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VfGH vom 28.06.1990, g97/90

VfGH vom 28.06.1990, g97/90

Sammlungsnummer

12411

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses der Progressionsmilderung beim Zusammentreffen von steuerfreiem Arbeitslosengeldbezug und steuerpflichtigem Arbeitseinkommen; keine Überschreitung des angestrebten - verfassungsrechtlich unbedenklichen - rechtspolitischen Zieles; kein Erfordernis der Einbeziehung des Karenzurlaubsgeldes in diese Regelung

Spruch

Der zweite Absatz der Z 4 des § 3 Einkommensteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 440, in der Fassung des 3. Abgabenänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 606, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach § 3 EinkommensteuerG 1972, BGBl. 440 (EstG 1972), idF des AbgabenänderungsG 1985, BGBl. 557, sind von der Einkommensteuer befreit

"4. das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe, das Karenzurlaubsgeld oder an dessen Stelle tretende Ersatzleistungen und die Karenzurlaubshilfe auf Grund der besonderen gesetzlichen Vorschriften, weiters die Überbrückungshilfe für Bundesbedienstete nach den besonderen gesetzlichen Vorschriften sowie gleichartige Bezüge, die auf Grund besonderer landesgesetzlicher Regelungen gewährt werden, Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, und Leistungen nach dem Invalideneinstellungsgesetz 1969, BGBl. Nr. 22/1970."

Das 3. AbgabenänderungsG 1987, BGBl. 606 - Abschnitt I ArtI Z 2 -, setzte die Z 4 des § 3 mit Wirkung ab 1987 (ArtII Z 2) bei gleichem Wortlaut unter Beifügung folgenden weiteren (zweiten) Absatzes abermals in Geltung:

"Erhält der Steuerpflichtige versicherungmäßiges Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Überbrückungshilfe für Bundesbedienstete nach den besonderen gesetzlichen Vorschriften bzw. gleichartige Bezüge, die auf Grund besonderer landesgesetzlicher Regelungen gewährt werden, nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind für das restliche Kalenderjahr bezogene Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die Steuer darf jenen Betrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn die Bezüge dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen ..."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 277 BlgNR 17. GP 6f, begründen diese Änderung wie folgt:

"Die Steuerfreiheit der in § 3 Z 4 angeführten Transferleistungen führt einerseits dazu, daß es im Falle des Zusammentreffens mit steuerpflichtigen Einkünften zu einer - zum Teil erheblichen - Milderung der Steuerprogression kommt. Andererseits bemessen sich diese Transferleistungen überwiegend nach dem letzten Bruttolohn. Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren kann - insbesondere im Falle saisonal bedingter Arbeitslosigkeit - den Effekt nach sich ziehen, daß das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege des Jahresausgleiches erhaltenen Lohnsteuererstattung - in vergleichbaren Fällen - höher ist als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten. Dieser Effekt wird bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation zunehmend als unbefriedigend empfunden und ist daher rechtspolitisch unerwünscht. Im Hinblick darauf soll die Begünstigung der Steuerfreiheit für Arbeitslosengeld nur mehr derart gewährt werden, daß die mit einer Steuerbefreiung einhergehende Progressionsmilderung in diesen Fällen ausgeschlossen wird.

... Demnach soll bei Durchführung eines Jahresausgleiches oder einer Veranlagung jener Zeitraum, währenddessen der Steuerpflichtige Transferleistungen bezieht, neutralisiert werden. Der Jahresausgleich (die Veranlagung) wäre in der Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Eine lediglich auf den Bezug - nach wie vor - steuerfreier Transferleistungen zurückzuführende Progressionsmilderung ist damit ausgeschlossen. Im reduzierten Zeitraum auftretende Umstände (zB zeitweises Fehlen jeglicher Einkünfte, unterschiedliche Bezugshöhe, nachträgliche Geltendmachung besonderer Aufwendungen) bewirken grundsätzlich weiterhin eine Progressionsmilderung.

Die Verkürzung des Jahresausgleichszeitraumes bzw. des Veranlagungszeitraumes wird dadurch erreicht, daß die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw. die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Andere Einkünfte, die die Höhe derartiger Transferleistungen nicht beeinflussen (zB Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte), sind immer in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Für den Fall des Bezuges niedriger steuerpflichtiger Erwerbs- oder Pensionseinkünfte im Restzeitraum des Jahres ist überdies noch vorgesehen, daß aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerabzugspflichtiger Arbeitslohn eintreten darf."

Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B224/89, 871/89, 1238/89, 1299/89, 1300/89, 1391/89, 1423/89, 1500/89, 54-58/90, 135-137/90, 170-172/90, 187/90, 280/90, 614 u. 615/90 Beschwerdeverfahren anhängig, in denen die Beschwerdeführer Berufungsentscheidungen der Finanzlandesdirektion bekämpfen, womit Bescheide von Finanzämtern bestätigt werden, die den wegen Zusammentreffens von Arbeitslosengeld und Arbeitseinkommen beantragten Jahresausgleich für 1987 unter Anwendung des (neuen) zweiten Absatzes der Z 4 des § 3 EStG 1972 durchgeführt haben. Die Beschwerdeführer erachten diese Bestimmung als gleichheitswidrig.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren hat der Gerichtshof die genannte Bestimmung gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen in Prüfung gezogen.

Er ist vorläufig davon ausgegangen, daß es dem Gesetzgeber freisteht, sogenannte Transferleistungen der öffentlichen Hand steuerfrei zu belassen oder auch der Steuerpflicht zu unterwerfen, und daß er auch Vorkehrungen treffen kann, damit dem nicht ganzjährig Beschäftigten nicht etwa infolge der eintretenden Progressionsmilderung ein höheres Nettoeinkommen bleibt als einem ganzjährig Beschäftigten. Gleichwohl hatte er das Bedenken, daß die durch das 3. AbgabenänderungsG 1987 eingeführte Methode der Steuerbemessung unter gewissen Umständen das Einkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten stärker belastet, als dies zur Erreichung des genannten Zieles notwendig und im Vergleich mit ganzjährigen Beziehern steuerfreier Transfereinkommen zu rechtfertigen ist. Da nämlich die vom hochgerechneten - fiktiven - Einkommen berechnete Steuer (auf den steuerpflichtigen Einkommensteil) so hoch sein könne wie "im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistung", schien ihm dieses System unter gewissen Umständen im praktischen Ergebnis tatsächlich auf eine Vollbesteuerung der Transferleistungen hinauszulaufen, ohne daß sich die Fälle, in denen dieses Ergebnis eintritt, wesentlich von solchen unterscheiden würden, in denen das gesamte Transfereinkommen unversteuert bleibt, oder bloße Härtefälle wären.

Für den Fall, daß dieses Bedenken nicht zutrifft, hatte er - alternativ - das Bedenken, daß zumindest auch in Fällen des Karenzgeldbezuges jener Effekt eintreten kann, der die Regelung veranlaßt hat, ohne daß es zureichende Gründe gäbe, diese Fälle des Ersatzeinkommens anders zu behandeln als das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe und die Überbrückungshilfe. Es werde noch dadurch genährt, daß die Regierungsvorlage zum 3. AbgabenänderungsG 1987 sämtliche in § 4 Z 4 (Abs1) genannten "Bezüge" (im Gegensatz zu den dort auch genannten "Beihilfen" und "Leistungen") dem Verfahren nach Abs 2 unterwerfen wollte, der Bericht des Finanzausschusses (386 BlgNR 17. GP) für die Herausnahme des Karenzurlaubsgeldes keine Begründung gibt und auch die Literatur die Gleichartigkeit aller dieser Bezüge unter dem Blickwinkel des Regelungszweckes betont (Hofstätter-Reichel, Einkommensteuergesetz, §§72, 73 Tz 6b, S. 18/2). Der Gerichtshof konnte ungeachtet einschlägiger Hinweise in den eingeholten Äußerungen der Bundesminister für Finanzen und für Arbeit und Soziales vorläufig nicht erkennen, welcher Zusammenhang zwischen dem familienpolitischen Zweck des Karenzurlaubsgeldes und der Frage besteht, ob die Steuerfreiheit des vorübergehenden Ersatzeinkommens zu einer Progressionsminderung für das im selben Jahr bezogene steuerpflichtige Einkommen führen soll oder nicht. Auch die weiteren genannten Umstände, nämlich daß sich hier nicht ein spezifisches "Berufsrisiko" des Arbeitnehmers verwirklicht, daß das Karenzurlaubsgeld eigenständig, vom Arbeitslohn losgelöst bemessen wird und es nur eine verhältnismäßig geringe Höhe erreicht, sowie daß ein zu bekämpfender "Anreiz" zum Karenzurlaub angeblich fehlt, schienen ihm mit dieser Frage nichts zu tun zu haben. Er nahm an, daß auch hier das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten infolge der Lohnsteuererstattung höher sein kann als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten, ohne daß sich dafür im Vergleich mit dem Arbeitslosengeld, der Notstandshilfe oder der Überbrückungshilfe eine sachliche Rechtfertigung finden lasse.

III. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und führt zur Belastung des Einkommens des nicht durch das ganze Kalenderjahr Beschäftigten aus:

"1. Der Gesetzgeber hat im zweiten Satz der angefochtenen Regelung bestimmten Transferleistungen Steuerfreiheit unter Ausschluß der sich als Nebeneffekt einer Steuerbefreiung ergebenden Progressionsmilderung für das daneben erworbene Aktiveinkommen im Jahr, die jeweils im Jahresausgleich zum Tragen kommt, eingeräumt. Diese gesetzliche Maßnahme richtet sich nicht nur darauf, Vorkehrungen zu treffen, 'damit das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten nicht infolge der etwa eintretenden Progressionsmilderung höher ist als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten'. Sie soll vielmehr auch arbeitsmarktpolitisch unerwünschte Wirkungen der mit der Steuerfreiheit bestimmter Transferleistungen - insbesondere des Arbeitslosengeldes - einhergehenden Progressionsmilderung, die in der Folge näher dagelegt werden, verhindern.

Es ist ein anerkanntes Phänomen, daß die Leistungbereitschaft und der Arbeitswille grundsätzlich mit dem Ausmaß der mit der Arbeit verbundenen materiellen Vorteile korrelieren. Die Arbeitsbereitschaft sinkt in jenem Ausmaß, in dem der mit der Arbeit verbundene materielle Vorteil gegenüber dem Zustand des "Nichtarbeitens" abnimmt. Ergeben sich demnach aus der Arbeitslosigkeit keine oder nur geringfügige materielle Nachteile, wirkt sich dies auf die Bereitschaft zur (zeitnahen) Wiederaufnahme einer Beschäftigung tendenziell negativ aus. In solchen Fällen besteht für den Arbeitslosen zumindest kein besonderer Anreiz, wieder eine Arbeit aufzunehmen.

Die bis zum Dritten Abgabenänderungsgesetz 1987 uneingeschränkt geltende Steuerfreiheit des Arbeitslosengeldes, der Notstandshilfe sowie vergleichbarer Leistungen verursachte derartige negative arbeitsmarktpolitische Wirkungen. Der progressionsmildernde Effekt der Steuerfreiheit der in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genannten Bezüge hat in der Regel zu einer Lohnsteuerrückerstattung im Wege des Jahresausgleiches geführt, weil der in einigen Monaten des Jahres erworbene Aktivlohn im Zuge des Jahresausgleiches auf das gesamte Kalenderjahr verteilt wurde (also auch auf die Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld). Neben der Steuerfreiheit des Arbeitslosenentgeltes oder der anderen genannten Ersatzeinkommen kam es zu einer beträchtlichen Milderung der Steuerprogression des im Jahr der Arbeitslosigkeit erworbenen Arbeitseinkommens.

Hinzu kommt noch, daß die Höhe der genannnten Ersatzeinkommen vom letzten Bruttolohn abhängt und etwa 40 % des letzten Bruttoeinkommens ausmacht (vgl. § 21 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977; im Hinblick auf die Notstandshilfe § 36 leg.cit. sowie die Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, in der Fassung der Verordnungen, BGBl. Nr. 417/1987, 636/1987 und 319/1988 und im Hinblick auf die Überbrückungshilfe § 2 des Überbrückungshilfegesetzes, BGBl. Nr. 174/1963 in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 22/1964 und 187/1964). Ab einer bestimmten Einkommenshöhe gelten allerdings absolute Höchstbeträge. Im Jahr 1987 galt für das Arbeitslosengeld ein absoluter Höchstbetrag von monatlich ca. S 10.500,-- (das sind 40 % eines Bruttoeinkommens in der Höhe von S 25.800,--), im Jahr 1988 ein Höchstbetrag von ca. S 10.800,-- (das sind 40 % eines vorangegangenen Bruttoeinkommens in der Höhe von S 26.400,--). Bei der Notstandshilfe war dieser Höchstbetrag im fraglichen Zeitraum gemäß der Notstandshilfeverordnung 100 % des Arbeitlosengeldes, wenn ein Anspruch auf Familienzuschlag bestand, sonst 92 % des Arbeitslosengeldes. Gemäß § 2 des Überbrückungshilfegesetzes gelten für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes die Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die das Arbeitslosengeld, das Karenzurlaubsgeld und die Notstandshilfe (ausgenommen §§37, 38) betreffen.

Der Bruttolohnersatz und der durch die Lohnsteuerrückerstattung bedingte Progressionsmilderungseffekt haben sich im Zusammenspiel so ausgewirkt, daß die Differenz zwischen dem Aktivlohn für eine ganzjährige Beschäftigung einerseits und der Summe aus Arbeitslosengeld und teilweisem Aktivlohn einschließlich der Lohnsteuerrückerstattung andererseits häufig so gering war, daß kaum noch ein Anreiz bestand, eine ganzjährige Beschäftigung anzustreben. In manchen Konstellationen kam es sogar dazu, daß das verfügbare Nettoeinkommen im Falle der teilweisen Arbeitslosigkeit neben teilweiser Beschäftigung höher war als im Falle einer ganzjährigen Beschäftigung. In solchen Fällen kam es häufig dazu, daß die teilweise Arbeitslosigkeit von vorherein bewußt in Kauf genommen bzw. sogar angestrebt wurde, wie bei saisonal schwankender Arbeit (etwa im Gastgewerbe und im Baugewerbe). Dies entsprach nun in keiner Weise dem Anliegen der Arbeitslosenversicherung, vorübergehende finanzielle Unterstützung zu gewähren, ohne die Arbeitsbereitschaft herabzusetzen.

Vorrangiges Ziel der angefochtenen Bestimmung war es also, den Anreiz zu der wegen des Steuervorteils häufig bewußt in Kauf genommenen vorübergehenden Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Zur Erreichung dieses Zieles wollte der Gesetzgeber vor allem die von der Steuerfreiheit ausgehende Tendenz der Verringerung der Differenz zwischen verfügbarem Nettoeinkommen bei teilweiser Arbeitslosigkeit einerseits und voller Beschäftigung andererseits hintanhalten. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Unterbrechungsbeschluß ist somit darauf hinzuweisen, daß das Anliegen des Gesetzgebers bei der Erlassung der angefochtenen Bestimmung ein viel umfassenderes war, als nur zu verhindern, daß das verfügbare Nettoeinkommen bei teilweiser Arbeitslosigkeit neben teilweiser Beschäftigung im Jahr höher ist als bei ganzjähriger Beschäftigung. Der zuletzt angesprochene Aspekt war demnach eher nebensächlich.

Die dargelegten negativen arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Progressionsmilderung der Steuerfreiheit des Arbeitslosengeldes und ähnlicher Ersatzeinkommen sollen durch das folgende Beispiel, dem die einschlägige Rechtslage vor dem Dritten Abgabenänderungsgesetz 1987 zugrundegelegt wird, illustriert werden:

Ein Saisonarbeiter im Fremdenverkehrsgewerbe ist in den Monaten Jänner bis März und Juli bis September (Ausgangsjahr 1988) beschäftigt. Das Monatsgehalt beträgt brutto S 22.000,--. Außerhalb der Saison ist der Betreffende arbeitslos. Könnte er statt dessen ein Beschäftigungsverhältnis eingehen, so bekäme er - weil außerhalb der Saison - ein Bruttolohn von angenommen monatlich S 12.000,--.

Verfügbares Jahresnettoeinkommen (nach Lohnsteuer, mit 13. und 14. Bezug):

a) bei Arbeitslosengeldbezug ...............S 170.949,--

b) bei ganzjähriger Beschäftigung ..........S 166.826,--

Im Fall a) beträgt die anrechenbare Gesamtlohnsteuer S 11.162,--, im Fall b) S 30.731,--.

(Nähere Erläuterungen der Berechnung zu lita und b. siehe in den Beilagen 1 und 2.)

Die verzerrende Wirkung der Progressionsmilderung verstärkt sich noch, wenn die Saison - und damit die Zeit der Beschäftigung - kürzer ist bzw. wenn die Höhe des Bruttoeinkommens und des Arbeitslosenentgeltes noch weiter auseinanderklaffen.

In dem als nicht sehr wahrscheinlich anzunehmenden Fall, daß der Saisonarbeiter außerhalb der Saison eine gleich hoch entlohnte Ersatzarbeit annehmen kann, stünden im vorstehenden Beispiel einem verfügbaren Jahresnettoeinkommen von S 170.949,-- bei sechsmonatiger Arbeitslosigkeit ein verfügbares Jahresnettoeinkommen von S 205.457,-- (bei ganzjähriger Beschäftigung zu S 22.000,-- monatlich) gegenüber. Der materielle Vorteil aus der Aufnahme der Beschäftigung läge in diesem Fall bei etwa S 5.800,-- monatlich und auf das Jahr berechnet bei ca. S 35.000,-- (vgl. dazu die detaillierte Berechnung in der Beilage 3).

2. Der Gesetzgeber trat den aufgezeigten, als unerwünscht erachteten arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen nun dadurch entgegen, daß er die mit der Steuerfreiheit des Arbeitslosengeldes und der anderen in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genannten Ersatzeinkommen verbundenen Progressionsvorteile für den im selben Jahr erworbenen Aktivlohn ausschloß. Dies wird durch eine Hochrechnung des zeitweisen Aktiveinkommens auf ein Jahreseinkommen - also durch eine de facto Verkürzung des Jahresausgleichszeitraumes - erreicht. Diese Maßnahme richtet sich also auf ein bestimmtes Aktiveinkommen und bewirkt im Hinblick auf den Jahresausgleich eine unterschiedliche Behandlung von Aktiveinkommen. Sie führt aber zu einer Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen, die während des Kalenderjahres neben einem Aktiveinkommen ein in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genanntes Ersatzeinkommen beziehen.

Der Fall, daß ein Steuerpflichtiger im ganzen Kalenderjahr Arbeitslosengeld oder ein anderes, in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genanntes Ersatzeinkommen bezieht, einerseits und Fälle des teilweisen Bezuges von Aktiveinkommen neben einem Ersatzeinkommen stellen unterschiedliche Sachverhalte dar. Die mit der angefochtenen Regelung bekämpften tatsächlichen, für unerwünscht erachteten Auswirkungen einer unbeschränkten Steuerfreiheit bestimmter Transferleistungen bestehen im Hinblick auf einen Steuerpflichtigen nicht, der ganzjährig ein Arbeitslosengeld oder ein ähnliches Ersatzeinkommen erhält. Der Fall dieser ganzjährigen Arbeitslosigkeit unterscheidet sich deshalb wesentlich von den Fällen teilweiser Arbeitslosigkeit und teilweiser Beschäftigung in einem Jahr, weil es in diesen Fällen von vornherein zu dem zusätzlichen Bonus der Progressionsmilderung im Hinblick auf im selben Jahr erworbenes Aktiveinkommen nicht kommen kann. Ziel der angefochtenen Regelung ist aber gerade der Ausschluß einer sonst automatisch eintretenden steuerlichen Progressionsmilderung für bestimmtes Aktiveinkommen.

3. Zu dem Argument, das in § 3 Z 4 EStG 1972 vorgesehene System der Steuerbemessung laufe unter gewissen Umständen im praktischen Ergebnis auf eine Vollbesteuerung der Transferleistungen hinaus, darf auf folgendes hingewiesen werden:

Dieses Argument geht offensichtlich vom letzten Satz des § 3 Z 4 EstG 1972, in der Fassung des 3. AbgÄG 1987, aus, wonach die Steuer auf Grund der Hochrechnung auf ein Jahreseinkommen nicht höher sein darf, als die Steuerbelastung bei tatsächlicher Besteuerung der genannten Transferleistungen wäre.

Nach Auffassung der Bundesregierung stellen jene Fälle, in denen der Ausschluß des mit der Steuerfreiheit verbundenen Progressionsvorteiles auf eine Vollbesteuerung der Transferleistungen hinausläuft, Ausnahmen dar, die nur unter der Annahme eintreten, daß der sich aus dem Ausschluß der Progressionsmilderung ergebende Betrag an zusätzlicher Steuerverpflichtung so hoch ist, daß er der steuerlichen Nacherfassung des bisher unbesteuerten Ersatzeinkommens entspricht. Auf der Basis dieser Prämisse und unter Berücksichtigung des in § 33 Abs 1 EStG 1972 vorgesehenen Steuertarifs kann es aber zu einer solchen "Vollbesteuerung" des Transfereinkommens nur dann kommen, wenn der Unterschied zwischen Aktiveinkommen und Transferleistungen ein sehr hoher ist. Nur in diesem Fall kann sich ein Progressionseffekt aus der Verteilung des Aktiveinkommens in einem Ausmaß ergeben, daß er der steuerlichen Nacherfassung der bislang unbesteuerten Transferleistungen gleichkäme oder sogar darüber hinausginge.

In diesem Zusammenhang ist weiters beachtlich, daß das Arbeitslosengeld oder die anderen in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genannten Transferleistungen jeweils vom Bruttoeinkommen abhängig sind und in einem bestimmten Verhältnis zu diesem stehen (z.B. das Arbeitslosengeld ca. 40 % des letzten Bruttoeinkommens). Wie bereits dargelegt, gelten für die genannten Ersatzeinkommen allerdings absolute Höchstbeträge. Unterhalb der Höchstbeträge bleibt somit das Verhältnis zwischen Aktivbezügen und Transferleistungen konstant. In diesem Bereich kann die Steuerbelastung des (neben einem Ersatzeinkommen bezogenen) Aktiveinkommens im Hinblick auf den Tarifverlauf des § 33 Abs 1 EStG 1972 nicht einer Vollbesteuerung der Transferleistungen gleichkommen. Zu einer solchen Vollbesteuerung kann es nur bei höheren Bruttoeinkommen, die nicht mehr in dem sonst üblichen festen Verhältnis zur Höhe des Transfereinkommens stehen, kommen, weil dann die Differenz zwischen Aktiv- und Ersatzeinkommen wegen des konstanten Höchstbetrages des Ersatzeinkommens notwendigerweise immer größer wird. Konkrete Berechnungen der Besteuerung verschieden hoch angenommener monatlicher Aktiveinkommen nach Hochrechnung gemäß § 3 Z 4 EStG 1972 und nach einer fiktiven Vollbesteuerung bestätigen dieses Ergebnis und erweisen, daß die Steuerbelastung ab einem monatlichen Aktiveinkommen von S 50.000,-- bei entsprechender Konstellation der Verteilung von Arbeit und Arbeitslosigkeit für das Jahr auf eine Vollbesteuerung hinauslaufen kann.

Die Beispiele beziehen sich auf das Jahr 1987. Unter Aktivbezug ist das Bruttoeinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge zu verstehen.

Beispiel 1:

Aktivbezug monatlich .......................... S 17.000,--

Arbeitslosengeld monatlich .................... S 8.100,--

Variante 1: 1 Monat aktiv/11 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 1.982,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 10.973,--

Variante 2: 3 Monate aktiv/9 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 9.632.--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 16.721,--

Variante 3: 6 Monate aktiv/6 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 21.107,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung..... S 25.532,--

Variante 4: 9 Monate aktiv/3 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 32.582,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 35.489,--

Beispiel 2:

Aktivbezug monatlich .......................... S 25.000,--

Arbeitslosengeld 1987 monatlich ............... S 10.500,--

Variante 1: 1 Monat aktiv/11 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 5.119,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung..... S 22.199,--

Variante 2: 3 Monate aktiv/9 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 20.344,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 32.447,--

Variante 3: 6 Monate aktiv/6 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 43.181,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 49.700,--

Variante 4: 9 Monate aktiv/3 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ....... S 66.019,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung .... S 69.274,--

Beispiel 3:

Aktivbezug monatlich ........................... S 50.000,--

Arbeitslosengeld monatlich ..................... S 10.500,--

Variante 1: 1 Monat aktiv/11 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 18.296,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 30.886,--

Variante 2: 3 Monate aktiv/9 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 61.630,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 63.875,--

Variante 3: 6 Monate aktiv/6 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 126.820,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 126.228,--

Variante 4: 9 Monate aktiv/3 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 192.011,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 192.588,--

Beispiel 4:

Aktivbezug monatlich ........................... S 100.000,--

Arbeitslosengeld monatlich ..................... S 10.500,--

Variante 1: 1 Monat aktiv/11 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 46.869,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 50.825,--

Variante 2: 3 Monate aktiv/9 Monate arbeitslos

Lohnsteuer bei Hochrechnung ........ S 148.969,--

Lohnsteuer bei Vollbesteuerung ..... S 143.868,--

Der Anteil jener unselbständig Erwerbstätigen, deren Monatseinkommen S 50.000,-- und mehr ausmacht, kann aber in den Zeiträumen 1987 und 1988 mit weniger als ein 1 % aller Arbeitnehmer angenommen werden (Berechnung ausgehend von der letzten vorliegenden Lohnsteuerstatistik 1982, siehe dazu die Erläuterung in der Beilage 4 mit 2 Anlagen). Das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer betrug im Jahr 1987 ca. monatlich S 16.663,--, im Jahr 1988 ca. S 17.143,-- (Bruttobeträge ohne Abzug des Sozialversicherungsbeitrages; Erläuterungen dazu in der Beilage 4). Die Fälle, in denen das in § 3 Z 4 EStG 1972 in der Fassung des 3. AbgÄG 1987 eingeführte System der Steuerbemessung des Aktiveinkommens auf eine Vollbesteuerung der Transferleistungen hinauslaufen könnte, stellen somit Ausnahmefälle dar und sind daher als Härtefälle anzusehen, die die Sachlichkeit der Regelung nicht in Frage stellen können."

Zu den - alternativen - Bedenken wegen Nichteinbeziehung des Karenzurlaubsgeldes nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:

"1. Die unterschiedliche Behandlung des Karenzurlaubsgeldes ließe sich damit sachlich rechtfertigen, daß die eingangs beschriebenen tatsächlichen negativen Auswirkungen der mit der Steuerfreiheit des Arbeitslosengeldes einhergehenden Progressionsmilderung für das Aktiveinkommen im Fall des Karenzurlaubsgeldes nicht zutreffen. Die durch die Steuerfreiheit bewirkte Progressionsmilderung läßt in diese Fall nämlich kaum das - der Zielsetzung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes entgegenlaufende - Phänomen befürchten, daß die Arbeitsbereitschaft und der Arbeitswille herabgesetzt werden. Im Hinblick auf das Karenzurlaubsgeld besteht vielmehr das gewichtige gesellschaftspolitische Interesse, auch im Steuerrecht einen Anreiz zur Inanspruchnahme des Karenzurlaubes zu bieten, damit eine intensivere Betreuung des Kindes im ersten Jahr nach der Geburt möglich wird.

Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 8457/1979) ergibt sich, daß rechtspolitische (wie sozial- oder familienpolitische) Zielsetzungen des Gesetzgebers eine unterschiedliche steuerliche Behandlung - hier im Hinblick auf den Ausschluß der mit einer Steuerbefreiung einhergehenden Progressionsmilderung - rechtfertigen können. Der wesentliche Grund für die Einführung des Karenzurlaubsgeldes im Jahre 1961 war die familienpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Mütter im ersten Lebensjahr des Kindes das Kind persönlich betreuen können. Dann erscheint aber nur konsequent, wenn für solche Fälle Steuerfreiheit ausnahmsweise gemeinsam mit der damit einhergehenden Steuerprogressionsmilderung für sonstiges Aktiveinkommen gewährt wird. Andernfalls würde es unter Umständen dazu kommen, daß aus steuerlichen Gründen die Inanspruchnahme von Karenzurlaub weniger attraktiv wäre. Eine solche Regelung hätte also eine dem familienpolitischen Anliegen gegenläufige Wirkung.

2. Zwischen dem Karenzurlaubsgeld und den in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 genannten Ersatzeinkommen bestehen aber auch noch folgende Unterschiede, die nach Auffassung der Bundesregierung in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Ausschluß der Progressionsmilderung stehen:


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-
Das Karenzurlaubsgeld stellt kein "echtes" (das heißt vom letzten Bruttolohn abhängiges) Ersatzeinkommen für das zuletzt bezogene Bruttoeinkommen dar.


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Es ist weiters im Regelfall wesentlich geringer als das Arbeitslosengeld oder die anderen in § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung des 3. AbgÄG 1987 genannten Ersatzeinkommen (für verheiratete und nicht alleinstehende Mütter gemäß § 27 Abs 1 und § 32 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes in Verbindung mit der Valorisierung gemäß § 108f ASVG: im Jahr 1987
S 4.332,-- und im Jahr 1988 S 4.431,--; für alleinstehende Mütter im Jahr 1987 S 6.477,-- und im Jahr 1988 S 6.627,--). Aus dieser geringen Höhe des Karenzurlaubsgeldes ergibt sich, daß es äußerst unwahrscheinlich ist, daß der Bezug von Karenzurlaubsgeld und Arbeitseinkommen in einem Jahr zu einem annähernd gleichen oder gar höheren verfügbaren Nettoeinkommen führt als der Bezug auf Grund der ganzjährigen Beschäftigung.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
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Weiters ergibt sich auf Grund der feststehenden und geringen Höhe des Karenzurlaubsgeldes auch, daß der Unterschied zwischen dem Aktiveinkommen und diesem Ersatzeinkommen in der Regel wesentlich größer ist als bei Arbeitslosengeld und gleichartigen Bezügen. Bei Anwendung des § 3 Z 4 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung des 3. AbgÄG 1987 käme es daher beim Karenzurlaubsgeld nicht nur in vernachlässigbaren Ausnahmefällen, sondern wesentlich häufiger zu einer Quasi-Vollbesteuerung (siehe das Beispiel in Beilage 5).

IV. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Norm sprechen würde.

V. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs sind jedoch zerstreut worden. Der zweite Absatz der Z 4 des § 3 EStG 1972 idF BGBl. 606/1987 ist nicht verfassungswidrig.

1. Das Zusammentreffen von steuerpflichtigem Arbeitseinkommen und steuerfreiem Arbeitslosengeldbezug oder gleichartigen Bezügen im selben Kalenderjahr kann infolge der eingetretenen Progressionsmilderung im System der Jahresbesteuerung den sozialpolitisch unerwünschten Effekt haben, daß dem Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit ein höheres Nettoeinkommen bleibt als im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Daß der Gesetzgeber dagegen Vorkehrungen treffen kann, hat der Verfassungsgerichtshof schon im Prüfungsbeschluß eingeräumt. Seine Bedenken sind nur dahin gegangen, daß die gewählte Methode der Steuerbemessung unter gewissen Umständen das Einkommen des nicht ganzjährig Beschäftigten stärker belastet als dies zur Erreichung des genannten Zieles notwendig und im Vergleich mit den durch ein ganzes Jahr steuerfreie Transfereinkommen Beziehenden zu rechtfertigen ist.

Nun weist aber die Bundesregierung mit Recht darauf hin, daß zur Beseitigung eines allfälligen Anreizes, bestehende Beschäftigungsverhältnisse zu beenden und Arbeitslosengeld zu beziehen, nicht nur verhindert werden muß, daß das Jahresnettoeinkommen des Arbeitslosen jenes bei Fortsetzung der Beschäftigung übersteigt, sondern vielmehr anzustreben ist, daß das Jahresnettoeinkommen des Arbeitslosen merklich unter dem des Beschäftigten bleibt, mit anderen Worten, daß das in den Sätzen des Arbeitslosengeldes angestrebte Gefälle zwischen den Nettobeträgen des Arbeitseinkommens und des Arbeitslosengeldbezuges also nicht aus steuertechnischen Gründen verringert wird.

Wie das Verfahren ergeben hat, führt die in Prüfung stehende Vorschrift über dieses - verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstandende - Ziel tatsächlich nicht hinaus. Entgegen dem ersten Anschein (nur Vollbesteuerung des Arbeitslosengeldes die Grenze) ist der Abstand zwischen dem (fiktiven) Jahresnettoeinkommen im Falle einer Fortsetzung der Beschäftigung und dem Jahresnettoeinkommen nach Anwendung dieser Vorschrift niemals ungünstiger als der Abstand zwischen dem Jahresnettoeinkommen während einer Beschäftigung und dem steuerfreien Jahresbezug von Arbeitslosengeld.

2. Die für den Fall der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in bloßer Ansehung des Arbeitslosengeldes alternativ geäußerten Bedenken wegen fehlender Einbeziehung des Karenzurlaubsgeldes erweisen sich im Ergebnis gleichfalls als unbegründet. Die für die in Prüfung stehende Regelung geltend gemachten ordnungspolitischen Überlegungen treffen für das Karenzurlaubsgeld nicht zu. Die geringe Höhe dieser Leistung verhindert in der Tat, daß die Progressionsmilderung zusammen mit dem steuerfreien Karenzurlaubsgeld zu einem Jahresnettoeinkommen führt, das an das Nettoeinkommen bei Fortdauer der Beschäftigung auch nur heranreichen würde. Der von der Bundesregierung als geradezu erwünscht erwogene "steuerliche Anreiz" zur Inanspruchnahme des Karenzurlaubsgeldes (der freilich nach der zufälligen Lage der Dinge bei gleichem Einkommen sehr unterschiedlich wäre) kann daher auf sich beruhen. Fehlt es beim Bezug des Karenzurlaubsgeldes schon an jener Erscheinung, deren Auswirkungen die in Prüfung stehende Norm begegnen will, ist die Einbeziehung des Karenzurlaubsgeldes in die Regelung keinesfalls erforderlich.

Vielmehr ist auszusprechen, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht verfassungswidrig ist.