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VfGH vom 03.10.2013, SV1/2013

VfGH vom 03.10.2013, SV1/2013

19809

Leitsatz

Teils Zurück-, teils Abweisung eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Bestimmungen des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ("Fiskalpakt"); keine Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU durch diesen völkerrechtlichen Vertrag außerhalb des Unionsrechts; staatsvertragliche Festlegung des Stimmverhaltens eines Bundesministers in einem internationalen Organ verfassungsrechtlich zulässig; keine verfassungswidrige Übertragung von Hoheitsrechten auf Organe der Europäischen Union; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich der festgelegten Defizitgrenze als zu eng im Hinblick auf die geltend gemachten Bedenken der Beschränkung der Budgethoheit; Unzulässigkeit auch des unter einer Bedingung gestellten Eventualantrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des gesamten Vertrags

Spruch

I. Der Antrag wird, insoweit er begehrt, die Rechtswidrigkeit von Art 3 Abs 1 litb des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, BGBl III Nr 17/2013, festzustellen und die Beendigung der Anwendbarkeit dieser Regelung für die zuständigen österreichischen Behörden auszusprechen, zurückgewiesen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

II. Der für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass der VSKS unter analoger Anwendung von Art 50 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit Abs 4 B-VG genehmigt hätte werden müssen, gestellte Antrag, die Rechtswidrigkeit des gesamten Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, BGBl III Nr 17/2013, festzustellen und die Beendigung der Anwendbarkeit dieser Regelung für die zuständigen österreichischen Behörden auszusprechen, wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Vorverfahren

1.1. Die Antragsteller beantragen gemäß Art 140a B-VG, der Verfassungsgerichtshof möge "die Rechtswidrigkeit von

[…] Art 2 Abs 2 VSKS,

[…] Art 3 Abs 1 lit b VSKS,

[…] Art 5 VSKS,

[…] Art 7 VSKS sowie

[…] Art 8 VSKS

feststellen und die Beendigung der Anwendbarkeit dieser Regelungen für die zuständigen österreichischen Behörden aussprechen; in eventu:

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass der VSKS unter analoger Anwendung von Art 50 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit Abs 4 B-VG genehmigt hätte werden müssen […]

die Rechtswidrigkeit des gesamten VSKS feststellen und die Beendigung der Anwendbarkeit des gesamten VSKS für die zuständigen österreichischen Behörden aussprechen".

1.2. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation verweisen die Antragsteller auf Art 140a iVm Art 140 Abs 1 B-VG und darauf, dass der Antrag von 70 Abgeordneten und somit von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates unterfertigt ist.

1.3. In der Sache begründen die Antragsteller ihren Antrag wie folgt (Zitat ohne Hervorhebungen im Original):

"1. Mit dem vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof wird geltend gemacht, dass die Bestimmungen des Art 2 Abs 2, Art 3 Abs 1 lit b, Art 5, Art 7 sowie Art 8 des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (idF kurz VSKS) als verfassungsändernd zu qualifizieren sind. Diese verfassungsändernden Inhalte des VSKS hätten entweder eines vorbereitenden Bundesverfassungsgesetzes bedurft oder die Genehmigung des VSKS hätte mit einer qualifizierten (dh 2/3-)Mehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat erfolgen dürfen. Beides ist nicht erfolgt.

2. Der vorliegende Antrag an den Verfassungsgerichtshof (idF kurz VfGH) stützt sich in seiner Begründung voll inhaltlich auf ein Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Stefan Griller; dieses wurde in der Zeitschrift Journal für Rechtspolitik (JRP) 2012, 177 ff veröffentlicht.

1.) Der verfassungsrechtliche Rahmen

A. Art 50 B-VG nach der Novelle 2008

Seit der B-VGNov 2008 […] lautet der für die parlamentarische Genehmigung von Staatsverträgen zentrale Art 50 B-VG in den hier relevanten Passagen wie folgt:

'Artikel 50. (1) Der Abschluss von

1. politischen Staatsverträgen und Staatsverträgen, die gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art 16 Abs 1 fallen, sowie

2. Staatsverträgen, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden,

bedarf der Genehmigung des Nationalrates.

(2) Für Staatsverträge gemäß Abs 1 Z 1 gilt darüber hinaus Folgendes:

2. Gemäß Abs 1 Z 1 genehmigte Staatsverträge bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regeln. …

(3) Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 3 ist Art 42 Abs 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.

(4) Staatsverträge gemäß Abs 1 Z 2 dürfen unbeschadet des Art 44 Abs 3 nur mit Genehmigung des Nationalrates und mit Zustimmung des Bundesrates abgeschlossen werden. Diese Beschlüsse bedürfen jeweils der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

…'

Obwohl auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar, dürfte doch einigermaßen unbestritten sein, dass dadurch unter anderem folgende wesentlichen Veränderungen bewirkt wurden: […] erstens wurde eine bis dahin nicht bestehende generelle Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Änderungen der EU-Gründungsverträge geschaffen. Solche Verträge dürfen (weiterhin) inhaltlich verfassungsändernd sein, ohne ausdrücklich als verfassungsändernd bezeichnet werden zu müssen. Gesamtänderungen durch EU-Primärrechtsänderungen bedürften hingegen eines vorbereiteten Bundesverfassungsgesetzes, welches einer Volksabstimmung gemäß Art 44 Abs 3 B-VG zu unterziehen wäre. Der Vertrag von Lissabon wurde bereits auf diese neue Bestimmung gestützt, und zwar ohne Gesamtänderung.

Zweitens sollte, wie vor allem den Materialien deutlich zu entnehmen ist, […] für alle anderen völkerrechtlichen Verträge die 'verfassungsändernde Genehmigung' beseitigt werden. Die Konsequenz dieser Neuregelung besteht darin, dass inhaltlich verfassungsändernde oder -ergänzende Staatsverträge durch verfassungsänderndes Bundesverfassungsgesetz vorbereitet werden müssen.

Die erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage […] nehmen auf diese Änderungen Bezug und qualifizieren den VSKS zutreffend als aus dem Rechtsrahmender EU herausfallend. Aus der Bezeichnung des Vertrages als gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend und der gleichzeitigen Unterlassung, eine Verfassungsänderung durch Verfassungsgesetz vorzubereiten, folgt zwingend, dass nach der von der Bundesregierung in den Erläuterungen vertretenen Auffassung der VSKS (inhaltlich) nicht verfassungsändernd- oder ergänzend ist.

Im Folgenden wird gezeigt, dass diese Auffassung unzutreffend ist.

B. Die Unanwendbarkeit von Art 9 Abs 2 B-VG auf die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU

1. Das Verhältnis zwischen Art 9 Abs 2 B-VG, dem EU-Beitritts-BVG und Art 50 B-VG

Art9 Abs 2 B-VG lautet in den hier wichtigen Passagen:

'Durch Gesetz oder durch einen gemäß Art 50 Abs 1 genehmigten Staatsvertrag können einzelne Hoheitsrechte auf andere Staaten oder zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden. ... Dabei kann auch vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe anderer Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen ... unterstellt werden.'

Die Bestimmung wurde durch die B-VGNov 1981 […] geschaffen und durch die BVGNov 2008 […] wesentlich verändert. An dieser Veränderung ist für die hier zu untersuchenden Fragen vor allem die Beseitigung der Beschränkung auf Hoheitsrechte 'des Bundes' bedeutsam. Nunmehr können auch einzelne Hoheitsrechte der Länder übertragen werden. Im Gegenzug wurde den Ländern in solchen Fällen das Recht eingeräumt, den Bund vor dem Abschluss eines einschlägigen Staatsvertrags durch eine einheitliche Stellungnahme zu binden. Der Bund darf von einer solchen Stellungnahme 'nur aus zwingenden außenpolitischen Gründen abweichen; er hat diese Gründe den Ländern unverzüglich mitzuteilen'. […]

Was die allgemeinen Grundlagen betrifft genügt es zunächst festzustellen, dass 'Hoheitsrechte' im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG inhaltlich umschriebene Befugnisse des Staates sind, einseitig Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben. […] Diese Befugnisse können auf eine zwischenstaatliche Einrichtung 'übertragen' werden, anders gesagt: es können ihr derartige Befehls- und Zwangsbefugnisse eingeräumt werden. Art 9 Abs 2 B-VG ist daher für all jene Bestimmungen des VSKS von Bedeutung, durch welche den Organen der EU, nämlich hauptsächlich der Kommission und dem EuGH, derartige Befugnisse übertragen werden. Nicht von Bedeutung ist Art 9 Abs 2 für jene Bestimmungen des VSKS, die allein schon wegen des Inhalts ihrer Gebote oder Verbote verfassungsändernd sind; dies gilt insbesondere für die so genannte Schuldenbremse in Art 3 Abs 1 VSKS.

Es war (und ist bis heute) völlig unstrittig, dass die Stammfassung des Art 9 Abs B-VG als Grundlage für den Beitritt zur Europäischen Union untauglich war. […] Angesichts der bereits damals gegebenen Kompetenzfülle der Europäischen Gemeinschaften stand dem vor allem die Beschränkung auf 'einzelne' Hoheitsrechte deutlich entgegen. Im Gegenteil: unter anderem auch aus diesem Grund wurde der Beitritt als Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung qualifiziert und auf der Grundlage eines gesamtändernden Bundesverfassungsgesetzes bewerkstelligt. […]

Dieses so genannte EU-Beitritts-BVG war zugleich lex specialis zu Art 50 B-VG, unter anderem insoweit, als die dort vorgesehene Verpflichtung, verfassungsändernde Bestimmungen in Staatsverträgen ausdrücklich als solche zu kennzeichnen, entfiel. Art 9 Abs 2 B-VG iVm Art 50 B-VG hätte eine derartige Fülle inhaltlich verfassungsändernder Regelungen, wie sie im EU-Beitrittsvertrag enthalten waren, niemals decken können. […] Er kam daher weder auf den Beitritt noch auf die nachfolgenden Primärrechtsänderungen zur Anwendung. Diese - und auch die Beitritte neuer Mitgliedstaaten - erfolgten vielmehr auf der Grundlage spezieller Bundesverfassungsgesetze. […]

Vor der B-VGNov 2008 wäre es auf Grund dieser Entwicklung, namentlich wegen des EU-Beitritts-BVG und der sonderverfassungsgesetzlichen Regelungen außerhalb des Art 50 B-VG gar nicht denkmöglich gewesen — und soweit zu sehen hat dies auch niemand vorgeschlagen — Übertragungen von Hoheitsrechten auf die EU […] auf Art 9 Abs 2 B-VG zu stützen. Denn dieser verweist ausdrücklich auf Art 50 B-VG, der für Übertragungen auf die EU gar nicht zur Debatte stand.

Nunmehr könnte das, zumindest auf den ersten Blick, anders sein. Denn seit der B-VGNov 2008 sind auch EU-Primärrechtsänderungen, und damit die Übertragung neuer Aufgaben auf die EU, in Art 50 B-VG geregelt. Durch den erwähnten -und insoweit unverändert gebliebenen - Verweis in Art 9 Abs 2 B-VG kommt daher die Frage ins Spiel, ob nunmehr für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht auch alternativ Art 9 Abs 2 iVm Art 50 Abs 1 Z 1 in Betracht kommt? Das würde die besondere Mehrheit in Art 50 Abs 4 B-VG entbehrlich machen.

2. Die fortgesetzte Unanwendbarkeit von Art 9 Abs 2 B-VG nach 2008

Durch die erwähnte B-VGNov 2008 hat sich die skizzierte Rechtslage nur insoweit geändert, als nunmehr, wie bereits erwähnt, eine generelle Rechtsgrundlage für zukünftige Vertragsänderungen besteht. Diese erübrigt spezielle Regelungen aus Anlass jeder Vertragsänderung. Sie wurde diesen Regelungen allerdings nachgebildet. Der Vertrag von Lissabon wurde bereits auf diese neue Bestimmung gestützt.

Es fehlt jeder Hinweis darauf, dass diese durch die Verfassungsnovelle 2008 bewirkte Änderung außerdem gleichzeitig eine Alternative für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU schaffen sollte, sodass diese nunmehr entweder durch die Gründungsverträge (Art50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4) oder außerhalb derselben über Art 9 Abs 2 B-VG iVm Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG möglich sein sollte. Die Erläuterungen zur RV enthalten überhaupt keinen Hinweis darauf, dass der Verfassungsgesetzgeber diese weitreichende Konsequenz vor Augen gehabt haben könnte. […] Im Gegenteil: die gleichzeitig in Art 10 Abs 3 B-VG eingeführte Erlaubnis, von einschlägigen einheitlichen Stellungnahmen der Länder 'nur aus zwingenden außenpolitischen Gründen abweichen' zu dürfen - und nicht auch, wie gemäß Art 23d Abs 2 B-VG, aus 'integrationspolitischen' Gründen -, kann nur so verstanden werden, dass derartige Staatsverträge in Angelegenheiten der europäischen Integration gar nicht zur Debatte stehen. […] Im Übrigen dürfte man schlicht übersehen haben, dass der Einbau der generellen Genehmigungsermächtigung für EU-Primärrecht in Art 50 B-VG einen solchen Gedankengang auslösen könnte. […]

Es sprechen ferner weitere gravierende Gründe gegen den Standpunkt, dass gemäß Art 9 Abs 2 B-VG Hoheitsrechte auf die EU übertragen werden können: Erstens liefe dies im Ergebnis auf eine Umgehung der für Übertragungen auf die EU vorgesehenen qualifizierten Mehrheit gemäß Art 50 Abs 4 B-VG hinaus. Während diese Bestimmung unzweifelhaft bewirkt, dass jede Änderung der Gründungsverträge und damit jede Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nur mittels qualifizierter Mehrheit erfolgen kann, wäre es nun möglich, durch den Abschluss eines Vertrages außerhalb der vertraglichen Grundlagen der EU genau diese verfassungsrechtliche Grenze zu vermeiden. Dies selbst dann, wenn inhaltlich zwischen den zur Debatte stehenden Regelungen nicht der geringste Unterschied besteht.

Zweitens und damit eng zusammenhängend ändert der Umstand, dass es sich konkret um wenige Ermächtigungen handeln mag nichts daran, dass bereits durch den EU-Beitritt und die nachfolgenden Vertragsänderungen eine derartige Fülle von Hoheitsrechten auf die EU übertragen wurde, das niemals von 'einzelnen Hoheitsrechten im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG gesprochen werden kann. Selbst wenn man der Auffassung […] [zuneigt], dass diese Bestimmung in Summe die Übertragung zahlreicher Hoheitsrechte auf mehrere beziehungsweise zahlreiche zwischenstaatliche Einrichtungen zulässt, so ist es doch schlechterdings unvertretbar, die Teilung solcher Übertragungsvorgänge in mehrere Verträge, jedoch auf ein und dieselbe zwischenstaatliche Einrichtung, für verfassungskonform zu halten. Unter dem Blickwinkel des Art 9 Abs 2 B-VG ist es dabei unerheblich, ob die zuvor erfolgten Übertragungen auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt wurden. Sondern es kommt auf die Summe an. Dies ist eine Schranke, die sich aus Art 9 Abs 2 B-VG alleine und damit unabhängig von den erörterten systematischen Zusammenhängen ergibt.

Drittens gibt es einige Verfassungsbestimmungen, die für sensible, in der Regel inhaltlich verfassungsergänzende Übertragungen von Hoheitsrechten auf die EU sogar dann, wenn dies innerhalb des EU-Rechtsrahmens erfolgt und die Ermächtigung bereits in den Gründungsverträgen vorgesehen ist, eine sinngemäße Anwendung von Art 50 B-VG verlangen. Das gilt insb. für die Festlegung von neuen Kategorien von Eigenmitteln der EU durch den Rat, […] für die Einführung einer gemeinsamen Verteidigung, […] und ganz generell für Beschlüsse des Europäischen Rates oder des Rates, die EU-rechtlich erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft treten. […] Also: Selbst wenn in den Gründungsverträgen bereits dem Grundsatz nach eine Ermächtigung der EU enthalten ist, bedarf die Inanspruchnahme in wichtigen, 'verfassungsergänzenden' Zusammenhängen der Anwendung der Verfassungsmehrheit, wie sie in Art 50 Abs 4 B-VG vorgesehen ist. […]

Jeder dieser Gründe für sich genommen, und noch mehr alle gemeinsam führen zu der Schlussfolgerung, dass Art 9 Abs 2 B-VG für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht zur Verfügung steht.

3. Analoge Anwendung von Art 50 Abs 4 B-VG als Konsequenz?

Die Konsequenz des soeben begründeten Standpunkts, dass Art 9 Abs 2 iVm Art 50 B-VG Abs 1 Z 1 für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU beziehungsweise ihre Organe nicht zur Verfügung steht ist nicht, dass ein solcher Vorgang von Verfassungs wegen gänzlich versperrt wäre.

Zwei Alternativen bieten sich an. Die erste ist, Art 50 Abs 4 B-VG sinngemäß beziehungsweise analog auf solche Vorgänge anzuwenden. Dafür sprechen erstens die oben erwähnten Verfassungsbestimmungen, […] welche die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung selbst dann verlangen, wenn die Übertragung von Hoheitsrechten bereits in den Gründungsverträgen angelegt ist. In einem Größenschluss lässt sich argumentieren, dass dies umso eher der Fall sein muss, wenn eine vorherige Absicherung durch eine Genehmigung per Verfassungsmehrheit fehlt. Zweitens spricht dafür der in Art 8 Abs 3 VSKS […] als Grundlage für die im VSKS vorgesehene Zuständigkeit des EuGH bezogene Art 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen. Union (AEUV). Nach dieser Bestimmung ist der Gerichtshof 'für jede mit dem Gegenstand der Verträge in Zusammenhang stehende Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten zuständig, wenn diese bei ihm aufgrund eines Schiedsvertrages anhängig gemacht wird'. Die Inanspruchnahme dieser in den Gründungsverträgen der EU vorgesehenen Zuständigkeit des EuGH rückt den VSKS besonders stark in die Nähe des EU-Rechts und damit der oben zitierten Bestimmungen des B-VG, welche die sinngemäße Anwendung des Art 50 Abs 4 verlangen. Verstärkt wird dies durch Art 8 Abs 2 VSKS, der die Anwendung des in Art 260 AEUV vorgesehenen, EU-rechtlichen Sanktionsmechanismus festschreibt. Drittens ist nicht leichtabschätzbar, inwieweit der EuGH auf der Grundlage dieser Zuständigkeiten und wegen der institutionellen Anknüpfung des VSKS an die EU-Rechtsordnung - vor allem durch die zahlreichen Anknüpfungen an den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die Übertragung von Aufgaben auf die Kommission, auf deren supranationales Gepräge der VSKS aufsetzt -, geneigt sein könnte, die Rechtswirkungen der Schuldenbremse, deren Umsetzung ins nationale Recht er zu überprüfen hat, an jene der EU-Rechtsordnung anzunähern. Es ist somit nicht gänzlich auszuschließen, dass der Gerichtshof bei der Inanspruchnahme dieser Zuständigkeit der Schuldenbremse gemäß Art 3 VSKS im Sinne des effet utile unmittelbare Anwendbarkeit und Vorrangwirkung zuspricht. Das müsste dann ganz zweifellos die Anwendung von Art 50 Abs 4 B-VG auslösen.

Auf der Linie von (ähnlichen) Überlegungen der Nähe zum EU-Recht hat das deutsche Bundesverfassungsgericht kürzlich die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages auch auf den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für anwendbar erklärt. […] Das Gericht stützt sich dabei auf Art 23 Abs 2 Satz 1 GG: 'In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit.' Zunächst stellt das Gericht klar, dass zu diesen Angelegenheiten 'Vertragsänderungen und entsprechende Änderungen auf der Ebene des Primärrechts ... sowie Rechtsetzungsakte der Europäischen Union' zählen. […] Darin erschöpfe sich der Anwendungsbereich der Norm jedoch nicht:

'Um Angelegenheiten der Europäischen Union kann es sich auch in anderen Fällen handeln. Insbesondere gehören völkerrechtliche Verträge unabhängig davon, ob sie auf eine förmliche Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union ... gerichtet sind, zu den Angelegenheiten der Europäischen Union, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Wann ein solches Verhältnis vorliegt, lässt sich nicht anhand eines einzelnen abschließenden und zugleich trennscharfen Merkmals bestimmen … Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbefrachtung der Umstände, einschließlich geplanter Regelungsinhalte, -ziele und -wirkungen, die sich, je nach Gewicht, einzeln oder in ihrem Zusammenwirken als ausschlaggebend erweisen können, Für die Zugehörigkeit zu den Angelegenheiten der Europäischen Union kann es etwa sprechen, wenn die geplante völkerrechtliche Koordination im Primärrecht verankert oder die Umsetzung des Vorhabens durch Vorschriften des Sekundär- oder Tertiärrechts vorgesehen ist oder ein sonstiger qualifizierter inhaltlicher Zusammenhang mit einem in den Verträgen niedergelegten Politikbereich - also mit dem Integrationsprogramm der Europäischen Union - besteht, wenn das Vorhaben von Organen der Europäischen Union vorangetrieben wird oder deren Einschaltung in die Verwirklichung des Vorhabens - auch im Wege der Organleihe - vorgesehen ist oder wenn ein völkerrechtlicher Vertrag ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossen werden soll. Ein qualifizierter inhaltlicher Zusammenhang mit einem der primärrechtlich normierten Politikbereiche der Europäischen Union ... ' der ein Ergänzungs- oder sonstiges besonderen Näheverhältnis zum Unionsrecht begründet, wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Sinn eines Vertragsvorhabens gerade im wechselseitigen Zusammenspiel mit einem dieser Politikbereiche liegt, und erst recht dann, wenn der Weg der völkerrechtlichen Koordination gewählt wird, weil gleichgerichtete Bemühungen um eine Verankerung im Primärrecht der Union nicht die notwendigen Mehrheiten gefunden haben[.]' […]

Ungeachtet ihrer Schlüssigkeit sind diese Überlegungen nicht direkt auf die österreichische Rechtslage und hier vor allem auf die Genehmigung des VSKS gemäß Art 50 Abs 4 B-VG übertragbar. Denn die zitierte Wortwahl in Art 23 Abs 2 Satz 1 GG: 'in Angelegenheiten der Europäischen Union' ist zweifellos erheblich weiter als 'die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union' in Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG. Auch der systematische Kontext ist gänzlich unterschiedlich. Die direkte Übertragung der Überlegungen des BVerfG auf die österreichische Rechtslage und vor allem auf die Genehmigungserfordernisse gem Art 50 B-VG kommt daher nicht in Betracht.

Die dahinter stehenden Überlegungen spielen freilich, wie gezeigt, auch nachdem Maßstab der österreichischen Verfassungslage eine Rolle. Hier äußern sie sich darin, dass einerseits Art 9 Abs 2 B-VG nicht zur Verfügung steht, und dass andererseits eine Aushöhlung der Schranken, die sich aus Art 50 Abs 4 B-VG ergeben, unvertretbar ist.

4. Die bundesverfassungsgesetzliche Vorbereitung von Übertragungen außerhalb des Rechtsrahmens der EU

Gegen die soeben erwogene analoge Anwendung des Art 50 Abs 4 B-VG auf die Genehmigung des VSKS spricht nicht nur die hervorgehobene spezifische Wortwahl in Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG ('die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union'), sondern auch der Umstand, dass dieser besondere Genehmigungstatbestand speziell für die EU-Rechtsordnung mit ihren besonderen Merkmalen der unmittelbaren Anwendbarkeit und Vorrangwirkung von primärem und sekundärem Recht geschaffen wurde. Die Abgrenzung der insoweit verfassungsändernden Bestimmungen ist auch bei genauester Analyse äußerst schwierig und kaum leistbar. Die Erläuterungen des EU-Beitritt-BVG bringen dies als Grund für die eingeschlagene Vorgangsweise deutlich zum Ausdruck. […] Die Ausnehmung der vertraglichen Grundlagen von der Pflicht zur Bezeichnung als verfassungsändernd ist insoweit adäquat. Das gilt aber nicht für 'traditionelle' völkerrechtliche Verträge, die zwar ebenfalls Hoheitsrechte auf die EU übertragen, sonst aber keine dem EU-Recht vergleichbare Rechtsordnung kreieren. […] Überdies liefe eine analoge Anwendung des Art 50 Abs 4 einem der Hauptziele der B-VGNov 2008 entgegen, verfassungsändernde Inhalte in Staatsverträgen, die nicht die Grundlagen der EU regeln, zukünftig auszuschließen.

Angesichts dieser Umstände ist die zweite Alternative besser vertretbar. Sie erfordert, wie es dem neuen Konzept des Artikels 50 B-VG für außerhalb der EU-Rechtsordnung abzuschließende völkerrechtliche Verträge entspricht, die Vorbereitung eines solchen Vorgangs durch ein Bundesverfassungsgesetz gemäß Art 44 B-VG. Dafür spricht vor allem auch, dass diese Alternative mit dem zentralen Regelungszweck des Art 50 Abs 4 B-VG, die Übertragung von Aufgaben auf die EU nur mit qualifizierter Mehrheit zu erlauben, vereinbar ist. Denn genau hinsichtlich dieser qualifizierten Mehrheit - der 'Verfassungsmehrheit' - wird dadurch der Gleichklang mit Art 50 Abs 4 B-VG hergestellt, was systematisch stimmig ist. Gleichzeitig ist es nicht erforderlich, sämtlichen Bestimmungen des Vertrages Verfassungsrang zu verschaffen. […] Vielmehr genügt dies für jene, die inhaltlich tatsächlich verfassungsändernd sind.

Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass die besseren Gründe dafür sprechen, dass der Abschluss des VSKS beziehungsweise jener seiner Bestimmungen, die inhaltlich verfassungsändernd sind, durch ein Bundesverfassungsgesetz so vorbereitet werden muss, dass der Abschluss des Vertrages selbst dann keine Verfassungsänderung mehr bewirkt.

C. BVG über die Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes

Zur besseren Bewältigung der mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen, alle Gebietskörperschaften umfassenden Pflicht, ein übermäßiges Defizit zu vermeiden, wurde im Anschluss an den EU-Beitritt ein besonderes Bundesverfassungsgesetz beschlossen. Dieses 'Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes' […] bildet vor allem die Grundlage dafür, dass Bund, Länder und Gemeinden untereinander einen 'Stabilitätspakt' abschließen. […]

Diesbezüglich bestimmt Art 1 Abs 3 dieses BVG:

'Der Stabilitätspakt regelt Verpflichtungen der Gebietskörperschaften zur nachhaltigen Einhaltung der Kriterien gemäß Art 104c EG-Vertrag [nach dem Vertrag von Lissabon: Art 126 AEUV, Anmerkung SG] durch die öffentlichen Haushalte der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden und Träger der Sozialversicherung gemäß den Regeln des europäischen Systems der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung), insbesondere im Hinblick auf die Regeln des Sekundärrechts über die Haushaltsdisziplin; diese Vereinbarung hat auch die Schaffung einer Regelung über die Aufteilung der Lasten auf Bund, Länder und Gemeinden zu enthalten, die aus allfälligen Sanktionen gegen Österreich im Sinne des Art 104c Abs 9 bis 11 EG-Vertrag resultieren.'

Die Bestimmung wurde erst im Zuge der Beratungen im Nationalrat in den Text der Gesetzesvorlage (Regierungsvorlage) eingefügt. Im Bericht des Verfassungsausschusses heißt es dazu allgemein: '… Dies bedeutet, wie die Debatte zeigte, unter anderem, dass die Vereinbarungen gemäß Art 50 der Genehmigung des National- bzw. Bundesrates bedürfen und diese Genehmigung der Zweidrittelmehrheit des Nationalrates bedarf, soweit durch die Vereinbarungen Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird.' […] Allerdings bezieht sich diese Passage deutlich auf die organisatorischen Aspekte dieser Koordinierung, wie sie in Art 2 genauer geregelt sind. Auf die Ermächtigung, sekundärrechtliche Vorgaben des Unionsrechts umzusetzen, kann sich dies nicht erstrecken. Art 1 Abs 3 wäre sonst sinnlos. Will man dem Verfassungsgesetzgeber keine derartige sinnlose Regelung unterstellen, muss der zitierte Art 1 Abs 3 des BVG dahingehend interpretiert werden, dass er Umsetzungen von EU-Sekundärrecht auch dann ohne ausdrückliche Verfassungsänderung erlaubt, wenn inhaltlich österreichisches Budgetrecht verändert oder ergänzt wird.

Für unsere Zusammenhänge ist dieser Umstand insofern bedeutsam, als die Umsetzung von EU-rechtlichen Verpflichtungen im Anwendungsbereich des Art 1 Abs 3 dieses BVG auch dann keiner verfassungsgesetzlichen Bestimmung bedarf, wenn es sich dabei, inhaltlich betrachtet, um Verfassungsänderungen handelt. Der weithin anerkannte, wenngleich in den Details sehr umstrittene Grundsatz von der 'doppelten rechtlichen Bindung' oder 'doppelten rechtlichen Bedingtheit', […] wonach die Durchführung von EU-Recht in Österreich sowohl den Bestimmungen des EU-Rechts als auch jenen der österreichischen Verfassung entsprechen muss, die daher im Konfliktfall geändert werden muss, spielt im Anwendungsbereich dieses speziellen BVG daher keine beschränkende Rolle.

Für den VSKS bedeutet das folgendes: soweit sekundärrechtliche EU-Rechtsakte, namentlich im Rahmen des so genannten 'sixpack' aus dem Jahr 2011 inhaltlich gleich lautende Verpflichtungen enthalten, erfordert deren Durchführung in Österreich - etwa im Rahmen des österreichischen Stabilitätspaktes -, und damit auch die Genehmigung des VSKS, keine weitere Verfassungsänderung. Unter diesen Umständen ist es wichtig herauszuarbeiten, inwieweit der VSKS über die bereits bestehenden sekundärrechtlichen Verpflichtungen hinausreicht. Denn nur insoweit bedarf sein Abschluss einer Vorbereitung durch Verfassungsgesetz.

2.) Der europarechtliche Hintergrund: Der Stabilitäts-und Wachstumspakt nach dem 'sixpack'

Im Gefolge der Banken-, Finanz- und Schuldenkrise, die 2007/08 in den USA ihren Ausgang genommen und beinahe die ganze Welt erfasst hat, wurde in der EU und durch deren Mitgliedstaaten ein Bündel von Maßnahmen ergriffen, um gegenzusteuern und zukünftige ähnliche Entwicklungen auszuschließen oder schwieriger zu machen. Zu diesen Maßnahmen zählt die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), der 1997 hauptsächlich auf Betreiben Deutschlands zur Konkretisierung der wirtschaftspolitischen Pflichten der EU-Mitgliedstaaten, und namentlich zur Konkretisierung der Pflicht zur Vermeidung übermäßiger Defizite (nunmehr: Art 126 AEUV) geschaffen wurde. Dieser Pakt besteht hauptsächlich aus zwei Verordnungen: der VO 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, […] der so genannten präventiven Komponente des SWP, und der VO 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, […] der sogenannten repressiven oder korrektiven Komponente des SWP.

Die Verschärfung erfolgte durch sechs ineinandergreifende sekundärrechte Maßnahmen, die gegen Ende des Jahres 2011 erlassen wurden, im Jargon der so genannte 'sixpack'. Im Einzelnen handelt es sich um eine Richtlinie und fünf Verordnungen, zwei davon zur direkten Abänderung der älteren SWP-Verordnungen, die anderen zu deren Ergänzung:

• RL 2011/85 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten

• VO 1173/2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet

• VO 1174/2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet

• VO 1175/2011 zur Änderung der VO 1466/97 (präventive Komponente des SWP)

• VO 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

• VO 1177/2011 zur Änderung der VO 1467/97 (repressive/korrektive Komponente des SWP)

Auf die Details dieser neuen Rechtslage braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden. Vor dem dargestellten verfassungsrechtlichen Hintergrund ist sie insoweit bedeutsam, als die Umsetzung der sich aus diesen Maßnahmen ergebenden Verpflichtungen keiner formellen Verfassungsänderung mehr bedarf, selbst wenn es sich dabei, inhaltlich betrachtet, sehr wohl um Verfassungsänderungen handelt. Dies wiederum ist für die Beurteilung des VSKS von eminenter Bedeutung. Denn soweit die in diesem Vertrag verankerten Verpflichtungen über jene aus dem 'sixpack' nicht hinausgehen, braucht es ebenfalls keine Verfassungsänderung. Die Maßnahmen können dann als (verfassungsrechtlich bereits abgesicherte) Umsetzung des 'sixpack' qualifiziert werden.

Das ist insofern besonders wichtig, weil der VSKS nur einen Bruchteil der ursprünglich ins Auge gefassten, durchaus ambitionierten Maßnahmen auch tatsächlich enthält. Was übrig geblieben ist findet sich beinahe zur Gänze auch bereits im 'sixpack'.

Illustriert sei dies an der sehr bedeutsamen und inhaltlich zugleich sehr umstrittenen Schuldenabbauautomatik gemäß Art 4 VSKS. Sie verpflichtet Mitgliedstaaten mit einem gesamtstaatlichen Schuldenstand von mehr als 60 % dazu, dieses Defizit 'gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr 1467/97 des Rates vom über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit in der durch die Verordnung (EU) Nr 1177/2011 des Rates vom geänderten Fassung als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich' zu verringern. In dem bezogenen Art 2 der VO 1467/97 findet sich seitdem 'sixpack' ein Abs 1a Unterabsatz 1, der die Überschreitung des 60 %-Kriteriums unter folgenden Bedingungen für vertragskonform erklärt: 'Wenn das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) den Referenzwert überschreitet, so kann davon ausgegangen werden, dass das Verhältnis im Sinne von Artikel 126 Absatz 2 Buchstabe b AEUV hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert, wenn sich als Richtwert der Abstand zum Referenzwert in den letzten drei Jahren jährlich durchschnittlich um ein Zwanzigstel verringert hat, bezogen auf die Veränderungen während der letzten drei Jahre, für die die Angaben verfügbar sind.'

Die Verpflichtungen aus diesen beiden Bestimmungen erscheinen so gut wie deckungsgleich. […] Ihre Umsetzung ins österreichische Recht ist daher durch das BVG über die Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes […] gedeckt und bedarf keiner (weiteren) Verfassungsänderung.

3.) Beurteilung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (VSKS - 'Fiskalpakt')

A. Einleitung

Dieser Vertrag ist neben dem 'sixpack' eine weitere Maßnahme, um insbesondere der seit 2007/08 massiv verschärften Schuldenkrise in vielen EU-Mitgliedstaaten gegenzusteuern. Ursprünglich war in Aussicht genommen worden, […] eine Änderung der Gründungsverträge durchzuführen. Dies scheiterte ebenso am Widerstand Großbritanniens wie später die Überlegung, wesentliche Inhalte sekundärrechtlich einzuführen. Schließlich wurde aus diesen Gründen der hier zu beurteilende Vertragstext am von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet, genauer: von 25 der 27, da Großbritannien und die Tschechische Republik daran nicht teilnehmen wollen. Insofern ist der Vertrag keine[r] im Sinne des Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG, durch den 'die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden' Das wäre nur bei einer Vertragsänderung unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten gemäß Art 48 EUV der Fall.

Inhaltlich ist der Kern des Vertrags, nach erheblichen Abstrichen von den ursprünglich ins Auge gefassten Maßnahmen, die in seinem Art 3 enthaltene Schuldenbremse - mit einer jährlichen strukturellen Höchstverschuldung von 0,5 % des BIP - und Schuldenabbauautomatik - mit der Pflicht, jährlich ein 1/5 der Schulden abzubauen, die über die zulässigen 60 % des BIP an gesamtstaatlichen Schulden hinausgehen.

Im Folgenden ist daher zu klären, inwieweit der VSKS über die Verpflichtungen aus dem 'sixpack' hinausgeht, und inwieweit er die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU enthält, und sei es auch bloß zur 'Verbesserung der Effizienz' sonst unverändert gebliebener Pflichten. Es sind vor allem diese beiden Punkte, die 'Verfassungspotenzial besitzen, also eine Verfassungsänderung in Österreich erforderlich machen könnten.

B. Verfassungsändernde oder -ergänzende Bestimmungen

1. Die Schuldenbremse (Art3 Abs 1 lit b VSKS)

a) Wesentlicher Inhalt

Art3 VSKS verlangt von den Vertragsparteien 'zusätzlich' zu den und 'unbeschadet' der sich aus EU-Recht ergebenden Verpflichtungen, dass der gesamtstaatliche Haushalt ausgeglichen sein oder einen Überschuss aufweisen muss. Diese Regel gilt dann als eingehalten,

'wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats […] dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit von 0,5% des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen, entspricht.' (Art3 Abs 1 lit b VSKS).

Unter bestimmten Voraussetzungen: nämlich wenn das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen 'erheblich unter 60 %' liegt und 'die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering' sind, kann die Untergrenze des mittelfristigen Ziels ein strukturelles Defizit von maximal 1 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen. […] Für Österreich spielt diese Bestimmung in den nächsten Jahren angesichts des Umstands; dass die Gesamtverschuldung für Ende 2012 mit etwa 74 % des Bruttoinlandsprodukts geschätzt wird, […] keine Rolle.

Zum Vergleich: auch der Ende 2011 durch den 'sixpack' erheblich geänderte Stabilitäts- und Wachstumspakt enthält bereits eine sehr ähnliche Schuldenbremse: Art 2a der Verordnung 1466/97 […] spricht von einem

'länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziel für die teilnehmenden Mitgliedstaaten … innerhalb einer konkreten Spanne, die konjunkturbereinigt und ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen zwischen -1 % des BIP und einem ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt liegt.'

Trotzdem es sich dabei um eine EU-Verordnung handelt, ist diese gemäß ihrer eigenen ausdrücklichen Anordnung grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar, sondern umsetzungsbedürftig. Das erklärt sich vor allem daraus, dass sich die Vorgabe auf den Gesamtstaat bezieht, dem es überlassen bleibt, welcher seiner Teile (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger usw.) in welchem Ausmaß zur Zielerreichung beizutragen haben. Daher sieht Art 2a die Aufnahme dieses mittelfristigen Haushaltsziels in den nationalen mittelfristigen Haushaltsrahmen vor. […]

Der inhaltliche Unterschied zwischen der Schuldenbremse im VSKS und jener im reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt ist also die zulässige Obergrenze des strukturellen Defizits: Einmal 0,5 %, im SWP hingegen 1 %.

b) Verfassungsänderung

Es ist üblich, das Recht des Nationalrates, über den von der Bundesregierung vorzulegenden Entwurf des Bundesfinanzrahmengesetzes sowie des Bundesfinanzgesetzes in Gesetzesform zu beschließen, als 'Budgethoheit' des Nationalrates zu bezeichnen. [...] Von besonderer Bedeutung ist dabei nicht bloß der Umstand der Entscheidungsbefugnis als solcher, sondern auch die politische Gestaltungsbefugnis, die dem Nationalrat dabei eingeräumt ist. Art 51 B-VG, der 'Sitz' der Budgethoheit, enthält dazu so gut wie überhaupt keine Einschränkungen. Solche ergeben sich allerdings hauptsächlich einerseits aus Art 126b Abs 5 B-VG, der die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit enthält. Andererseits erlegt Art 13 Abs 2 B-VG Bund, Ländern und Gemeinden die Pflicht auf, 'bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben.' Überdies haben sie ihre Haushaltsführung in Hinblick auf diese Ziele zu koordinieren. Mit dem 'gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht' ist das so genannte 'magische Vieleck' angesprochen, bestehend aus einem ausgewogenen Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt und Umweltschutz. […]

Diese den Nationalrat bei der Budgeterstellung bindenden Grenzen haben zweifellos steuernde Wirkung. Der verbleibende Spielraum ist aber erheblich und schließt —worauf es hier ankommt — das Eingehen von Defiziten mit ein, sofern diese sachlich begründet werden können und mit den Grundsätzen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie nachhaltig geordneter Haushalte vereinbar sind. Dabei ist die Koordinierung mit den Ländern und Gemeinden geboten.

Durch die Regeln des SWP und jene des VSKS wird die skizzierte Handlungsfreiheit über das von der Verfassung verlangte Ausmaß hinaus eingeschränkt. Das gilt nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder und Gemeinden, die insofern gemeinsam eine Koordinierungspflicht zu beachten haben.

Die Schuldenbremse im SWP, und ihre Umsetzung durch den österreichischen Stabilitätspakt, ist auf der Grundlage des dargestellten besonderen Bundesverfassungsgesetzes […] verfassungsrechtlich erlaubt, obwohl sie die Budgethoheit des Nationalrates — beziehungsweise genauer: alle Gebietskörperschaften — beschränkt. Das gilt aber nicht für die Schuldenbremse im VSKS, weil es sich dabei um einen völkerrechtlichen Vertrag außerhalb des Rechtsrahmens der EU handelt. Diese ist, wie bereits dargestellt, mit einer Obergrenze des strukturellen Defizits von 0,5 %, strenger als jene im SWP, der 1 % erlaubt.

Ökonomisch mag der Unterschied zwischen 1 % und 0,5 % - im Hinblick auf die unvermeidliche Prognoseunsicherheit nicht besonders schwer wiegen. Verfassungsrechtlich ist die Verschärfung der Vorgabe jedoch nicht zu leugnen.

Aus diesem Grund ist Art 3 Abs 1 lit b VSKS verfassungsändernd. Er ändert beziehungsweise ergänzt Art 13 Abs 2 B-VG. […] Da es seit 2008 verfassungsändernde Staatsverträge nicht mehr geben darf, muss der Abschluss dieser Bestimmung durch ein Bundesverfassungsgesetz vorbereitet werden.

2. Feststellung eines übermäßigen Defizits (Art7 VSKS)

a) Wesentlicher Inhalt

Art7 VSKS lautet:

'Die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, verpflichten sich unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Diese Verpflichtung entfällt, wenn zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit von ihnen gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist.'

Der hier relevante Art 126 AEUV sieht im Falle übermäßiger Defizite eines Mitgliedstaats ein mehrstufiges, einigermaßen schwerfälliges Verfahren vor, an dessen Ende die Verhängung einer Geldbuße gegen einen Mitgliedstaat stehen kann, der die vorangegangenen 'Warnungen' missachtet. Auf der Grundlage des Art 126 AEUV werden die relevanten Maßnahmen durch den Rat erlassen, der grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit beschließt. Durch den 'sixpack' wurde dieses Verfahren teilweise ergänzt und vor allem dadurch in seiner Effizienz erheblich verbessert, dass in einigen Fällen an die Stelle der qualifizierten Mehrheit im Rat ein 'Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit' ('reverse qualified majority voting') tritt. Dies gilt unter anderem auch im für den VSKS besonders einschlägigen präventiven Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Unterlässt es ein Mitgliedstaat etwa, Empfehlungen des Rates zu entsprechen, und stellt dieser das durch Beschluss fest, so empfiehlt die Kommission dem Rat, mit einem weiteren Beschluss von dem betreffenden Mitgliedstaat zu verlangen, bei der Kommission eine verzinsliche Einlage in Höhe von 0,2 % des BIP des Vorjahres zu hinterlegen. Hier setzt nun das 'reverse qualified majority voting' ein: 'Wird die Empfehlung der Kommission nicht innerhalb von zehn Tagen nach ihrer Annahme durch die Kommission vom Rat mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt, so gilt der Beschluss, die Hinterlegung zu verlangen, als vom Rat angenommen.' […] Mit der gleichen Mehrheit könnte der Rat die Empfehlung der Kommission auch abändern. […]

Für den wichtigen, die Basis dieses mehrstufigen Verfahrens bildenden Beschluss des Rates gemäß Art 126 Abs 6 AEUV, auf Vorschlag der Kommission festzustellen, ob tatsächlich ein übermäßiges Defizit besteht oder nicht, wurde im 'sixpack' keine derartige Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse festgelegt. Diesbezüglich blieb es also beim Erfordernis der qualifizierten Mehrheit im Rat für den Vorschlag der Kommission. Art 7 VSKS ändert dies nun, und führt für die Vertragsstaaten auch in diesem Fall die Umkehrung der Mehrheit ein. Nur wenn eine qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zu Stande kommt, ist ein entsprechendes Stimmverhalten zulässig. Andernfalls, also wenn die Kommission der Meinung ist, dass ein übermäßiges Defizit vorliegt, besteht eine vertragliche Verpflichtung, im Rat in diesem Sinne zustimmen. […]

b) Verfassungsänderung

Der verfassungsändernde Charakter dieser Bestimmung ergibt sich daraus, dass der österreichische Vertreter im Rat, also in der Regel der österreichische Minister, dazu verpflichtet wird, grundsätzlich immer 'mit der Kommission' zu stimmen. Das gibt der Kommission eine Art Weisungsbefugnis gegenüber dem österreichischen Vertreter im Rat. Als oberstes Organ der Verwaltung gemäß Art 69 Abs 1 B-VG ist der Minister aber grundsätzlich an keine Weisungen gebunden. Bei der Kommission handelt es sich überdies um ein Organ der EU, welches nicht in den österreichischen Verwaltungsaufbau eingegliedert ist. Die spezielle verfassungsrechtliche Rechtfertigung, die für solche Vorgänge innerhalb der EU über das EU-Beitritts-BVG […] zur Verfügung steht, fehlt hier. Denn die besondere Befugnis der Kommission speist sich über den VSKS aus einem Vertrag außerhalb des EU-Rechtsrahmens.

Darüber hinaus ist auf folgendes hinzuweisen: bei der hier zur Debatte stehenden Feststellung eines übermäßigen Defizits handelt es sich ganz zweifellos um eine verbindliche Maßnahme innerhalb des EU-Rechtsrahmens. Lediglich die diesbezügliche Bindung des österreichischen Ministers soll durch einen Rechtsakt hergestellt werden, der außerhalb des EU-Rechts angesiedelt ist. Ungeachtet dieser Besonderheit handelt es sich bei einem Vorschlag, der auf die Feststellung eines übermäßigen Defizits gemäß Art 126 Abs 6 AEUV gerichtet ist, zweifellos um ein Vorhaben im Sinne des Art 23e Abs 1 B-VG. Bezüglich eines solchen Vorhabens besteht das Recht des Nationalrats, gemäß Abs 3 der zitierten Bestimmung eine Stellungnahme zu erlassen, an die der zuständige Bundesminister gebunden ist. Er darf 'nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen von dieser Stellungnahme abweichen'. […]

Dieses Recht des Nationalrats, den zuständigen Bundesminister durch eine Stellungnahme in seinem Abstimmungsverhalten zu binden wird durch Art 7 VSKS konterkariert. Nunmehr soll sich unter den skizzierten Bedingungen grundsätzlich immer der Standpunkt der Kommission durchsetzen. Für eine bindende Stellungnahme des Nationalrats bleibt insoweit kein Raum mehr. Art 7 VSKS ändert daher auch Art 23e Abs 3 B-VG.

Für diese Überlegung ist es gar nicht erforderlich, den Gedanken nach einer Umgehungskonstruktion genauer zu untersuchen. Denn selbstverständlich liegt es ganz grundsätzlich nahe zu prüfen, ob das Ausweichen in einen Vertrag, für den Verfassungsbestimmungen unanwendbar werden, die innerhalb des EU-Rechts gelten, nicht als Umgehung zu qualifizieren ist. Das könnte dann entweder die Rechtswidrigkeit des Vertrags oder die analoge Anwendung der einschlägigen Bestimmungen zur Folge haben. Die obige Überlegung ist davon aber zu unterscheiden: es ist hervorzuheben, dass durch die Bindung an den Vorschlag der Kommission eine etwaige Stellungnahme des Nationalrates gemäß Art 23e Abs 3 B-VG gegenstandslos wäre beziehungsweise durch den Vorschlag der Kommission verdrängt würde. Darin liegt eine 'direkte' Änderung des Art 23e Abs 3 B-VG.

c) Rechtfertigung über Art 9 Abs 2 B-VG?

Es wurde bereits ausgeführt, dass Art 9 Abs 2 B-VG für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht zur Verfügung steht. […] Selbst wenn man die Befugnis der Kommission, die Übermäßigkeit des Defizits 'verbindlich festzustellen' als grundsätzlich einschlägige Anordnungsbefugnis qualifiziert, scheitert die Rechtfertigung an dieser Schranke.

Zweitens ist – selbst wenn man dies anders sehen wollte – die Bindung an den Vorschlag der Kommission mindestens im engeren Sinn keine Übertragung von Hoheitsrechten. Der Kommission wird keine Aufgabe übertragen, die sie vorher nicht besessen hätte. Dem zuständigen Minister wird auch nicht die Aufgabe abgenommen, Österreich im Rat der EU zu vertreten. Es wird allerdings der Charakter der Aufgabe der Kommission dadurch geändert, dass der Vorschlag seinen grundsätzlich unverbindlichen Charakter ändert und - mit der skizzierten Grenze einer qualifizierten Mehrheit dagegen – in eine verbindliche Vorgabe umschlägt. Es ist zweifelhaft, ob Art 9 Abs 2 B-VG auf eine solche Konstellation angewendet werden kann. […]

3. Die salvatorische Klausel (Art2 Abs 2 VSKS)

Art2 Abs 2 VSKS lautet:

'Dieser Vertrag gilt insoweit, wie er mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, und mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Er lässt die Handlungsbefugnisse der Union auf dem Gebiet der Wirtschaftsunion unberührt.'

Die Bestimmung dient dazu, den Vertrag gegenüber den zahlreichen gegen ihn vorgetragenen europarechtlichen Bedenken zu immunisieren. […] Ihr verfassungsrechtlicher Gehalt birgt jedoch ungeahnte Sprengkraft: um zu beurteilen, ob eine Bestimmung des Vertrages 'gilt', also auch, ob sie von den Organen eines Mitgliedslandes angewendet werden darf oder nicht, muss der Vertrag am Maßstab des gesamten Unionsrechts geprüft werden. Das zwingt etwa den Nationalrat, bei der Berücksichtigung der Schuldenbremse (0,5%) zu prüfen, ob sie nicht EU-rechtswidrig ist. In einem solchen Fall dürfte er sie bei der Budgeterstellung nicht berücksichtigen. Verfassungsrechtlich weit reichend ist dies nicht nur dann, wenn tatsächlich eine Rechtswidrigkeit vorliegt. Es genügt schon, dass auf diese Art und Weise eine neuartige und umfassende Normenkontrollkompetenz geschaffen wird, die vor jeder Anwendung des Vertrages zu beachten ist.

Bei jenen Bestimmungen, gegen die keine derartigen Bedenken ersichtlich sind, mag dies theoretisch erscheinen. Es gibt jedoch zahlreiche Regelungen des Vertrages, gegen die europarechtliche Bedenken vorgetragen werden. Es ist dabei gleichgültig, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten Verstöße gegen unmittelbar anwendbares oder gegen nicht unmittelbar anwendbares Unionsrecht betreffen. Es kommt auch nicht darauf an, ob (gleichzeitig) ein Verstoß gegen österreichisches Verfassungsrecht in Betracht kommt. Europarechtswidrigkeit allein reicht aus.

Es ist hervorzuheben, dass die durch Art 7 VSKS kreierte Kontrollaufgabe über jene weit hinausgeht, die EU-rechtlich besteht. Denn der Vorrang des EU-Rechts, der ebenfalls dazu zwingen könnte, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, erstreckt sich nur auf unmittelbar anwendbares Recht. […] Das ist ein wesentlicher Unterschied. Der zweite wesentliche Unterschied ist demgegenüber weniger gravierend, wenn auch keineswegs unbeachtlich: Während der EU-rechtliche Anwendungsvorrang die Geltung des verdrängten nationalen Rechts unberührt lässt, enthält Art 7 VSKS für den Konfliktfall die Anordnung einer Geltungsbeendigung. De facto macht dies freilich keinen sehr großen Unterschied.

Dies sei bloß am bereits erwähnten Art 7 VSKS illustriert. Gegen diese Bestimmung besteht das (überzeugende) Bedenken, dass sie eine Vertragsänderung von Art 126 Abs 6 AEUV enthält. Denn der Vertrag erfordert eine qualifizierte Mehrheit im Rat für den Vorschlag der Kommission, während die in Art 7 VSKS enthaltene Regel eine Mehrheit gegen diesen Vorschlag notwendig macht. Dies ist kein technisches Detail, sondern eine Verschiebung der Entscheidungsmacht vom Rat zur Kommission. Selbst wenn der Rat untätig bleibt kommt ein Beschluss zu Stande, als ob er gehandelt hätte.

Art2 Abs 2 VSKS zwingt nun den zuständigen Bundesminister dazu, die EU-Vertragskonformität zu beurteilen und den Vorschlag der Kommission außer Acht zu lassen, wenn er die Regelung als rechtswidrig qualifiziert. Dies ist wie erwähnt eine neuartige Verpflichtung zur Normenkontrolle für grundsätzlich alle Organe der österreichischen Rechtsordnung, die in die Lage kommen könnten, den VSKS anzuwenden. Es bedarf einer Verfassungsänderung, eine solche neue Aufgabe einzuführen.

4. Die Übertragung von Hoheitsrechten

a) Grundsätzliches

Wie bereits mehrfach ausgeführt steht Art 9 Abs 2 B-VG für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht zur Verfügung. Soweit, wie beim VSKS, auch Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG nicht zur Verfügung steht, bedarf eine Übertragung von Hoheitsrechten daher einer vorbereitenden Verfassungsänderung gemäß Art 44 […] [B-VG].

Der VSKS enthält an mehreren Stellen die Einräumung von Befugnissen an Organe der EU, die als Übertragung von Hoheitsrechten qualifiziert werden müssen. Eine davon, nämlich die Befugnis der Kommission gemäß Art 7 VSKS, wurde wegen ihrer Besonderheiten auch in dieser Hinsicht bereits erwähnt.

Daneben enthält der Vertrag noch zwei einschlägige Regelungen. Auf sie soll hier nur hingewiesen werden, ohne sie genauer zu analysieren. Das verbindende Element ist immer die Einräumung von Entscheidungsbefugnissen, für die eine Verfassungsänderung erforderlich ist, wenn sie außerhalb der Gründungsverträge auf die EU erfolgt:

• Befugnis des EuGH, über den Vorwurf der unzureichenden Umsetzung der Schuldenbremse in das nationale Recht zu entscheiden und allenfalls Sanktionen festzulegen (Art8 VSKS); […]

• Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein derartiges Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein Verstoß vorliegt (Art8 Abs 1 VSKS) — dies läuft auf die Befugnis der Kommission hinaus, die Einleitung eines solchen Verfahrens anzuordnen. […]

b) Die Genehmigung von Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogrammen

Eine Besonderheit enthält der ebenfalls einschlägige Art 5 VSKS, weshalb auf ihn noch etwas genauer eingegangen werden soll. Sein Abs 1 lautet:

'Eine Vertragspartei, die gemäß den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, legt ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auf, das eine detaillierte Beschreibung der Strukturreformen enthält, die zur Gewährleistung einer wirksamen und dauerhaften Korrektur ihres übermäßigen Defizits zu beschließen und umzusetzen sind. Inhalt und Form dieser Programme werden im Recht der Europäischen Union festgelegt. Sie werden dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Genehmigung vorgelegt werden und auch innerhalb dieses Rahmens überwacht werden.' […]

Genauere Regelungen über solche Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme gibt es jedoch noch nicht. Sie befinden sich in der Vorbereitungsphase, nämlich im Rahmen von zwei Folgemaßnahmen des 'sixpack', im Jargon 'twopack' genannt. Dabei handelt es sich um Vorschläge für zwei ergänzende EU-Verordnungen. […]

Solange eine sekundärrechtliche Regelung fehlt erscheint Art 5 VSKS im Hinblick auf Abs 1 Satz 2 unanwendbar.

Für den Zeitraum danach ist die Rechtslage in hohem Maße unbestimmt. Denn bisher ist noch nicht klar abschätzbar, inwieweit neue Genehmigungstatbestände eingeführt werden. […] Sollte dies nicht geschehen, also im Rahmen des neuen EU Sekundärrechts keine Genehmigungserfordernisse bestehen, könnte Art 5 VSKS einen neuen und zusätzlichen Genehmigungstatbestand für solche Programme enthalten.

Das könnte man nur vermeiden, wenn man in einem solchen Fall den Ausdruck 'Genehmigung' in Art 5 VSKS wegen der Passage 'im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts' korrigierend ausgelegt, so dass keine Genehmigungen möglich sind, die nicht schon im SWP enthalten sind. Einen Ansatzpunkt dafür böte die einschlägige Verordnung 1467/97 des SWP. […] Sie enthält bisher zwar keine Genehmigungstatbestände. Aber die Entscheidungen des Rates über die Berichte, die ein Mitgliedstaat vorzulegen hat, gegen den ein Defizitverfahren läuft, kommen einem Genehmigungstatbestand nahe. Denn nur wenn ein solcher Bericht den vom Rat vorgeschlagenen Maßnahmen entspricht wird dieser von der nächsten Stufe des Überwachungsverfahrens Abstand nehmen. Das Argument müsste also lauten: da solche Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme im Defizitverfahren zu berücksichtigen sind, sind immer nur die dort bereits vorgesehenen 'Genehmigungstatbestände' gemeint. Art 5 VSKS enthielte, so gesehen, keinesfalls einen neuen Genehmigungstatbestand. Nur in einer solchen Lesart könnte der verfassungsändernde Charakter vermieden werden.

Eine derartige Interpretation ist allerdings zweifelhaft, weil sie den normativen Eigenwert von Art 5 VSKS völlig eliminiert. Sie würde sich dann auf eine Erzählung dessen reduzieren, was im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ohnedies passiert. Die Bestimmung ist insoweit in hohem Maße unklar, sowohl was den Inhalt, als auch was den Genehmigungstatbestand betrifft. Derzeit ist in Anbetracht der erwähnten Rechtssetzungsverfahren für zwei neue EU-Verordnungen nicht abschätzbar, ob sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VSKS verfassungsändernd sein wird. Unter diesen Umständen erscheint eine verfassungsändernde Behandlung geboten.

C. Europarechtlich bedenkliche Bestimmungen

Gegen den VSKS werden mehrere europarechtliche Bedenken vorgebracht. […] Die wichtigsten laufen alle darauf hinaus, dass es europarechtswidrig sei, einen solchen Vertrag außerhalb des Rechtsrahmens der EU abzuschließen. Dies insbesondere auch deshalb, weil es nicht zulässig sei, dass 25 der 27 Mitgliedstaaten den Organen der Union (neue) Aufgaben übertragen. […] Dazu bedürfe es einer Einigung unter allen Mitgliedstaaten.

An dieser Stelle, an der eine allfällige Europarechtswidrigkeit nur insoweit thematisiert werden soll, als sie zugleich eine Verfassungswidrigkeit auslöst oder die Bestimmungen des Vertrages verfassungsändernd macht, soll nur auf zwei in diesem Zusammenhang aus der Sicht des Autors besonders bedeutsame Aspekte eingegangen werden.

Einerseits geht es dabei um Art 20 EUV in Verbindung mit Art 326-334 AEUV über die Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Vereinfacht ausgedrückt können auf der Grundlage dieser Bestimmungen mindestens 9 Mitgliedstaaten 'die Organe der Union in Anspruch nehmen' und die Zuständigkeiten der Union 'unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge ausüben'. […] Eine solche Verstärkte Zusammenarbeit wahrt den verfassungsrechtlichen Rahmen der Gründungsverträge mit jenen Modifikationen, die wegen der kleineren Zahl der beteiligten Staaten erforderlich sind. Das bedeutet insbesondere, dass die Aufgaben der Kommission, des Europäischen Parlaments und des EuGH innerhalb einer Verstärkten Zusammenarbeit unverändert bleiben, diese Organe also nicht 'ausgeschaltet' werden.

Begründet werden darf eine Verstärkte Zusammenarbeit dann, wenn der Rat zuvor einstimmig einen Ermächtigungsbeschluss erlässt. Dies darf er nur dann tun, wenn er feststellt, dass die mit der Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes verwirklicht werden können; und er darf es nur 'als letztes Mittel' tun. […]

Aus diesen Bestimmungen in Verbindung mit dem Loyalitätsgebot in Art 4 Abs 3 EUV […] ergibt sich mindestens […] die Verpflichtung, die Einleitung einer derartigen verstärkten Zusammenarbeit zu versuchen. […] Erst wenn dieser Versuch scheitert, kommt ein Ausweichen in die Rechtsformen des allgemeinen Völkerrechts - eine so genannte 'Flucht' aus dem Rechtsrahmen der EU - in Betracht.

Es hat […] [den] Anschein, als wären sich die Unterzeichnerstaaten dieser Problematik durchaus bewusst gewesen. In Art 10 VSKS wird nämlich hervorgehoben, dass die Vertragsparteien bereit seien, unter anderem von den Bestimmungen über die Verstärkte Zusammenarbeit Gebrauch zu machen, und zwar den 'Anforderungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, entsprechend'! Die Formulierung ist derart deutlich, dass sie kaum auf die nichts sagende Version reduziert werden kann, dass die Mitgliedstaaten eine allfällige Verstärkte Zusammenarbeit entsprechend den Anforderungen der Verträge durchführen würden.

Der entscheidende Gesichtspunkt mit Bezug auf den VSKS ist, dass die Unterzeichnerstaaten dennoch überhaupt keinen Versuch unternommen haben, die Genehmigung für eine derartige Verstärkte Zusammenarbeit zu erhalten. Das ist als Verletzung von Art 20 EUV zu qualifizieren. […]

Dieser Befund trifft den Vertrag zur Gänze. Die salvatorische Klausel (Art2 Abs 2 VSKS) kann diesen Mangel nicht heilen.

Zwar kann eine Europarechtswidrigkeit nach Auffassung des VfGH grundsätzlich nicht zugleich als Verfassungswidrigkeit aufgegriffen und geahndet werden. […] Aber auch wenn insofern die Kontrolle der Einhaltung des Art 20 EUV durch den VfGH gemäß Art 140a B-VG nicht in Betracht kommt, ist doch nicht zu bezweifeln, dass Österreich mit dem Abschluss des VSKS ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art 260 AEUV riskiert. In Anbetracht des Umstands, dass Österreich durch ein gesamtänderndes Bundesverfassungsgesetz die Mitgliedschaft in der EU vorbereitet hat […] und durch den Beitrittsvertrag zweifellos zur Vermeidung von vertragswidrigen Zuständen verpflichtet ist, wird man ferner kaum behaupten können, dass der Abschluss eines europarechtswidrigen Staatsvertrages verfassungsrechtlich irrelevant wäre. Die Beachtung dieser Pflichten ist somit 'nur' durch die zum Abschluss eines solchen Vertrages zuständigen Organe, also insbesondere Bundesregierung, Parlament, und Bundespräsident sicherzustellen […], kann aber durch den VfGH nicht sanktioniert werden.

Zum anderen geht es um die bereits erwähnte […] verfassungsrechtliche Dimension der soeben erwähnten salvatorischen Klausel insbesondere für jene, die die soeben entwickelte Position nicht teilen, dass der VSKS in Bausch und Bogen EU-rechtswidrig ist. Diesfalls würde diese Klausel ihre 'heilende Wirkung' bezüglich der Europarechtswidrigkeit einzelner Bestimmungen entfalten. […] Zugleich enthielte sie aber insofern eine Verpflichtung für alle Rechtsanwendungsorgane, den VSKS unangewendet zu lassen, soweit einzelne seiner Bestimmungen europarechtswidrig sind. Dies stellt, wie bereits betont, eine neuartige Normenkontrollbefugnis innerhalb der österreichischen Rechtsordnung dar, und muss deshalb verfassungsändernd genehmigt werden.

4.) Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof

Gemäß Art 140a Abs 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. 'Dabei ist auf die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art 50 abgeschlossenen Staatsverträge ... Art 140, auf alle anderen Staatsverträge der Art 139 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Staatsverträge, deren Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit der Verfassungsgerichtshof feststellt, ... von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden sind ...'[.]

Insoweit der VSKS, wie oben dargestellt, verfassungsändernd ist, müsste er daher durch ein Bundesverfassungsgesetz vorbereitet werden, welches zu seinem Abschluss ermächtigt. Denn Art 50 B-VG erlaubt, wie dargestellt, verfassungsändernde Staatsverträge nur noch, soweit es sich dabei um die Abänderung von Primärrecht der EU handelt. Das ist beim VSKS nicht der Fall.

Wird der Vertrag dennoch gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG als nicht verfassungsändernd genehmigt beziehungsweise in der Folge abgeschlossen, hätte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gemäß Art 140a Abs 1 B-VG seine Anwendbarkeit zu beenden. An der völkerrechtliche Verbindlichkeit des Vertrages würde das grundsätzlich nichts ändern. Die Republik Österreich würde sich somit, sobald eine seiner Bestimmungen verletzt wird, einer Völkerrechtsverletzung schuldig machen.

Diese könnte entweder dadurch verhindert beziehungsweise beseitigt werden, dass ein Bundesverfassungsgesetz beschlossen wird, welches den Vertrag beziehungsweise seine verfassungsändernden Bestimmungen in Verfassungsrang hebt, oder dadurch, dass die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Vertrages beendet wird. Da dieser keine Kündigungsklausel enthält bedarf es dafür grundsätzlich der Zustimmung der Vertragspartner oder der in Art 16 VSKS vorgesehenen Überführung in den Rechtsrahmen der EU. […]

5.) Schlussfolgerungen

Aus alledem folgt:

1. Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (vulgo 'Fiskalpakt', hier abgekürzt: VSKS) enthält entgegen den Erläuterungen der Regierungsvorlage mehrere verfassungsändernde Bestimmungen.

2. Es sind dies im Einzelnen:

• Art 2 Abs 2 (salvatorische Klausel),

• Art 3 Abs 1 lit b (Schuldenbremse),

• Art 5 (Genehmigung von Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogrammen),

• Art 7 (Pflicht, bei der Feststellung eines übermäßigen Defizits dem Vorschlag der Kommission zuzustimmen),

• Art 8 (Pflicht, auf Vorschlag der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten; Zuständigkeit des EuGH, über Vertragsverletzungen zu entscheiden).

3. Die wesentlichen Gründe für den verfassungsändernden Charakter dieser Bestimmungen sind dreierlei:

• Erstens gehen die im VSKS verankerten Verhaltenspflichten über jene hinaus, die bereits im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) enthalten sind. Dies gilt insbesondere für Art 3 Abs 1 lit b (Schuldenbremse). lm SWP enthaltene Verpflichtungen sind durch ein besonderes Bundesverfassungsgesetz aus dem Jahr 1998 abgesichert. Über den SWP hinausgehende Verpflichtungen außerhalb des EU-Rechtsrahmens sind dies nicht. Inhaltlich beschneidet die im VSKS verankerte Schuldenbremse vor allem die Budgethoheit des Nationalrats gemäß Art 51 iVm Art 13 Abs 2 B-VG — nämlich durch die Beschränkung des strukturellen Defizits auf höchstens 0,5 % des BIP gegenüber 1 % im SWP.

• Zweitens steht Art 9 Abs 2 B-VG für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht zur Verfügung. Dies betrifft insbesondere Art 7 (Pflicht, bei der Feststellung eines übermäßigen Defizits dem Vorschlag der Kommission zuzustimmen) und Art 8 (Pflicht, auf Vorschlag der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten; Zuständigkeit des EuGH, über Vertragsverletzungen zu entscheiden). Wenn wie im VSKS solche Übertragungen dennoch, und zwar außerhalb des Rechtsrahmens der EU, vorgenommen werden sollen, bedürfen sie mangels sonstiger verfassungsrechtlicher Grundlage einer Verfassungsänderung. Art 7 schränkt darüber hinaus auch Art 23e Abs 3 B-VG (Bindung des zuständigen Bundesministers durch den Nationalrat) ein, weil der Vorschlag der Kommission vorgeht.

• Drittens schafft Art 2 Abs 2 (die salvatorische Klausel) eine für die österreichische[…] Rechtsordnung neue Normenkontrollzuständigkeit: alle staatlichen Organe sind dazu verpflichtet, den VSKS am Maßstab des gesamten EU-Rechts zu überprüfen und im Konfliktfall unangewendet zu lassen. Das geht über die EU-rechtliche Vorrangwirkung hinaus und bedarf daher einer verfassungsrechtlichen Grundlage.

4. Die verfassungsändernden Inhalte des VSKS bedürfen eines vorbereitenden Bundesverfassungsgesetzes gemäß Art 44 B-VG. Denn abgesehen von Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU — und darum handelt es sich hier nicht — erlaubt Art 50. B-VG seit 2008 den Abschluss verfassungsändernder Staatsverträge nicht mehr.

5. Alternativ erscheint es — nach der hier entwickelten Auffassung allerdings schlechter — vertretbar, Art 50 Abs 4 B-VG analog auf den VSKS anzuwenden. Dessen Genehmigung bedürfte dann einer qualifizierten Mehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat.

6. Sollte der VSKS ohne ausreichende verfassungsgesetzliche Grundlage ratifiziert werden und in Kraft treten, müsste die innerstaatliche Anwendbarkeit der verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Art 140a B-VG durch den VfGH beendet werden. An der völkerrechtlichen Verbindlichkeit würde dies grundsätzlich nichts ändern. Österreich würde in einem solchen Fall eine Völkerrechtsverletzung begehen, sobald gegen die Bestimmungen des VSKS gehandelt wird. Dies könnte dadurch saniert werden, dass der Vertrag nachträglich in Verfassungsrang gehoben oder seine völkerrechtliche Geltung beendet wird.

7. Es spricht einiges dafür, dass der VSKS zur Gänze gegen Art 20 EUV (Verstärkte Zusammenarbeit) deshalb verstößt, weil die Unterzeichnerstaaten eine solche Zusammenarbeit nicht einmal versucht haben. Diese Rechtswidrigkeit kann der VfGH nach seiner Judikatur nicht aufgreifen. Ungeachtet dessen müssen die für den Abschluss des Vertrages zuständigen Organe (Bundesregierung, Parlament, Bundespräsident) diesen Umstand bei ihrer Vorgangsweise von Verfassungs wegen beachten."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie teilweise die Zurückweisung, ansonsten die Abweisung des Antrages begehrt.

2.1. Die Bundesregierung stellt zunächst überblicksartig die Rechtslage dar:

"1. Zum Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion

Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen dem Königreich Belgien, der Republik Bulgarien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, Rumänien, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland und dem Königreich Schweden (im Folgenden wie im Antrag kurz: VSKS), BGBl III Nr 17/2013, bezweckt eine Stärkung der wirtschaftlichen Säule der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Haushaltsdisziplin soll durch einen fiskalpolitischen Pakt gefördert, die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken verstärkt und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets verbessert werden. Dadurch soll zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt beigetragen werden (Art1 Abs 1 VSKS). Für den gegenständlichen Antrag von Abgeordneten des Nationalrates ist vor allem der Titel III ('Fiskalpolitischer Pakt') von Bedeutung, der insbesondere eine Regel des ausgeglichenen Haushalt[s] und im Falle der Abweichung vom Haushaltsziel einen Korrekturmechanismus vorsieht. Der Europäischen Kommission und dem Gerichtshof der Europäischen Union kommen dabei gewisse Befugnisse zur Kontrolle der Einhaltung dieser Schuldenbremse zu (vgl. Art 8 VSKS).

Wie im Antrag (Seite 22) erwähnt und in den ErlRV 1725 XXIV. GP 3 näher ausgeführt wird, ist der VSKS ein Teil von mehreren Maßnahmen zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise im Euro-Währungsgebiet. Eine ursprünglich ins Auge gefasste Änderung der Gründungsverträge der Europäischen Union (EU) scheiterte am fehlenden Einvernehmen unter den Mitgliedstaaten der EU (vgl. auch die Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets vom , abrufbar im Internet unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/126678.pdf).

Daher wurde beschlossen, das Ziel der Verankerung eines neuen fiskalpolitischen Paktes und einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung im Euro-Währungsgebiet in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung umzusetzen. Dieser völkerrechtliche Vertrag ist am von allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Großbritanniens und der Tschechischen Republik unterzeichnet worden.

In Österreich wurde der Vertrag am vom Nationalrat gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigt. In dieser (164.) Sitzung hat der Nationalrat u.a. auch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag), BGBl III Nr 138/2012, genehmigt. Der VSKS und der ESM-Vertrag ergänzen sich gegenseitig bei der Verstärkung der haushaltspolitischen Verantwortlichkeit und der Solidarität innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion (vgl. Erwägungsgrund 5 ESM-Vertrag). Die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM hängt von der Ratifizierung bzw. innerstaatlichen Umsetzung der Schuldenbremse gemäß Art 3 Abs 2 VSKS ab.

Die österreichische Ratifikationsurkunde wurde am beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hinterlegt. Der VSKS ist mit in Kraft getreten und derzeit () bereits von 17 Vertragsstaaten ratifiziert worden.

2. Unionsrechtliche Grundlagen

Mit dem Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet in Maastricht am , wurde in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft u.a. auch eine Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite aufgenommen (Art104c, nunmehr Art 126 AEUV; Protokoll (Nr 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit). Diese Verpflichtung, die insbesondere dem Ziel der Preisstabilität dient (vgl. die in Art 119 Abs 2 und 3 AEUV genannten Grundsätze), wurde im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) des Jahres 1997 näher konkretisiert. Dieser SWP wurde vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 16./ beschlossen und besteht aus einer Entschließung des Europäischen Rates (ABl. Nr C236/1 vom ) und zwei Verordnung[en] des Rates, nämlich die

 Verordnung (EG) Nr 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (sogenannter 'präventiver Arm' des SWP) sowie die

 Verordnung (EG) Nr 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einen übermäßigen Defizit (sogenannter 'korrektiver Arm' des SWP).

Im Gefolge eines Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rs. C-27/04 betreffend die Nichtannahme von Empfehlungen der Kommission für verfahrensverschärfende Maßnahmen in Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt zunächst im Jahre 2005 geändert (Verordnungen (EG) Nr 1055/2005 bzw. 1056/2005 zur Änderung der genannten Verordnungen (EG) Nr 1466/97 und 1467/97; vgl. dazu zB Häde in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. (2007), Art 104 EGV, Rz. 120 ff).

Auf Grund der jüngsten Wirtschafts-, Finanz- und Staatsschuldenkrise erfolgte schließlich eine wesentliche Erweiterung und Verschärfung dieser Regelungen mit dem sog. 'six-pack' des Jahres 2011 (vgl. dazu auch die Ausführungen auf Seite 19 f des Antrags; näher zB Hattenberger, in Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. (2012), Art 121 AEUV, Rz 21 ff, Art 126 AEUV, Rz. 12; Obwexer, Das System der Wirtschaftsregierung und die Rechtsnatur ihrer Teile: Sixpack – Euro-Plus-Pakt – Europäisches Semester – Rettungsschirm, ZÖR 2012, 209 (211 ff). Konkret umfasst dies folgende Verordnungen bzw. Richtlinie:

 Verordnung (EU) Nr 1173/2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet

 Verordnung (EU) Nr 1174/2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet

 Verordnung (EU) Nr 1175/2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken

 Verordnung (EU) Nr 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

 Verordnung (EU) Nr 1177/2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit

 Richtlinie 2011/85/EU über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten

In Kürze werden auch mit dem sogenannten 'two-pack', das zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament Mitte März 2013 akkordiert worden ist (vgl. die Pressemeldung vom , http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-196_en.htm) und voraussichtlich bis Juni 2013 verabschiedet sein wird, weitere (kleinere) Ergänzungen des bereits bestehenden Rahmenwerks für die nationalen Haushaltspolitiken in Kraft treten (zB betreffend die in Art 5 VSKS angesprochenen Wirtschaftspartnerschaftsprogramme, die jene wirtschafts- und haushaltspolitischen Maßnahmen und Strukturreformen beinhalten sollen, mit denen der Mitgliedstaat das übermäßige Defizit gemäß Art 126 Abs 1 AEUV nachhaltig bereinigen will). Es handelt sich dabei um die Entwürfe einer

 Verordnung über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die gesamtstaatliche Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, sowie einer

 Verordnung über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität im Euro-Währungsgebiet betroffen oder bedroht sind.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass mit den genannten unionsrechtlichen Grundlagen weitreichende Rahmenbedingungen für die nationalen Haushaltspolitiken vorgegeben werden. Diese enthalten u.a. quantitative Obergrenzen für das gesamtstaatliche Defizit und die gesamtstaatliche Schuldenquote auf Basis des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), ein mittelfristiges Budgetziel von 'nahezu ausgeglichen oder im Überschuss' sowie klar geregelte Verfahren.

3. Innerstaatliche Grundlagen

Innerstaatlich sind die unionsrechtlichen Vorgaben wie auch die Verpflichtungen aus dem VSKS, insbesondere in Bezug auf die Haushaltsdisziplin, derzeit vor allem durch die Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012 (ÖStP 2012), BGBl I Nr 30/2013, umgesetzt. So enthält Art 2 folgende Fiskalregeln:

[…]

Mit Blick auf das Vorbringen im Antrag zur Einschränkung der Budgethoheit sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass sich die Gebietskörperschaften im Stabilitätspakt 2012 eine Defizitgrenze von 0,45 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesetzt haben. So lautet Art 4 Abs 1 ÖStP 2012:

[…]"

2.2. Zur Antragslegitimation bringt die Bundesregierung Folgendes vor:

"Nach Ansicht der Bundesregierung scheint der Antrag, der von 70 Abgeordneten des Nationalrates unterzeichnet ist, grundsätzlich die Prozessvoraussetzungen zu erfüllen.

Fraglich erscheint jedoch, ob der Antrag den Prüfungsumfang richtig abgrenzt: Der Hauptantrag dürfte vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken den Prüfungsumfang zu eng abgrenzen, weil das Ziel des Antrags wohl nicht erreicht würde (vgl. zB VfSlg 13.299/1992; 16.801/2003; Rohregger in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. (2003) Art 140, Rz. 215). Begehrt wird die Aufhebung von Art 3 Abs 1 litb. Diese litb enthält eine Konkretisierung der Regel eines ausgeglichenen Haushaltes (lita) dahingehend, dass diese auch bei einem strukturellen Defizit von 0,5 % des BIP noch als eingehalten gilt. Der im Falle einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der litb verbleibende Teil des VSKS schiene insoweit den nach dem Vorbringen der Antragsteller verfassungswidrigen Eingriff in die Budgethoheit nicht nur nicht zu bereinigen, sondern ihn im Gegenteil sogar zu vergrößern.

Ob der Eventualantrag zulässig ist, mag dahingestellt bleiben, als er nur für den Fall gestellt wird, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG analog anzuwenden wäre, was jedoch von den Antragstellern im Ergebnis selbst verneint wird.

Weiters wird zur Erwägung gestellt, ob es dem Antrag nicht mitunter an der geforderten Darlegung der gegen die Rechtmäßigkeit des Staatsvertrags sprechenden Bedenken 'im Einzelnen' (§62 Abs 1 zweiter Satz iVm § 66 VfGG) mangelt. Die Erfüllung dieses Antragserfordernisses kann an einigen Stellen zweifelhaft sein:

ZB heißt es auf Seite 26 (Fußnote 46, zur behaupteten Änderung bzw. Ergänzung des Art 13 Abs 2 B-VG): 'Eine genauere Analyse kann an dieser Stelle unterbleiben. Es scheint auch vertretbar, den 'Sitz' der Änderung in Art 51 B-VG zu sehen'. Auf Seite 31 wird ausgeführt: 'Daneben enthält der Vertrag noch zwei einschlägige Regelungen. Auf sie soll hier nur hingewiesen werden, ohne sie genauer zu analysieren'. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Sitz der Budgethoheit bzw. mit der Bestimmung des Art 8 VSKS wird von den Antragstellern dabei unterlassen.

Auf Seite 34 wird auch vorgebracht, dass '[d]erzeit in Anbetracht [von] Rechtsetzungsvorhaben für zwei neue EU-Verordnungen nicht abschätzbar' sei, 'ob [Art5 VSKS] zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VSKS verfassungsändernd sein wird.' Mit '[d]erzeit' ist offenbar der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgutachtens von Griller, Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ['Fiskalpakt']), JRP 2012, 177, gemeint, auf das sich die Antragsteller in ihrer Begründung des Antrags 'voll inhaltlich' stützen. Der gegenständliche Antrag wurde allerdings erst nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des VSKS eingebracht. Es wäre daher zumutbar, dass die Antragssteller ein Vorbringen erstatten, das die Bedenken unter Zugrund[e]legung der Umstände im Zeitpunkt der Antragstellung im Sinne des § 62 VfGG 'im Einzelnen' darlegt."

2.3. In der Sache verweist die Bundesregierung eingangs zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken habe.

Den Bedenken des Antrages hält die Bundesregierung sodann Folgendes entgegen:

"1. Zur Anwendbarkeit des Art 9 Abs 2 B-VG auf den VSKS

Die antragstellenden Abgeordneten behaupten – gestützt auf Überlegungen von Griller aaO (179 ff) – auf das Wesentliche zusammengefasst, Art 9 Abs 2 B-VG ermächtige nicht zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union und biete daher keine verfassungsrechtliche Grundlage für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Kommission und den Gerichtshof der Europäischen Union durch den VSKS. Der Antrag geht davon aus, dass der VSKS insoweit verfassungsändernd sei.

Die Bundesregierung teilt diese Rechtsansicht nicht:

Nach Art 9 Abs 2 erster Satz B-VG können durch Gesetz oder durch einen gemäß Art 50 Abs 1 genehmigten Staatsvertrag einzelne Hoheitsrechte auf andere Staaten oder zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden.

In der Literatur haben bereits Potacs/C. Mayer, Fiskalpakt verfassungswidrig? JRP 2013, 140 (141 f) der Auffassung Grillers, Art 9 Abs 2 B-VG erlaube nicht die Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf die Europäische Union und ihre Organe, insbesondere auf Grund einer Wortsinn- und teleologischen Interpretation überzeugend widersprochen. Sie weisen zutreffend darauf hin, dass der Beitritt zur Europäischen Union wegen der Qualität und der Quantität der dabei übertragenen Rechte nicht auf diese Bestimmung gestützt wurde, sondern im Wege eines gesamtändernden Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (EU-Beitritts-BVG), BGBl Nr 744/1994, erfolgte.

Die im Zeitpunkt des EU-Beitritts geltende Fassung des Art 9 Abs 2 B-VG (BGBl Nr 350/1989) wurde im Wesentlichen deswegen nicht als taugliche Grundlage für den EU-Beitritt angesehen, weil sie auf 'einzelne Hoheitsrechte' und 'Hoheitsrechte des Bundes' beschränkt war (vgl. Öhlinger, Verfassungsrechtliche Aspekte eines Beitritts Österreichs zu den EG [1988] 7 f; ders., in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 9, Rz. 13; zusammenfassend aus jüngerer Zeit Kröll/Lienbacher in einer Studie für das Europäische Parlament, National Constitutional Law and European Integration, 2011, 142, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/committees/en/studiesdownload.html?languageDocument=EN file=35331; Griller, aaO (179), jeweils mwN). Dagegen wurde – soweit ersichtlich – damals nicht vertreten, dass jegliche Art der Übertragung eines Hoheitsrechts auf EU-Organe ohne Verfassungsbestimmung schon an sich unzulässig wäre.

Ob daraus der Schluss gezogen werden kann, Art 9 Abs 2 B-VG ermächtige ungeachtet des Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG, der für den Abschluss von primärrechtsändernden Staatsverträgen besondere Genehmigungserfordernisse vorsieht, weiterhin zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf Organe der Europäischen Union, selbst wenn es dadurch zu einer Änderung des Primärrechts käme oder solche Hoheitsrechte ihre Grundlage im Unions-(Primär-)recht hätten, kann dahingestellt bleiben. Die im Antrag problematisierten Zuständigkeiten der Europäischen Kommission und des Gerichtshofes der Europäischen Union beruhen nämlich nicht auf Unionsrecht, sondern auf dem VSKS, der ein völkerrechtlicher Vertrag ist. Der Antrag (Seite 8) geht – unter Berufung auf die Erläuterungen zur RV 1725 BlgNR 24. GP 3 – selbst davon aus, dass der VSKS 'aus dem Rechtsrahmen der EU [herausfällt]'. Durch den VSKS werden also keine Zuständigkeiten im Rahmen der Europäischen Union begründet, sondern außerhalb des Rechts der Europäischen Union Hoheitsrechte auf einzelne ihrer Organe übertragen. Weder aus dem EU-Beitritts-BVG noch aus der B-VG-Novelle BGBl I Nr 2/2008, mit der Art 50 Abs 1 Z 2 B[-]VG erlassen wurde, ergeben sich irgendwelche Hinweise dafür, dass Art 9 Abs 2 B[-]VG nicht zur Übertragung von Hoheitsrechten auf EU-Organe außerhalb des Rechtsrahmens der Europäischen Union ermächtige.

Auch in der Staatspraxis finden sich Beispiele für eine derartige Übertragung eines Hoheitsrechts auf ein Organ der EU (konkret den EuGH). So lautet etwa Art 25 Abs 5 des – in der 81. NR-Sitzung XXI. GP S. 52 übrigens einstimmig genehmigten - Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland, BGBl III Nr 182/2002:

'(5) Können Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens entstehen, von den zuständigen Behörden nicht im Verständigungsverfahren nach den vorstehenden Absätzen dieses Artikels innerhalb einer Frist von drei Jahren ab der Verfahrenseinleitung beseitigt werden, sind auf Antrag der Person im Sinne des Absatzes 1 die Staaten verpflichtet, den Fall im Rahmen eines Schiedsverfahrens entsprechend Artikel 239 EG-Vertrag vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig zu machen.'

Eine Genehmigung dieser Bestimmung des Staatsvertrags als 'verfassungsändernd' bzw. 'verfassungsergänzend' wurde damals nicht für erforderlich erachtet (ErlRV 695 XXI. GP 21, die den Staatsvertrag als gesetzändernd bewerten). Und auch nach der derzeit geltenden Verfassungsrechtslage müsste der Abschluss eines derartigen Schiedsvertrags (etwa in Steuerabkommen mit anderen Mitgliedstaaten) nach Ansicht der Bundesregierung nicht durch ein Verfassungsgesetz vorbereitet werden.

Dass der VSKS inhaltlich betrachtet in einem engen Zusammenhang mit dem Unionsrecht steht, ist insoweit irrelevant. Das B-VG unterscheidet nämlich streng zwischen Unionsrecht und (traditionellem) Völkerrecht. Das zeigt sich etwa an der ESM-Begleitnovelle, BGBl I Nr 65/2012, mit der in den Art 50a bis 50d B-VG Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatliche Willensbildung in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesministers erlassen wurden, die inhaltlich jenen des Art 23e B-VG vergleichbar sind. Der Initiativantrag 1985/A XXIV. GP, 6, begründet die Notwendigkeit solcher eigenständiger bundesverfassungsgesetzlicher Regelungen damit, dass der ESM-Vertrag 'in formeller Hinsicht als Staatsvertrag gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B[-]VG einzuordnen ist'.

Nach Auffassung der Bundesregierung können daher durch einen gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B[-]VG genehmigten Staatsvertrag wie den VSKS – außerhalb des Rechts der Europäischen Union – einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe übertragen werden, und zwar auch auf Organe der Europäischen Union. Entgegen der Rechtsmeinung im Antrag (Seite 12) schadet dabei auch die 'Fülle von Hoheitsrechten', die der Union bereits durch den EU-Beitritt und die nachfolgenden Vertragsänderungen übertragen wurde, nicht. Diese können sich auf die Genehmigung durch das EU-Beitritts-BVG bzw. besondere Verfassungsermächtigungen stützen (vgl. Potacs/C. Mayer, aaO, 142).

Auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , SV2/12, deutet in die Richtung, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten auf Organe der EU mittels völkerrechtlichem Vertrag auf Art 9 Abs 2 B-VG gestützt werden kann. Zwar ging das Bedenken der antragsstellenden Landesregierung dahin, dass nicht bloß einzelne Hoheitsrechte auf internationale Organe übertragen würden (vgl. Rz. 58) und hat es der Verfassungsgerichtshof für nicht erforderlich erachtet, zu überprüfen, ob es sich bei den zitierten Bestimmungen des ESM-Vertrags tatsächlich um Hoheitsrechte im Sinne der Art 9 Abs 2 B-VG handelte. Bei der in Art 37 Abs 3 ESMV vorgesehenen Kompetenz des EuGH zur Erlassung von für die Parteien verbindlichen Urteilen dürfte es sich aber zweifellos um ein solches Hoheitsrecht handeln. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu in Rz. 61 erwogen, dass die Befugnisse der Organe von ihrem Inhalt her und auch in ihrer Gesamtheit im Rahmen dessen bleiben, was nach Art 9 Abs 2 B-VG zulässig ist.

Die Bundesregierung geht somit davon aus, dass auch durch den VSKS tatsächlich nur 'einzelne' Hoheitsrechte iSd. Art 9 Abs 2 B-VG übertragen werden, wie unten (Pkt. III.5) zu den einzelnen von den Antragsstellern problematisierten Artikeln des VSKS näher ausgeführt werden soll. An dieser Stelle soll daher als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass nach Ansicht der Bundesregierung bereits die Prämisse der Antragsteller, dass Art 9 Abs 2 B-VG keine Grundlage für eine Übertragung von Hoheitsrechten an Organe der EU sein kann, nicht zutrifft.

2. Zu den Bedenken hinsichtlich der 'Schuldenbremse' (Art3 Abs 1 litb VSKS)

Die Bedenken der Antragsteller (Seite 24 ff) gehen zusammengefasst dahin, dass durch Art 3 Abs 1 litb VSKS Art 13 Abs 2 B-VG geändert bzw. ergänzt werde, weil durch die Festlegung eines strukturellen Defizits von höchstens 0,5 % des BIP die Budgethoheit – insbesondere des Nationalrates – eingeschränkt werde. Diese Grenze sei strenger als im durch das BVG über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebunds und des Österreichischen Städtebunds, BGBl I Nr 61/1998, verfassungsrechtlich abgesicherten Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP), der 1 % erlaube.

Die Bundesregierung hält dieses Bedenken für unbegründet:

Art13 Abs 2 B-VG verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden 'bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Sie haben ihre Haushaltsführung in Hinblick auf diese Ziele zu koordinieren.' Speziell zur Zielsetzung 'nachhaltig geordnete öffentliche Haushalte' führen die Erläuterungen zu Art 13 B-VG (ErlRV 203 XXIII. GP 5) u.a. aus, dass sie eine 'Ausrichtung der Budgetpolitik auf eine Haushaltsführung [adressiere], die mittel- bis langfristig ohne erhebliche Gegensteuerungsmaßnahmen aufrecht erhaltbar ist. Damit nicht vereinbar wären eine unangemessen hohe öffentliche Verschuldung sowie erhebliche persistente öffentliche Defizite. Als Obergrenze für die Verschuldung sollte das Maastricht-Schuldenkriterium herangezogen werden. Mit dieser Zielbestimmung wären auch budgetpolitische Ziele wie etwa ein über den Konjunkturzyklus ausgeglichener Haushalt vereinbar.'

Nach Ansicht der Bundesregierung räumt Art 13 Abs 2 B-VG dem Gesetzgeber und auf Grund bzw. im Rahmen der Gesetze der Vollziehung bei der Haushaltsführung einen weiten Spielraum zur Verfolgung der dort genannten Ziele ein, da die in Art 13 Abs 2 B-VG genannten Ziele - zumindest je nach Situation oder Betrachtungszeitraum – auch teilweise miteinander in Konflikt stehen können (dieses sogenannte 'magische Vieleck' der Wirtschaftspolitik wird auch im Antrag (Seite 24 f) erwähnt; näher zu Art 13 B-VG zB Holoubek, ÖHW 1989, 173 (174 f); Rödler, Bundeshaushaltsrecht (1992), Art 13, Anm. 8, der Art 13 als nicht sanktionsbewehrt ansieht; Lödl, ÖHW 2002, Anmerkungen zum Haushaltsverfassungsrecht, 52 (66 ff); ders., Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl. (2009), Art 13 B-VG). Auch der Verfassungsgerichtshof dürfte im Erkenntnis vom , SV2/12 von einem solchen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum und einer Zurücknahme der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte im Sinne einer 'Vertretbarkeitskontrolle' ausgegangen sein. In Rz. 57 heißt es nämlich wörtlich:

'Wenn sich Bundesregierung und Nationalrat für die Teilnahme der Republik Österreich am ESMV und damit dafür entscheiden, diese vertraglich geregelten und begrenzten Verpflichtungen zur Vermeidung möglicher, nicht absehbarer wirtschaftlicher und sozialer Schäden in Wahrnehmung ihrer bundesverfassungsrechtlich zugewiesenen Zuständigkeit und Verantwortung einzugehen, ist ihnen weder unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes noch am Maßstab des Art 13 Abs 2 B-VG oder des Art 126 Abs 5 B-VG entgegenzutreten. Die von der Kärntner Landesregierung vorgebrachten Bedenken, die sich grundsätzlich dagegen richten, dass die Republik Österreich die Verpflichtungen als Vertragspartei des ESMV eingegangen ist, sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen darzutun. Denn diese Bedenken münden auf dem einen oder anderen Weg der Sache nach jeweils in das Argument, dass eine andere als die von Bundesregierung und Nationalrat gewählte politische Handlungsoption naheliegender oder richtiger gewesen wäre. Diese rechtspolitische Frage zu beurteilen kommt nicht dem Verfassungsgerichtshof zu.' […]

In ähnlicher Weise sind auch die Entscheidungen von Bundesregierung und Nationalrat für die Teilnahme der Republik Österreich am VSKS nicht zu beanstanden. Wie auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum VSKS (insbesondere im Vorblatt unter den Auswirkungen des Regelungsvorhabens) näher dargestellt wird, soll vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise u.a. mit strukturell ausgeglichenen öffentlichen Haushalten und nachhaltigen öffentlichen Finanzen mehr wirtschaftliche Stabilität erreicht werden, die als Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung angesehen wird. Nach Ansicht der Bundesregierung sind die Konsolidierung, die Stabilität und Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen, budgetären und sozialen (Krisen-)Entwicklungen eine notwendige Bedingung für das nachhaltige und reibungslose Funktionieren der Eurozone. Die Sicherstellung von makroökonomischer Stabilität und von Finanzstabilität ist darüber hinaus auch in Anbetracht der langfristigen Herausforderungen wie demographische Veränderungen, Klimawandel und zunehmende Globalisierung grundlegende Voraussetzung für eine nachhaltige und stabile wirtschaftliche Entwicklung eines Mitgliedstaates. Mit anderen Worten: Der Fiskalpakt bezweckt in diesem Sinne gerade auch eine Verfolgung der dem Gesetzgeber und der Vollziehung durch Art 13 Abs 2 B-VG aufgetragenen Ziele. Auf Grund der oben […] bereits erwähnten Voraussetzung für Finanzhilfen aus dem ESM kann übrigens auch das budgetäre Sicherheitsnetz des ESM und damit die grundsätzliche Ausdehnung des budgetpolitischen Handlungsspielraums jedes Vertragsstaates nicht ohne Ratifikation des VSKS bzw. Umsetzung der Schuldenbremse und der mit dem VSKS auch bezweckten Begrenzung des finanziellen Risikos für andere Vertragspartner genutzt werden.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Zielsetzung des Art 13 Abs 2 B-VG (einfach)gesetzlich näher zu konkretisieren (vgl. beispielsweise die in § 2 Abs 3 BHG 2013 vorgenommene Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, dem 'durch Vorkehrungen Rechnung zu tragen [ist], die auf ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität abzielen'; vgl. weiters die dort in Abs 4 inkorporierte 'Schuldenbremse' für den Bundeshaushalt). Was nun für ein (einfaches) Bundesgesetz gilt, muss grundsätzlich auch für einen Staatsvertrag gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG gelten, schließlich sind Staatsverträge nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG aus innerstaatlicher Sicht 'eine formellen Gesetzen prinzipiell gleichwertige parlamentarische Rechtssatzform' ( SV2/12, Rz. 78, mwN). In diesem Sinne äußern sich auch Potacs/C. Mayer, aaO, 143, die darauf hinweisen, dass Art 50 B-VG den Abschluss von Staatsverträgen ermögliche, die in der Regel eine gewisse Einschränkung des Gesetzgebers nach sich ziehen, was zumindest grundsätzlich auch den Budgetgesetzgeber treffen könne. Die Schuldenbremse des VSKS dient nun gerade dieser Zielsetzung 'nachhaltig geordneter Haushalte'.

Im Übrigen kann mit Potacs/C. Mayer, aaO, davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Schuldenbremse des VSKS um eine Konkretisierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) handelt, die schon durch die Vorgaben des Unionsrechts gedeckt ist, weshalb es sich erübrige, darauf einzugehen, ob eine solche Schuldenbremse auch ohne ihre EU-rechtliche Deckung verfassungsrechtlich zulässig wäre. Auch das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 1390/12 vom hat im Rahmen einer summarische[n] Prüfung die vorgebrachten Bedenken gegen den VSKS verworfen: Der Regelungsgehalt des Vertrages decke sich weitgehend mit bereits bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben und mit primärrechtlichen Verpflichtungen aus dem AEUV (Rz. 300 ff).

Im Einzelnen kann zum Verhältnis mit dem Sekundärrecht ausgeführt werden:

Gemäß der Verordnung (EG) Nr 1466/97 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr 1175/11 ('präventiver Arm' des SWP) orientiert sich das mittelfristige Haushaltsziel grundsätzlich an einem 'nahezu ausgeglichenen oder im Überschuss befindlichen Haushalt'. Dieses mittelfristige Haushaltsziel soll gemäß Art 2a dieser Verordnung länderspezifisch differenziert sein, sich jedoch ausschließlich in einer Bandbreite zwischen einem strukturellen Defizit von 1 % des BIP und einem strukturellen Haushaltsüberschuss bewegen. In Artikel 2a heißt es:

'Jeder Mitgliedstaat setzt sich ein differenziertes mittelfristiges Haushaltsziel für seine Haushaltslage. Diese länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele können von der Anforderung eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts abweichen und gleichzeitig eine Sicherheitsmarge im Hinblick auf die öffentliche Defizitquote von 3 % des BIP vorsehen. Diese mittelfristigen Haushaltsziele gewährleisten tragfähige öffentliche Finanzen oder einen raschen Fortschritt in Richtung auf eine solche Tragfähigkeit und eröffnen gleichzeitig einen haushaltspolitischen Spielraum, wobei insbesondere der Notwendigkeit von öffentlichen Investitionen Rechnung getragen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren bewegen sich die länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele für die teilnehmenden Mitgliedstaaten […] innerhalb einer konkreten Spanne, die konjunkturbereinigt und ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen zwischen -1 % des BIP und einem ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt liegt.

[…]'

Art2a definiert also einen Kriterienkatalog, der bei der Festlegung des mittelfristigen Budgetziels Eingang zu finden hat. Das länderspezifische mittelfristige Haushaltsziel muss umso ambitionierter ausfallen,

 je höher der Sicherheitsabstand aufgrund der zyklischen Sensitivität der öffentlichen Haushalte auf Konjunkturschwankungen ausfallen muss, um in einem normalen Konjunkturzyklus nicht die Defizitobergrenze von 3% des BIP zu überschreiten, d.h. grundsätzlich je stärker die Haushaltssalden auf Wachstumsänderungen reagieren,

 je größer finanzielle Nachhaltigkeitsrisiken ('Tragfähigkeit' oder rascher Fortschritt in Richtung 'Tragfähigkeit') sind,

 je mehr zusätzliche Spielräume für diskretionäre Politiken/Maßnahmen, wie für öffentliche Investitionen, eingeräumt werden.

Der Verhaltenskodex zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ('Code of Conduct'), der vom Rat der Europäischen Union zuletzt am geändert wurde (http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/pdf/coc/code_of_conduct_en.pdf), konkretisiert dieses mittelfristige Haushaltsziel in Abschnitt 1 vor allem noch in Richtung finanzielle Nachhaltigkeitsrisiken. Hier müssen entsprechend einer mathematischen Formel, welche im Verhaltenskodex enthalten ist, im mittelfristigen Haushaltsziel (in vereinfachter Form) noch berücksichtigt werden,

 wie sehr die gesamtstaatliche Schuldenquote die 'Maastricht-Obergrenze' von 60 % des BIP überschreitet,

 wie hoch das langfristige Trendwachstum (für das reale BIP) gemäß der Methodologie des Wirtschaftspolitischen Ausschusses (WPA) projiziert wird,

 wie hoch die impliziten finanziellen Verbindlichkeiten ('Ageing-Kosten') aufgrund der künftigen Bevölkerungsalterung ausfallen.

Im SWP kann also das erlaubte strukturelle Defizit im Einzelfall auch wesentlich geringer als 0,5 % des BIP sein, nämlich insbesondere auch einen Haushaltsüberschuss erfordern, da im 'six-pack' zusätzliche Faktoren zur Schuldenquote und den künftigen Belastungen durch die Bevölkerungsalterung zu berücksichtigen sind. Im Allgemeinen werden auch nur bei Einhaltung des mittelfristigen Budgetzieles andere Vorschriften des SWP, wie der zulässige Schuldenabbaupfad oder die zulässige Grenze für die Ausgabenentwicklung, eingehalten werden können.

Weiters ist anzumerken, dass alle Euro-Länder sich selbst mittelfristige Haushaltsziele von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des BIP oder niedriger gesetzt haben. Österreich hat sich in seinem Stabilitätsprogramm seit 2012 ein mittelfristiges Haushaltsziel in der Höhe eines strukturellen Defizits von 0,45 % des BIP gesetzt (vgl. Art 4 Abs 1 ÖStP 2012).

Im Übrigen stellen die Antragsteller selbst fest, dass aufgrund der Gesamtverschuldung das 1 % Ziel für Österreich 'in den nächsten Jahren' keine Rolle spielen wird. Dies gilt auch auf Grund der Regeln gemäß der Verordnung (EG) Nr 1466/97 (idF der Verordnung (EU) Nr 1175/11). Wenn dem jedoch so ist, ist nicht erkennbar, wie derzeit durch den VSKS die 'Budgethoheit' zusätzlich eingeschränkt werden könnte, weil er nur anordnet, was unter den gegebenen Umständen für Österreich auf Grund des SWP ohnehin gilt.

Die Antragsteller führen zudem auf Seite 23 richtigerweise an, dass der VSKS in Art 3 zwei Bestimmungen für das mittelfristige Budgetziel des Gesamtstaates enthält, welches als struktureller Budgetsaldo definiert ist, nämlich Art 3 Abs 1 litb und litd:

Lit. d enthält eine Untergrenze für das mittelfristige Ziel von minus 1 %, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind ('so kann die Untergrenze des in Buchstabe b angegebenen mittelfristigen Ziels eines strukturellen Defizits von maximal 1,0 % des [BIP] erreichen'). Nur dann, wenn diese nicht gegeben sind, gilt litb. Auf Grund des Umstandes, dass Österreich derzeit die Bedingungen der litd nicht erfüllt, sehen es die Antragsteller als erwiesen an, dass litb anzuwenden ist, welche einschränkender sei, wenngleich sie auf Seite 25 einräumen, dass der Unterschied ökonomisch 'nicht besonders schwer' sei. Festzuhalten ist daher, dass sowohl im 'Fiskalpakt' des VSKS als auch im 'Sixpack' das mittelfristige strukturelle Haushaltsdefizit mit 1 % des BIP als Untergrenze limitiert wurde. Wie bereits oben erwähnt kann im SWP das erlaubte strukturelle Defizit im Einzelfall auch wesentlich geringer als 0,5 % des BIP betragen, nämlich insbesondere auch einen Haushaltsüberschuss erfordern, da zusätzliche Faktoren zur Schuldenquote und den künftigen Belastungen durch die Bevölkerungsalterung zu berücksichtigen sind.

Ebenso wenig beschränkt der Fiskalpakt das strukturelle Defizit zwingend auf 0,5 % des BIP. Im 'Fiskalpakt' wird demnach nur explizit gemacht, dass bei einer Schuldenquote über 60 % das maximal zulässige strukturelle Defizit 0,5 % des BIP ist. Dies ist äquivalent zur Regelung im Verhaltenskodex, wonach Länder mit einer Schuldenquote über 60 % des BIP eine 'Extraanstrengung' leisten müssen, um ihre übermäßigen Schulden rascher abzubauen.

Die Bundesregierung ist daher zusammengefasst der Ansicht, dass Art 3 Abs 1 litb VSKS keine verfassungsändernde Bestimmung darstellt.

3. Zu den Bedenken hinsichtlich der Feststellung eines übermäßigen Defizits (Art7 VSKS)

Die Antragsteller sind der Ansicht, der verfassungsändernde Charakter des Art 7 VSKS ergebe sich daraus, dass der Kommission (entgegen Art 69 B-VG) 'eine Art Weisungsbefugnis' gegenüber dem österreichischen Vertreter im Rat eingeräumt sei, der grundsätzlich immer 'mit der Kommission' zu stimmen habe. Zudem ändere Art 7 VSKS auch Art 23e B-VG, weil für bindende Stellungnahmen des Nationalrates im Zusammenhang mit Entscheidungen zur Feststellung eines übermäßigen Defizits gemäß Art 126 Abs 6 AEUV insoweit kein Raum mehr bleibe.

Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht:

Wie auch im Antrag (Seite 27) zutreffend ausgeführt wird, ist im 'six-pack' keine Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse für den auf Art 126 Abs 6 AEUV beruhenden Beschluss des Rates, ob ein übermäßiges Defizit besteht oder nicht, festgelegt worden. Gemäß Art 126 Abs 6 AEUV trifft der Rat eine Entscheidung über ein übermäßiges Defizit auf Empfehlung[…] der Kommission mit qualifizierter Mehrheit.

Unzutreffend ist jedoch die Ansicht, dass Art 7 VSKS im Gegensatz dazu für die Vertragsstaaten eine solche Umkehrung der Mehrheit einführe. Art 7 VSKS sieht keine von EUV und AEUV abweichende Verfahrensvorschrift für das Zustandekommen einer qualifizierten Mehrheit im Rat oder eine nicht in den Verträgen genannte Mehrheitsform vor. Auch ist die Regelung völlig anders geartet als jene im Rahmen des 'six-pack' verankerten Bestimmungen, die in der europarechtlichen Terminologie als eine Ausformung einer 'umgekehrten Mehrheitsentscheidung' im Rat umschrieben werden. Diese enthalten in bestimmten Fällen eine Legalfiktion zugunsten einer Annahme eines Beschlusses durch den Rat, außer eine qualifizierte Mehrheit seiner Mitglieder stimmt gegen einen Vorschlag oder eine Empfehlung der Kommission.

Art7 VSKS bestimmt demgegenüber in Form einer Selbstbindung lediglich, dass sich die Vertragsparteien bei der Beschlussfassung im Rat über Verstöße gegen das Defizit-Kriterium im Rahmen eines Verfahrens wegen eines übermäßigen Defizits zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, nämlich der 'Unterstützung' der Vorschläge oder Empfehlungen der Kommission. Diese Verpflichtung besteht aber nur für die Vertragsparteien untereinander, nicht gegenüber der Kommission. Das Vorliegen einer bestimmten Einschätzung der Kommission über die Budgetsituation eines Euro-Mitglieds ist dabei lediglich eine faktische Voraussetzung für die Auslösung der Abstimmung im Rat, die wie in den EU-Verträgen vorgesehen mit qualifizierter Mehrheit erfolgt, und bei der die Verpflichtung für ein bestimmtes Verhalten der Vertragsparteien des VSKS eintritt. Die beschriebene Verpflichtung ist darüber hinaus auch nicht in unbedingter Form verankert, sondern hängt von der Willensbildung der Vertragsparteien des VSKS ab, die im Vorfeld zur Abstimmung im Rat völlig frei erfolgen kann. Die Verpflichtung entfällt nämlich ausdrücklich, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Euro-Mitglieder unter den Vertragsparteien die Einschätzung der Kommission nicht teilt und gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist.

Eine solche Konstellation unterwirft also – entgegen den Behauptungen im Antrag – keineswegs die Willensbildung des österreichischen Vertreters im Rat einer zwingenden Vorgabe seitens der Kommission. Die Regelung in Art 7 VSKS entspricht somit auch nicht dem verfassungsrechtliche[n] Verständnis einer 'Weisung'.

Die VSKS Regel soll bewirken, dass es bei Vorliegen eines Vorschlags oder einer Empfehlung der Kommission jedenfalls zu einer Entscheidung kommt, während die Abstimmungsregeln des EU-Vertrags dies nicht sicherstellen.

Auf Grund dieser beschriebenen Selbstbindung der Ratsvertreter der Euro-Staaten durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung liegt auch kein Hoheitsrecht der Kommission vor (auch nicht ein 'atypisches'). Wie Potacs/C. Mayer, aaO, 143, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom , 2 BvR 1390/12, zutreffend festhalten, werden der Kommission keine neuen Rechte eingeräumt, weil sie die Befugnis zur Erteilung von Vorschlägen und der Abgabe von Empfehlungen schon bisher im Verfahren gemäß Art 126 AEUV hatte. Das Bundesverfassungsgericht hält ausdrücklich fest, dass Art 7 VSKS den in Art 126 AEUV geregelten Verfahrensablauf nicht ändere (Rz. 312).

Was die Bedenken im Antrag betrifft, dass Art 7 VSKS Art 23e B-VG ändere, weil für bindende Stellungnahmen des Nationalrates keine Raum mehr bleibe, ist zu entgegnen, dass eine Stellungnahme gemäß Art 23e Abs 3 B-VG nur ein Vorhaben erfasst, das auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet ist, der sich auf die Erlassung von Bundesgesetzen auf dem betreffenden Gebiet auswirken würde. Bei einem Defizitverfahren gegen einen anderen EU-Mitgliedstaat liegt wohl diese Voraussetzung des Art 23e Abs 3 B-VG nicht vor. Da andererseits bei einem Defizitverfahren gegen Österreich der österreichische Vertreter kein Stimmrecht hat (vgl. Art 126 Abs 13 AEUV), kann davon ausgegangen werden, dass die Stimmrechtsbindung des Art 23e B-VG in Defizitverfahren gemäß Art 126 AEUV von vorherein nicht zur Anwendung kommt (vgl. Potacs/C. Mayer, aaO, 144). Aber selbst wenn die Zulässigkeit einer derartigen Stimmrechtsbindung bejaht würde, dürfte der zuständige Bundesminister – worauf auch die Antragsteller hinweisen – von einer Stellungnahme des Nationalrats aus 'zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen' abweichen. Art 7 VSKS stellt wohl einen solchen hinreichenden integrations- bzw. außenpolitischen Grund dar (so auch Potacs/C. Mayer, aaO, 144).

Im Übrigen scheinen sich die Antragsteller mit der Aussage in FN 51 des Antrags, wonach durch Bundesgesetz näher geregelt werden könnte, wie sich der zuständige Bundesminister bei Verfahren über ein übermäßiges Defizit zu verhalten hat, in gewisser Weise selbst zu widersprechen, weil Art 7 VSKS eben nichts anderes tut als dies zu regeln. Ein gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigter Staatsvertrag ist insoweit der Erlassung eines Bundesgesetzes als gleichwertig anzusehen (vgl. SV2/12).

4. Zu den Bedenken hinsichtlich der 'salvatorischen Klausel' (Art2 Abs 2 VSKS)

Im Antrag wird behauptet, dass mit der salvatorischen Klausel des Art 2 Abs 2 VSKS eine neuartige und umfassende Verpflichtung zur Normenkontrolle für grundsätzlich alle Organe der österreichischen Rechtsordnung geschaffen werde. Es bedürfe einer Verfassungsänderung, eine solche neue Aufgabe einzuführen.

Die Bundesregierung teilt dieses Bedenken nicht.

Eine solche Auslegung verkennt zunächst grundlegend den Charakter von Art 2 Abs 2 VSKS. Dieser dient lediglich der Sicherstellung, dass es zu keinen Überschneidungen des Anwendungsbereiches des VSKS mit jenem des Unionsrechts kommt. Mit anderen Worten nimmt Art 2 Abs 2 VSKS eine Klarstellung vor, dass der VSKS nur solche Bereiche regeln kann und soll, welche nicht schon durch EU-Primär- oder EU-Sekundärrecht geregelt worden sind. Insofern ergänzt diese Bestimmung jene des Art 2 Abs 1 VSKS, wonach bei der Anwendung des VSKS im Einklang mit dem und unter Anwendung des geltenden Unionsrechts vorzugehen ist.

Die Verpflichtung zur Wahrung des Unionsrechts sowie seines Vorrangs gegenüber innerstaatlichem Recht erfließt aus dem Unionsrecht selbst sowie dessen innerstaatlichem Geltungsgrund in den Mitgliedstaaten und nicht aus einer Norm wie Art 2 VSKS. Für Österreich findet der Vorranganspruch des Unionsrechts seine verfassungsrechtliche Grundlage im EU-Beitritts-BVG, das darauf abzielte, 'die österreichische Rechtsordnung gegenüber der Rechtsordnung der EU in der Weise zu öffnen, wie sich dies aus deren besonderem Geltungsanspruch – der vor allem vom Vorrang und von der Durchgriffswirkung des Gemeinschaftsrechts bestimmt ist – ergibt' (ErlRV 1546 BlgNR 18. GP, 4). Nach der Judikatur des EuGH gilt ein allfälliger Vorrang des Unionsrechts auch gegenüber entgegenstehenden Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen (vgl. EuGH Rs. 3/91, Exportur, Slg. 1992, I-5529, Rz. 8, EuGH Rs. C-469/00, SARL, Slg. 2003, I-5053, Rz. 37). Die salvatorische Klausel des Art 2 Abs 2 VSKS setzt diesen – seinerseits verfassungsrechtlich durch das EU-Beitritts-BVG abgesicherten - Geltungsanspruch des Unionsrechts voraus und stellt sicher, dass eine derartige Konfliktsituation gar nicht eintritt.

Im Übrigen ist mit Potacs/C. Mayer, aaO, 144, festzuhalten, dass vergleichbare salvatorische Klauseln auch in anderen völkerrechtlichen Verträgen, wie etwa Art 11 Abs 2 des Abkommens über die Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen Österreich und Ägypten, BGBl III Nr 73/2002,

'Dieses Abkommen gilt unbeschadet der Verpflichtungen, die sich aus der Mitgliedschaft der Republik Österreich in der Europäischen Union ergeben, sowie vorbehaltlich dieser Verpflichtungen. Eine Berufung auf die Bestimmungen dieses Abkommens bzw. deren Auslegung darf daher nicht in einer Art und Weise erfolgen, welche die Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen, auf denen die Europäische Union begründet ist, oder aus Vereinbarungen zwischen der Arabischen Republik Ägypten und der Europäischen Gemeinschaft ergeben, unwirksam machen oder auf eine andere Weise beeinträchtigen'

zu finden sind und auch häufig in Bundes- wie auch Landesgesetzen zur Wahrung der Gesetzgebungszuständigkeiten der jeweiligen Gebietskörperschaften enthalten sind. Der Verfassungsgerichtshof hat bislang derartige 'kompetenzsichernde' Klauseln nicht beanstandet.

Für die Bundesregierung ist daher nicht nachvollziehbar, inwiefern durch eine solche Bestimmung, die – in unionsrechtskonformer Weise – lediglich den Anwendungsbereich eines völkerrechtlichen Vertrags abgrenzt, eine Normenkontrollkompetenz begründet werden sollte.

Zusammenfassend sieht die Bundesregierung daher auch in Art 2 Abs 2 VSKS keine verfassungsändernde Bestimmung.

5. Zu den Bedenken hinsichtlich der Übertragung von Hoheitsrechten (Art9 Abs 2 B-VG) im Hinblick auf einzelne Bestimmungen des VSKS

Wie bereits […] ausgeführt, liegt den Bedenken die Rechtsmeinung zugrunde, Art 9 Abs 2 B-VG ermächtige nicht zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union und biete daher keine verfassungsrechtliche Grundlage für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Kommission und den Gerichtshof der Europäischen Union durch den VSKS (Seite 9 ff, 31 ff des Antrags). Um welche Bestimmungen dieses Vertrages es sich dabei im Einzelnen handeln soll, wird im Antrag nur beispielsweise anhand einiger Bestimmungen (Art5, 7 und 8) dargelegt. Im Übrigen wird im Antrag (Seite 9) nur ausgeführt, dass Art 9 Abs 2 B-VG 'für all jene Bestimmungen des VSKS von Bedeutung [sei], durch welche den Organen der EU, nämlich hauptsächlich der Kommission und dem EuGH, derartige Befugnisse übertragen werden.'

Neben Art 7 VSKS sehen die Antragsteller insb. in Art 8 VSKS eine Verfassungsänderung. Die Bedenken betreffen die Befugnis des EuGH, über den Vorwurf einer unzureichenden Umsetzung der Schuldenbremse in das nationale Recht zu entscheiden und allenfalls Sanktionen festzulegen und die angebliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein derartiges 'Vertragsverletzungsverfahren' einzuleiten, wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein Verstoß vorliegt. Dies laufe auf die Befugnis der Kommission hinaus, die Einleitung eines solchen Verfahrens anzuordnen. Weiters erscheine auch für die Bestimmung des Art 5 VSKS betreffend Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogram[m]en eine verfassungsändernde Behandlung geboten, weil 'derzeit' nicht abschätzbar sei, ob sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VSKS - dieser Zeitpunkt liegt jedoch […] bereits in der Vergangenheit – verfassungsändernd sein wird.

Die Bundesregierung hält auch diese Bedenken für unbegründet:

Wie bereits […] ausgeführt, kann – entgegen der Prämisse der Antragssteller - durch einen völkerrechtlichen Vertrag außerhalb des Rechts der Europäischen Union, wie dies durch den VSKS erfolgt ist, eine Übertragung von Hoheitsrechten auch auf Organe der Europäischen Union auf Art 9 Abs 2 B-VG gestützt werden. Mangels weiterführender Bedenken im Hinblick auf die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des Art 9 Abs 2 B-VG kann die Prüfung der angefochtenen Artikel[…] des VSKS knapp abgehandelt werden: Zu Artikel 7 VSKS wurde bereits oben […]ausgeführt, dass der Kommission gar kein Hoheitsrecht übertragen wird.

Durch Art 8 Abs 1 und 2 VSKS wird eine Zuständigkeit des Gerichtshofes der Europäischen Union zur Beurteilung der Frage begründet, ob eine Vertragspartei Art 3 Abs 2 VSKS nachgekommen ist. Die Betrauung einer zwischenstaatlichen Einrichtung mit der bindenden Entscheidung von Streitigkeiten aus einem Staatsvertrag ist ein geradezu prototypischer Anwendungsfall des Art 9 Abs 2 B-VG […]. Das Maß des nach dieser Bestimmung zulässigerweise Übertragbaren wird dabei keinesfalls überschritten. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , SV2/12, Rz 61, gerade im Zusammenhang mit einer zuständigkeitsbegründenden Regelung für den EuGH zur Erlassung verbindlicher Urteile, dieses Maß wie folgt umschrieben:

'Dieses wird zum einen dadurch bestimmt, dass, worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist, die Wendung 'einzelne Hoheitsrechte' nicht zu eng verstanden werden darf (vgl. Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 247; Öhlinger, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 9, Rz 13; Cl. Mayer, Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanismus, JRP 2012, 124 [136]). Auf der anderen Seite wäre die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, wie sie den Europäischen Gemeinschaften 1981 zugekommen sind, nicht mehr von Art 9 Abs 2 B-VG gedeckt.'

Die der Europäischen Kommission durch Art 8 Abs 1 VSKS übertragene Zuständigkeit stellt nach Ansicht der Bundesregierung kein Hoheitsrecht im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG dar. Gemäß Art 8 Abs 1 VSKS hat die Europäische Kommission den Vertragsparteien einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die jede von ihnen gemäß Art 3 Abs 2 VSKS erlassen hat, in dem sie offenbar auch zum Schluss kommen kann, dass eine Vertragspartei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Irgendwelche Entscheidungsbefugnisse werden der Europäischen Kommission durch diese Vertragsbestimmungen nicht übertragen. Nicht die Europäische Kommission, sondern eine oder mehrere Vertragsparteien können den Gerichtshof befassen. Eine Befugnis der Kommission zur Anordnung eines Verfahrens vor dem Gerichtshof ist nicht gegeben.

Auch die Bedenken im Hinblick auf eine Schaffung möglicher neuer Genehmigungstatbestände für 'Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme' (Art5 VSKS) treffen nicht zu:

Diese Übertragung der Prüfbefugnis an die Kommission erfolgt gemäß Art 5 VSKS nämlich 'im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts' und gilt bei einem laufenden Defizitverfahren. Sie ist durch die primärrechtlichen Vorschriften zur Vermeidung übermäßiger Defizite grundsätzlich gedeckt und ändert das Verfahren lediglich in einer die Mitgliedstaaten begünstigenden Weise (Potacs/C. Mayer, aaO, 145, mit Verweis auf BVerfG 2 BvR 1390/12 vom , Rz. 311).

Bereits bisher wurde im Rahmen von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf Basis des Art 126 Abs 7 AEUV ein Mitgliedstaat aufgefordert, innerhalb der Frist von sechs Monaten Informationen über Maßnahmen vorzulegen, mit welchen er dieses übermäßige Defizit beseitigen will. Befindet der Rat diese als effektiv, wird das Verfahren im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr 1467/97 idF der Verordnung (EU) Nr 1177/11 ruhend gestellt. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichend erscheinen bzw. die Resultate nicht entsprechend aufscheinen, sind die weiteren Schritte in diesem Verfahren (auf Basis der Art 126 Abs 8, 9 und 11 AEUV) vorgesehen, um eine erfolgreiche Korrektur und Aufhebung des übermäßigen Defizits gemäß Art 126 Abs 12 AEUV sicherzustellen.

Der VSKS definiert lediglich diese Informationspflichten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gemäß Art 126 Abs 7 AEUV durch die Vorlage eines 'Wirtschaftspartnerschaftsprogramms'. Eine weitere Übertragung von Hoheitsbefugnissen an die Kommission erfolgt hierdurch nicht.

Insgesamt geht die Bundesregierung daher davon aus, dass sich die Übertragung von Hoheitsrechten durch den VSKS – gerade auch im Vergleich zur Übertragung von Hoheitsrechten durch den ESM-Vertrag, die der Verfassungsgerichtshof für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hat (Erkenntnis vom , SV2/12, Rz 61) – im Rahmen dessen hält, was nach Art 9 Abs 2 B-VG zulässig ist (so im Ergebnis auch C. Mayer, Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanismus, JRP 2012, 124 [136]).

6. Zu den Bedenken hinsichtlich des Unionsrechts

Der Antrag erhebt auch unionsrechtliche Bedenken gegen den VSKS, beschränkt sich jedoch auf Fälle, in denen eine allfällige Europarechtswidrigkeit 'zugleich eine Verfassungswidrigkeit auslöst oder die Bestimmungen des Vertrages verfassungsändernd macht.' Neben der Behauptung, dass es europarechtswidrig sei, einen Vertrag[…] wie den VSKS außerhalb des Rechtsrahmens der EU abzuschließen, wird insbesondere eine Verletzung von Art 20 EUV thematisiert, da die Unterzeichnerstaaten des VSKS keinen Versuch unternommen hätten, die (einstimmige) Genehmigung des Rates für eine derartige Verstärkte Zusammenarbeit zu erhalten.

Wie auch der Antrag betont, kann nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine Unionsrechtswidrigkeit nicht zugleich als Verfassungswidrigkeit aufgegriffen werden. Diese Rechtsansicht ist auch zuletzt im Erkenntnis vom 16. März, SV2/12, bestätigt worden. In Rz 53 heißt es:

'Soweit die Kärntner Landesregierung darüber hinaus 'einige unionsrechtliche Fragen' des 'ESMV im Licht des künftigen Art 136 Abs 3 AEUV' aufwirft, berührt sie keine vom Verfassungsgerichtshof nach Art 140a iVm 140 B-VG zu beurteilenden Fragen (siehe zu Art 140 B-VG, VfSlg 19.496/2011).'

Im Übrigen ist eine Verpflichtung, die Verstärkte Zusammenarbeit zu wählen, bevor etwa auf klassische zwischenstaatliche Formen der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten außerhalb des Unionsrahmens zurückgegriffen werden könne, in keiner der zitierten Bestimmungen ausdrücklich verankert und kann aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Bestimmungen ('können') auch nicht über den Umweg des Loyalitätsgebots konstruiert werden.

7. Zum Eventualantrag

Der Eventualantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des gesamten VSKS wird für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG für analog anwendbar erachten sollte. Gründe für eine solche Analogie sieht der Antrag in einem Größenschluss zu Art 23i und Art 23j B-VG, in einer 'Nähe' des VSKS zum Unionsrecht (durch Inanspruchnahme der in Art 273 AEUV vorgesehenen EuGH-Zuständigkeit wie auch des dem Art 260 AEUV nachgebildeten Sanktionsverfahrens und im Umstand, dass nicht gänzlich auszuschließen sei, dass der EuGH der Schuldenbremse gemäß Art 3 VSKS unmittelbare Anwendung und Vorrang zuspricht.

Die Bundesregierung hält auch den Eventualantrag für unbegründet. Wie letztlich auch bereits die Antragssteller zugestehen, sprechen die besseren Gründe gegen eine analoge Anwendung des Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG. Auch kann eine für eine analoge Anwendung erforderliche planwidrige Lücke nicht erblickt werden, zumal ohnehin – wie die Antragsteller ausführen – im Zusammenhang mit Staatsverträgen jederzeit ein vorbereitendes Bundesverfassungsgesetz (mit denselben Quoren) erlassen werden könnte. Anders als die Antragssteller meinen, enthält der VSKS – wie oben näher ausgeführt – überdies keine verfassungsändernden Bestimmungen, weshalb die Genehmigung gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG verfassungskonform war. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Bestimmungen des VSKS nach Ansicht der Bundesregierung nicht rechtswidrig sind."

II. Rechtslage

1.1. Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen dem Königreich Belgien, der Republik Bulgarien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, Rumänien, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland und dem Königreich Schweden (VSKS), BGBl III 17/2013, lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"TITEL I

ZWECK UND ANWENDUNGSBEREICH

ARTIKEL 1

(1) Mit diesem Vertrag kommen die Vertragsparteien als Mitgliedstaaten der Europäischen Union überein, die wirtschaftliche Säule der Wirtschafts- und Währungsunion durch Verabschiedung einer Reihe von Vorschriften zu stärken, die die Haushaltsdisziplin durch einen fiskalpolitischen Pakt fördern, die Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitiken verstärken und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets verbessern sollen und dadurch zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt beitragen.

(2) Auf die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, findet dieser Vertrag in vollem Umfang Anwendung. Für die anderen Vertragsparteien gilt er in dem in Artikel 14 festgelegten Umfang und unter den dort genannten Voraussetzungen.

TITEL II

KOHÄRENZ MIT DEM UNIONSRECHT UND VERHÄLTNIS ZUM UNIONSRECHT

ARTIKEL 2

(1) Dieser Vertrag wird von den Vertragsparteien in Übereinstimmung mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, insbesondere mit Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, und mit dem Recht der Europäischen Union, einschließlich dem Verfahrensrecht, wann immer der Erlass von Sekundärgesetzgebung erforderlich ist, angewandt und ausgelegt.

(2) Dieser Vertrag gilt insoweit, wie er mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, und mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Er lässt die Handlungsbefugnisse der Union auf dem Gebiet der Wirtschaftsunion unberührt.

TITEL III

FISKALPOLITISCHER PAKT

ARTIKEL 3

(1) Die Vertragsparteien wenden zusätzlich zu ihren sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen und unbeschadet dieser Verpflichtungen die in diesem Absatz festgelegten Vorschriften an:

a) Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf.

b) Die Regel unter Buchstabe a gilt als eingehalten, wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen, entspricht. Die Vertragsparteien stellen eine rasche Annäherung an ihr jeweiliges mittelfristiges Ziel sicher. Der zeitliche Rahmen für diese Annäherung wird von der Europäischen Kommission unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit vorgeschlagen werden. Die Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Ziel und dessen Einhaltung werden dem geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakt entsprechend auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient und die eine Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen einschließt.

c) Die Vertragsparteien dürfen nur unter den in Absatz 3 Buchstabe b festgelegten außergewöhnlichen Umständen vorübergehend von ihrem jeweiligen mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad abweichen.

d) Liegt das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen erheblich unter 60 % und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering, so kann die Untergrenze des in Buchstabe b angegebenen mittelfristigen Ziels ein strukturelles Defizit von maximal 1,0 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen.

e) Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen automatisch einen Korrekturmechanismus aus. Dieser Mechanismus schließt die Verpflichtung der betreffenden Vertragspartei ein, zur Korrektur der Abweichungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums Maßnahmen zu treffen.

(2) Die Regelungen nach Absatz 1 werden im einzelstaatlichen Recht der Vertragsparteien in Form von Bestimmungen, die verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist, spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Vertrags wirksam. Die Vertragsparteien richten auf nationaler Ebene den in Absatz 1 Buchstabe e genannten Korrekturmechanismus ein und stützen sich dabei auf gemeinsame, von der Europäischen Kommission vorzuschlagende Grundsätze, die insbesondere die Art, den Umfang und den zeitlichen Rahmen der – auch unter außergewöhnlichen Umständen – zu treffenden Korrekturmaßnahmen sowie die Rolle und Unabhängigkeit der auf nationaler Ebene für die Überwachung der Einhaltung der in Absatz 1 genannten Regelungen zuständigen Institutionen betreffen. Dieser Korrekturmechanismus wahrt uneingeschränkt die Vorrechte der nationalen Parlamente.

(3) Für die Zwecke dieses Artikels gelten die Begriffsbestimmungen, die in Artikel 2 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit festgelegt sind.

Zusätzlich dazu gelten für die Zwecke dieses Artikels die folgenden Begriffsbestimmungen:

a) 'Jährlicher struktureller Saldo des Gesamtstaats' ist der konjunkturbereinigte jährliche Saldo ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen.

b) 'Außergewöhnliche Umstände' sind ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder ein schwerer Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts, vorausgesetzt, die vorübergehende Abweichung der betreffenden Vertragspartei gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

ARTIKEL 4

Geht das Verhältnis zwischen dem gesamtstaatlichen Schuldenstand einer Vertragspartei und dem Bruttoinlandsprodukt über den in Artikel 1 des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit genannten Referenzwert von 60 % hinaus, so verringert diese Vertragspartei es gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr 1467/97 des Rates vom über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit in der durch die Verordnung (EU) Nr 1177/2011 des Rates vom geänderten Fassung als Richtwert um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich. Das Bestehen eines übermäßigen Defizits durch die Verletzung des Schuldenkriteriums wird vom Rat nach dem Verfahren des Artikels 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgestellt werden.

ARTIKEL 5

(1) Eine Vertragspartei, die gemäß den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, legt ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auf, das eine detaillierte Beschreibung der Strukturreformen enthält, die zur Gewährleistung einer wirksamen und dauerhaften Korrektur ihres übermäßigen Defizits zu beschließen und umzusetzen sind. Inhalt und Form dieser Programme werden im Recht der Europäischen Union festgelegt. Sie werden dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Genehmigung vorgelegt werden und auch innerhalb dieses Rahmens überwacht werden.

(2) Die Umsetzung des Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramms und die mit diesem Programm in Einklang stehenden jährlichen Haushaltspläne werden vom Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission überwacht werden.

ARTIKEL 6

Zur besseren Koordinierung der Planung für die Begebung von Staatsschuldtiteln erstatten die Vertragsparteien dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission im Voraus über ihre entsprechenden Planungen Bericht.

ARTIKEL 7

Die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, verpflichten sich unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Diese Verpflichtung entfällt, wenn zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit von ihnen gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist.

ARTIKEL 8

(1) Die Europäische Kommission wird aufgefordert, den Vertragsparteien zu gegebener Zeit einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die jede von ihnen gemäß Artikel 3 Absatz 2 erlassen hat. Gelangt die Europäische Kommission, nachdem sie der betreffenden Vertragspartei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass diese Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 nicht nachgekommen ist, wird der Gerichtshof der Europäischen Union von einer oder mehreren Vertragsparteien mit der Angelegenheit befasst werden. Ist eine Vertragspartei unabhängig vom Bericht der Kommission der Auffassung, dass eine andere Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 nicht nachgekommen ist, so kann sie den Gerichtshof mit der Angelegenheit befassen. In beiden Fällen ist das Urteil des Gerichtshofs für die Verfahrensbeteiligten verbindlich, und diese müssen innerhalb einer vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen treffen, um dem Urteil nachzukommen.

(2) Ist eine Vertragspartei nach eigener Einschätzung oder aufgrund der Bewertung der Europäischen Kommission der Auffassung, dass eine andere Vertragspartei nicht die in Absatz 1 genannten erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, so kann sie den Gerichtshof mit der Sache befassen und die Verhängung finanzieller Sanktionen gemäß den von der Europäischen Kommission im Rahmen von Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Kriterien verlangen. Stellt der Gerichtshof fest, dass die betreffende Vertragspartei seinem Urteil nicht nachgekommen ist, so kann er gegen diese Vertragspartei einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld verhängen, der/das den Umständen angemessen ist und nicht über 0,1 % ihres Bruttoinlandsprodukts hinausgeht. Die gegen eine Vertragspartei, deren Währung der Euro ist, verhängten Beträge sind an den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu entrichten. Anderenfalls werden die Zahlungen an den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union entrichtet.

(3) Dieser Artikel stellt einen Schiedsvertrag zwischen den Vertragsparteien im Sinne des Artikels 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar.

TITEL IV

WIRTSCHAFTSPOLITISCHE KOORDINIERUNG UND KONVERGENZ

ARTIKEL 9

Gestützt auf die wirtschaftspolitische Koordinierung im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verpflichten sich die Vertragsparteien, gemeinsam auf eine Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, die durch erhöhte Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion sowie das Wirtschaftswachstum fördert. Zu diesem Zweck leiten die Vertragsparteien in Verfolgung des Ziels, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu fördern, weiter zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beizutragen und die Finanzstabilität zu stärken, in allen für das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets wesentlichen Bereichen die notwendigen Schritte und Maßnahmen ein.

ARTIKEL 10

Den Anforderungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, entsprechend sind die Vertragsparteien bereit, in Angelegenheiten, die für das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets wesentlich sind, wann immer dies angemessen und notwendig ist, von den in Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Maßnahmen für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, und – ohne dabei den Binnenmarkt zu beeinträchtigen – von der in Artikel 20 des Vertrags über die Europäische Union und in den Artikeln 326 bis 334 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Verstärkten Zusammenarbeit aktiven Gebrauch zu machen.

ARTIKEL 11

Um Benchmarks für vorbildliche Vorgehensweisen festzulegen und auf eine enger koordinierte Wirtschaftspolitik hinzuarbeiten, stellen die Vertragsparteien sicher, dass alle von ihnen geplanten größeren wirtschaftspolitischen Reformen vorab zwischen ihnen erörtert und gegebenenfalls koordiniert werden. In diese Koordinierung werden die Organe der Europäischen Union gemäß den Erfordernissen des Rechts der Europäischen Union einbezogen.

TITEL V

STEUERUNG DES EURO-WÄHRUNGSGEBIETS

ARTIKEL 12

(1) Die Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, und der Präsident der Europäischen Kommission treten informell zu Tagungen des Euro-Gipfels zusammen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank wird zur Teilnahme an diesen Tagungen eingeladen.

Der Präsident des Euro-Gipfels wird von den Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, mit einfacher Mehrheit zu dem gleichen Zeitpunkt ernannt, zu dem der Europäische Rat seinen Präsidenten wählt; die Amtszeit entspricht der des Präsidenten des Europäischen Rates.

(2) Euro-Gipfel werden bei Bedarf – mindestens jedoch zweimal jährlich – einberufen, damit die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, Fragen im Zusammenhang mit ihrer spezifischen gemeinsamen Verantwortung für die einheitliche Währung, weitere die Steuerung des Euro-Währungsgebiets betreffende Fragen und die dafür geltenden Vorschriften sowie strategische Orientierungen für die Steuerung der Wirtschaftspolitik und größere Konvergenz im Euro-Währungsgebiet erörtern.

(3) Die Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien, deren Währung nicht der Euro ist und die diesen Vertrag ratifiziert haben, nehmen an den Beratungen der Tagungen der Euro-Gipfel teil, die für die Vertragsparteien die Wettbewerbsfähigkeit, die Änderung der allgemeinen Architektur des Euroraums und der grundlegenden Regelungen, die für diesen in Zukunft gelten werden, betreffen, sowie, wenn dies sachgerecht ist und mindestens einmal im Jahr, an Beratungen zu bestimmten Fragen der Durchführung dieses Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion.

(4) Der Präsident des Euro-Gipfels gewährleistet in enger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission die Vorbereitung und Kontinuität der Tagungen des Euro-Gipfels. Das mit der Vorbereitung und Nachbereitung der Tagungen des Euro-Gipfels betraute Gremium ist die Euro-Gruppe, deren Präsident zu diesem Zweck zur Teilnahme an diesen Tagungen eingeladen werden kann.

(5) Der Präsident des Europäischen Parlaments kann eingeladen werden, um gehört zu werden. Der Präsident des Euro-Gipfels legt dem Europäischen Parlament nach jeder Tagung des Euro-Gipfels einen Bericht vor.

(6) Der Präsident des Euro-Gipfels unterrichtet die anderen Vertragsparteien als die, deren Währung der Euro ist, und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union laufend und eingehend über die Vorbereitungen und die Ergebnisse der Tagungen des Euro-Gipfels.

ARTIKEL 13

Wie in Titel II des den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 1) über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorgesehen, bestimmen das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente der Vertragsparteien gemeinsam über die Organisation und Förderung einer Konferenz von Vertretern der zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments und von Vertretern der zuständigen Ausschüsse der nationalen Parlamente, um die Haushaltspolitik und andere von diesem Vertrag erfasste Angelegenheiten zu diskutieren.

TITEL VI

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

ARTIKEL 14

(1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durch die Vertragsparteien gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Ratifikationsurkunden werden beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union (im Folgenden 'Verwahrer') hinterlegt.

(2) Dieser Vertrag tritt am in Kraft, sofern zwölf Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, ihre Ratifikationsurkunde hinterlegt haben, oder am ersten Tag des Monats, der auf die Hinterlegung der zwölften Ratifikationsurkunde durch eine Vertragspartei, deren Währung der Euro ist, folgt, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt.

(3) Dieser Vertrag gilt ab dem Tag des Inkrafttretens zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, die ihn ratifiziert haben. Er gilt für die anderen Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, ab dem ersten Tag des auf die Hinterlegung ihrer jeweiligen Ratifikationsurkunde folgenden Monats.

(4) Abweichend von den Absätzen 3 und 5 gilt Titel Vfür alle betroffenen Vertragsparteien ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Vertrags.

(5) Auf die Vertragsparteien, für die eine Ausnahmeregelung im Sinne von Artikel 139 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine Freistellung gemäß dem den Verträgen zur Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 16) über einige Bestimmungen betreffend Dänemark gilt und die den vorliegenden Vertrag ratifiziert haben, findet dieser Vertrag ab dem Tag Anwendung, an dem der Beschluss zur Aufhebung der Ausnahmeregelung bzw. Freistellung wirksam wird, es sei denn, die betreffende Vertragspartei erklärt, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt an alle oder einige Bestimmungen der Titel III und IV dieses Vertrags gebunden sein will.

ARTIKEL 15

Dieser Vertrag steht den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die keine Vertragspartei sind, zum Beitritt offen. Der Beitritt wird mit der Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Verwahrer wirksam, der die anderen Vertragsparteien davon in Kenntnis setzt. Nach Authentifizierung durch die Vertragsparteien wird der Wortlaut dieses Vertrags in der Amtssprache des beitretenden Mitgliedstaats, die auch eine Amtssprache und eine Arbeitssprache der Organe der Union ist, im Archiv des Verwahrers als verbindlicher Wortlaut dieses Vertrags hinterlegt.

ARTIKEL 16

Binnen höchstens fünf Jahren ab dem Inkrafttreten dieses Vertrags werden auf der Grundlage einer Bewertung der Erfahrungen mit der Umsetzung des Vertrags gemäß dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union die notwendigen Schritte mit dem Ziel unternommen, den Inhalt dieses Vertrags in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu überführen."

1.2. Die anlässlich der Unterzeichnung des VSKS von den Vertragsparteien betreffend Art 8 dieses Vertrags getroffene Regelung (siehe Erläut. zu RV 1725 BlgNR 24. GP, 13) lautet:

"VERTRAG ÜBER STABILITÄT, KOORDINIERUNG UND STEUERUNG IN DER WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION VON DEN VERTRAGSPARTEIEN BEI DER UNTERZEICHNUNG GETROFFENE REGELUNG BETREFFEND ARTIKEL 8 DES VERTRAGS.

Die folgende Regelung gilt, um eine Angelegenheit gemäß Artikel 8 Absatz 1 Satz 2 des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (im Folgenden 'Vertrag') auf Grundlage von Artikel 273 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig zu machen, wenn die Kommission in einem Bericht an die Vertragsparteien zu dem Schluss gelangt ist, dass eine Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags nicht nachgekommen ist:

(1) Die Klageschrift, mit der der Gerichtshof ersucht wird festzustellen, dass eine Vertragspartei — wie im Kommissionsbericht festgestellt – Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags nicht nachgekommen ist, wird von den in Absatz 2 genannten Klägern bei der Kanzlei des Gerichtshofs innerhalb von drei Monaten eingereicht werden, nachdem der Kommissionsbericht, in dem festgestellt wird, dass eine Vertragspartei Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags nicht nachgekommen ist, bei den Vertragsparteien eingegangen ist. Die Kläger werden im Interesse aller durch die Artikel 3 und 8 des Vertrags gebundenen Vertragsparteien und in enger Zusammenarbeit mit diesen handeln, mit Ausnahme der Vertragspartei, gegen die sich die Klage richtet, und im Einklang mit der Satzung und der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

(2) Kläger werden die durch die Artikel 3 und 8 des Vertrags gebundenen Vertragsparteien sein, welche die Mitgliedstaaten sind, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kommissionsberichts die zuvor festgelegte Gruppe derjenigen drei Mitgliedstaaten bilden, die nach Artikel 1 Absatz 4 der Geschäftsordnung des Rates den Vorsitz im Rat der Europäischen Union führen (Dreiervorsitz), soweit zu diesem Zeitpunkt i) nicht aus einem Kommissionsbericht hervorgeht, dass sie ihren Verpflichtungen im Rahmen des Artikels 3 Absatz 2 des Vertrags nicht nachgekommen sind, ii) nicht anderweitig gemäß Artikel 8 Absatz 1 oder 2 vor dem Gerichtshof gegen sie Klage erhoben worden ist und iii) sie nicht im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts aus anderen nachweisbaren Gründen übergeordneter Natur daran gehindert sind, zu handeln. Erfüllt keiner der drei betreffenden Mitgliedstaaten diese Kriterien, so obliegt es den Mitgliedern des vorausgehenden Dreiervorsitzes, den Gerichtshof unter denselben Bedingungen mit der Sache zu befassen.

(3) Auf Antrag der Kläger wird diesen während des Verfahrens vor dem Gerichtshof von den Vertragsparteien, in deren Interesse Klage erhoben wurde, die erforderliche technische oder logistische Unterstützung gewährt.

(4) Entstehen den Klägern infolge des Urteils des Gerichtshofs Kosten, so werden diese von allen Vertragsparteien, in deren Interesse der Rechtsstreit anhängig gemacht wurde, gemeinsam getragen werden.

(5) Gelangt ein neuer Bericht der Kommission zu dem Schluss, dass die betreffende Vertragspartei es nicht länger unterlässt, Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags nachzukommen, so werden die Kläger dem Gerichtshof unverzüglich schriftlich mitteilen, dass sie im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Klage zurücknehmen.

(6) Auf Grundlage einer Bewertung der Europäischen Kommission, dass eine Vertragspartei nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um dem in Artikel 8 Absatz 1 des Vertrags genannten Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, erklären die durch die Artikel 3 und 8 des Vertrags gebundenen Vertragsparteien, dass sie beabsichtigen, von dem Verfahren gemäß Artikel 8 Absatz 2 in vollem Umfang Gebrauch zu machen, um den Gerichtshof unter Zugrundelegung der für die Umsetzung von Artikel 8 Absatz 1 des Vertrags getroffenen Regelung mit dem Fall zu befassen."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland (Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus — ESMV), BGBl III 138/2012, lauten:

"IN ERWÄGUNG NACHSTEHENDER GRÜNDE:

[…]

(5) Am haben die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, vereinbart, Schritte in Richtung auf eine stärkere Wirtschaftsunion zu unternehmen, einschließlich eines neuen fiskalpolitischen Pakts und einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung, die durch einen Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ('VSKS') umzusetzen ist. Der VSKS wird dazu beitragen, eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Euro-Währungs-gebiet zu entwickeln, um eine dauerhafte, gesunde und stabile Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und so eine der Hauptursachen der finanziellen Instabilität anzugehen. Der vorliegende Vertrag und der VSKS ergänzen sich gegenseitig bei der Verstärkung der haushaltspolitischen Verantwortlichkeit und der Solidarität innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion. Es ist anerkannt und vereinbart, dass die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM ab dem von der Ratifizierung des VSKS durch das betreffende ESM-Mitglied abhängt, und nach Ablauf der in Artikel 3 Absatz 2 VSKS genannten Frist von der Erfüllung der in diesem Artikel genannten Pflichten.

[…]

ARTIKEL 37

Auslegung und Streitbeilegung

(1) Alle Fragen der Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages und der Satzung des ESM, die zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern auftreten, werden dem Direktorium zur Entscheidung vorgelegt.

(2) Der Gouverneursrat entscheidet über alle Streitigkeiten zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrags, einschließlich etwaiger Streitigkeiten über die Vereinbarkeit der vom ESM gefassten Beschlüsse mit diesem Vertrag. Das Stimmrecht des Mitglieds (der Mitglieder) des Gouverneursrats, das das/die betroffene(n) ESM-Mitglied(er) vertritt, wird bei der Abstimmung des Gouverneursrats über eine solche Entscheidung ausgesetzt und die zur Abstimmung des Gouverneursrats über diese Entscheidung notwendige Stimmrechtsschwelle wird entsprechend neu berechnet.

(3) Ficht ein ESM-Mitglied die in Absatz 2 genannte Entscheidung an, so wird die Streitigkeit beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Parteien dieses Rechtsstreits verbindlich; diese treffen innerhalb der vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen, um dem Urteil nachzukommen."

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1. Gemäß Art 140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge sowie auf Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, Art 140 B VG, auf alle anderen Staatsverträge Art 139 B-VG sinngemäß anzuwenden.

Bei dem angefochtenen VSKS handelt es sich um einen gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag. Auf dessen Prüfung nach Art 140a B-VG ist somit Art 140 B-VG sinngemäß anzuwenden.

2. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen unter anderem auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates (Art140 Abs 1 2. Satz B-VG). Die einschreitenden 70 Abgeordneten verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates in der 24. Gesetzgebungsperiode (vgl. § 1 Abs 1 Nationalrats-Wahlordnung 1992); dem in Art 140 Abs 1 2. Satz B-VG normierten Erfordernis ist daher entsprochen.

3. Ein von Mitgliedern des Nationalrates gestellter Antrag ist zulässig, sobald das Gesetz rechtswirksam erlassen wurde, und zwar auch schon dann, wenn es noch nicht in Wirksamkeit getreten ist (vgl. VfSlg 6460/1971, 14.187/1995, 14.895/1997). Ein Staatsvertrag nach Art 50 B-VG ist innerstaatlich mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt verbindlich (VfSlg 18.576/2008, 18.740/2009).

Das den VSKS kundmachende BGBl III 17/2013 wurde am ausgegeben. Der vorliegende Antrag stammt vom und ist am selben Tag beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Er ist daher auch insoweit zulässig.

4.1. Mit dem vorliegenden Antrag machen die einschreitenden Abgeordneten geltend, dass die Bestimmungen des Art 2 Abs 2, Art 3 Abs 1 litb, Art 5, Art 7 sowie Art 8 VSKS verfassungswidrig sind. Eine Genehmigung des VSKS nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG hätte daher nach Ansicht der einschreitenden Abgeordneten eines vorbereitenden Bundesverfassungsgesetzes gemäß Art 44 B-VG bedurft, weil Art 50 B-VG — abgesehen von dem in Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG geregelten Fall der Genehmigung von Staatsverträgen, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden — seit der B-VG-Novelle BGBl I 2/2008 den Abschluss verfassungsändernder Staatsverträge nicht mehr erlaube. Die einschreitenden Abgeordneten begehren daher, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art 140a B-VG die Rechtswidrigkeit von Art 2 Abs 2 VSKS, Art 3 Abs 1 litb VSKS, Art 5 VSKS, Art 7 VSKS sowie Art 8 VSKS feststellen und die Beendigung der Anwendbarkeit dieser Regelungen für die zuständigen österreichischen Behörden aussprechen.

4.2. Die Bundesregierung hält die beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit von Art 3 Abs 1 litb VSKS deswegen für unzulässig, weil der Antrag diesbezüglich vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken zu eng sei. Art 3 Abs 1 litb VSKS enthalte eine Konkretisierung der Regel eines ausgeglichenen Haushalts (Art3 Abs 1 lita VSKS) dahingehend, dass diese auch bei einem strukturellen Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts noch als eingehalten gilt. Der im Falle einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Art 3 Abs 1 litb VSKS verbleibende Teil des VSKS scheine insoweit den, nach dem Vorbringen der Antragsteller verfassungswidrigen, Eingriff in die Budgethoheit des Nationalrats nicht nur nicht zu bereinigen, sondern ihn im Gegenteil sogar zu vergrößern.

4.3. Der Einwand der Bundesregierung trifft zu:

Nach Art 140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtwidrigkeit von Staatsverträgen. Ein Staatsvertrag, dessen Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit der Verfassungsgerichtshof feststellt, ist mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses von den zu seiner Vollziehung berufenen Organen nicht mehr anzuwenden, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof eine Frist bestimmt, innerhalb der der Staatsvertrag weiterhin anzuwenden ist.

Der Verfassungsgerichtshof geht — und zwar sowohl zu Art 140a B-VG in der Fassung vor der B-VG-Novelle BGBl I 51/2012 (vgl. VfSlg 12.717/1991, 14.533/1996, 16.628/2002) wie zur Fassung nach der genannten Verfassungsnovelle (siehe SV2/2012) — davon aus, dass er in einem Verfahren nach Art 140a B-VG, liegt eine Rechtswidrigkeit (nur) einzelner Bestimmungen des Staatsvertrags vor, die Rechtswidrigkeit auch nur in Bezug auf einzelne Bestimmungen des Staatsvertrags festzustellen hat (siehe § 66 Z 2 VfGG).

Nach Art 3 Abs 1 lita VSKS ist der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf. Nach Art 3 Abs 1 litb VSKS ist dies der Fall ("[d]ie Regel unter Buchstabe a gilt als eingehalten"), wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts mit einer Untergrenze von einem strukturellen Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen entspricht. Unter bestimmten, näher geregelten Voraussetzungen kann nach Art 3 Abs 1 litd VSKS dieses strukturelle Defizit auch maximal 1 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen erreichen.

Die Bedenken der einschreitenden Abgeordneten gehen nun dahin, dass der VSKS deswegen nicht (bloß) als gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG vom Nationalrat genehmigt hätte werden dürfen, weil die in Art 3 Abs 1 litb VSKS festgelegte Untergrenze des strukturellen Defizits von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen gegen Art 13 Abs 2 B-VG verstoße, weil sie die in dieser Bestimmung enthaltenen Verfassungsvorschriften über die Gestaltung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden einschränke. Da mit der B-VG-Novelle BGBl I 2/2008 (1. Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz) Art 50 B-VG dahingehend geändert wurde, dass — mit Ausnahme der in Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG geregelten Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden — Staatsverträgen kein verfassungsändernder Inhalt mehr zukommen darf, hätte vor Genehmigung des VSKS nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG die Bundesverfassung entsprechend geändert werden müssen.

Träfen diese Bedenken zu, hätte der Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit jener Bestimmung festzustellen, derzufolge die von der Republik Österreich in Art 3 Abs 1 litb VSKS übernommene völkerrechtliche Verpflichtung eines ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalts eingehalten ist, wenn die Untergrenze eines strukturellen Defizits von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen eingehalten wird.

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Art 3 Abs 1 litb VSKS hätte zur Folge, dass diese Bestimmung gemäß Art 140a Z 1 B VG von den zur Vollziehung dieses Staatsvertrags berufenen Organen nicht mehr anzuwenden wäre; hingegen wären all jene Bestimmungen des Staatsvertrags, deren Rechtswidrigkeit nicht festgestellt wurde, weiterhin anzuwenden.

Dies bedeutete im vorliegenden Fall, dass die zuständigen österreichischen Organe weiterhin Art 3 Abs 1 lita VSKS anzuwenden hätten. Nach dieser Vorschrift wenden die Vertragsparteien "zusätzlich zu ihren sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen" unter anderem folgende verleibende Vorschrift an:

"a) Der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ist ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf."

Es ist daher zu prüfen, welchen Inhalt diese Vorschrift hat, und zwar auf Grund der verbleibenden Bestimmungen des VSKS und vor dem Hintergrund der bereits bestehenden, sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen, auf die der Einleitungssatz des Art 3 Abs 1 VSKS verweist.

Die Wortinterpretation ergibt zunächst, dass das Wort "ausgeglichen" in der Wendung "ausgeglichen oder weist einen Überschuss auf" einen Haushalt meint, der kein Defizit aufweist. Auch der Inhalt der übrigen Bestimmungen des Abs 1 des Art 3 VSKS spricht dafür, dass unter Außerachtlassung der litb unter einem "ausgeglichenen Haushalt" ein solcher ohne Defizit zu verstehen ist, legen diese Bestimmungen doch Voraussetzungen fest, unter denen abweichend von lita ein Haushalt ein Defizit aufweisen darf. Insbesondere legt auch litd Kriterien fest, bei denen ein "strukturelles Defizit von maximal 1,0 % des Bruttoinlandsprodukts zu Marktpreisen" zulässig ist.

Entscheidend ist aber, dass der Einleitungssatz des Abs 1 auf die "sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen" verweist. Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, ist damit insbesondere Art 2a der Verordnung Nr 1466/97 (EG) über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, ABl. 1997 L 209, 1 zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr 1175/2011, ABl. 2011 L 306, 12 (also in der durch das sogenannte "six-pack" des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts geänderten Fassung) gemeint. Diese Vorschrift sieht in Abs 1 vor, dass sich jeder Mitgliedsstaat ein "differenziertes mittelfristiges Haushaltsziel für seine Haushaltslage" setzt (daran knüpfen die litb bis e des Art 3 Abs 1 VSKS an). Abs 2 des Art 2a VO (EG) 1466/97 bestimmt sodann (Hervorhebung nicht im Normtext):

"Unter Berücksichtigung dieser Faktoren bewegen sich die länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele für die teilnehmenden Mitgliedstaaten und für die Mitgliedstaaten, die am WKM2 teilnehmen, innerhalb einer konkreten Spanne, die konjunkturbereinigt und ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen zwischen -1 % des BIP und einem ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt liegt."

Diese Bestimmung unterscheidet also ausdrücklich zwischen drei möglichen Salden des Haushalts: "-1 % des BIP", einem "ausgeglichenen" und einem "einen Überschuss aufweisenden Haushalt". In dieser Vorschrift wird daher ebenfalls mit "ausgeglichen" ein Haushalt gemeint, der weder ein Defizit noch einen Überschuss aufweist, wobei für den Begriff des "ausgeglichenen" Haushalts lediglich ein geringer, gewissermaßen im "0 %-Bereich" liegender mathematischer Spielraum übrig bleibt. Insbesondere ist eine Interpretation wie "nahezu ausgeglichen" und ähnliches ausgeschlossen, wird doch ein solcherart umschriebenes "Ausgeglichenheits-Kriterium" in Abs 1 des Art 2a VO (EG) 1466/97 zur Umschreibung eines Haushalts verwendet, der eben nicht ausgeglichen ist, sondern ein (geringfügiges) Defizit aufweist.

Art3 Abs 1 VSKS will nun "zusätzlich" zu dieser Beschränkung weitere Vorschriften festlegen, darunter, dass der gesamtstaatliche Haushalt einer Vertragspartei ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Dass hier unter "ausgeglichen" kein Haushalt ohne Defizit gemeint ist, ergibt sich ausschließlich aus der litb, die aber nicht mehr anzuwenden wäre. Daraus folgt aber, dass dann für die vollziehenden österreichischen Organe die Verpflichtung übrig bliebe, einen ausgeglichenen, also einen Haushalt ohne Defizit anzustreben. Die verbleibende, von den vollziehenden Organen anzuwendende Rechtslage verstieße daher aus genau den gleichen Gründen gegen die von den antragstellenden Abgeordneten ins Treffen geführten Verfassungsbestimmungen, insbesondere also Art 13 Abs 2 B VG, der Haushaltsspielraum der österreichischen Gebietskörperschaften wäre sogar noch geringer. Durch den von ihnen beantragten Umfang der Feststellung der Rechtswidrigkeit würde die von den einschreitendenden Abgeordneten geltend gemachte Rechtswidrigkeit also nicht beseitigt, sodass insoweit ihr Antrag unzulässig ist.

5. Der Antrag legt mit im Einzelnen näherer Begründung dar, warum Art 7 VSKS, Art 2 Abs 2 VSKS, Art 5 VSKS und Art 8 VSKS in Widerspruch zu geltendem Bundesverfassungsrecht stehen und daher erst nach Auflösung dieses Widerspruchs durch vorbereitende bundesverfassungsrechtliche Regelung der Genehmigung nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG unterzogen hätten werden dürfen. Im Hinblick auf die Art 5 und 8 VSKS (hier stellt die Bundesregierung zur Erwägung, ob dem Erfordernis der Darlegung der gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des VSKS "im einzelnen" bestehenden Bedenken [§62 Abs 1 iVm § 66 VfGG] entsprochen wird) werden dabei die Bedenken vor allem durch die Ausführungen des Antrags zu Art 9 Abs 2 B-VG konkretisiert. Der Antrag enthält also hinsichtlich all jener Bestimmungen des VSKS, deren Feststellung als rechtswidrig begehrt wird, eine Darlegung der diesbezüglichen Bedenken und ist daher insoferne zulässig.

6. Die einschreitenden Abgeordneten begehren "in eventu" auch Folgendes: "Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass der VSKS unter analoger Anwendung von Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG genehmigt hätte werden müssen", stellen die Abgeordneten den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Rechtswidrigkeit des gesamten VSKS feststellen und die Beendigung der Anwendbarkeit des gesamten VSKS für die zuständigen österreichischen Behörden aussprechen. Dieser Antrag wird also ausdrücklich unter eine Bedingung ("für den Fall, dass") gestellt, nämlich dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass der VSKS unter analoger Anwendung von Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG genehmigt hätte werden müssen. Damit handelt es sich bei diesem Antrag aber nicht um einen — nach herrschender Auffassung an sich zulässigen — Eventualantrag, der an ein Hauptbegehren anknüpft, sondern um ein Begehren, das nur dann als erhoben gelten soll, wenn der Verfassungsgerichtshof zu einer der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung gelangen sollte. Ein bedingter Antrag dieser Art ist jedoch, weil ihm ein "bestimmtes Begehren" im Sinne des § 15 Abs 2 VfGG fehlt, unzulässig (vgl. zB. VfSlg 16.589/2002, 17.215/2004, 18.121/2007). Dieser Antrag ist sohin zurückzuweisen.

7. Der Antrag ist also, soweit er begehrt, die Rechtswidrigkeit von Art 3 Abs 1 litb VSKS festzustellen, zurückzuweisen. Ebenso ist der für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zu einem bestimmten inhaltlichen Ergebnis gelangt, "in eventu" gestellte Antrag, die Rechtswidrigkeit des gesamten VSKS festzustellen, zurückzuweisen.

Im Übrigen ist der Antrag zulässig.

B. In der Sache:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Da Art 140 B-VG in diesem Verfahren nach Art 140a B-VG sinngemäß anzuwenden ist, hat sich der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung des vorliegenden Antrags auf die von den antragstellenden Abgeordneten vorgebrachten Bedenken zu beschränken ( SV2/2012).

Die antragstellenden Abgeordneten stützen sich in ihrem Antrag wesentlich auf Griller , Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ("Fiskalpakt"), JRP 2012, 177 ff.; die Bundesregierung stützt sich wesentlich auf Potacs/Cl. Mayer , Fiskalpakt verfassungswidrig? JRP 2013, 140 ff.

2. Der Nationalrat hat am den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (VSKS), der am von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Großbritanniens und der Tschechischen Republik unterzeichnet worden ist, gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigt. Nachdem der Bundesrat am dem Vertrag gemäß Art 50 Abs 2 Z 2 B-VG seine Zustimmung erteilt hat, wurde der VSKS mit BGBl III 17/2013, ausgegeben am , kundgemacht. Der VSKS ist gemäß seinem Art 14 Abs 2 mit in Kraft getreten.

Zur Entstehungsgeschichte dieses Vertrags führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1725 BlgNR 24. GP, 3) Folgendes aus:

"Die Europäische Union […] hat seit der ersten Jahreshälfte 2010 eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um die wirtschaftspolitische Steuerung im Euro-Währungsgebiet zu verbessern und die Bekämpfung der Staatschuldenkrise im Euro-Währungsgebiet voranzutreiben. In der ersten Jahreshälfte 2011 wurde das Europäische Semester erstmals umgesetzt, welches durch eine integrierte Betrachtungsweise der Wirtschafts- und Haushaltspolitik höheres Wachstum und Beschäftigung sowie mehr Stabilität in der Union und vor allem auch im Euro-Währungsgebiet generieren soll. Am trat das sog. 'Sixpack' in Kraft, welches die Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts stringenter macht, ein neues Verfahren zu makroökonomischen Ungleichgewichten einführt und Mindeststandards für nationale fiskalische Rahmenwerke vorsieht. Zudem ist gegenwärtig das 'Twopack' in Verhandlung mit dem Europäischen Parlament, welches die Koordinierung der nationalen Haushaltspolitiken im Euro-Währungsgebiet weiter verstärkt und die Verfahren bei Ländern mit Krisenanpassungsprogrammen regelt. Im Zuge ihrer Tagung am haben sich die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets zudem auf weiterführende Maßnahmen geeinigt und haben u.a. die Vereinbarung getroffen, einen neuen fiskalpolitischen Pakt und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung im Euro-Währungsgebiet auf den Weg zu bringen.

Nachdem Großbritannien der ursprünglich ins Auge gefassten Änderung der Gründungsverträge der EU zur Verankerung der dargestellten Ziele nicht zustimmte, wurde am der Entwurf eines völkerrechtlichen Vertrages, der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, vorgelegt. Auf Vorschlag der Bundesregierung […] hat der Bundespräsident am eine Vollmacht zu Verhandlungen des Vertrages erteilt. Der Nationalrat und der Bundesrat wurden gemäß Art 50 Abs 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unterrichtet. Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten hat dem Nationalrat und dem Bundesrat laufend über den Fortgang der Verhandlungen berichtet. Die Verhandlungen wurden von den 17 Euro-Staaten und neun Nicht-Euro-Staaten (alle außer Großbritannien) geführt. Der Vertrag wurde am von den Staats- und Regierungschefs der Vertragsparteien am Rande der informellen Tagung des Europäischen Rates angenommen. Die Tschechische Republik entschied sich letztlich, unter Berufung auf innenpolitische Gründe, nicht Vertragspartei zu werden. Der Vertrag wurde am Rande des Europäischen Rates am unterzeichnet."

Mit dem VSKS kommen die Vertragsparteien als Mitgliedstaaten der Europäischen Union überein, die wirtschaftliche Säule der Wirtschafts- und Währungsunion durch Verabschiedung einer Reihe von Vorschriften zu stärken, die die Haushaltsdisziplin durch einen fiskalpolitischen Pakt fördern, die Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitiken verstärken und die Steuerung des Euro-Währungsgebiets verbessern sollen und dadurch zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt beitragen (Art1 Abs 1 VSKS). Auf die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, findet der VSKS in vollem Umfang Anwendung. Für die anderen Vertragsparteien gilt er in näher bestimmtem Umfang und unter näher genannten Voraussetzungen (Art1 Abs 2 iVm Art 14 VSKS). Zusammenfassend gilt, dass Titel VVSKS betreffend die Steuerung des Euro-Währungsgebiets für alle Vertragsparteien gilt und die Nicht-Euro-Staaten zusätzlich erklären können, dass sie an alle oder einige Bestimmungen von Titel III und Titel IV VSKS gebunden sein wollen.

Der Titel III "Fiskalpolitischer Pakt" bildet den Kern des VSKS und enthält insbesondere zusätzlich zu den sich für die Vertragsparteien aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen und unbeschadet dieser Verpflichtungen (Art3 Abs 1 VSKS) die numerisch konkretisierte Regel eines ausgeglichenen Haushalts, die Regelung einer raschen Annäherung an dieses Ziel ("Anpassungspfad") und einen automatischen Korrekturmechanismus im Fall erheblicher Abweichungen von diesem Ziel ("Schuldenbremse").

Titel IV VSKS enthält darüber hinaus Bestimmungen über die "Wirtschaftspolitische Koordinierung und Konvergenz".

Der VSKS nimmt nicht nur zu seiner Durchführung in mehrfacher Hinsicht mit der Kommission und dem Gerichtshof der Europäischen Union Organe der Europäischen Union in Anspruch, er ist mit dem Recht der Europäischen Union auch inhaltlich eng verzahnt. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang insbesondere Art 126 AEUV (einschließlich des Protokolls Nr 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit), der insbesondere über Referenzwerte für das öffentliche Defizit (maximal 3 % des Bruttoinlandsprodukts) und den öffentlichen Schuldenstand (maximal 60 % des Bruttoinlandsprodukts) hinaus generelle Vorgaben für die Haushaltsdisziplin insbesondere mit dem Ziel der Sicherung der Preisstabilität vorgibt. Diese Verpflichtung wurde in der Folge im sogenannten "Stabilitäts- und Wachstumspakt" (im Folgenden: SWP) — genauer in zwei Verordnungen über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (sogenannter "präventiver Arm" des SWP) und über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (sogenannter "korrektiver Arm" des SWP) — konkretisiert und als Reaktion auf die jüngeren krisenhaften Entwicklungen im Jahr 2011 im Rahmen von fünf EU-Verordnungen und einer Richtlinie (dem sogenannten "six-pack") wesentlich erweitert und verschärft. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die primärrechtlichen Grundlagen um einen Art 136 AEUV erweitert, der besondere Bestimmungen für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, enthält und Basis für eine verstärkte Koordinierung und Überwachung der Haushaltsdisziplin der Euro-Staaten sein soll. Seit kurzem stehen schließlich zwei auf Art 121 Abs 6 AEUV und Art 136 AEUV gestützte Verordnungen (das sogenannte "two-pack") in Kraft, die insbesondere auf eine vertiefte Haushaltsüberwachung der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, abzielen (aus der umfangreichen Literatur Obwexer , Das System der "Europäischen Wirtschaftsregierung" und die Rechtsnatur ihrer Teile: Sixpack — Euro-Plus-Pakt — Europäisches Semester — Rettungsschirm, ZÖR 2012, 209; Lödl/Matzinger/Zimmer , Europarechtliche Rechtsetzung zur Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten und deren Umsetzung in Österreich, ÖHW 1-3/2012, 16; Calliess/Schoenfleisch , Auf dem Weg in die Europäische "Fiskalunion"? Europa- und verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Wirtschafts- und Währungsunion im Kontext des Fiskalvertrages, JZ2012, 477; Cl. Mayer , Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanismus, JRP 2012, 124).

Der VSKS und der ESMV sind ebenfalls aufeinander bezogen. So hängt die Gewährung von Finanzhilfe im Rahmen neuer Programme durch den ESM von der Ratifizierung des VSKS durch das betreffende ESM-Mitglied und von der innerstaatlichen Umsetzung der in Art 3 VSKS genannten Verpflichtungen ab (Erwägungsgrund 5 zum ESMV).

3.1. Art 7 VSKS lautet:

"Die Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, verpflichten sich unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Diese Verpflichtung entfällt, wenn zwischen den Vertragsparteien, deren Währung der Euro ist, feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit von ihnen gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist."

Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund des Art 126 AEUV und des in dieser Bestimmung geregelten mehrstufigen Verfahrens im Fall eines übermäßigen Defizits eines Mitgliedstaats zu sehen. Durch den SWP in der durch das "six-pack" reformierten Fassung wurde das Verfahren nach Art 126 AEUV ergänzt und insbesondere dahingehend verändert, dass in wesentlichen Fällen an die Stelle der qualifizierten Mehrheit im Rat ein "Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit" tritt (zu deren Wirkungsweise Kumin , "Reverse Majority Voting" — Auf dem Weg zur Herrschaft der Exekutive über die Legislative? ZÖR 2013, 441 [442 ff.]). Wird beispielsweise im Verfahren über Sanktionen im Rahmen der präventiven Komponente des SWP eine Empfehlung der Kommission, der Rat möge einen bestimmten Beschluss fassen, nicht innerhalb von 10 Tagen nach Annahme der Empfehlung durch die Kommission vom Rat mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt, so gilt der Beschluss als vom Rat angenommen (Art4 Abs 1 und 2 VO [EU] 1173/2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet, ABl. 2011 L 306, 1).

Für den grundlegenden, den Ausgangspunkt des mehrstufigen Verfahrens nach Art 126 AEUV bildenden Beschluss des Rates, gemäß Art 126 Abs 6 AEUV auf Vorschlag der Kommission festzustellen, ob tatsächlich ein übermäßiges Defizit eines Mitgliedstaats besteht oder nicht, enthält der SWP auch in der reformierten Fassung des "six-pack" keine derartige Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse (das "reverse qualified majority voting" kommt also nach dem "six-pack" nur hinsichtlich der Entscheidungen über die Sanktionen zur Anwendung, der vorgelagerte Beschluss festzustellen, dass ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, hat weiterhin durch den Rat mit "positiver" qualifizierter Mehrheit zu erfolgen [siehe Calliess/Schoenfleisch , JZ2012, 479]).

3.2. Nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten ändert Art 7 VSKS diese Rechtslage nun dahingehend, dass für die Vertragsparteien des VSKS auch im Hinblick auf den Beschluss des Rates, auf Vorschlag der Kommission festzustellen, ob überhaupt ein übermäßiges Defizit besteht, ebenfalls das Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit anzuwenden ist. Dies habe zur Folge, dass nur dann für den österreichischen Vertreter im Rat ein entsprechendes Stimmverhalten zulässig sei, wenn eine qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zustande komme. Andernfalls bestehe gemäß Art 7 VSKS eine vertragliche Verpflichtung des österreichischen Vertreters im Rat, im Sinne des Vorschlags der Kommission zu stimmen (was allerdings wegen Art 126 Abs 13 AEUV immer nur im Hinblick auf einen anderen Mitgliedstaat, niemals aber "in eigener Sache" bedeutsam werden könne).

Der verfassungsändernde Charakter des Art 7 VSKS ergebe sich nach Ansicht der antragstellenden Abgeordneten daraus, dass der österreichische Vertreter im Rat, also in der Regel der österreichische Minister, dazu verpflichtet werde, grundsätzlich immer "mit der Kommission" zu stimmen, wenn diese der Auffassung ist, dass in einem anderen Land ein übermäßiges Defizit besteht. Das gebe der Kommission eine Art Weisungsbefugnis gegenüber dem österreichischen Vertreter im Rat. Als oberstes Organ der Verwaltung gemäß Art 69 Abs 1 B-VG sei der Minister aber grundsätzlich an keine Weisungen gebunden. Die spezielle verfassungsrechtliche Rechtfertigung, die für solche Vorgänge innerhalb der Europäischen Union über das EU-Beitritts-BVG zur Verfügung stehe, fehle für Art 7 VSKS. Denn die hier in Rede stehende besondere Befugnis der Kommission speise sich über den VSKS, also einen Vertrag außerhalb des EU-Rechtsrahmens.

Des Weiteren handle es sich bei der Feststellung eines übermäßigen Defizits um eine verbindliche Maßnahme innerhalb des EU-Rechtsrahmens, nämlich gemäß Art 126 Abs 6 AEUV. Lediglich die diesbezügliche Bindung des österreichischen Ministers solle durch einen Rechtsakt hergestellt werden, der außerhalb des Unionsrechts angesiedelt ist. Bei einem Vorschlag, der auf die Feststellung eines übermäßigen Defizits gemäß Art 126 Abs 6 AEUV gerichtet ist, handle es sich aber um ein Vorhaben im Sinne des Art 23e Abs 1 B-VG. Gemäß Abs 3 dieses Art 23e B-VG bestehe aber bezüglich eines solchen Vorhabens das Recht des Nationalrates, eine Stellungnahme zu erlassen, an die der zuständige Bundesminister gebunden ist, und von der er nur "aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen" abweichen dürfe. Zwar gelte dies gemäß Art 23e Abs 3 B-VG nur für ein Vorhaben, "das auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet ist, der sich auf die Erlassung von Bundesgesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde"; es sei aber durchaus vorstellbar, durch Bundesgesetz näher zu regeln, wie sich der zuständige Bundesminister bei Verfahren über ein übermäßiges Defizit zu verhalten hat, auch wenn dieses andere Mitgliedstaaten betrifft. Da Art 7 VSKS insoweit für eine bindende Stellungnahme des Nationalrats keinen Raum mehr lasse, liege eine direkte Änderung des Art 23e Abs 3 B-VG vor.

3.3. Nach Auffassung der Bundesregierung führe Art 7 VSKS zu keiner "Umkehrung der Mehrheit", enthalte also keine von Art 126 Abs 6 AEUV abweichende Verfahrensvorschrift für das Zustandekommen einer qualifizierten Mehrheit im Rat. Die Regelung des Art 7 VSKS sei anders geartet als das durch das "six-pack" eingeführte "Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit". Dieses enthalte in bestimmten Fällen eine Legalfiktion zugunsten einer Annahme eines Beschlusses durch den Rat, außer eine qualifizierte Mehrheit seiner Mitglieder stimme gegen einen Vorschlag oder gegen eine Empfehlung der Kommission. Art 7 VSKS bestimme demgegenüber in Form einer Selbstbindung lediglich, dass sich die Vertragsparteien bei der Beschlussfassung im Rat über Verstöße gegen das Defizit-Kriterium im Rahmen eines Verfahrens wegen eines übermäßigen Defizits zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, nämlich der "Unterstützung" der Vorschläge und Empfehlungen der Kommission. Diese Verpflichtung bestehe nur für die Vertragsparteien untereinander, nicht gegenüber der Kommission. Das Vorliegen einer bestimmten Einschätzung der Kommission über die Budgetsituation eines Euro-Mitglieds sei lediglich eine faktische Voraussetzung für die Auslösung der Abstimmung im Rat, die wie in den EU-Verträgen vorgesehen mit qualifizierter Mehrheit erfolge, bei der aber die Verpflichtung über ein bestimmtes Verhalten der Vertragsparteien des VSKS eintrete. Diese Verpflichtung hänge von der Willensbildung der Vertragsparteien des VSKS ab, die im Vorfeld zur Abstimmung im Rat völlig frei erfolgen könne. Die Verpflichtung entfalle nämlich dann, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Euro-Mitglieder unter den Vertragsparteien die Einschätzung der Kommission nicht teilt und gegen den vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist. Eine solche Konstellation unterwerfe die Willensbildung des österreichischen Vertreters im Rat also keiner zwingenden Vorgabe seitens der Kommission und entspreche damit auch nicht dem verfassungsrechtlichen Verständnis einer "Weisung". Die VSKS-Regel solle nur bewirken, dass es bei Vorliegen eines Vorschlags oder einer Empfehlung der Kommission jedenfalls zu einer Entscheidung komme, während die Abstimmungsregeln des EU-Vertrags (Art238 AEUV) dies nicht sicherstellten.

Im Hinblick auf Art 23e Abs 3 B-VG hält die Bundesregierung zunächst fest, dass bei einem Defizitverfahren gegen einen anderen EU-Mitgliedstaat schon die Voraussetzung des Art 23e Abs 3 B-VG nicht vorliege, demzufolge eine einschlägige Stellungnahme des Nationalrates nur Vorhaben erfasse, die auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet sind, der sich auf die Erlassung von Bundesgesetzen auf dem betreffenden Gebiet auswirkt. Selbst wenn man aber von der Anwendbarkeit des Art 23e B-VG ausgehe, dürfe der zuständige Bundesminister von einer Stellungnahme des Nationalrates aus "zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen" abweichen. Art 7 VSKS stelle einen solchen hinreichenden integrations- bzw. außenpolitischen Grund dar.

3.4.1. Nach Art 126 Abs 6 AEUV beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht. In diesem Fall beschließt der Rat ohne Berücksichtigung der Stimme des den betreffenden Mitgliedstaat vertretenden Mitglieds des Rates; die qualifizierte Mehrheit der übrigen Mitglieder des Rates bestimmt sich nach Art 238 Abs 3 lita AEUV (Art126 Abs 13 UAbs2 und 3 AEUV). Daran hat unbestritten auch nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten und der Bundesregierung auch das Regelungspaket des "six-pack" nichts geändert (siehe auch oben Punkt 3.1.).

Art7 VSKS regelt nun als völkervertragliche Bestimmung — auch nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten und der Bundesregierung liegt der VSKS "außerhalb des EU-Rechtsrahmens" — "unter uneingeschränkter Einhaltung der Verfahrensvorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht", Folgendes: Die Vertragsparteien des VSKS verpflichten sich zur Unterstützung der Vorschläge oder Empfehlungen der Kommission, in denen diese die Auffassung vertritt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Währung der Euro ist, im Rahmen eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gegen das Defizit-Kriterium verstößt. Art 7 Satz 1 VSKS bezieht sich damit auf jenen Vorschlag der Kommission, auf Grund dessen der Rat nach Art 126 Abs 6 AEUV — mit qualifizierter Mehrheit nach Art 238 Abs 3 lita AEUV — beschließt, dass in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht. Diese Verpflichtung der Vertragsparteien des VSKS, deren Währung der Euro ist, entfällt nach Art 7 Satz 2 VSKS, wenn zwischen diesen Vertragsparteien feststeht, dass eine analog zu den einschlägigen Bestimmungen der Verträge (womit auf Art 126 Abs 13 UAbs2 iVm Art 238 Abs 3 lita AEUV Bezug genommen ist), auf denen die Europäische Union beruht, unter Auslassung des Standpunkts der betroffenen Vertragspartei ermittelte qualifizierte Mehrheit dieser Vertragsparteien gegen den von der Kommission vorgeschlagenen oder empfohlenen Beschluss ist.

Art7 VSKS lässt also zunächst das Verfahren nach Art 126 Abs 6 AEUV unverändert. Es bedarf nach wie vor eines Beschlusses des Rates auf Vorschlag der Kommission nach den in Art 126 Abs 13 UAbs2 iVm Art 238 Abs 3 lita AEUV geregelten Beschlussfassungserfordernissen. Die rechtliche Verpflichtung der Vertragsparteien des VSKS, deren Währung der Euro ist, in einem solchen Fall einen Beschluss im Sinne des Vorschlags der Kommission nach Art 126 Abs 6 AEUV zu fassen, liegt in Art 7 Satz 1 VSKS begründet und steht unter der Bedingung des Art 7 Satz 2 VSKS. Die Verpflichtung dieser Vertragsparteien — genauer: ihres jeweiligen Vertreters im Rat — zu einem bestimmten Stimmverhalten in einem Verfahren nach Art 126 Abs 6 AEUV beruht also auf der völkervertraglichen Vereinbarung des Art 7 VSKS. Damit bindet Art 7 VSKS "die politische Entscheidungsfreiheit der Vertragspartner im Rat und stärkt damit rechtlich und faktisch den Einfluss der Europäischen Kommission im Defizitverfahren" (BVerfG , 2 BvR 1390/12 ua., Rz 208). Faktisch stärkt Art 7 VSKS die Kommission, weil ihr Vorschlag nunmehr mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt werden muss, soll er nicht nach Art 126 Abs 6 AEUV unter Beachtung von Art 7 Satz 1 VSKS zum Beschluss erhoben werden; rechtlich stärkt Art 7 VSKS die Stellung der Kommission im Verfahren nach Art 126 Abs 6 AEUV, weil diese Bestimmung eine völkervertragliche Verpflichtung der Euro-Mitgliedstaaten begründet, ihr Stimmverhalten im Rat nach Art 126 Abs 6 AEUV nach den Regeln des Art 7 VSKS auszuüben. Der Rechtsgrund dafür liegt aber in der völkervertraglichen (Selbst-)Bindung der Euro-Mitgliedstaaten in Art 7 VSKS ( Peers , Towards a New Form of EU Law?: The Use of EU Institutions outside the EU Legal Framework, ECL 9 [2013], 37 [51]) und nicht darin, dass diese Bestimmung eine wie immer geartete Weisungs- oder Anordnungsbefugnis der Kommission gegenüber den Vertretern der Euro-Mitgliedstaaten im Rat begründen würde. Dass es verfassungsrechtlich zulässig ist, das Stimmverhalten eines Bundesministers in einem internationalen Organ durch staatsvertragliche Regelung zu determinieren, ist — auch von den antragstellenden Abgeordneten — nicht bestritten.

Die Bedenken der antragstellenden Abgeordneten im Hinblick auf Art 20 Abs 1 iVm Art 69 Abs 1 B-VG treffen daher nicht zu. Ob im konkreten Fall, in dem das Stimmverhalten im supranationalen Organ des Rates völkervertraglich festgelegt wird, unionsrechtliche Beschränkungen für das Eingehen derartiger völkervertraglicher Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehen, liegt außerhalb des Prüfungsmaßstabs des Verfassungsgerichtshofes (vgl. SV2/12, Rz 53) und der Bedenken der antragstellenden Abgeordneten.

3.4.2. Art 7 VSKS verstößt auch nicht gegen Art 23e Abs 3 B-VG. Wenn der Nationalrat durch Genehmigung einer entsprechenden staatsvertraglichen Bestimmung das Stimmverhalten des zuständigen Bundesministers im Rat der Europäischen Union determiniert, begründet er eine völkerrechtliche Verpflichtung gegenüber den anderen Staatsvertragsparteien, lässt aber Art 23e Abs 3 B-VG unberührt (wobei die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme im Übrigen zu Recht auf Art 23e Abs 3 2. Halbsatz B-VG hinweist).

3.5. Art 7 VSKS ist daher nicht aus den von den antragstellenden Abgeordneten vorgebrachten Gründen verfassungswidrig. Die Bedenken der antragstellenden Abgeordneten ob der Rechtmäßigkeit der Genehmigung des Art 7 VSKS nach Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG treffen daher nicht zu.

4.1. Art 2 Abs 2 VSKS lautet:

"Dieser Vertrag gilt insoweit, wie er mit den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, und mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Er lässt die Handlungsbefugnisse der Union auf dem Gebiet der Wirtschaftsunion unberührt."

Die antragstellenden Abgeordneten halten diese "salvatorische Klausel", derzufolge der VSKS nur insoweit "gilt", als er unionsrechtskonform ist, deswegen für verfassungsändernd, weil er eine neuartige Zuständigkeit zur Normenkontrolle für grundsätzlich alle Organe der österreichischen Rechtsordnung begründe, die in die Lage kommen könnten, den VSKS anzuwenden. Die Übertragung einer solchen neuen Aufgabe und Verpflichtung bedürfe einer Verfassungsänderung.

Ob eine Bestimmung des VSKS "gilt" und damit auch, ob sie von österreichischen Organen angewendet werden dürfe, müsse von diesem Organ stets am Maßstab des gesamten Unionsrechts geprüft werden. Dies zwinge etwa den Nationalrat, bei der Berücksichtigung der Schuldenbremse (Art3 Abs 1 litb VSKS) zu prüfen, ob diese nicht unionsrechtswidrig sei. In einem solchen Fall dürfe sie bei der Budgeterstellung nicht berücksichtigt werden. Auf diese Art und Weise werde eine neuartige und umfassende Normenkontrollkompetenz geschaffen, die vor jeder Anwendung des VSKS zu beachten sei. Da gegen zahlreiche Regelungen des VSKS europarechtliche Bedenken vorgetragen würden, sei dies eine wesentliche und praktisch relevante Verpflichtung.

Die damit den Organen der österreichischen Rechtsordnung übertragene Kontrollaufgabe gehe über jene, die auf Grund des Anwendungsvorrangs im Rahmen des Unionsrechts bestehe, hinaus, weil der Vorrang des Unionsrechts sich nur auf unmittelbar anwendbares Recht erstrecke und Art 2 Abs 2 VSKS — anders als bei einem Anwendungsvorrang — für den Konfliktfall eine Geltungsbeendigung unionsrechtswidriger Bestimmungen des VSKS anordne.

Erblicke man in Art 7 VSKS beispielsweise eine gegen Art 126 Abs 6 AEUV verstoßende Verschiebung der Entscheidungsmacht vom Rat zur Kommission, so zwinge Art 2 Abs 2 VSKS den zuständigen Bundesminister dazu, den Vorschlag der Kommission in einem Verfahren nach Art 126 Abs 6 AEUV außer Acht zu lassen. Die Begründung dieser neuartigen Verpflichtung zur Normenkontrolle für grundsätzlich alle Organe der österreichischen Rechtsordnung bedürfe einer Verfassungsänderung.

4.2. Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht. Art 2 Abs 2 VSKS diene lediglich der Sicherstellung, dass es zu keinen Überschneidungen des Anwendungsbereichs des VSKS mit jenem des Unionsrechts komme. Art 2 Abs 2 VSKS stelle daher nur klar, dass der VSKS nur solche Bereiche regeln solle, welche nicht schon durch primäres oder sekundäres Unionsrecht geregelt seien. Insofern ergänze die Bestimmung jene des Art 2 Abs 1 VSKS, wie bei der Anwendung des VSKS im Einklang mit dem und unter Anwendung des geltenden Unionsrechts vorzugehen sei. Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union gelte der Vorrang des Unionsrechts auch gegenüber Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten (die Bundesregierung verweist auf , Exportur , Slg. 1992, I-5529 [Rz 8]; , SARL , Slg. 2003, I-5053 [Rz 37]). Die salvatorische Klausel des Art 2 Abs 2 VSKS setze diesen – seinerseits verfassungsrechtlich durch das EU-Beitritts-BVG abgesicherten – Vorrang des Unionsrechts und damit seinen Geltungsanspruch voraus und stelle sicher, dass eine derartige Konfliktsituation gar nicht eintrete.

Die Bundesregierung hält weiters fest, dass vergleichbare salvatorische Klauseln auch in anderen völkerrechtlichen Verträgen zu finden seien (die Bundesregierung nennt als Beispiel Art 11 Abs 2 des Abkommens über die Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen Österreich und Ägypten, BGBl III 73/2002) und häufig auch in Bundes- und Landesgesetzen zur Wahrung der Gesetzgebungszuständigkeiten der jeweiligen Gebietskörperschaften enthalten seien. Der Verfassungsgerichtshof habe bislang derartige "kompetenzsichernde" Klauseln nicht beanstandet.

4.3. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind zur Einhaltung des Rechts der Europäischen Union verpflichtet. Diese Verpflichtung wird durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts für bestimmte Konstellationen in besonderer Weise effektuiert (wie dies andere Regelungen des Unionsrechts, etwa das Staatshaftungsrecht oder die Verpflichtung, in bestimmten Konstellationen Richtlinienbestimmungen unmittelbar anzuwenden, in ihrem Anwendungsbereich tun). Art 2 Abs 2 VSKS — für den es nicht darauf ankommt, ob das Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist oder nicht — trägt nun der alle Mitgliedstaaten des VSKS treffenden Verpflichtung, das Recht der Europäischen Union einzuhalten, ausdrücklich Rechnung. Darin liegt – wie die Bundesregierung zu Recht ausführt – keine neuartige Zuständigkeit, sondern eine sowohl im Völkervertragsrecht wie auch im innerstaatlichen Recht übliche Regelungstechnik, Konflikte zwischen Normen, insbesondere aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, zu vermeiden.

Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass die Aufnahme einer solchen salvatorischen Klausel in einen völkerrechtlichen Vertrag einer speziellen verfassungsrechtlichen Ermächtigung bedürfte. Selbst wenn man in Art 2 Abs 2 VSKS mehr als eine systematische Interpretationsregel und eine (Wiederholung der) Anordnung der — schon aus dem Unionsrecht folgenden — Loyalitätspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Union (vgl. die von der Bundesregierung zutreffend hervorgehobene Rechtsprechung des EuGH, derzufolge "die Bestimmungen eines Abkommens zwischen zwei Mitgliedstaaten keine Anwendung finden können, wenn sie dem [damals] EG-Vertrag […] widersprechen", EuGH Rs. C-469/00, SARL , Slg. 2003, I-5053 [Rz 37]) erblicken und im Hinblick auf unionsrechtswidrige Bestimmungen des VSKS darin eine (wie immer geartete) "Derogationsregel" sehen wollte, unterscheidet sich Art 2 Abs 2 VSKS sowohl quantitativ wie qualitativ wesentlich von der im Wege des Beitritts zur Europäischen Union erfolgten Übernahme insbesondere auch des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in die österreichische Rechtsordnung. Derartig und vergleichbar begrenzte salvatorische Klauseln, wie sie Art 2 Abs 2 VSKS enthält, sind innerstaatlich auf einfachgesetzlicher Stufe begründbar. Die antragstellenden Abgeordneten nennen auch – abgesehen vom EU-Beitritts-BVG (zu den Bedenken der antragstellenden Abgeordneten im Hinblick auf Art 9 Abs 2 B-VG siehe unten Punkt 5.) – keine verfassungsrechtliche Regelung (oder keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz), der eine solche salvatorische Klausel widersprechen würde.

4.4. Art 2 Abs 2 VSKS ist daher nicht aus den von den antragstellenden Abgeordneten vorgebrachten Gründen verfassungswidrig. Die darauf gegründeten Bedenken der antragstellenden Abgeordneten im Hinblick auf Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG treffen daher nicht zu.

5.1. Die antragstellenden Abgeordneten erachten näher genannte Bestimmungen des VSKS deswegen für verfassungswidrig, weil mit ihnen Hoheitsrechte auf Organe der Europäischen Union übertragen würden, wofür aber Art 9 Abs 2 B-VG (wie auch Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG) nicht zur Verfügung stehe. Daher bedürfe eine solche Übertragung von Hoheitsrechten einer vorbereitenden Verfassungsänderung gemäß Art 44 B-VG. Konkret erachten die antragstellenden Abgeordneten aus diesem Grund erstens die Befugnis des Gerichtshofes der Europäischen Union, über den Vorwurf der unzureichenden Umsetzung der Schuldenbremse in das nationale Recht zu entscheiden und allenfalls Sanktionen festzulegen, wie das in Art 8 VSKS vorgesehen ist; zweitens die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein derartiges Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein solcher Verstoß vorliegt, wie dies in Art 8 Abs 1 VSKS geregelt ist; und drittens die Bestimmung des Art 5 VSKS für verfassungswidrig.

5.2. Die für die Begründung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des VSKS durch die antragstellenden Abgeordneten wesentliche Prämisse, dass nämlich Art 9 Abs 2 B-VG für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nicht in Betracht komme, begründen die antragstellenden Abgeordneten folgendermaßen:

Ausgangspunkt der Argumentation der antragstellenden Abgeordneten ist, dass unbestrittenermaßen Art 9 Abs 2 B-VG (idF vor der B-VG-Novelle BGBl I 2/2008) keine verfassungsrechtlich taugliche Grundlage für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union darstellte, sondern dieser auf Grundlage des EU-Beitritts-B-VG erfolgte; auch nachfolgende EU-Primärrechtsänderungen erfolgten auf der Grundlage spezieller Bundesverfassungsgesetze (vgl. BVG über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl I 76/1998, BVG über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl I 120/2001). Mit der B-VG-Novelle BGBl I 2/2008 und der damit erfolgten Neugestaltung sowohl von Art 9 Abs 2 B-VG wie auch insbesondere von Art 50 B-VG sei mit Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG eine generelle Rechtsgrundlage für Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geschaffen worden. Dies habe spezielle Verfassungsgesetze erübrigt, die Genehmigung des Vertrags von Lissabon sei bereits auf diese Neuregelung in Art 50 B-VG gestützt worden.

Das durch die B-VG-Novelle BGBl I 2/2008 geschaffene Regelungssystem schließe es aber aus, dass eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union auf anderem Weg als durch Genehmigung durch Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG (oder eben durch eine neuerliche Verfassungsänderung) herbeigeführt werden dürfe. Das schließe insbesondere ein, dass Hoheitsrechte auf die Europäische Union nur auf diesem Weg über die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union übertragen werden dürften und schließe insbesondere aus, dass solche außerhalb dessen über Art 9 Abs 2 B-VG iVm Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG übertragen werden dürften. Art 10 Abs 3 B-VG, der ein Stellungnahmerecht der Länder im Zuge des Abschlusses von Staatsverträgen, die, zusammenfassend gesagt, Angelegenheiten der Länder berühren, regelt, zeige mit der Anordnung, dass der Bund von einer einheitlichen Stellungnahme der Länder "nur aus zwingenden außenpolitischen Gründen abweichen" dürfe, im Vergleich zur Regelung des Art 23d Abs 2 B VG, wonach der Bund bei Vorliegen einer einheitlichen Stellungname der Länder zu einem (wieder zusammenfassend gesagt, ihre Angelegenheiten berührenden) Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union "nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen" abweichen dürfe, dass völkerrechtliche Staatsverträge im Sinne des Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG in Angelegenheiten der Europäischen Integration nicht zur Verfügung stünden.

Des Weiteren liefe die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union im Wege von Art 9 Abs 2 iVm Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG auf eine Umgehung der für Übertragungen auf die EU vorgesehenen qualifizierten Mehrheit gemäß Art 50 Abs 4 B-VG hinaus. Dieser Art 50 Abs 4 B-VG solle aber bewirken, dass jede Änderung der Gründungsverträge und damit jede Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nur mittels qualifizierter Mehrheit erfolgen kann. Auch sei, selbst wenn man Art 9 Abs 2 B-VG im vorliegenden Zusammenhang grundsätzlich in Betracht ziehe, eine weitere Übertragung auch nur weniger Hoheitsrechte auf Grundlage dieser Verfassungsbestimmung auf die Europäische Union nicht mehr möglich, weil der Europäischen Union — auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Übertragung der Hoheitsrechte auf die Europäische Union komme es diesbezüglich nicht an — bereits eine derartige Fülle von Hoheitsrechten übertragen sei, dass die weitere Übertragung eines Hoheitsrechts nicht mehr als Übertragung von "einzelnen Hoheitsrechten" im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG gesehen werden könne, weil es eben auf die Summe der übertragenen Hoheitsrechte insgesamt ankomme.

Schließlich belegten auch spezielle verfassungsrechtliche Regelungen, wie insbesondere Art 23i Abs 3 und 4 B-VG sowie Art 23j Abs 1 B-VG, dass die Übertragung inhaltlich verfassungsergänzender Hoheitsrechte auf die Europäische Union, selbst wenn in den Gründungsverträgen bereits dem Grundsatz nach eine entsprechende Ermächtigung der Europäischen Union enthalten sei, der Anwendung der Verfassungsmehrheit bedürfe, wie es in Art 50 Abs 4 B-VG vorgesehen ist. All dies schließe die Anwendung des Art 9 Abs 2 B-VG iVm Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG auf die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union aus.

5.3. Die Bundesregierung hält diesen Argumenten der antragstellenden Abgeordneten Folgendes entgegen:

Zunächst weist die Bundesregierung darauf hin, dass der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wegen der Qualität und der Quantität der dabei übertragenen Rechte nicht auf Art 9 Abs 2 B-VG, sondern eben auf das EU-Beitritts-BVG gestützt wurde. Daraus folge jedoch nicht, dass jegliche Art der Übertragung eines Hoheitsrechts auf EU-Organe ohne besondere Verfassungsbestimmung schon an sich unzulässig wäre. Es könne aber dahinstehen, ob Art 9 Abs 2 B-VG ungeachtet des Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG, der für den Abschluss von primärrechtsändernden Staatsverträgen besondere Genehmigungserfordernisse vorsehe, weiterhin zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf Organe der Europäischen Union ermächtige, wenn es dadurch zu einer Änderung des Primärrechts käme oder solche Hoheitsrechte ihre Grundlage im Unions-(primär)recht hätten. Die von den antragstellenden Abgeordneten als verfassungsändernd qualifizierten Zuständigkeiten der Kommission und des Gerichtshofes der Europäischen Union beruhten nämlich nicht auf Unionsrecht, sondern auf dem VSKS, der ein völkerrechtlicher Vertrag sei. Die antragstellenden Abgeordneten gingen selbst — unter Berufung auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1725 BlgNR 24. GP, 3) — davon aus, dass der VSKS "aus dem Rechtsrahmen der EU" herausfalle. Durch den VSKS würden also keine Zuständigkeiten im Rahmen der Europäischen Union begründet, sondern außerhalb des Rechts der Europäischen Union Hoheitsrechte auf einzelne ihrer Organe übertragen. Weder aus dem EU-Beitritts-BVG noch aus Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG würden sich irgendwelche Hinweise dafür ergeben, dass Art 9 Abs 2 B-VG nicht zur Übertragung von Hoheitsrechten auf EU-Organe außerhalb des Rechtsrahmens der Europäischen Union ermächtige. Dass der VSKS inhaltlich in einem engen Zusammenhang mit dem Unionsrecht stehe, sei insoweit irrelevant. Das B-VG unterscheide nämlich streng zwischen Unionsrecht und (traditionellem) Völkerrecht. Das zeige sich etwa an der ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, mit der in Art 50a bis 50d B-VG Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Willensbildung in Bezug auf den ESM und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesminister erlassen wurden, die inhaltlich jenen des Art 23e B-VG vergleichbar sind. Die Notwendigkeit eigenständiger bundesverfassungsgesetzlicher Regelungen sei damit begründet worden, dass der ESMV "in formeller Hinsicht als Staatsvertrag gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG einzuordnen" ist (IA 1985/A 24. GP, 6).

Nach Auffassung der Bundesregierung könnten daher durch einen gemäß Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG genehmigten Staatsvertrag wie den VSKS — außerhalb des Rechts der Europäischen Union — einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe übertragen werden, und zwar auch auf Organe der Europäischen Union. Dem stehe auch die Art und Anzahl der Hoheitsrechte, die der Europäischen Union bereits durch den EU-Beitritt und die nachfolgenden Vertragsänderungen übertragen wurden, nicht entgegen, weil sich deren Übertragung auf die Genehmigung durch das EU-Beitritts-BVG beziehungsweise besondere Verfassungsermächtigungen stützen könne.

5.4.1. Aus den oben (Punkt 5.2.) genannten Gründen erachten die antragstellenden Abgeordneten zunächst Art 8 VSKS für verfassungswidrig, weil mit dieser Bestimmung — eben ohne eine nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten aber erforderliche verfassungsrechtliche Grundlage — dem Gerichtshof der Europäischen Union die Befugnis (und damit entsprechende Hoheitsrechte) übertragen würde, über den Vorwurf der unzureichenden Umsetzung der Schuldenbremse in das nationale Recht zu entscheiden und allenfalls Sanktionen festzulegen.

5.4.2. Die Bundesregierung hält dem auf Grundlage ihrer oben dargestellten Argumente (Punkt 5.3.) entgegen, dass durch Art 8 Abs 1 und 2 VSKS eine Zuständigkeit des Gerichtshofes der Europäischen Union zur Beurteilung der Frage begründet werde, ob eine Vertragspartei des VSKS ihrer Verpflichtung aus Art 3 Abs 2 VSKS nachgekommen sei. Die Betrauung einer zwischenstaatlichen Einrichtung mit der bindenden Entscheidung von Streitigkeiten aus einem Staatsvertrag sei ein geradezu prototypischer Anwendungsfall des Art 9 Abs 2 B-VG. Das Maß des nach dieser Bestimmung zulässigerweise Übertragbaren werde dabei keinesfalls überschritten.

5.5.1. Gemäß Art 9 Abs 2 B-VG können unter anderem durch einen gemäß Art 50 Abs 1 B-VG genehmigten Staatsvertrag einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden. Dabei kann auch vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe zwischenstaatlicher Einrichtungen unterstellt werden. Nach Art 50 Abs 1 B-VG bedarf der Abschluss zum einen von politischen Staatsverträgen und Staatsverträgen mit gesetzänderndem oder gesetzesergänzendem Inhalt sowie zweitens von Staatsverträgen, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, der Genehmigung des Nationalrates. Die zuletzt genannten Staatsverträge bedürfen unbeschadet des Art 44 Abs 3 B-VG zu ihrer Genehmigung jener Quoren, die Art 44 Abs 1 B-VG sonst für eine Änderung der Bundesverfassung vorsieht (Art50 Abs 4 Satz 2 B-VG).

Art9 Abs 2 B-VG hat als Regelfall die Übertragung von Hoheitsrechten durch einen völkerrechtlichen Vertrag ("Staatsvertrag") vor Augen (siehe zum Begriff des Staatsvertrags im Sinne der Art 50 und 140a B-VG als zunächst jedenfalls "alle Vereinbarungen, die zwischen Völkerrechtssubjekten in der Absicht geschlossen werden, ihre völkerrechtlichen Beziehungen zu gestalten", enthaltend SV2/12, Rz 27 mwN). Art 9 Abs 2 B-VG bezieht sich insoweit also auf Staatsverträge im Sinne des Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG. Dass Art 9 Abs 2 B-VG und seine Schranken für die Übertragung von Hoheitsrechten nicht auch für Staatsverträge gemäß Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG gelten, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, ergibt sich unstrittig aus der historischen Intention und aus Sinn und Zweck der Neuregelung des Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG durch die B-VG-Novelle BGBl I 2/2008, mit dem genannten Regelungssystem allgemein eine verfassungsrechtliche Grundlage für den Abschluss von Änderungen von vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union zu schaffen, die die Genehmigung solcher Verträge jedenfalls den für Verfassungsänderungen erforderlichen Beschlussquoren unterwirft. Dieser Art 50 Abs 1 Z 2 (iVm Abs 4) B-VG gilt nun aber ausschließlich für den Abschluss von Staatsverträgen, durch die "die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union" geändert werden. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung lässt sich ableiten, dass Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG anderes als primäres Unionsrecht vor Augen hätte.

Beim VSKS handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag außerhalb des Unionsrechts, und damit nicht um einen Vertrag, mit dem die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden (vgl. auch Art 16 VSKS). Ein auch nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten wie der Bundesregierung "außerhalb des EU-Rechtsrahmens" stehender völkerrechtlicher Vertrag zwischen mehreren aber nicht allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist keine Änderung der "vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union" im formellen Sinn des Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG. Durch Bestimmungen des VSKS werden Organen der Europäischen Union auch keine unionsrechtlichen Befugnisse (mit allen Rechtswirkungen des Unionsrechts) übertragen, sondern aus dem VSKS abgeleitete völkervertragliche Hoheitsrechte (völkerrechtlich gesehen handelt es sich also um Fälle einer Organleihe).

Art50 Abs 1 Z 2 B-VG steht daher für die Genehmigung eines Staatsvertrags wie des VSKS nicht zur Verfügung.

5.5.2. Art 50 Abs 1 Z 2 iVm Abs 4 B-VG hat aber auch den Inhalt des Art 9 Abs 2 B-VG nicht dahingehend verändert, dass es nunmehr ausgeschlossen wäre, dass die Republik Österreich auf Basis des geltenden Bundesverfassungsrechts einen völkerrechtlichen Vertrag abschließt, mit dem einzelne Hoheitsrechte, deren Bedeutung sich (ausschließlich) aus dem zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vertrag ergibt, auf Organe der Europäischen Union wie auf jede andere zwischenstaatliche Einrichtung übertragen werden. Für die Annahme einer solchen, vom Wortlaut und von der jeweiligen Systematik dieser Verfassungsbestimmungen abweichenden Bedeutung von Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG und Art 9 Abs 2 B-VG fehlt ein in der Entstehungsgeschichte oder dem Sinn und Zweck dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen begründeter Anhaltspunkt. Denn auch das (Umgehungs-)Argument, dass die Ermächtigung zur Übertragung von (völkerrechtlichen) Hoheitsrechten nach Art 9 Abs 2 B-VG auf Organe der Europäischen Union nicht dazu genützt werden dürfe, das Erfordernis einer dem Art 50 Abs 4 B-VG entsprechenden Mehrheit bei Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union zu umgehen, kann nicht so weit gehen, dass eine solche Umgehung schon bei jedem — nicht auf (auch) unionsrechtlichem, sondern ausschließlich völkerrechtlichem Vertrag basierenden — Hoheitsrecht unabhängig von dessen konkreten Inhalt vorliegen soll. Vielmehr ist hiefür erstens auf die aus Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG folgenden Schranken abzustellen, dass durch den Staatsvertrag, mit dem Hoheitsrechte übertragen werden, nicht gegen bundesverfassungsrechtliche Bestimmungen verstoßen werden darf, und zweitens auf jene, die sich aus Art 9 Abs 2 B-VG für das in quantitativer wie qualitativer Hinsicht zulässige Maß der Übertragung von Hoheitsrechten durch völkerrechtlichen Vertrag ergeben. Art 9 Abs 2 B-VG stellt dabei auf die auf seiner Grundlage übertragenen Hoheitsrechte ab, sodass für die Beurteilung der aus dieser Verfassungsbestimmung folgenden Schranken für die Übertragung von Hoheitsrechten jene außer Betracht bleiben, die auf besonderer verfassungsrechtlicher Grundlage durch Unionsvertragsrecht auf die Europäische Union übertragen sind.

Damit sind die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Schranken für den Abschluss von völkerrechtlichen (nicht aber auch unionsrechtlichen) Verträgen, mit denen einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, darunter auch auf Organe der Europäischen Union, übertragen werden, genannt. Ob und inwieweit das Recht der zwischenstaatlichen Einrichtung, auf die entsprechende Hoheitsrechte übertragen werden sollen, solches zulässt, ist eine davon zu trennende und grundsätzlich vom Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art 140a B-VG nicht zu beurteilende Frage (vgl. SV2/12, Rz 53; zu den diesbezüglichen Schranken des Unionsrechts , Pringle , insb. Rz 155 ff.; zu den unionsrechtlichen Grundsatzfragen siehe etwa die Standpunkte bei Peers , ECL 9 [2013], 37 [46 ff.] und Craig , The Stability Coordination and Governance Treaty: Principle, Politics and Pragmatism, ERL 2012, 231 [240 ff.]).

5.5.3. Aus Sicht des Art 9 Abs 2 B-VG bestehen gegen die in Art 8 Abs 1 und 2 VSKS dem Gerichtshof der Europäischen Union übertragenen Zuständigkeiten keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. mutatis mutandis zu den unter anderem in Art 37 Abs 3 ESMV vorgesehenen Zuständigkeiten des Gerichtshofes der Europäischen Union auf Grund dieses Vertrages SV2/12, Rz 58 ff.). Sowohl von ihrem Inhalt her als auch in ihrer Gesamtheit halten sich die nach Art 8 Abs 1 und 2 VSKS übertragenen Zuständigkeiten im Rahmen dessen, was nach Art 9 Abs 2 B-VG zulässig ist, beruft diese Bestimmung des VSKS doch den Gerichtshof der Europäischen Union auf Antrag einer oder mehrerer Vertragsparteien des VSKS zur Entscheidung über die Frage, ob eine Vertragspartei ihren Verpflichtungen aus Art 3 Abs 2 VSKS nachgekommen ist, und zur Entscheidung, ob eine Vertragspartei ihren Verpflichtungen aus einem solchen Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union nachgekommen ist, und schließlich dazu, widrigenfalls finanzielle Sanktionen gegen diese Vertragspartei zu verhängen. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist damit durch Art 8 Abs 1 und Abs 2 VSKS zur Entscheidung darüber berufen, ob die Vertragsparteien ihre Verpflichtung, die sie mit Art 3 Abs 2 VSKS eingegangen sind, einhalten. Derartige Zuständigkeiten sind nach Art 9 Abs 2 B-VG auf ein internationales Gericht übertragbar. Einen Verstoß gegen sonstige Bestimmungen der Bundesverfassung (der im Hinblick auf Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG relevant wäre) behaupten auch die antragstellenden Abgeordneten nicht. Die antragstellenden Abgeordneten bringen auch keine Bedenken dahingehend vor, dass durch völkerrechtliche Verträge — also abseits der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union — dem Gerichtshof der Europäischen Union schon Hoheitsrechte in einer Art und einem Ausmaß übertragen wären, die qualitativ oder quantitativ die Schranken des Art 9 Abs 2 B-VG übersteigen würden.

5.5.4. Selbst wenn man die — wie dargelegt nicht zutreffende — Auffassung der antragstellenden Abgeordneten einnnähme, wäre im Übrigen, was die Übertragung von streitentscheidenden Zuständigkeiten auf den Gerichtshof der Europäischen Union durch und aus völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten betrifft, auf Art 273 AEUV zu verweisen (zur Staatspraxis vgl. beispielsweise Art 25 Abs 5 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl III 182/2002 idF 32/2012, der die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorsieht, wenn ein Besteuerungskonflikt nicht innerhalb von drei Jahren ab Verfahrenseinleitung im Verständigungswege bereinigt werden kann).

5.6.1. Eine unzulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Kommission erblicken die antragstellenden Abgeordneten aus den von ihnen vorgebrachten Gründen (siehe oben Punkt 5.2.) in Art 8 Abs 1 VSKS. Diese Bestimmung regle eine Verpflichtung der Vertragsparteien, ein Verfahren nach Maßgabe des Art 8 VSKS vor dem Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten, wenn die Kommission der Auffassung sei, dass eine Vertragspartei ihrer Verpflichtung aus Art 3 Abs 2 VSKS nicht nachgekommen sei. Dies laufe auf die Befugnis der Kommission hinaus, die Einleitung eines solchen Verfahrens anzuordnen.

Die der Kommission durch Art 8 Abs 1 VSKS übertragene Zuständigkeit stellt nach Ansicht der Bundesregierung kein Hoheitsrecht im Sinne des Art 9 Abs 2 B-VG dar. Gemäß Art 8 Abs 1 VSKS habe die Kommission den Vertragsparteien einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die jede von ihnen gemäß Art 3 Abs 2 VSKS erlassen hat, in dem sie offenbar auch zum Schluss kommen könne, dass eine Vertragspartei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Nicht aber die Kommission, sondern nur eine oder mehrere Vertragsparteien könnten den Gerichtshof der Europäischen Union befassen. Entscheidungsbefugnisse würden der Kommission durch Art 8 Abs 1 VSKS daher nicht übertragen.

5.6.2. Art 8 Abs 1 VSKS sieht vor, dass die Kommission den Vertragsparteien des VSKS zu gegebener Zeit einen Bericht über die Bestimmungen vorlegt, die jede Vertragspartei gemäß Art 3 Abs 2 VSKS erlassen hat. Diese Bestimmungen dienen dazu, die den Vertragsparteien nach Art 3 Abs 1 VSKS auferlegten Verpflichtungen innerstaatlich wirksam werden zu lassen. Diese Bestimmungen müssen daher "verbindlicher und dauerhafter Art" sein, "vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder [...] [ihre] vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren [ist] auf andere Weise garantiert" (Art3 Abs 2 Satz 1 VSKS).

Stellt die Kommission in ihrem Bericht im Sinne des Art 8 Abs 1 VSKS fest, dass eine Vertragspartei dieser Verpflichtung aus Art 3 Abs 2 VSKS nicht nachgekommen ist, verpflichten sich die Vertragsparteien des VSKS, ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art 8 VSKS zu beantragen. Dieser Mechanismus steht vor dem Hintergrund des Art 273 AEUV, der ermöglicht, den Gerichtshof der Europäischen Union für jede mit dem Gegenstand der Unionsverträge in Zusammenhang stehende Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten zuständig zu machen (siehe in Bezug auf Art 37 Abs 3 ESMV , Pringle , Rz 170 ff.) und der von den Vertragsparteien des VSKS bei der Unterzeichnung dieses Vertrags getroffenen Regelung betreffend Art 8 VSKS (vgl. Erläut. zur RV 1725 BlgNR 24. GP, 13), in der die Vertragsparteien die näheren Modalitäten vereinbaren, wenn eine Angelegenheit gemäß Art 8 Abs 1 Satz 2 VSKS beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig zu machen ist. Selbst wenn man in dem Umstand, dass eine entsprechende Feststellung in einem Bericht der Kommission nach Art 8 Abs 1 VSKS die Verpflichtung der Vertragsparteien auslöst, ein entsprechendes Verfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union in Gang zu setzen, die Übertragung eines Hoheitsrechts sieht, handelt es sich dabei um die Übertragung eines solchen, die durch Art 9 Abs 2 B-VG gedeckt ist (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art 9 Abs 2 B-VG auf diese Konstellation vgl. oben Punkt 5.5.2.; zu den unionsrechtlichen Gesichtspunkten der Übertragung einer Aufgabe auf die Kommission durch einen völkerrechtlichen Vertrag, in concreto den ESMV, siehe , Pringle , Rz 155 ff.). Es ist nicht zu sehen — und wird von den antragstellenden Abgeordneten auch nicht näher dargetan —, warum die Schranken des Art 9 Abs 2 B-VG durch die Begründung einer solchen Zuständigkeit der Kommission überschritten sein sollten.

6.1. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Kommission sehen die antragstellenden Abgeordneten schließlich auch in Art 5 VSKS begründet. Art 5 VSKS könnte nämlich nach Auffassung der antragstellenden Abgeordneten neue und zusätzliche Genehmigungstatbestände für Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme, zu denen sich Vertragsparteien des VSKS unter den in Art 5 VSKS geregelten Voraussetzungen zu verpflichten haben, enthalten.

6.2. Die Bundesregierung weist demgegenüber darauf hin, dass schon bisher im Rahmen von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf Basis des Art 126 Abs 7 AEUV ein Mitgliedstaat aufzufordern ist, innerhalb der Frist von sechs Monaten Informationen über Maßnahmen vorzulegen, mit welchen er dieses übermäßige Defizit beseitigen will. Nur wenn diese Maßnahmen nicht ausreichend erscheinen, sind weitere Schritte im Verfahren auf Basis des Art 126 Abs 8, 9 und 11 AEUV zu setzen. Art 5 VSKS definiere damit lediglich diese Informationspflichten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit durch die Verpflichtung zur Vorlage eines "Wirtschaftspartnerschaftsprogramms". Eine weitere Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die Kommission erfolge durch Art 5 VSKS nicht.

6.3. Art 5 Abs 1 VSKS verpflichtet jene Vertragspartei des VSKS, die gemäß den Verträgen, auf denen die Europäische Union beruht, Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm aufzulegen, das eine detaillierte Beschreibung der Strukturreformen enthält, die zur Gewährleistung einer wirksamen und dauerhaften Korrektur seines übermäßigen Defizits zu beschließen und umzusetzen sind. Inhalt und Form dieser Programme werden im Recht der Europäischen Union festgelegt. Sie werden dem Rat und der Kommission im Rahmen der bestehenden Überwachungsverfahren des SWP zur Genehmigung vorgelegt und auch innerhalb dieses Rahmens überwacht.

Auch wenn — was die antragstellenden Abgeordneten Art 5 VSKS entnehmen und die Bundesregierung bestreitet, die diese Bestimmung nur als Verweis auf im Unionsrecht sekundärrechtlich im Rahmen des "two-pack" begründete derartige Befugnisse der Kommission versteht, — Art 5 VSKS eine eigenständige Rechtsgrundlage dafür enthält, dass die Kommission die von den Mitgliedstaaten aufzulegenden Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme genehmigt, handelt es sich dabei um die völkerrechtliche Übertragung von Hoheitsrechten durch Art 5 VSKS auf die Kommission, die grundsätzlich auf Art 9 Abs 2 B-VG gestützt werden kann (siehe oben Punkt 5.5.2.). Bedenken ob eines Überschreitens inhaltlicher Schranken des Art 9 Abs 2 B-VG in qualitativer oder quantitativer Hinsicht bringen die antragstellenden Abgeordneten nicht vor.

Die der Kommission durch Art 5 VSKS übertragenen Befugnisse verstoßen auch nicht, worauf die antragstellenden Abgeordneten der Sache nach abzielen, gegen Art 13 Abs 2 B-VG. Diese Verfassungsbestimmung lässt den für die Haushaltsführung zuständigen Organen von Bund, Ländern und Gemeinden breiten Raum, wie diese im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Verantwortung den Zielvorgaben, die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben, Rechnung tragen. Insbesondere steht es den Organen von Bund, Ländern und Gemeinden dabei auch offen, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten rechtlich verbindliche Regelungen zu treffen, die (auch) die Zielvorgaben des Art 13 Abs 2 B-VG näher konkretisieren. Art 13 Abs 2 B-VG ist nicht zu entnehmen, dass eine Konkretisierung, wie die zuständigen Organe den Zielvorgaben dieser Verfassungsbestimmung Rechnung tragen sollen, nur durch Bundesverfassungsrecht (oder Unionsrecht), nicht aber durch einfaches Gesetz oder durch völkerrechtlichen Vertrag möglich sein soll. Dass damit dem "einfachen Gesetzgeber" die Befugnis zukommt, oft auch weitreichende Festlegungen im Hinblick auf die in Art 13 Abs 2 B-VG vorgegebenen Ziele zu treffen, ist im demokratisch-parlamentarischen System des B-VG seine politische Gestaltungsaufgabe und nicht, worauf die Auffassung der antragstellenden Abgeordneten letztlich hinausliefe, allein einer "Verfassungsmehrheit" vorbehalten.

7.1. Es treffen daher auch die vorgetragenen Bedenken der antragstellenden Abgeordneten, durch Art 5 oder 8 VSKS würden in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise Hoheitsrechte auf den Gerichtshof der Europäischen Union oder auf die Kommission übertragen, nicht zu.

7.2. Weder Art 2 Abs 2 noch Art 5 noch Art 7 noch Art 8 VSKS ist also aus den von den antragstellenden Abgeordneten geltend gemachten Gründen, auf deren Prüfung sich der Verfassungsgerichtshof zu beschränken hat, verfassungswidrig.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher, insoweit er zulässig ist, abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2013:SV1.2013