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VfGH vom 30.06.2007, KI-1/07

VfGH vom 30.06.2007, KI-1/07

Sammlungsnummer

18191

Leitsatz

Feststellung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorstandsbeschlusses der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol über die Abberufung des Antragstellers als Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol; Abberufung durch vor dem VwGH anfechtbaren Bescheid; keine Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts

Spruch

Zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorstandsbeschlusses der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol über die Abberufung des Antragstellers als Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol ist der Verwaltungsgerichtshof zuständig.

Der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 2006/11/0129-3, wird aufgehoben.

Der Bund (Verwaltungsgerichtshof) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-

bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der vorliegende Antrag begehrt die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht.

Dem Antrag liegt ein an den Antragsteller gerichtetes Schreiben des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol vom mit folgendem Wortlaut zu Grunde:

"Betrifft: Vorstandsbeschluss

Sehr geehrter Herr Mag. H.!

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol teilt mit gegenständlichem Schreiben mit, dass Sie in der 34. Vorstandssitzung am aus wichtigen Gründen als Direktor der Arbeiterkammer Tirol gemäß § 77 Abs 1 AKG mit sofortiger Wirkung, somit ab dem Tag des Vorstandsbeschlusses, abberufen wurden.

Ab dem Zeitpunkt der Abberufung besteht keine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Verwendungszulage mehr, die Ihnen in der Ausübung Ihrer Funktion zustand.

Als wichtige Gründe für die Abberufung liegen insbesondere grobe Pflichtverletzung bzw. Unfähigkeit zur Erfüllung der Ihnen übertragenen Aufgaben vor. Bei der Sitzung des Vorstandes wurden exemplarisch nachfolgende Gründe angeführt:

* Die einseitige schriftliche Anweisung an den Leiter

der Finanzbuchhaltung, Ihren Bezug entsprechend der eigenen Rechtsmeinung neu zu berechnen und zwar dies entgegen der ausdrücklichen Weisung des Organs Präsident an Sie, die Genehmigung des Vorstandes hiefür einzuholen.

* Des Weiteren haben Sie sich über fünf Jahre ohne

vertragliche oder beschlussmäßige Rechtsgrundlage für Ihr Privatauto eine Vollkaskoversicherung aus Mitteln der Arbeiterkammer Tirol finanziert, obwohl Sie für dienstliche Zwecke einen eigenen Dienstwagen rund um die Uhr zur Verfügung hatten.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen ..."

Der Antragsteller erhob am beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gem. Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG gegen den "als Bescheid zu wertenden 'Vorstandsbeschluss' der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol vom , ausgefertigt mit dem Datum , Z 1017/06".

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluss vom wegen Unzuständigkeit zurück.

Zwischenzeitlich erhob der Antragsteller am Klage beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht mit dem Begehren, festzustellen, dass die mit Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol vom erfolgte Abberufung rechtswidrig und der Antragsteller daher Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol ist.

Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Beschwerde und Klage sind im Wesentlichen damit begründet, dass die in § 77 Abs 1 AKG vorgeschriebenen wichtigen Gründe für die Abberufung des Direktors durch den Vorstand - grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben - nicht vorliegen würden. Die im Vorstandsbeschluss angeführten Vorwürfe seien unrichtig bzw. könnten zumindest für sich allein nicht als grobe Pflichtverletzung angesehen werden. Es liege "nur der Ansatz einer Scheinbegründung" vor. Darüber hinaus verstoße die Abberufung gegen den Dienstvertrag des Antragstellers, der vorsieht, dass eine Abberufung "nur durch Versetzung in den dauernden Ruhestand" erfolgen könne.

II. Verwaltungsgerichtshof und Gericht sind unterschiedlicher Auffassung über die rechtliche Einordnung der Abberufung des Direktors der Kammer für Arbeiter und Angestellte durch den Vorstand, sohin über die Auslegung des § 77 AKG 1992. Dieser lautet im Zusammenhang:

"Direktor

§ 77 (1) Der Vorstand hat einen entsprechend fachlich qualifizierten Arbeitnehmer zum Direktor zu bestellen. Die Bestellung und Abberufung des Direktors erfolgt durch den Vorstand jeweils auf Vorschlag des Präsidenten. Die Abberufung ist nur aus wichtigen Gründen mit Zustimmung von zwei Drittel der Vorstandsmitglieder zulässig; wichtige Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben.

(2) - (4) ...

(5) Die Arbeitsverträge des Direktors und dessen Stellvertreters bzw. Stellvertretern schließt für die Kammer der Vorstand, vertreten durch den Präsidenten, ab. Die Verträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Vorstandes der Bundesarbeitskammer.

(6) ..."

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem zurückweisenden Beschluss aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 77 AKG

"auf Grund eines Arbeitsvertrages als Arbeitnehmer der Arbeiterkammer anzusehen [ist]. Nach § 77 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. erfolgt (die Bestellung und) die Abberufung des Direktors durch den Vorstand jeweils auf Vorschlag des Präsidenten. Dass dies mit Bescheid zu erfolgen hätte, wird darin nicht bestimmt. Vor diesem Hintergrund findet sich in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten ... Schreiben vom kein Anhaltspunkt dafür, der Vorstand der Arbeiterkammer habe hier eine Entscheidung im Rahmen der Hoheitsverwaltung getroffen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, seine Abberufung sei als öffentlich-rechtlicher Akt anzusehen und das hier bekämpfte Schreiben vom stelle einen Bescheid dar, ist somit verfehlt. Vielmehr handelt es sich bei der Bekämpfung der 'Abberufung' des Beschwerdeführers um einen Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und damit um eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, zu deren Erledigung das Arbeits- und Sozialgericht zuständig ist."

Demgegenüber geht das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht davon aus, dass nach dieser Bestimmung

"wie auch nach der Bestimmung des § 18 Abs 2 AKG 1954, zwischen der körperschaftsrechtlichen Bestellung eines Kammeramtsdirektors und dessen arbeitsrechtlicher Anstellung zu unterscheiden [ist]. Während § 18 Abs 2 AKG anordnete, dass die Bestellung und Abberufung durch den Kammervorstand bedurfte, bestimmte § 4 DO, dass das Dienstverhältnis des Kammeramtsdirektors unter Bedachtnahme auf seine Stellung gegenüber den anderen Kammerbediensteten und den im § 3 Abs 4 DO festgelegten Grundsatz durch Sondervertrag geregelt wurde. Diese Trennung ist auch im AKG 1992 durch die Normierung der Bestellung und Abberufung des Direktors in Abs 1 des § 77 AKG und die Bestimmung über den Abschluss der Arbeitsverträge des Direktors in Abs 5 des § 77 AKG erhalten geblieben (9 ObA 254/88).

...

Im Hinblick auf die besondere Bedeutung und Stellung eines Kammeramtsdirektors als leitenden Angestellten eines Selbstverwaltungskörpers mit weitgehend selbstverantwortlichen Aufgaben ... kann dem Gebot einer gesonderten Beschlussfassung über die Bestellung und Abberufung des Kammeramtsdirektors durch den Vorstand gemäß § 77 Abs 1 AKG 1992 und vormals § 18 Abs 2 AKG 1954 zusätzlich zum privaten Einstellungsvorgang nur der Sinn beigelegt werden, dass diese eminent wichtige und sensible Entscheidung in den autonomen Wirkungsbereich der Selbstverwaltung der Arbeiterkammern und auch des Arbeiterkammertages (Ausschließlichkeitskompetenz) fallen soll. Der Vorstand der Beklagten entscheidet somit frei und autonom über die Bestellung und Abberufung des Kammeramtsdirektors (9 ObA 254/88).

Die Bestellung und Abberufung eines Kammeramtsdirektors einer Arbeiterkammer ist daher ein einseitiger körperschaftsrechtlicher Organisationsakt im Rahmen der Selbstverwaltung der Kammern und der Bundesarbeitskammer, der in deren autonomen Wirkungsbereich fällt und nicht der nachprüfenden Inhaltskontrolle durch die Gerichte unterliegt (9 ObA 254/88)."

Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof legten sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht die Akten vor, nahmen von der Erstattung einer Äußerung jedoch Abstand.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrages auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes:

Nach Art 138 Abs 1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und anderen Gerichten. Ein solcher Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof und ein Gericht in derselben Sache angerufen wurden und beide eine Entscheidung in der Sache aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt haben, die Ablehnung aber in einem Fall zu Unrecht erfolgt ist (verneinender Kompetenzkonflikt, § 46 VfGG, vgl. VfSlg. 14.553/1996).

Das ist - wie im Folgenden dargetan wird - im Ergebnis der Fall. Der Antrag ist zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes

2.1.1. Nach Art 130 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit die Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden behauptet wird. Nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde erheben, wer behauptet, durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung daher dann zuständig, wenn der Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol über die Abberufung des Direktors vom , der dem Antragsteller mit Schreiben des Vorstandes vom , Z 1017/06, zur Kenntnis gebracht wurde, einen Bescheid im Sinne des Art 130 und Art 131 B-VG darstellt.

2.1.2. § 77 AKG regelt in Abs 1 die Bestellung und die Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer, in Abs 5 wird der Abschluss seines Arbeitsvertrages geregelt. Bereits aus dieser Systematik wird deutlich, dass zwischen dem körperschaftsrechtlichen Organisationsakt der Bestellung des Direktors der Arbeiterkammer und seiner arbeitsvertraglichen Anstellung zu unterscheiden ist (vgl. § 77 Abs 1 AKG: "Bestellung und Abberufung", und demgegenüber § 77 Abs 5 AKG:

"Arbeitsverträge"). Während mit der Bestellung beziehungsweise der Abberufung über das "Ob" der Funktion des Direktors der Arbeiterkammer entschieden wird, betrifft der Abschluss des Arbeitsvertrages das "Wie" der Ausübung dieser Funktion (, in Bezug auf die Bestellung des Direktors der Ärztekammer; vgl. auch die Gesetzesmaterialien zu § 77 AKG: AB 252 BlgNR 18. GP, 16).

Die die "Bestellung" (und Abberufung) des Direktors der Arbeiterkammer regelnden Bestimmungen des AKG betreffen die autonome organisationsrechtliche Ebene des Selbstverwaltungskörpers Arbeiterkammer (so auch zur Vorgängerregelung im AKG 1954).

2.1.3. Voraussetzung für die Annahme eines Bescheides ist, dass dem Vorstand der Kammer für Arbeiter und Angestellte Behördenqualität zukommt und dass der Vorstand überhaupt dazu ermächtigt ist, die Abberufung durch einen Hoheitsakt in Form eines Bescheides herbeizuführen.

2.1.4. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte ist gem. § 3 AKG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und auf Grundlage des von der Bundesverfassung garantierten Rechtes auf eigenverantwortliche Besorgung ihrer Angelegenheiten innerhalb ihres Aufgabenbereiches Träger der Selbstverwaltung (s. dazu VfSlg. 2073/1950, 2670/1954). Ihre verfassungsrechtliche Grundlage findet sich in der Kompetenzbestimmung des Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG (sinngemäß zu den Kammern der gewerblichen Wirtschaft VfSlg. 2500/1953; Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung, 1970, 40). Die grundlegende Aufgabe der Arbeiterkammer besteht gem. § 1 AKG in der Vertretung und Förderung der "sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen". Die Kammer für Arbeiter und Angestellte ist somit, wie etwa die Wirtschaftskammer oder eine Kammer von Angehörigen freier Berufe, Träger der beruflichen Selbstverwaltung. Die Zugehörigkeit zur Arbeiterkammer ist für den in § 10 Abs 1 AKG umschriebenen Personenkreis obligatorisch (Z2, der den primären Mitgliederkreis umschreibt, sowie Abs 2 Z 1 über Arbeitnehmergruppen, die nicht kammerzugehörig sind, stellen Verfassungsbestimmungen dar). Als Organe der Arbeiterkammer benennt § 46 AKG die Vollversammlung, den Vorstand, das Präsidium, den Präsidenten, die Ausschüsse und Fachausschüsse sowie den Kontrollausschuss.

2.1.5. Zu hoheitlichem Handeln ist die Arbeiterkammer als Träger der beruflichen Selbstverwaltung insoweit befugt, als sie dazu bundes- oder landesgesetzlich ermächtigt ist. Wenn auch nicht alle Erledigungen eines Selbstverwaltungskörpers als Bescheide anzusehen sind, so ist es doch andererseits unbestritten, dass Einzelnen der Erledigungen mit Rücksicht auf ihren Inhalt hoheitlicher bzw. Bescheidcharakter zukommt (vgl. VfSlg. 2073/1950).

Eine entsprechende Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln besteht zunächst in der Befugnis der Vollversammlung zur Regelung ihrer inneren Organisation und Geschäftsführung durch Erlassung der Geschäftsordnung gem. § 60 AKG (bzw. der Hauptversammlung zur Erlassung der Rahmen-Geschäftsordnung gem. § 83 Z 5 AKG) in Form eines generellen Verwaltungsakts (vgl. Korinek, aaO, 158 mwN). Darüber hinaus beruht die Organisation der Arbeiterkammern auf der den Selbstverwaltungsträgern zuerkannten spezifischen Befugnis zur Durchführung von Wahlen, einem Bereich, der in der Judikatur ebenfalls der Hoheitsverwaltung zugeordnet wird (vgl. ). Ferner ist auch der von der Vollversammlung (aufgrund eines vom Vorstand erstellten und genehmigten Entwurfes) gem. § 64 AKG zu beschließende Jahresvoranschlag der Hoheitsverwaltung zuzuordnen (vgl. in Bezug auf Gemeindevoranschläge VfSlg. 1878/1949, 5637/1967). Die dabei veranschlagten Einnahmen der Arbeiterkammern beruhen im Wesentlichen auf ihrer Berechtigung gem. § 61 AKG zur Einhebung einer Umlage von ihren Mitgliedern (die Verpflichtung der Mitglieder zur Leistung der Umlage folgt aus § 17 AKG). Ihre Höhe beruht gem. § 61 Abs 2 AKG auf einem Beschluss der Vollversammlung der Bundesarbeiterkammer, der rechtssystematisch eine Rechtsverordnung darstellt (vgl. Korinek, aaO, 159). Darüber hinaus ist die Arbeiterkammer in Bezug auf eine ihrer primären Aufgaben, der Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz gem. § 7 AKG, zu hoheitlichem Handeln befugt. Sofern im Einzelfall strittig ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz gegeben sind, hat die Arbeiterkammer darüber durch Bescheid zu befinden, wogegen der Rechtsmittelwerber die im AVG vorgesehenen Rechtsmittel ergreifen kann (s. AB 252 BlgNR 18. GP, 7).

2.1.6. Auch wenn § 77 AKG keine expliziten Vorgaben in Bezug auf die Frage enthält, ob die Organisationsakte der Bestellung sowie der Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer als Hoheitsakte ergehen, ist vor dem Hintergrund der spezifischen Stellung der Arbeiterkammern als Träger der beruflichen Selbstverwaltung, ferner des Umstandes, dass die Abberufung nicht nur an eine qualifizierte Mehrheit, sondern auch an das Vorliegen gesetzlich normierter Abberufungsgründe geknüpft ist, sowie schließlich der individuell-normativen Wirkung des Abberufungsaktes und dem dadurch bewirkten Eingriff in die Rechtssphäre des Direktors der Arbeiterkammer (siehe unten 2.1.7) - davon auszugehen, dass die Abberufung des Direktors durch den Vorstand der Arbeiterkammer durch einen Hoheitsakt vorgenommen wird.

2.1.7. Dass der Hoheitsakt der Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer im konkreten Fall in der Rechtsform des Bescheides zu ergehen hatte (und auch tatsächlich erging), ergibt sich aus verfassungskonformer Interpretation des § 77 Abs 1 AKG. Im Hinblick auf den aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen Rechtsschutz nach Art 130 B-VG begründet § 77 Abs 1 AKG eine gesetzliche Verpflichtung des Vorstandes, den Abberufungsbeschluss in der Form eines Bescheides zu erlassen, da durch diesen subjektive Rechte des Antragstellers berührt wurden:

2.1.8. Vorschriften, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, berühren nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter zwar grundsätzlich nicht, soweit sich aus den in Betracht zu ziehenden Regelungen (verfassungsgesetzlicher oder einfachgesetzlicher Art) nicht etwas anderes ergibt (VfSlg. 8187/1977, 8210/1977, 8385/1978, 8774/1980, 10.571/1985, 10.621/1985, 11.750/1988, 13.939/1994, 17.178/2004). Wenn aber die Ausübung einer bestimmten staatlichen Funktion gleichzeitig Rechte vermittelt (so etwa bei einem Beamten die Dienstrechtssphäre berührt - vgl. zB VfSlg. 8187/1977, 8774/1980), wird die Rechtssphäre der Person (die in anderer Beziehung Organwalter ist) betroffen (vgl. zB VfSlg. 5433/1966); in dieser Hinsicht geht es nicht um die Wahrung der Vollzugskompetenz eines Organwalters (die grundsätzlich die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Person nicht berührt), sondern um die Wahrung von Rechten als Rechtsperson (VfSlg. 10.621/1985). Eine solche Rechtssphäre hat der Verfassungsgerichtshof in jenen Fällen angenommen, in denen der Gesetzgeber den jeweiligen Organwalter entweder durch Einräumung von bestimmten Verfahrensrechten im Verfahren der Enthebung von der staatlichen Funktion (zuletzt VfSlg. 17.023/2003 zum Mitglied des Verwaltungsrates des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherung) oder durch Einräumung von bestimmten - an die Organfunktion angeknüpften - wirtschaftlichen Vorteilen (VfSlg. 12.331/1990 zum gesetzlich eingeräumten Recht des Fleischuntersuchungstierarztes auf Entlohnung), mit subjektiven öffentlichen Rechten ausgestattet hat (VfSlg. 17.427/2004). Auch der Verwaltungsgerichtshof nimmt die (die Beschwerdelegitimation begründende) Verletzung eines Organwalters in subjektiven Rechten an, wenn mit seiner Abberufung ein Einkommensentgang verbunden ist ().

2.1.9. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung in Bezug auf Eingriffe in die Rechtssphäre von Organwaltern ist davon auszugehen, dass der Direktor einer Arbeiterkammer über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügt, nur bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen seines Amtes enthoben zu werden und seiner damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Rechte verlustig zu gehen. Zwar wird er durch die Abberufung lediglich seiner (amtlichen) Funktion enthoben, während seine Stellung als Arbeitnehmer der Arbeiterkammer unberührt bleibt. Die Zulässigkeit der Abberufung ist aber in § 77 Abs 1 AKG an das Vorliegen bestimmter Gründe geknüpft, woraus sich ein rechtlicher Anspruch des Direktors ableiten lässt, tatsächlich nur bei Vorliegen der im Gesetz hiefür vorgesehenen Gründe seiner Funktion enthoben zu werden (vgl. in Bezug auf einen Misstrauensantrag des Gemeinderates gegenüber dem Bürgermeister VfSlg. 7669/1975, 9848/1983).

Darüber hinaus verfügt der Direktor einer Arbeiterkammer nach § 77 Abs 6 AKG über einen Rechtsanspruch auf ein Gehalt sowie eine Verwendungszulage. Das für die Tätigkeit gebührende Gehalt bildet daher, insbesondere aufgrund der Verwendungszulage, die im vorliegenden Fall etwa mit 40% des Grundgehaltes bemessen ist, für den Direktor der Arbeiterkammer einen über eine bloße Aufwandsentschädigung hinausgehenden grundlegenden Einkommensbestandteil, der an seine Funktion als Direktor geknüpft ist. Die Ausübung der Funktion des Direktors einer Arbeiterkammer vermittelt dem Funktionsinhaber demgemäß in wirtschaftlicher Hinsicht Rechte in Verbindung mit der von ihm zu leistenden Arbeit, deren Entfall von so gravierender Bedeutung ist, dass der Verlust des Amtes einen Eingriff in seine Rechtssphäre darstellt.

. Daraus folgt, dass die Abberufung des Direktors durch den Vorstand der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Form eines Bescheides zu erfolgen hat.

Der mit Schreiben vom mitgeteilte Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol, mit dem der Antragsteller mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Direktor der Arbeiterkammer abberufen wird und seinen Anspruch auf Verwendungszulage verliert, stellt einen Bescheid dar, der nach Art 130 und 131 B-VG beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint.

2.2. Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht

2.2.1. Das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht ist in Arbeitsrechtssachen zuständig. Arbeitsrechtssachen sind gem. § 50 Abs 1 ASGG bürgerliche Rechtsstreitigkeiten u.a. zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung.

2.2.2. Aus den Ausführungen unter 2.1. ergibt sich, dass der Beschluss über die Abberufung des Antragstellers einen Hoheitsakt bildet, der zum autonomen Wirkungsbereich des Selbstverwaltungskörpers gehört, der dem öffentlichen Recht zuzuzählen ist und nicht das Arbeitsverhältnis zwischen der Kammer für Arbeiter und Angestellte und dem Antragsteller betraf. In einer solchen "bestellungsrechtlichen" Angelegenheit kann demnach eine auf § 50 Abs 1 ASGG gründende Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts nicht gegeben sein. Lediglich im Bereich "anstellungsrechtlicher" (= "bürgerlicher") Rechtsstreitigkeiten kann ein Raum für eine arbeitsgerichtliche Zuständigkeit verbleiben (vgl. bereits ).

Das Landesgericht Innsbruck hat daher seine Zuständigkeit zu Recht verneint.

3. Zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorstandsbeschlusses der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol über die Abberufung des Antragstellers als Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol ist daher der Verwaltungsgerichtshof zuständig.

4. Der dieser Feststellung entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom ist gem. § 51 VfGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 erster Satz VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 327,- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,-.

Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).