VfGH vom 05.12.1998, g95/98
Sammlungsnummer
15356
Leitsatz
Verstoß der Einräumung schrankenlosen Ermessens an die Behörde bei Einschränkung und Rücknahme von Bewilligungen für die Vermittlung und den Abschluß von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie bei Festsetzung der Höhe der den Buchmachern auferlegten Leistungen gegen das Determinierungsgebot
Spruch
Die Wortfolgen "jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder", "letzteres" und "oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird" in Abs 4 sowie die Wortfolge "und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern" in Abs 5 des im Bundesland Steiermark als Landesgesetz geltenden § 1 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. Nr. 388/1919, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B454/97 und zu B2553/97 Verfahren über zwei auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgende Sachverhalte zugrundeliegen:
1.1.1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft suchte am um eine Bewilligung für das Buchmachergewerbe in einem Standort in Feldbach und am um eine derartige Bewilligung für einen Standort in Graz an. Mit Bescheid vom erteilte die Steiermärkische Landesregierung der Beschwerdeführerin aufgrund des § 1 Abs 1 des Gesetzes vom , StGBl. 388 (Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung beziehen sich im folgenden auf dieses Gesetz), "die Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten (Buchmachen) aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen mit Ausschluß der entgeltlichen Annahme von Akkumulativ- und Kombinationswetten" für die beiden Standorte. Die Bewilligung wurde mit befristet. Sie wurde gemäß § 1 Abs 4 an die Einhaltung verschiedener "Bedingungen" gebunden; die Landesregierung behielt sich vor, weitere Bedingungen bzw. Auflagen vorzuschreiben. Ua. wurden die "Allgemeinen Wettbestimmungen" des Österreichischen Buchmacherverbandes für bindend erklärt; die Buchmachertätigkeit sei persönlich auszuüben; die Forderung der Erhöhung einer bereits beigebrachten Bankgarantie (zur Sicherung der aus den abgeschlossenen Wetten sich ergebenden Verpflichtungen) bleibe der Bewilligungsbehörde unbenommen. Pkt. 8 der in den Bescheid aufgenommenen "Bedingungen" lautete:
"Als Abzüge im Sinne des § 1 Abs 5 ... darf der Bewilligungsinhaber höchstens 25 % der Einsätze in Verrechnung bringen. Der tatsächliche Prozentsatz ist bei der jeweiligen Veranstaltung durch Anschlag in den Wettbüros bekanntzugeben."
Begründend hieß es, "die Auferlegung der Bedingungen" habe "im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Wettbetriebes erfolgen" müssen.
Dieser Bescheid blieb unangefochten.
1.1.1.2. Am suchte die beschwerdeführende Gesellschaft um eine Bewilligung für das Buchmachergewerbe für einen Standort in Vogau an. Mit Bescheid vom erteilte die Steiermärkische Landesregierung aufgrund des § 1
Abs1 die Bewilligung, "unter den im Bescheid ... vom ... gegebenen Bedingungen die Buchmachertätigkeit" auch an diesem Standort auszuüben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B454/97 eingetragene Beschwerde.
1.1.2. Am suchte die beschwerdeführende Gesellschaft um eine Bewilligung für das Buchmachergewerbe für einen Standort in Fürstenfeld an. Mit Bescheid vom wurde ihr von der Steiermärkischen Landesregierung diese Bewilligung aufgrund des § 1 Abs 1 "mit der Maßgabe erteilt, daß der Abschluß von Akkumulativ- und Kombinationswetten von dieser Bewilligung ausgeschlossen" sei. Die Bewilligung wurde mit befristet und mit denselben Nebenbestimmungen versehen, die bereits im Bescheid vom angeführt waren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B2553/97 eingetragene Beschwerde.
1.2. § 1 lautet (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"§1.
(1) Die gewerbemäßige Vermittlung und der gewerbemäßige Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (Rennen, Regatten usw.) ist nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig.
(2) Zur gewerbemäßigen Vermittlung von Wetten der im ersten Absatze bezeichneten Art dürfen nur die im Anschlusse an sportliche Veranstaltungen bestehenden besonderen Unternehmungen (Totalisateur) zugelassen werden.
(3) Die Bewilligung zum gewerbemäßigen Abschlusse der im ersten Absatze angeführten Wetten darf nur Personen erteilt werden, welche die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bieten. Personen, denen diese Bewilligung erteilt wurde, werden in diesem Gesetze als Buchmacher bezeichnet.
(4) Die Landesregierung kann die Bewilligung (Absatz 1) jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder zurücknehmen, letzteres für den Fall, daß die Voraussetzung der vollen Vertrauenswürdigkeit nicht mehr zutrifft oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird.
(5) Die Unternehmungen für sportliche Veranstaltungen dürfen nur mit Zustimmung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Finanzen Abzüge von den Wetteinsätzen beim Totalisateur vornehmen oder den Wettenden und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern sonstige Leistungen auferlegen; die Höhe dieser Abzüge oder Leistungen wird vom Staatsamte für Inneres und Unterricht im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Finanzen festgesetzt."
1.3. Bei der Behandlung der Beschwerden, die gegen die Bescheide vom (protokolliert zu B454/97) und vom (zu B2553/97) erhoben wurden und die der Verfassungsgerichtshof vorläufig als zulässig angesehen hat, sind Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolgen "jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder", "letzteres" und "oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird" in § 1 Abs 4 sowie der Wortfolge "und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern" in § 1 Abs 5 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. 388/1919, entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, diese Wortfolgen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen; er nahm vorläufig an, daß § 1 dieses Gesetzes im Bundesland Steiermark als Landesgesetz gilt.
1.3.1. Der Verfassungsgerichtshof nahm an, daß die Beschwerden zulässig seien und daß er die in Prüfung genommenen Wortfolgen bei ihrer Behandlung anzuwenden habe. Dazu führte er im Einleitungsbeschluß wie folgt aus:
"Jener Bescheid (vom ), auf den der zu B454/97 angefochtene Bescheid verweist, und der zu B2553/97 angefochtene Bescheid erteilen die begehrten Bewilligungen nur befristet, unter Bindung an ausdrückliche 'Bedingungen' (handle es sich nun um Bedingungen im technischen Sinn oder um Auflagen) und unter dem Vorbehalt der Vorschreibung weiterer Bedingungen bzw. Auflagen. Grundlage für diese Bewilligungen dürfte das gemäß § 4 Abs 2 Übergangsgesetz vom , BGBl. 2, idF BGBl. 368/1925 im Bundesland Steiermark (zumindest im hier relevanten § 1: VfSlg.1477/1932) als Landesgesetz geltende Gesetz betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. 388/1919, sein, und zwar § 1 Abs 1, 3, 4 und 5. Die belangte Behörde hat in den beiden genannten Bescheiden § 1 Abs 4 und 5 ausdrücklich angeführt. Sie dürfte daher in dem zu B2553/97 angefochtenen Bescheid die Wortfolgen 'jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder' und 'und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern' angewandt haben. Zwar spricht § 1 Abs 5 von Leistungen, welche den Buchmachern von den 'Unternehmungen für sportliche Veranstaltungen' auferlegt werden können; doch geht der Verfassungsgerichtshof - angesichts der ausdrücklichen Zitierung dieser Bestimmung in den Bescheiden - vorläufig davon aus, daß die Behörde die 'Bedingung' denkmöglich darauf gestützt hat.
Auch mit dem zu B454/97 angefochtenen Bescheid wird unter bestimmten Nebenbestimmungen die Bewilligung erteilt, die Buchmachertätigkeit auszuüben. Ungeachtet dessen, daß dieser Bescheid im 'Gegenstand' von einer 'Standorterweiterung' spricht, dürfte die belangte Behörde dadurch, daß sie auf den seinerzeitigen Bescheid (vom ) verweist, den Inhalt dieses Bescheides einschließlich der Befristung, der Nebenbestimmungen und des Vorbehaltes weiterer Bedingungen oder Auflagen zum Inhalt des nunmehr angefochtenen Bescheides gemacht und damit die oben zitierten Wortfolgen in § 1 Abs 4 und 5 angewandt haben (vgl. ).
... Mit der Wortfolge 'jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder' in § 1 Abs 4 stehen, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, das Wort 'letzteres' und die Wortfolge 'oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird' in einem sprachlich und vom Sinn der Anordnung her untrennbaren Zusammenhang (vgl. ).
Dagegen genügt es, die Prüfung des § 1 Abs 5 auf die Wortfolge 'und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern' zu beschränken, weil es in den Beschwerdeverfahren weder um Abzüge von Wetteinsätzen bei einem Totalisateur noch um Leistungen geht, die den Wettenden auferlegt werden sollen; nach Aufhebung der Wortfolge bliebe der Satz verständlich."
1.3.2. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung genommenen Wortfolgen des § 1 Abs 4 und 5 nicht ausreichend bestimmt iSd Art 18 B-VG seien. § 1 gelte gemäß § 4 Abs 2 Übergangsgesetz 1920, BGBl. 2, idF
BGBl. 368/1925 ua. in den Bundesländern Wien und Steiermark als Landesgesetz. Mit Erkenntnis VfSlg. 14715/1996 habe der Verfassungsgerichtshof die nunmehr (für das Bundesland Steiermark) in Prüfung genommenen Wortfolgen in § 1 Abs 4 des im Bundesland Wien geltenden Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Er hege nun das Bedenken, daß diese Wortfolgen in dem im Bundesland Steiermark als Landesgesetz geltenden § 1 Abs 4 aus denselben Gründen verfassungswidrig seien wie die (wortgleichen) Wortfolgen, die mit dem genannten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben worden seien.
Zu § 1 Abs 5 führte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt aus:
"Aus denselben Gründen scheint die in Prüfung genommene Wortfolge in § 1 Abs 5 gegen Art 18 B-VG zu verstoßen. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die dort genannte Zuständigkeit (der Staatsämter für Inneres und Unterricht bzw. für Finanzen) gemäß § 6 Abs 1 des Übergangsgesetzes 1920 nunmehr der Landesregierung zukommt, sodaß sie die angefochtenen Bescheide (hinsichtlich der erwähnten 'Bedingung') denkmöglich auf § 1 Abs 5 stützen konnte. Auch § 1 Abs 5 scheint aber keine inhaltlichen Kriterien für die Festsetzung der Höhe jener Leistungen zu enthalten, die den Buchmachern auferlegt werden dürfen; sie dürften sich auch nicht aus dem Zweck des Gesetzes ergeben. Darüber hinaus scheint § 1 Abs 5 nicht klarzustellen, worin die Rechtsgrundlage für die Leistungen besteht, welche die 'Unternehmungen für sportliche Veranstaltungen' den Buchmachern auferlegen können: Sie könnte zB in § 1 Abs 5 selbst zu suchen sein; in dieser Bestimmung könnte aber auch nur eine Ermächtigung dafür liegen, privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den Sportveranstaltern und den Buchmachern zu genehmigen. (§5 des Gesetzes berücksichtigt bei der Ermittlung des Gewinnes für steuerliche Zwecke auch Vergütungen, 'die vom Buchmacher dem Unternehmer der sportlichen Veranstaltung für die Gestattung des Wettbetriebes im Sportraum vertragsmäßig' zu leisten seien ('Standgeld').) Auch aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung scheinen sich keine Anhaltspunkte gewinnen zu lassen: Die Vorgängerbestimmung, nämlich § 1 Abs 2 zweiter Satz der Kaiserlichen Verordnung RGBl. 282/1916, ebenso wie der Initiativantrag, der dem Gesetz von 1919 zugrundelag (269 BlgKNV 3 f.), sprechen davon, daß die Totalisateurunternehmung nur mit Zustimmung der Behörde 'Abzüge von den Wetteinsätzen vornehmen oder den Wettenden sonstige Leistungen auferlegen' dürfe. Von Leistungen, die den Totalisateuren, den Buchmachern oder den Wettenden von den Sportveranstaltern auferlegt werden, ist dort noch nicht die Rede.
Auch § 1 Abs 5 scheint somit das Verwaltungshandeln nicht ausreichend zu bestimmen."
2. Aus Anlaß einer beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Rechtssache stellte dieser Gerichtshof den Antrag, in § 1 Abs 4 jene Wortfolgen als verfassungswidrig aufzuheben, die auch durch den genannten Einleitungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes in Prüfung gezogen worden sind.
2.1. Diesem Antrag lag die Beschwerde gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom zugrunde, mit welchem der vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Gesellschaft die Bewilligung zur gewerbsmäßigen Vermittlung und zum gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten mit Ausschluß von Kombinations- oder Akkumulativwetten gemäß § 1 Abs 1 auf die Dauer von drei Jahren erteilt und gemäß § 1 Abs 4 neun Bedingungen vorgeschrieben wurden, darunter jene (Pkt. 5), daß die Annahme von Akkumulativ- und Kombinationswetten unzulässig sei.
2.2. Zur Präjudizialität und zum Prüfungsumfang führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der genannte und von der Beschwerdeführerin bekämpfte Pkt. 5 der "Bedingungen" enthalte keine Bedingung, sondern wiederhole mit anderen Worten die Einschränkung der Bewilligung im Spruch des angefochtenen Bescheides. Dabei sei die Wortfolge "sie einschränken" in § 1 Abs 4 angewandt worden. Diese Einschränkung stehe mit der Erteilung der Berechtigung in einem untrennbaren Zusammenhang, weshalb der Bescheid zur Gänze zu prüfen und die dazu herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen präjudiziell seien. Soweit in den übrigen Punkten "echte" Bedingungen gestellt würden, beruhten sie offensichtlich auf der Anordnung in § 1 Abs 4, daß die Bewilligung von Bedingungen abhängig gemacht werden könne. Soweit sich die belangte Behörde die Vorschreibung weiterer Bedingungen bzw. Auflagen vorbehalte und in Pkt. 7 ausführe, die Forderung nach Erhöhung des Betrages der Bankgarantie nach tatsächlichen Erfordernissen bleibe "der Bewilligungsbehörde unbenommen", beruhe dies darauf, daß gemäß § 1 Abs 4 die Bewilligung "jederzeit" von Bedingungen abhängig gemacht werden dürfe. Die Wortfolgen "letzteres" und "oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird" seien in den Prüfungsantrag einzubeziehen, weil sie mit den übrigen angefochtenen Teilen des § 1 Abs 4 sprachlich und vom Sinn der Anordnung her in einem untrennbaren Zusammenhang stünden. Insgesamt stelle die allfällige Aufhebung all dieser Wortfolgen eine geringfügigere Änderung des Gesetzestextes dar als die Aufhebung des § 1 Abs 4 zur Gänze, da dadurch auch die Regelung über die Möglichkeit der Zurücknahme von Bewilligungen für den Fall beseitigt würde, daß die volle Vertrauenswürdigkeit des Gewerbetreibenden nicht mehr gegeben sei.
2.3. In der Sache führte der Verwaltungsgerichtshof aus, § 1 Abs 4 ermögliche, ohne dafür nähere inhaltliche Kriterien festzulegen, daß in einer Bewilligung gemäß § 1 Abs 1 Bedingungen normiert würden oder die Bewilligung von vornherein eingeschränkt erteilt werde. Weiters könnten erteilte Bewilligungen offensichtlich jederzeit eingeschränkt bzw. jederzeit von weiteren Bedingungen abhängig gemacht werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs 4 gölten die in dieser Bestimmung angeführten Kriterien des Wegfalles der vollen Vertrauenswürdigkeit oder der Nichteinhaltung einer vorgeschriebenen Bedingung nur für den Fall der Zurücknahme einer Bewilligung. § 1 Abs 4 dürfe auch nicht als Ermessensbestimmung gedeutet werden. Gemäß Art 6 StGG sei es zwar zulässig, durch Gesetz die Voraussetzungen für die Zulassung und Ausübung von Berufen vorzusehen; wenn aber die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen, müsse der Gesetzgeber einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung für die Berufsausübung vorsehen. Werde in einer Norm Ermessen iSd Art 130 Abs 2 B-VG eingeräumt, dann bestehe für den Rechtsunterworfenen ein solcher Rechtsanspruch nicht. Die durch § 1 Abs 4 eingeräumte Möglichkeit, die Bewilligung jederzeit von Bedingungen abhängig zu machen und einzuschränken, stelle eine verfassungsrechtlich nicht zulässige, weil unbeschränkte Rechtskraftdurchbrechung dar, die den Rechtsunterworfenen und den Bestand der ihm erteilten Bewilligung in das völlige Belieben der Verwaltungsbehörde stelle.
Der Verwaltungsgerichtshof verweist schließlich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14715/1996. Diese Aufhebung entfalte jedoch für die Weitergeltung der Norm im Bundesland Steiermark keine Auswirkungen.
3. Die Steiermärkische Landesregierung hat darauf verzichtet, Dußerungen abzugeben.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Im Verfahren ist nichts vorgebracht worden oder sonst hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß die diesbezüglichen Annahmen im Prüfungsbeschluß zutreffen.
Insbesondere hat es sich als zutreffend erwiesen, daß § 1 des Gesetzes auch im Bundesland Steiermark als Landesgesetz in Geltung steht (VfSlg. 1477/1932; vgl. die im Auftrag der Steiermärkischen Landesregierung ausgearbeitete "Verwaltungsrechtsübersicht für die Steiermark" von Schnurer/Wüst (1984) unter "M. Verschiedenes"; Walter/Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts2 (1987) 718; Schwartz/Wohlfahrt, Rechtsfragen der Sportwette, ÖJZ 1998, 601 (602, FN 9; 605)). Davon ist auch der steiermärkische Landesgesetzgeber ausgegangen, als er in die Anlage zu § 2 Z 3 RechtsbereinigungsG, LGBl. 71/1998, das "Gesetz über Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens" aufnahm (Z5 der Anlage; vgl. auch die Novelle LGBl. 13/1993, mit der § 12 des Gesetzes aufgehoben wurde).
Der Verfassungsgerichtshof hat § 1 somit bei der Entscheidung über die Beschwerden anzuwenden.
Des weiteren hat sich die Annahme bestätigt, daß die Zuständigkeit der in § 1 Abs 5 genannten Staatsämter nunmehr gemäß § 6 Abs 1 des Übergangsgesetzes 1920 der Landesregierung zukommt; die belangte Behörde hat ihre Bescheide sohin denkmöglich auch auf diese Bestimmung gestützt.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit des Antrags des Verwaltungsgerichtshofes zweifeln ließe (vgl. VfSlg. 14715/1996). Der Verwaltungsgerichtshof hat genau jene Wortfolgen in § 1 Abs 4 angefochten, die auch der Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogen hat.
2. Die Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen.
2.1.1. Mit seinem Erkenntnis VfSlg. 14715/1996 hat der Verfassungsgerichtshof die wortgleichen Wortfolgen in dem im Bundesland Wien als Landesgesetz geltenden § 1 Abs 4 des Gesetzes, die nunmehr für das Bundesland Steiermark in Prüfung stehen, als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend führte er ua. aus:
"Die angefochtenen Wortfolgen des § 1 Abs 4 bestimmen, daß die Behörde Bewilligungen jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder zurücknehmen kann, wenn eine vorgeschriebene Bedingung nicht mehr eingehalten wird, ohne inhaltliche Kriterien für die Festsetzung von Bedingungen oder die Einschränkung der Bewilligung festzusetzen. Anders als im Fall der Rücknahme der Bewilligung mangels voller Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem Gesetz und seinem Zweck nicht, um welche Bedingungen es sich handelt und unter welchen Voraussetzungen die Nichteinhaltung zu Entziehungsfolgen führt. Es ist dem Belieben der Behörde anheim gestellt, jederzeit - sohin sowohl bei als auch nach Erteilung der Bewilligung - Bedingungen zu setzen, bei deren Nichteinhaltung die Bewilligung zu entziehen, sowie die Bewilligung einzuschränken.
... Das im Art 18 Abs 1 B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet jedoch, daß die Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch - wie sich aus Art 130 Abs 2 B-VG ergibt - verfassungsgesetzlich zulässig, daß der einfache Gesetzgeber von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und diese zur Ermessensausübung ermächtigt. Von diesem Ermessen kann die Behörde jedoch nur im Sinne des Gesetzes Gebrauch machen. In diesem Falle müßte das Gesetz die Kriterien, welche für die Ermessensausübung maßgebend sind, normieren (s. zB VfSlg. 12497/1990, 12399/1990, 5810/1968). Die Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung, in welchem Sinn das Ermessen auszuüben ist, ist verfassungswidrig (vgl. ua. VfSlg. 12399/1990, 5240/1966).
Hier erfährt das Handeln der Behörde weder aus dem Zweck der Regelung noch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Einschränkung. Die angefochtene Regelung, welche es der Behörde völlig anheimstellt, von welchen Bedingungen sie die Bewilligung abhängig macht, oder ob sie die Bewilligung einschränkt - ihr sohin schrankenloses Ermessen einräumt - widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG."
Die in Prüfung genommenen Wortfolgen des § 1 Abs 4 stehen im Bundesland Steiermark im selben rechtlichen Zusammenhang wie seinerzeit im Bundesland Wien. Sie sind daher aus denselben Gründen verfassungswidrig, aus denen der Verfassungsgerichtshof diese Wortfolgen für das Bundesland Wien aufgehoben hatte.
2.1.2. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf die weitergehenden Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes einzugehen.
2.2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Wortfolge "und den an ihrem Sitze wettenabschließenden Buchmachern" in § 1 Abs 5 haben sich als zutreffend erwiesen. § 1 Abs 5 enthält keine inhaltlichen Kriterien für die Festsetzung der Höhe jener Leistungen, die den Buchmachern auferlegt werden dürfen; sie sind auch dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht zu entnehmen. Die in Prüfung genommene Wortfolge verstößt daher aus den im Einleitungsbeschluß dargelegten Gründen gegen Art 18 Abs 1 B-VG und ist verfassungswidrig.
3.1. Die in Prüfung genommenen bzw. vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Wortfolgen waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.
3.2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.
3.3. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Steiermark zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.
5. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Fundstelle(n):
HAAAE-28325