VfGH vom 29.11.2017, G94/2017 (G94/2017-13)
Leitsatz
Verstoß einer Übergangsvorschrift über die Weitergeltung der vor Erhöhung durch die Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 zuständigkeitsbestimmenden Wertgrenzen für bei Staatsanwaltschaften und Gerichten anhängige Verfahren gegen das Gebot der Gewährung des Vorteils des milderen Strafgesetzes nach der EMRK; keine bloße Zuständigkeitsverschiebung sondern Veränderung des materiell-rechtlichen Charakters der Finanzvergehen
Spruch
I.§265 Abs 1p vorletzter Satz des Bundesgesetzes vom , betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz – FinStrG.), BGBl Nr 129/1958, idF BGBl I Nr 104/2010 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II.Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III.Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Antrag
1.Mit dem vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützten Antrag wird die Aufhebung des vorletzten Satzes des § 265 Abs 1p des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), BGBl 129/1958, idF BGBl I 104/2010 ("Die Änderungen der Zuständigkeitsgrenzen der §§53 und 58 sind auf Verfahren, die bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 bei den Staatsanwaltschaften, Gerichten und Spruchsenaten bereits anhängig sind, nicht anzuwenden."), in eventu die Aufhebung folgender Wortfolgen (alternativ in nachstehender Reihenfolge): "Staatsanwaltschaften, Gerichten und", "Staatsanwaltschaften,", ", Gerichten" bzw. "§53 und" in dieser Bestimmung als verfassungswidrig begehrt.
2.Dieser Antrag wird aus Anlass der vom Antragsteller gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom , Z 11 Hv 47/16g-31, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gestellt. Mit diesem Urteil wurde der Antragsteller wegen der im Zeitraum vom bis begangenen Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach § 35 Abs 1 lita iVm § 38 Abs 1 FinStrG sowie des vorsätzlichen Eingriffs in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 iVm § 13 FinStrG für schuldig erkannt. Die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages wurde gemäß § 35 Abs 4 FinStrG mit € 43.126,31 (ATS 593.431,–) sowie gemäß § 44 Abs 2 FinStrG mit € 41.979,75 (ATS 577.654,–) festgesetzt. Über den Antragsteller wurde unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach § 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 28/1999 eine (teils bedingt nachgesehene) Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe ein Monat) sowie gemäß § 19 Abs 1 lita FinStrG eine Wertersatzstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe ebenfalls ein Monat) verhängt.
In Bezug auf seine Zuständigkeit zur Ahndung der hier maßgeblichen Finanzvergehen hält das Landesgericht Eisenstadt fest, dass diese zwar nach der nunmehr (seit ) geltenden Rechtslage (§53 Abs 1 und 2 FinStrG idF BGBl I 104/2010) weggefallen wäre, zur Tatzeit im Jahre 2001 aber bestanden habe; da die Änderung der Zuständigkeitsgrenzen des § 53 FinStrG gemäß der Vorschrift des § 265 Abs 1p FinStrG idF BGBl I 104/2010 auf bei Inkrafttreten der Novelle bei Gericht bereits anhängige Verfahren nicht anzuwenden sei und es sich bei der vorliegenden Finanzstrafsache um eine derartige handle, sei die Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes gegeben.
II.Rechtslage
Die für die Beurteilung des vorliegenden Antrages maßgebliche Rechtslage (die primär angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben) stellt sich wie folgt dar:
1. Mit der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 – FinStrG-Novelle 2010, BGBl I 104, wurden u.a. die zuständigkeitbestimmenden Wertgrenzen des § 53 FinStrG erhöht.
§53 FinStrG erhielt durch die genannte Novelle folgenden Wortlaut:
"Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit.
§53. (1) Das Gericht ist zur Ahndung von Finanzvergehen zuständig, wenn das Finanzvergehen vorsätzlich begangen wurde und der maßgebliche Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag), 100 000 Euro übersteigt oder wenn die Summe der maßgeblichen strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehen 100 000 Euro übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen. Zusammentreffen können nur Finanzvergehen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.
(2) Im Abs 1 tritt an die Stelle des Wertbetrages von 100 000 Euro der Wertbetrag von 50 000 Euro in den Fällen
a) des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§35),
b) der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 mit Sachen oder mit Erzeugnissen aus Sachen, hinsichtlich derer ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung oder eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde.
[…]"
Dazu sieht die Übergangsregelung des § 265 Abs 1p FinStrG idF BGBl I 104/2010 vor:
"§265. […]
(1p) Die Änderungen im Finanzstrafgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl I Nr 104/2010, treten mit in Kraft. Dabei gilt: Die §§38, 39, 40 und 44 in der vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 geltenden Fassung sind auf vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden. Die Änderungen der Zuständigkeitsgrenzen der §§53 und 58 sind auf Verfahren, die bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 bei den Staatsanwaltschaften, Gerichten und Spruchsenaten bereits anhängig sind, nicht anzuwenden. Auf zum anhängige Rechtsmittel gegen Bescheide über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist § 83 Abs 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden.
[…]"
2. Im Tatzeitraum desJahres 2001 stand § 53 FinStrG idF BGBl I 28/1999 in Geltung; er lautete:
"§53. (1) Das Gericht ist zur Ahndung von Finanzvergehen zuständig,
a) [aufgehoben]
b) wenn das Finanzvergehen vorsätzlich begangen wurde und der Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag), 1 Million Schilling übersteigt oder wenn die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehen 1 Million Schilling übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen.
(2) Im Abs 1 litb tritt an die Stelle des Wertbetrages von 1 Million Schilling der Wertbetrag von 500 000 S in den Fällen
a) des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben (§35),
b) der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 mit Sachen oder mit Erzeugnissen aus Sachen, hinsichtlich derer ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung oder eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde.
[…]"
3. Durch ArtXVIII Z 1 des Euro-Steuerumstellungsgesetzes – EuroStUG 2001, BGBl I 59, wurden die Wertgrenzen für die gerichtliche Zuständigkeit in § 53 FinStrG mit € 75.000 (Abs1) und € 37.500 (Abs2) mit Wirksamkeit ab festgesetzt. Dazu bestimmte ArtXVIII Z 2 EuroStUG 2001:
"2. Der Artikel XVIII tritt mit in Kraft. Jedoch gelten die Änderungen des § 53 nicht für bereits bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft anhängige Strafverfahren; ebenso gelten die Änderungen des § 58 nicht für bereits bei einem Spruchsenat oder einem Berufungssenat anhängige Strafverfahren."
4. Im Übrigen sind aus materiell-rechtlicher Sicht für das dem Antrag zugrunde liegende Finanzstrafverfahren u.a. § 35 Abs 1 lita, § 38 Abs 1 sowie § 44 Abs 1 FinStrG maßgeblich. Nach § 35 Abs 1 lita (erster Tatbestand) FinStrG macht sich (und machte sich auch im Tatzeitraum des Jahres 2001) des Vergehens des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbringt (bzw. verbrachte). § 38 Abs 1 FinStrG lautete in der im Tatzeitraum maßgeblichen und vom Landesgericht Eisenstadt im Hinblick auf § 4 Abs 1 und 2 FinStrG zur Anwendung gebrachten Fassung BGBl I 28/1999 auszugsweise:
"Strafe bei Vorliegen erschwerender Umstände.
§38. (1) Mit Geldstrafe bis zum Dreifachen des Betrages, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, ist zu bestrafen,
a) wer einen Schmuggel […] begeht, wobei es ihm darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung);
[…]
Daneben ist nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu erkennen. Außerdem sind die Bestimmungen der §§33, 35 und 37 über den Verfall anzuwenden; der Verfall umfaßt auch die Beförderungsmittel im Sinne des § 17 Abs 2 litc Z 3."
In Ansehung von Freiheitsstrafen trifft § 15 FinStrG zum einen allgemeine, sowohl für Gerichte als auch für Finanzstrafbehörden geltende Regelungen (zB Mindestdauer, Ausnahme für Jugendliche); zum anderen unterscheidet er zwischen deren Verhängung durch Gerichte auf der einen Seite und durch Finanzstrafbehörden auf der anderen Seite und bestimmt vor dem Hintergrund des Art 3 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, in Abs 3:
"(3) Bei Finanzvergehen, deren Ahndung nicht dem Gericht vorbehalten ist, darf eine Freiheitsstrafe nur in den Fällen des § 58 Abs 2 lita verhängt werden; sie darf das Höchstmaß von drei Monaten nicht übersteigen."
III.Antragsvorbringen und Vorverfahren
1.1. Der Antragsteller bringt unter Hinweis auf die (neuere) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR [GK], Fall ScoppolaNr 2, Appl. 10.249/03) vor, dass die Übergangsvorschrift des § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG idF BGBl I 104/2010 dem aus Art 7 EMRK abgeleiteten Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze auf frühere Taten widerspreche.
Nach Ansicht des Antragstellers habe die durch die FinStrG-Novelle BGBl I 104/2010 bewirkte Anhebung der in § 53 FinstrG vorgesehenen Wertgrenzen zur Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit eine materiell günstigere Rechtslage geschaffen, weil für bestimmte Vergehen – wie jene, die dem Antragsteller angelastet werden – grundsätzlich nicht mehr gerichtliche, sondern bloß finanzstrafbehördliche Strafen verhängt werden dürfen. Die Änderung der Zuständigkeit habe sohin auch den Charakter der Finanzvergehen verändert. Gerichtlich strafbare Handlungen seien zufolge des mit der Verurteilung verbundenen schweren Tadels und der damit einhergehenden einschneidenden Folgen (VfSlg 9956/1984) von höherem Gewicht. An gerichtliche Verurteilungen von mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe knüpften sich gravierende berufsrechtliche Konsequenzen (statt vieler zB § 13 Abs 1 GewO 1994) sowie die Eintragung in das für den Verurteilten ebenfalls beruflich relevante gerichtliche Strafregister. Eine gerichtliche Strafe stelle daher eine schwerere Strafe als eine von der Finanzstrafbehörde ausgesprochene dar.
Die günstigere neue Rechtslage werde dem Antragsteller durch die zur Aufhebung begehrte (Übergangs-)Vorschrift vorenthalten, wodurch Art 7 EMRK verletzt sei.
1.2. Darüber hinaus würde die angefochtene Bestimmung auch zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Tätergruppen führen, was gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG verstoße:
§265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG schaffe nämlich eine unsachliche Differenzierung zwischen zwei vergleichbaren Täterkreisen im Finanzstrafverfahren: Jene Tätergruppe, hinsichtlich derer am bereits ein Verfahren anhängig war, werde schlechter behandelt (s. zuvor Pkt. III.1.1.) als jene Tätergruppe, deren Verfahren erst nach Inkrafttreten der neuen Rechtslage anhängig wurde. Zwar gehörten derartige Unterscheidungen zum Wesen von Übergangsbestimmungen, welche im Allgemeinen vom Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf verfahrensökonomische Aspekte nicht beanstandet würden; auch treffe der Gedanke der Verfahrensökonomie – ein bereits tätig gewordener Spruchkörper solle das Verfahren zu Ende führen, damit der Aufwand des Gerichtes nicht frustriert werde – auf den vorliegenden Fall zu. Entscheidend sei aber im gegebenen Zusammenhang, dass der Gesetzgeber zur Erreichung dieser Zielsetzungen zu undifferenziert und damit unsachlich vorgegangen sei. Der Gesetzgeber hätte etwa ohne weiteres anordnen können, dass die Weiterführung bereits anhängiger Verfahren nur das Verfahrensrecht und die Zuständigkeit betrifft, während die sonstigen mit einer gerichtlichen Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten (vgl. zB § 53 Abs 4 letzter Satz FinStrG; ArtII § 2 und § 3 Abs 2 FinStrG-Novelle 1985, BGBl 571).
2.1. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie gegen die Zulässigkeit des Antrages einwendet, dass das Aufhebungsbegehren zu eng gefasst sei:
"Sollte die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit […] zur Aufhebung des dritten Satzes des § 265 Abs 1p FinStrG [idF] BGBl I Nr 104/2010 führen, würde dies nichts an der Ausgangssituation des Antragstellers ändern. Zu bedenken ist nämlich, dass nach wie vor die Übergangsbestimmung des ArtXVIII EuroStUG 2001 für die zum gerichtsanhängigen Finanzstrafverfahren – wie jenes des Antragstellers – maßgeblich wäre. Mit anderen Worten[: D]ie Übergangsbestimmung des ArtXVIII Z 2 EuroStUG 2001, wonach die durch das EuroStUG bewirkten Änderungen des § 53 FinStrG nicht für bereits vor dem bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft anhängige Strafverfahren gelten, käme nach wie vor zum Tragen. Für die Frage der gerichtlichen Strafbarkeit von Finanzvergehen, wie sie der Antragsteller begangen hat, wäre somit der strafbestimmende Wertbetrag von 500 000 Schilling (dieser entspricht nach Art 6 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 974/98 über die Einführung des Euro iVm Art 1 der Verordnung (EG) Nr 2866/98 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen: 36 336,42 Euro) heranzuziehen. Dies hätte zwar keinen anderslautenden Urteilsspruch begründet, jedoch hätte die Aufhebung des angefochtenen § 265 Abs 1p FinStrG keine Auswirkung auf die Beurteilung des Anlassfalles."
2.2. Den verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers hält sie entgegen:
2.2.1. Gegenstand des sich aus Art 7 EMRK ergebenden Günstigkeitsvergleichs sei ausschließlich die Strafe, also die angedrohte Sanktion (vgl. dazu auch Bachl/N. Raschauer,in: Holoubek/Lienbacher (Hrsg.), GRC-Kommentar, 2014, Art 49, Rz 19). Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des Art 7 EMRK, der sich auf die "Strafe" bezieht ("Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung [...] angedrohte verhängt werden"; vgl. auch Art 49 Abs 1 letzter Satz GRC), zum anderen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (GK) vom , Appl. 10.249/03, im Fall Scoppola Nr 2, in dem der Gerichtshof klarstellte, dass die Regeln des Art 7 EMRK über die Rückwirkung nur auf Bestimmungen anwendbar sind, die Straftaten und die jeweils drohenden Strafen definieren. Das Gleiche müsse auch für das Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze gelten.
Vor diesem Hintergrund seien verfahrensrechtliche Strafbestimmungen, die keinen materiell-strafrechtlichen Inhalt aufweisen, vom Schutzbereich des Art 7 EMRK nicht erfasst (vgl. VfSlg 19.957/2015).
Bei dem den vorliegenden Prüfungsgegenstand bildenden Satz des § 265 Abs 1p FinStrG handle es sich um eine Übergangsnorm, welche die Weitergeltung einer Zuständigkeit festlege. § 53 FinStrG iVm § 265 Abs 1p FinStrG sei eine Zuständigkeitsregelung, die zwar im Kontext mit dem materiellen Recht stehe, jedoch selbst nicht den Charakter einer Strafvorschrift habe, sodass Art 7 EMRK (ebenso wie Art 49 GRC) keine Anwendung finde. Aus materiell-rechtlicher Sicht dürften für den Antragsteller indes nur die §§35 und 44 FinStrG von Relevanz sein: Diese hätten sich jedoch, was die vorgesehenen Strafen anbelangt, kaum geändert (und seien zudem nicht zur Aufhebung beantragt worden).
Im Übrigen fänden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte keine Entscheidungen, wonach Zuständigkeitsänderungen eine Verletzung des Art 7 Abs 1 EMRK bewirken würden. Dies werde auch durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes bestätigt, der zufolge sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Scoppola Nr 2 nur darauf beziehe, dass zur Zeit der Tatbegehung ein strengeres Strafgesetz anzuwenden ist als zu jener der Urteilsfällung (). Damit seien aber Übergangsbestimmungen, die vorsehen, dass vor dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung verwirklichte Straftaten in der gerichtlichen Zuständigkeit belassen werden, um durch eine solcherart klare Trennung gerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Kompetenzen andernfalls zu erwartende praktische Probleme zu vermeiden, als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen (vgl. etwa , zu § 125 Abs 12 Fremdenpolizeigesetz 2005; siehe auch , betreffend eine Übergangsbestimmung zu Submissionskartellen – §§129 bis 141 KartG, bbl 2003, 116). Gelte für den Angeklagten sowohl zur Zeit der Tatbegehung als auch zum Urteilszeitpunkt dasselbe Strafgesetz, seien keine divergenten Strafdrohungen vorgesehen und es scheide nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes eine Schlechterstellung oder Benachteiligung, die Voraussetzung für die Anwendung des Art 7 EMRK wäre, aus.
Die Ausführungen zu Art 7 EMRK seien schließlich auf das Günstigkeitsprinzip des § 4 FinStrG übertragbar (mit Hinweisen vor allem auf Kommentarliteratur). Für diese Auslegung spreche nämlichauch der Wortlaut des § 4 Abs 1 FinStrG, demzufolge es genüge, dass die "Tat" zur Zeit ihrer Begehung mit "Strafe bedroht" war. Damit würden materiell-rechtliche Elemente angesprochen. Das Verfahrensrecht diene hingegen bloß der Umsetzung des materiellen Rechts und sei daher sekundär (vgl. Höpfel, Zu Sinn und Reichweite des sogenannten Analogieverbots, JBl. 1979, 587).
Obgleich dem Antragsteller zuzustimmen sei, dass im Allgemeinen mit einer gerichtlichen Verurteilung ein schwerer Tadel verbunden sei, sei darauf hinzuweisen, dass dem einfachen Bundesgesetzgeber eine verhältnismäßig weite rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zustehe, welchem Vollzugsbereich er die Ahndung einer bestimmten strafbaren Handlung zuweise (vgl. in diesem Sinne etwa VfSlg 12.151/1989).
2.2.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz führt die Bundesregierung aus, dass der Verfassungsgerichtshof im Allgemeinen keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Übergangsregelungen betreffend die weitere Anwendbarkeit von geltenden Bestimmungen auf laufende Verfahren an Stelle der novellierten Bestimmungen gehegt habe (vgl. etwa VfSlg 14.491/1996 sowie 16.077/2001). Gleiches müsse daher für die Bestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG gelten:
"Dessen ungeachtet entspricht es der Verwaltungsökonomie und einem sparsamen und effizienten Behördenhandeln, wenn eine Behörde (bzw. Gericht) über einen bereits anhängigen Rechtsfall abspricht, denn diese Behörde hat bereits Zeit und Arbeit investiert, die durch eine Zuständigkeitsänderung (zum Teil) obsolet würden. Die Behauptung es habe im konkreten Fall noch keine Dispositionen gegeben, entspricht nicht den Tatsachen.
§265 Abs 1p FinStrG bewirkt keine Änderung der Sanktionsnorm; es handelt sich dabei vielmehr um eine bloße Übergangsbestimmung die den Gesichtspunkten der Sparsamkeit, Effizienz sowie der einfachen Handhabbarkeit Rechnung trägt. Die in § 265 Abs 1p FinStrG vorgenommene Differenzierung zwischen jener Tätergruppe hinsichtlich der am bereits ein Verfahren anhängig war und jener Tätergruppe, deren Verfahren erst nach Inkrafttreten der neuen Rechtslage anhängig werden, ist daher aus Gründen der Verwaltungsökonomie sachlich gerechtfertigt. Ein willkürliches Vorgehen ist mit der Übergangsbestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG nicht verbunden. Demgemäß liegt keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor."
2.3. Die Bundesregierung begehrt sohin, den Antrag (im Umfang sowohl des Haupt- als auch der Eventualbegehren) mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
3. Darauf hat der Antragsteller repliziert.
IV.Erwägungen
1.Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach § 62a Abs 1 erster Satz VfGG idF BGBl I 78/2016 kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass der vom Antragsteller erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom , Z 11 Hv 47/16g-31, gestellt. Mit diesem Urteil wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs 1 Z 1 litd B-VG).
Als Angeklagter und zufolge der angeführten Entscheidung in erster Instanz Verurteilter ist der Antragsteller Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht und daher zur Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG berechtigt.
Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels ist dadurch Rechnung getragen, dass der vorliegende Antrag am selben Tag wie die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eingebracht wurde (vgl. VfSlg 20.074/2016).
Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass die erhobenen Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig sind.
2.1. Ein auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß § 62 Abs 2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl. VfSlg 20.010/2015).
2.2. Das Erstgericht hat jene Norm, deren Verfassungswidrigkeit der Antragsteller behauptet, bei Beurteilung seiner Zuständigkeit angewendet. Die angefochtene Bestimmung ist somit als präjudiziell anzusehen.
3.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Umfang der in Prüfung gezogenen Norm nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; ). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014, 20.070/2016; ; , G105/2016).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; ; , G444/2015; , G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014) oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; ).
3.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag der Argumentation der Bundesregierung nicht zu folgen, dass die (alleinige) Aufhebung des § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG keine Auswirkungen auf den Anlassfall hätte, weil für diesen dann die Bestimmung des ArtXVIII Z 2 EuroStUG 2001 (und daher der strafbestimmende Wertbetrag von 500.000 Schilling) gelten würde, sodass der Anfechtungsumfang zu eng gewählt worden sei. Denn nach Aufhebung des vorletzten Satzes des § 265 Abs 1p FinStrG würde keine Übergangsbestimmung mehr gelten, was zur Anwendung der derzeit idF BGBl I 104/2010 geltenden Fassung des § 53 FinStrG auf am anhängig gewesene Verfahren und daher auch auf den Anlassfall führte.
4. Da sich das Landesgericht Eisenstadt zur Begründung seiner Zuständigkeit auf § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG idF BGBl I 104/2010 beruft, ist auch von der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung auszugehen.
5. Der Antrag erweist sich, da alle Prozessvoraussetzungen vorliegen, als zulässig.
2.In der Sache
1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2. Der Antragsteller behauptet zunächst einen Verstoß der angefochtenen Regelung gegen das aus Art 7 EMRK abgeleitete Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze auf frühere Taten.
2.1. Nach Art 7 Abs 1 EMRK kann niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden. Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner (neueren) Rechtsprechung aus Art 7 EMRK iVm Art 49 Abs 1 GRC das Gebot abgeleitet, bei Änderung der Rechtslage nach Begehung einer Straftat die für den Beschuldigten mildere Strafe zu verhängen (vgl. EGMR [GK], Fall ScoppolaNr 2, Appl. 10.249/03, Z 106, 109; Mayer/Muzak, B-VG5, 2015, Art 7 EMRK, I.4.; Grabenwarter/Pabel, Menschenrechtskonvention6, 2016, § 24 Rz 160 f.; zur Frage des günstigeren Gesetzes vgl. weiters EGMR [GK], Fall Maktouf ua., Appl. 2312/06, Z 65 ff.). In seinen Erwägungen zur Entwicklung eines Grundsatzes der Rückwirkung milderer Strafgesetze im Fall ScopollaNr 2 zieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte u.a. Art 49 Abs 1 GRC heran, wonach bei Einführung einer milderen Strafe nach Begehung einer Straftat diese zu verhängen ist, und weist insbesondere auf den sich von Art 7 EMRK unterscheidenden Wortlaut hin. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte begründet das zuletzt genannte Gebot u.a. damit, dass dessen Nichtbeachtung darauf hinaus liefe, den Angeklagten begünstigende Gesetzesänderungen, die vor seiner Verurteilung erfolgen, zu missachten und weiterhin Strafen zu verhängen, die der Staat – und die Gemeinschaft, die er repräsentiert – nun für "exzessiv" erachtet. Im selben Sinn hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits vor Inkrafttreten der Grundrechte-Charta ausgesprochen, dass es ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) ist, je nach Fall die günstigere Strafvorschrift und die leichtere Strafe rückwirkend anzuwenden, und dass dieser Grundsatz zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten gehört ( verb. Rs. C-387/02 ua., Berlusconi ua., Slg. 2005, I-03565, Rz 68 ff.; , Rs. C-142/05, Åklagaren, Slg. 2009, I-04273, Rz 43).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung (vgl. VfSlg 19.628/2012) von jenem Inhalt des Art 7 EMRK aus, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesem zuletzt beigelegt hat. Im Lichte dessen gebietet es Art 7 EMRK, bei Änderung der Rechtslage nach Begehung der Straftat die für den Angeklagten mildere Strafe zu verhängen.
Da die Regeln des Art 7 EMRK über die Rückwirkung nur auf Bestimmungen anwendbar sind, die Straftaten und die jeweils drohenden Strafen festlegen, während verfahrensrechtliche Strafbestimmungen, die keinen materiell-strafrechtlichen Inhalt aufweisen, nicht vom Schutzbereich des Art 7 EMRK erfasst sind (vgl. Grabenwarter/Pabel, aaO, § 24 Rz 147; in diesem Sinn auch VfSlg 19.957/2015, worin im Wesentlichen auf die materiellen Strafbestimmungen des § 52 GlücksspielG sowie des § 168 StGB abgestellt wurde), ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob die angefochtene Regelung des § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG (letztlich) als eine Bestimmung des materiellen Strafrechts zu qualifizieren ist. Dies ist nach Dafürhalten des Verfassungsgerichtshofes im Ergebnis aus folgenden Gründen zu bejahen:
Bei der den Prüfungsgegenstand bildenden Anordnung des § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG handelt es sich zwar um eine Übergangsvorschrift, die für am anhängige Verfahren die Weitergeltung der bisherigen Zuständigkeitsgrenzen des § 53 (und des § 58 Abs 2) FinstrG und damit den Fortbestand der bis dahin maßgeblich gewesenen Zuständigkeit für bei Staatsanwaltschaften und Gerichten (sowie bei Spruchsenaten) anhängige Verfahren festlegt; sie ist aber vor dem Hintergrund jener (novellierten) Bestimmungen des FinStrG zu beurteilen, deren Übergang sie regelt. Durch die davon erfasste Vorschrift des § 53 FinStrG wird die Zuständigkeit der Gerichte von jener der Verwaltungsbehörden zur Ahndung von Finanzvergehen (u.a.) nach dem strafbestimmenden Wertbetrag abgegrenzt.
Da es bei der Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit nicht um eine Frage der prozessualen (sachlichen, funktionellen oder örtlichen) Kompetenz (eines bestimmten Gerichtes oder gerichtlichen Spruchkörpers), sondern um die gerichtliche Strafbarkeit bestimmter (Finanz-) Delikte überhaupt geht, somit im Ergebnis um eine Frage des materiellen Strafrechts, beinhaltet § 53 iVm § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG – entgegen der Auffassung der Bundesregierung – nicht bloß eine im Kontext mit dem materiellen Recht stehende Zuständigkeitsregelung; vielmehr ist diese mit Blick auf ihre Konsequenzen (jedenfalls auch) als materielle Vorschrift zu verstehen:
Bei gebotener Berücksichtigung der Gesamtauswirkungen der in Rede stehenden Übergangsregelung zeigt sich nämlich, dass die Fortschreibung der gerichtlichen Ahndung bestimmter Finanzvergehen im Vergleich zur Ahndung durch Finanzbehörden für den Verurteilten gravierende Nachteile bringt: So sieht insbesondere § 15 Abs 3 FinStrG vor, dass bei Finanzvergehen, deren Ahndung nicht dem Gericht vorbehalten ist, eine (primäre) Freiheitsstrafe nur in den Fällen des § 58 Abs 2 lita FinStrG verhängt werden und diese das Höchstmaß von drei Monaten nicht übersteigen darf (vgl. im Übrigen auch § 20 Abs 2 FinStrG bezüglich Ersatzfreiheitsstrafen). Schon angesichts dessen besteht aber kein Zweifel, dass sich die angefochtene Regelung insoweit auf die Sanktionierung des Täters – und somit materiell – auswirkt, als für jenen Täter, der nach der neuen Regelung bloß von der Finanzstrafbehörde zu bestrafen ist, ein wesentlich günstigerer Strafrahmen als für einen unter die Übergangsbestimmung fallenden Täter (wie im Anlassfall) relevant sein kann: Der Antragsteller wurde u.a. des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§35 Abs 1 lita, 38 Abs 1 iVm 11 FinStrG für schuldig befunden, wofür das Gericht gemäß § 38 Abs 1 FinStrG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 28/1999) eine Geldstrafe bis zum Dreifachen des auf die Ware entfallenden Abgabenbetrages und eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängen kann, während die Finanzbehörde (Spruchsenat) zusätzlich zur angeführten Geldstrafe zufolge § 15 Abs 3 leg.cit. eine maximale Freiheitsstrafe von (lediglich) drei Monaten aussprechen darf.
Bei diesem Ergebnis braucht der Verfassungsgerichtshof nicht im Einzelnen zu untersuchen, ob der Entfall der vom Antragsteller ins Treffen geführten allein mit (straf-)gerichtlicher Verurteilung vorgesehenen (Neben-)Folgen, wie etwa die Eintragung kriminalgerichtlicher Verurteilungen in das Strafregister (vgl. § 1 Abs 1 Z 1 StrafregisterG) oder – im Fall gerichtlich verhängter Freiheitsstrafen – der Verlust von beruflichen Berechtigungen (§27 FinStrG) bzw. – bei gerichtlich ausgesprochenen Geld- oder Freiheitsstrafen – der Ausschluss von der Berufstätigkeit (§13 Abs 1 GewO 1994), den Art 7 EMRK zugrunde liegenden Begriff der (milderen) Strafe erfüllen würde (ablehnend hinsichtlich des Entzugs des passiven Wahlrechts EGMR [GK], Fall Paksas, Appl. 34.932/04, wegen des nicht strafrechtlichen Zwecks; vgl. auch Grabenwarter/Pabel, aaO, Rz 148).
Da also mit der Anhebung der für die gerichtliche Zuständigkeit maßgeblichen Wertbeträge – wie dargetan – nicht bloß eine Zuständigkeitsverschiebung hinsichtlich der Ahndung von Finanzvergehen bewirkt, sondern der materiell-rechtliche Charakter der Finanzvergehen einschließlich aller daraus resultierenden Schranken und Wirkungen, insbesondere in Bezug auf die Höhe der – zulässigerweise – zu verhängenden Freiheitsstrafe verändert wird, steht die angefochtene Übergangsvorschrift des § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG der Gewährung des Vorteils des milderen Strafgesetzes entgegen; sie verstößt daher gegen Art 7 EMRK.
V.Ergebnis
1. Der vorletzte Satz des § 265 Abs 1p FinStrG idF BGBl I 104/2010 ("Die Änderungen der Zuständigkeitsgrenzen der §§53 und 58 sind auf Verfahren, die bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2010 bei den Staatsanwaltschaften, Gerichten und Spruchsenaten bereits anhängig sind, nicht anzuwenden.") ist daher wegen Widerspruchs zu Art 7 EMRK als verfassungswidrig aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das im Antrag weiters (sub titulo Gleichheitssatz des Art 7 B-VG) dargelegte Bedenken.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ausspruches erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B-VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB ; , G497/2015).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2017:G94.2017 |
Schlagworte: | Finanzstrafrecht, Finanzverfahren, Übergangsbestimmung, Strafrecht, Günstigkeitsprinzip, Gericht Zuständigkeit, Behördenzuständigkeit, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität |
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