist des Asylgerichtshofes gemäß § 41a Abs 3 leg.cit. aufgrund des Inhalts und des Zweckes der Regelung, nämlich die möglichst rasche Erledigung von aussichtslosen Folgeanträgen, verfassungsrechtlich unbedenklich.

2.2.5. § 22 Abs 10 Satz 2 AsylG 2005 betreffend die Qualifikation der Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG als schriftliche Ausfertigung des Bescheides des Bundesasylamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes sowie § 29 Abs 4 AsylG 2005 enthalten abweichende Vorschriften gegenüber jenen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens. Vor dem Hintergrund der oben unter 2.2.4. geschilderten Entstehungsgeschichte hegt der Verfassungsgerichtshof keinerlei Bedenken dagegen, dass diese Vorschriften "erforderlich" im Sinne des Art 11 Abs 2 B-VG sind.

2.2.6. Der Beschwerdeführer bringt auch vor, ihm stehe kein effektives Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes zu, weil er nicht selbst ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung gehabt habe.

Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht: Wie unter

2.2.1. dargelegt, ist Art 13 EMRK jedenfalls Genüge getan, wenn ein Gericht eine Entscheidung überprüft und sich mit dem wesentlichen Inhalt der Behauptung einer Konventionsverletzung auseinandersetzen und geeignete Abhilfe schaffen kann (vgl. die unter 2.2.1. zitierte Judikatur des EGMR). Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Fall.

Gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes ist nämlich mittels Beschwerde gemäß Art 144a B-VG der Verfassungsgerichtshof anrufbar, was entsprechend der Rechtsprechung zu Art 144 B-VG jedenfalls ein wirksames Rechtsmittel iSv Art 13 EMRK darstellt (vgl. EKMR , ÖJZ 1994, 57ff. [59]; EGMR, , Fall Vereinigung demokratischer Soldaten Österreichs, ÖJZ 1995, 314ff. [317] sowie Berka, Die Grundrechte, Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, 1999, Rz 870; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 20094, Rz 164); ein zusätzliches individuelles Rechtsmittel, über den oben dargestellten (amtswegigen) Rechtsschutz hinaus, ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

2.3. Aus den dargestellten Erwägungen hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Bestimmungen keine Bedenken.

3. Mit den Ausführungen unter 2. und der dort angeführten Judikatur des EGMR und des Verfassungsgerichtshofes ist auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers der Boden entzogen, der Beschwerdeführer sei in seinem durch Art 13 EMRK gewährleisteten Recht auf eine wirksame Beschwerde verletzt worden.

4. Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK:

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg. 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Der Asylgerichtshof hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinander gesetzt. Er hat die vorgebrachten Integrationsaspekte ausreichend dargestellt und in seine Interessenabwägung miteinbezogen. Ihm kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles (Begründung einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und Beginn eines Musikstudiums nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den VwGH) davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art 8 EMRK überwiegt (vgl. ).

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art 8 EMRK verletzt.

5. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander:

Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/ 1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie ).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein solches in die Verfassungssphäre reichendes Ignorieren des Parteienvorbringens liegt - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - nicht vor. Der Asylgerichtshof berücksichtigt in seiner Abwägung die vorgebrachten Integrationsaspekte und anerkennt explizit die Integrations- und Verfahrensschritte, die seitens des Beschwerdeführers gesetzt wurden.

6. Die Beschwerde behauptet weiters die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG, begründet dies jedoch mit keinem Wort. Auch dem Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, inwiefern dieses Recht verletzt worden sein soll.

III. Der Beschwerdeführer wurde weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt.

Ob die angefochtene Entscheidung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung des Asylgerichtshofes richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zu Kollegialbehörden nach Art 133 Z 4 B-VG mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.