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VfGH vom 11.10.1999, g91/99

VfGH vom 11.10.1999, g91/99

Sammlungsnummer

15616

Leitsatz

Abweisung der Anfechtung der Kärntner Landtagswahl vom ; keine Bedenken gegen die Regelung betreffend das Grundmandat; kein Systemwechsel zur Mehrheitswahl; keine Verfassungswidrigkeit der Regelungen betreffend Wahlkreiseinteilung, Mandatszahl im Landtag, und Mandatszuweisung an Wahlkreise und Parteien; kein Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Wahlrechts und gegen den Gleichheitssatz durch von Bund und anderen Ländern abweichende Regelungen; kein Eingehen auf demokratiepolitische Überlegungen

Spruch

I. Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

II. Der Antrag auf Aufhebung von Bestimmungen der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Gemäß Art 95 Abs 1 B-VG werden die Mitglieder der Landtage auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten männlichen und weiblichen Landesbürger gewählt.

1.2. Zufolge Art 8 Kärntner Landesverfassung, LGBl. 1996/85, idF LGBl. 1997/52, (im Folgenden: LVG) besteht der Landtag aus 36 Mitgliedern.

Art 9 Abs 1 LVG sieht vor, dass die Mitglieder des Landtages auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Lande Kärnten gewählt werden. Nach Art 9 Abs 2 LVG sind die näheren Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht und über das Wahlverfahren durch Landesgesetz zu treffen.

1.3.1. Gemäß § 2 Kärntner Landtagswahlordnung 1974, LGBl. 191, idF LGBl. 1994/23, (im Folgenden: LTWO) wird das Land Kärnten zum Zwecke der Wahl in den Landtag in folgende vier Wahlkreise eingeteilt:

a) Wahlkreis 1; er umfasst den Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und den Bereich des politischen Bezirkes Klagenfurt Land;

b) Wahlkreis 2; er umfasst den Bereich des politischen Bezirkes St. Veit a.d. Glan, den Bereich des politischen Bezirkes Völkermarkt sowie den Bereich des politischen Bezirkes Wolfsberg;

c) Wahlkreis 3; er umfasst den Bereich der Stadt Villach und den Bereich des politischen Bezirkes Villach Land;

d) Wahlkreis 4; er umfasst den Bereich des politischen Bezirkes Hermagor und den Bereich des politischen Bezirkes Spittal a.d. Drau sowie den Bereich des politischen Bezirkes Feldkirchen.

1.3.2. Gemäß § 2a LTWO werden die Wahlkreise in einem Wahlkreisverband zusammengefasst.

1.3.3.1. § 2b LTWO lautet:

"Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise

(1) In jedem Wahlkeis gelangen so viele Mandate zur Vergebung, wie die Berechnung gemäß Abs 2 bis 4 ergibt.

(2) Die Zahl der Staatsbürger, die nach dem endgültigen Ergebnis der jeweils letzten ordentlichen oder außerordentlichen Volkszählung (Volkszählungsgesetz 1980, BGBl. Nr. 199/1980) im Gebiet des Landes Kärnten ihren ordentlichen Wohnsitz hatten, ist durch die um eins vermehrte Zahl der Mitglieder des Landtages (§1 Abs 1) zu teilen. Dieser Quotient ist auf drei

Dezimalstellen zu errechnen. Er bildet die Verhältniszahl.

(3) Jedem Wahlkreis werden so viele Mandate zugewiesen, wie die Verhältniszahl (Abs2) in der Zahl der Staatsbürger, die im Wahlkreis ihren ordentlichen Wohnsitz haben, enthalten ist.

(4) Können auf diese Weise nicht alle Mandate aufgeteilt werden, so sind die gemäß Abs 3 zu ermittelnden Quotienten auf je fünf Dezimalstellen zu berechnen. Die restlichen Mandate erhalten zusätzlich jene Wahlkreise, bei denen sich der Reihenfolge nach die größten Dezimalreste ergeben. Sind hiebei die Dezimalreste bei zwei oder mehreren Wahlkreisen gleich groß und sind nicht mehr so viele Mandate zu vergeben, als Wahlkreise mit gleich hohen Dezimalresten bestehen, so entscheidet das Los über die Mandatsvergabe. Tritt bei der Zuweisung der Mandate nach Abs 3 der Fall ein, dass ein Mandat mehr zuzuweisen wäre, als die Landesverfassung Mitglieder des Landtages vorsieht, so ist durch Los zu bestimmen, welches Mandat nicht zuzuweisen ist.

(5) Die Zahl der auf jeden Wahlkreis entfallenden Mandate ist von der Landesregierung unmittelbar nach endgültiger Feststellung des Ergebnisses der jeweils letzten ordentlichen oder außerordentlichen Volkszählung zu ermitteln und im Landesgesetzblatt kundzumachen.

(6) Die so kundgemachte Verteilung der Mandate ist allen Landtagswahlen zugrunde zu legen, die vom Wirksamkeitsbeginn der Kundmachung an bis zur Verlautbarung der Kundmachung der Mandatsverteilung aufgrund der jeweils nächsten ordentlichen oder außerordentlichen Volkszählung stattfinden."

1.3.3.2. Zufolge § 1 der Kundmachung der Landesregierung, LGBl. 1993/83, entfallen auf den Wahlkreis 1: 9, auf den Wahlkreis 2: 11 und auf die Wahlkreise 3 und 4 je 8 Mandate.

1.3.4. Die §§81, 82, 82a und 82b LTWO über das (erste und zweite) Ermittlungsverfahren und über die Zuweisung der Mandate an die Bewerber lauten wie folgt:

"§81

Erstes Ermittlungsverfahren

(1) Die in den einzelnen Wahlkreisen zu vergebenden Mandate sind von der Landeswahlbehörde aufgrund der Wahlzahl auf die Kreiswahlvorschläge zu verteilen.

(2) Die Wahlzahl wird dadurch gefunden, daß die Gesamtsumme der in einem Wahlkreis abgegebenen gültigen Stimmen durch die um eins vermehrte Anzahl der im Wahlkreis zu vergebenden Mandate geteilt wird. Diese so gewonnene und in jedem Fall auf die nächstfolgende ganze Zahl zu erhöhende Zahl ist die Wahlzahl.

(3) Jede Partei erhält so viele Mandate, wie die Wahlzahl in der Parteisumme enthalten ist.

(4) Jene Mandate, die bei dieser Verteilung innerhalb der Wahlkreise nicht vergeben werden können (Restmandate), sind aufgrund der Parteistimmen, deren Zahl für die Zuteilung eines oder eines weiteren Mandates an die jeweilige Partei in den Wahlkreisen nicht ausreichte (Reststimmen), im zweiten Ermittlungsverfahren (§82a) zu verteilen.

§82

Gewählte Bewerber, Verlautbarung

(1) Die auf eine Partei nach § 81 Abs 3 entfallenden Mandate werden von der Landeswahlbehörde den Bewerbern nach den Bestimmungen der Abs 2 und 3 zugewiesen.

(2) Die zu vergebenden Mandate werden zunächst der Reihe nach jenen Bewerbern zugewiesen, die aufgrund der Wahlpunkteprotokolle mindestens eine Zahl an Wahlpunkten erreicht haben, die der Hälfte der Wahlzahl gemäß § 81 Abs 2 entspricht. Ist die Wahlzahl eine ungerade Zahl, ist sie für diese Berechnung auf die nächstniedrige gerade Zahl abzurunden. Die Reihenfolge der Zuweisung der Mandate richtet sich hiebei nach der Höhe der erreichten Wahlpunktezahl eines jeden Bewerbers, wobei die Reihenfolge mit der Höchstzahl der erreichten Wahlpunkte beginnt, der jeweils die nächstniedrigere Anzahl der Wahlpunkte folgt. Hätten danach zwei oder mehrere Bewerber auf die Zuweisung eines Mandates den gleichen Anspruch, so ist, wenn es sich um die Zuweisung des letzten an diese Partei zu vergebenden Mandates handelt, das Mandat dem Bewerber zuzuweisen, der auf der Parteiliste besser gereiht ist.

(3) Mandate einer Partei, die aufgrund der Bestimmungen des Abs 2 nicht oder nicht zur Gänze an Bewerber vergeben werden können, sind den Bewerbern in der Reihenfolge zuzuweisen, in der sie auf der Parteiliste angeführt sind. Hiebei bleiben Bewerber außer Betracht, die bereits nach Abs 2 ein Mandat zugewiesen erhalten haben.

(4) Die Bewerber, denen nach den Bestimmungen der Abs 2 und 3 die Mandate zugewiesen werden, sind von der Landeswahlbehörde als gewählt zu erklären. Ihre Namen sind an der Amtstafel des Amtes der Kärntner Landesregierung zu verlautbaren. Die Verlautbarung hat auch den Zeitpunkt zu enthalten, an dem sie an der Amtstafel angeschlagen wurde.

§82a

Zweites Ermittlungsverfahren

(1) Einen Anspruch auf Zuweisung von Restmandaten im Wahlkreisverband (§2a) haben nur jene wahlwerbenden Parteien, die einen Verbandswahlvorschlag (§48a) gültig eingebracht haben und denen außerdem bereits im ersten Ermittlungsverfahren in einem der Wahlkreise ein Mandat zugefallen ist.

(2) Die Landeswahlbehörde stellt zunächst aufgrund der Ergebnisse des ersten Ermittlungsverfahrens fest, wie viele Restmandate zu vergeben sind und wie viele Reststimmen jede der nach Abs 1 in Betracht kommenden wahlwerbenden Parteien erreicht hat (§81 Abs 4).

(3) Die Restmandate werden dann folgendermaßen verteilt:

a) Die Summen der Reststimmen werden, nach ihrer Größe geordnet, nebeneinander geschrieben, unter jede Reststimmensumme wird die Hälfte geschrieben, darunter das Drittel, das Viertel und nach Bedarf auch die weiterfolgenden Teilzahlen. Dabei sind die Brüche mit aufzuschreiben;

b) die Reststimmensummen und die aus ihnen gewonnenen Teilzahlen werden dann der Größe nach mit fortlaufenden Ordnungsziffern versehen, bis die Anzahl der noch zu vergebenden Restmandate erreicht ist;

c) auf die Partei entfallen so viele Mandate, wie ihre Reststimmensumme und die nach litb ermittelten Teilzahlen Ordnungsziffern erhalten; wenn nach dieser Berechnung zwei Parteien auf das letzte Mandat denselben Anspruch haben, entscheidet das vom an Jahren jüngsten Beisitzer zu ziehende Los, wem das Mandat zufällt.

§82b

Zuweisung an die Bewerber; Niederschrift; Verlautbarung

(1) Die im zweiten Ermittlungsverfahren zugeteilten Mandate werden den Bewerbern der Parteien in der Reihenfolge der Verbandswahlvorschläge zugewiesen. Nicht gewählte Bewerber sind Ersatzmitglieder für den Fall, daß ein Mandat ihrer Liste auf dem Verbandswahlvorschlag erledigt wird.

(2) Die Landeswahlbehörde hat das Ergebnis ihrer Feststellungen im zweiten Ermittlungsverfahren wie folgt zusammenzufassen:


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a)
die Zahl der auf die einzelnen Parteien entfallenden Reststimmensummen;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
b)
die Zahl der auf jede Partei entfallenden
Restmandate;


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c)
die Namen der Bewerber, denen Restmandate gemäß Abs 1 zugewiesen wurden.

(3) Das Ergebnis der Ermittlungen der Landeswahlbehörde ist in der Niederschrift festzuhalten. Die Niederschrift hat mindestens zu enthalten:

a) die Namen der an- und abwesenden Mitglieder der Landeswahlbehörde;

b) die Feststellungen gemäß Abs 2.

(4) Das Ergebnis der Ermittlung ist in der im Abs 2 bezeichneten Form unverzüglich zu verlautbaren. Die Verlautbarung hat an der Amtstafel des Amtes der Landesregierung zu erfolgen. Die Verlautbarung hat auch den Zeitpunkt zu enthalten, an dem sie an der Amtstafel angeschlagen wurde."

2.1. Mit Verordnung der Kärntner Landesregierung vom , LGBl. 1998/84, wurde die Wahl des Kärntner Landtages für Sonntag, den , ausgeschrieben und als Stichtag der festgelegt.

2.2. Dieser Wahl lagen von der Landeswahlbehörde überprüfte, gemäß § 47 LTWO abgeschlossene und veröffentlichte Kreiswahlvorschläge folgender Wahlparteien zu Grunde:

Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ); Freiheitliche Partei Österreichs - Jörg Haider (FPÖ); Dr. Christof Zernatto Österreichische Volkspartei (ÖVP); Demokratie 99 - Das Wahlbündnis: Die Grünen, Liberales Forum, Enotna Lista/Einheitsliste und Vereinte Grüne Österreichs (D); Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ).

2.3.1. Von den 332.361 bei dieser Landtagswahl abgegebenen gültigen Stimmen bzw. von den dabei zu vergebenden 36 Mandaten entfielen auf:

SPÖ 109.228 (= 32,9 %) bzw. 12 (= 33,3 %)

FPÖ 139.778 (= 42,1 %) bzw. 16 (= 44,4 %)

ÖVP 68.940 (= 20,7 %) bzw. 8 (= 22,2 %)

D 13.056 (= 3,9 %) bzw. 0 (= 0 %)

KPÖ 1.359 (= 0,4 %) bzw. 0 (= 0 %)

2.3.2.1. Im ersten Ermittlungsverfahren wurden für die einzelnen Wahlkreise folgende Wahlzahlen errechnet:

Gültige Stimmen Wahlzahl

Wahlkreis 1: 85.151 8516 (= 10,00 %)

Wahlkreis 2: 98.179 8182 (= 8,33 %)

Wahlkreis 3: 71.271 7920 (= 11,11 %)

Wahlkreis 4: 77.760 8641 (= 11,11 %)

2.3.2.2. Auf Grund dieser Wahlzahlen wurden im ersten Ermittlungsverfahren 33 der insgesamt 36 Landtagsmandate vergeben, und zwar: 9 im Wahlkreis 1 (SPÖ : 3; FPÖ : 4; ÖVP : 2), 10 im Wahlkreis 2 (SPÖ : 4; FPÖ : 4; ÖVP : 2), 7 im Wahlkreis 3 (SPÖ : 3; FPÖ : 3; ÖVP : 1) und 7 im Wahlkreis 4 (SPÖ : 2; FPÖ : 3; ÖVP : 2).

2.3.3. Am zweiten Ermittlungsverfahren nahmen im Hinblick auf § 82a Abs 1 LTWO nur SPÖ, FPÖ und ÖVP teil. Auf Grund der diesen Parteien aus dem ersten Ermittlungsverfahren verbliebenen

Reststimmen ergab sich dabei die folgende Mandatsverteilung:

SPÖ FPÖ ÖVP

Reststimmen: 9.910 23.303 10.342

Restmandate: 0 2 1

(Ohne die Regelung des § 82a Abs 1 LTWO, derzufolge am zweiten Ermittlungsverfahren nur jene wahlwerbenden Parteien teilnehmen dürfen, die im ersten Ermittlungsverfahren ein (Grund)Mandat erreicht haben, hätte die Wählergruppe "Demokratie 99" auf Grund ihrer 13.056 "Reststimmen" eines dieser Restmandate, u.zw. an Stelle der ÖVP, erhalten.)

2.3.4. Für die einzelnen Parteien ergibt sich die Mandatsverteilung demgemäß wie folgt:

Grundmandate Restmandate insgesamt

SPÖ 12 0 12

FPÖ

ÖVP 7 1 8

D 0 0 0

KPÖ 0 0 0

2.3.5. Das Wahlergebnis der in Rede stehenden Landtagswahl wurde am an der Amtstafel des Amtes der Landesregierung kundgemacht.

3.1. Die Wählergruppe "Demokratie 99 - Das Wahlbündnis: Die Grünen, Liberales Forum, Enotna Lista/Einheitsliste und Vereinte Grüne Österreichs" focht mit am zur Post befördertem Schriftsatz die Wahl zum Kärtner Landtag vom gemäß Art 141 B-VG beim Verfassungsgerichtshof an und begehrte "das Wahlverfahren für nichtig zu erklären und als rechtswidrig aufzuheben."

Dabei wird die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ausschließlich darin erblickt, dass diese Wahl auf der Grundlage verfassungswidriger landesgesetzlicher Bestimmungen, nämlich der §§2, 2a, 2b, 81, 82, 82a und 82b LTWO, durchgeführt worden sei. Im Hinblick darauf stellte die Anfechtungswerberin weiters den - auch auf Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG gestützten - Antrag, das Wahlanfechtungsverfahren zu unterbrechen und ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich dieser Bestimmungen zu eröffnen.

3.2. Begründend führt die Anfechtungswerberin dazu Folgendes aus:

"Nach Art 95 (1) B-VG und Art 9 (1) Kärntner LVG sind die Mitglieder des Landtages aufgrund des Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten Staatsbürger zu wählen, die im Land ihren ordentlichen Wohnsitz haben.

Bundesverfassungsgesetzgeber und Landesverfassungsgesetzgeber legen sich nicht auf eine bestimmte Art des Verhältniswahlrechtes fest. Dem Landesverfassungsgesetzgeber steht es daher frei, aus der Vielzahl der bekannten Wahlsysteme eines zu wählen, welches aber jedenfalls den Regeln oder Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes entsprechen muß.

Lehre und Rechtsprechung des VfGH bedienen sich bei der Definition des Begriffs 'Verhältniswahlrecht' im wesentlichen sowohl einer (negativen) Abgrenzung dessen, was keineswegs mehr als Verhältniswahlrecht gelten kann (Mehrheits- oder Minderheitswahlrecht), wie auch einer positiven Umschreibung dessen, was das Wesen des Verhältniswahlrechtes ausmacht (proportionale Repräsentation der wahlwerbenden Gruppen in den zu wählenden Vertretungskörper).

Nach Walter/Mayer (Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes7 1992, Rz. 312) besteht das Verhältniswahlrecht - im Gegensatz zum einfacheren (übersichtlicheren) Mehrheitswahlrecht (bei dem die Mehrheit in den einzelnen Wahlkreisen entscheidet) und im Gegensatz zum Minderheitswahlrecht (das neben der Majorität nur eine einzige Minderheit - die relativ stärkste - zur Vertretung zuläßt) - darin, daß allen politischen Kräften von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert wird.

Oberndorfer (in Oberndorfer/Pernthaler/Winkler, Verhältniswahlrecht als Verfassungsgrundsatz, 1976, S 32) führt aus, daß beim Verhältniswahlrecht im Prinzip allen politischen Parteien eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert sei. Jedes Verhältniswahlsystem sei zwangsläufig und wesensnotwendig mit der Berechnung einer Wahlzahl verbunden. Das Verfahren zur Ermittlung der Wahlzahl sei zwar dem einfachen Gesetzgeber überlassen, der dabei jedoch die Grundsätze des Verhältniswahlrechtes sowie die sonstigen Prinzipien eines demokratischen Wahlrechtes im allgemeinen und die besonderen verfassungsrechtlichen Vorkehrungen des Art 95 B-VG nicht verletzen dürfe. Für die Errechnung der Wahlzahl gelte insbesondere, daß sie vom Bemühen um eine objektive Gestaltung der Wahlordnung getragen sein müsse.

Der Verfassungsgerichtshof schien zunächst in einigen Erkenntnissen der Auffassung zu sein, die Bewertung von Parteien als von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung obliege (allein) dem (einfachen) Gesetzgeber, der seine Ansicht mittels jener Bestimmungen darlegen könne, die letztlich ihren Ausfluß in der konkreten Wahlzahl finden. In seinem Erkenntnis vom , W 1-12/90 führt der VfGH aus, daß das Verhältniswahlrecht darin bestehe, daß allen politischen Kräften von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert werde. Für das Wesen des Verhältniswahlsystems sei es charakteristisch, daß nach der Idee der Proportionalität möglichst allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung gewährt werden soll, doch bleiben davon jene kleinen Gruppierungen ausgenommen, die nicht einmal die Mindestzahl an Stimmen, die sogenannte Wahlzahl erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu stellen; diese Wahlzahl nämlich sei mit dem Proportionalwahlsystem wesensnotwendig verknüpft. Insoweit erfahre das Verhältniswahlprinzip - durch die Einrichtung des sogenannten Grundmandates - eine der Verfassungsrechtslage gemäße notwendige Einschränkung.

Auch in seinem Erkenntnis vom , W 1-1/79, G15/79, meint der VfGH, daß zwar das Verhältniswahlrecht darin bestehe, daß allen politischen Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert sei, daß aber die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Bedeutung nach der Wahlordnung, insbesondere nach den Bestimmungen über die Wahlzahl (für die es wieder von Bedeutung sei, ob die verhältnismäßige Aufteilung der Mandate nach der Verfassung und der Wahlordnung im ganzen Staatsgebiet oder aber in einzelnen Wahlkreisen stattfindet), zu beurteilen sei. Für das Wesen des Verhältniswahlsystems sei somit auch charakteristisch, daß jene kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die Wahlzahl, nicht erreichen, von der verhältnismäßigen Vertretung ausgeschlossen seien. Diese Mindestzahl, die Wahlzahl, sei mit dem Verhältniswahlsystem wesensnotwendig verknüpft. Nur jene Parteien, die die Wahlzahl erreichen, seien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung. Welche Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung seien, habe der Gesetzgeber zu entscheiden. Der VfGH meint weiter, daß es ihm obliege, die vom einfachen Gesetzgeber vorgenommene Gestaltung des Wahlrechtes dahin zu prüfen, ob es in seiner Gesamtheit - in seinen einzelnen Komponenten und dem Zusammenspiel dieser Komponenten (Wahlkreis-Einteilung, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Parteien) - in einer Weise geregelt sei, daß dem Grundsatz der Verhältniswahl entsprochen sei, Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament zu sichern.

Im Erkenntnis vom , W 1-8/79 wiederholt der VfGH im wesentlichen diese Grundsätze. Gleichzeitig ergänzt er jedoch seine vorhin wiedergegebene Ansicht, daß der (einfache) Gesetzgeber festzusetzen habe, welchen Parteien zahlenmäßig erhebliche Bedeutung zukomme und meint, daß dieser Rechtsprechung jeweils eine Wahlordnung zugrundelag, welche die Einteilung in Wahlkreise, die Zahl der in einem Wahlkreis zu vergebenden Mandate als auch das Verfahren der Zuweisung der Mandate auf die Parteien in einer Weise geregelt hat, daß die Aussage gerechtfertigt war, nur eine Partei, die die Wahlzahl in einem Wahlkreis erreiche, sei von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung und habe somit Anspruch auf eine Vertretung im Parlament.

Unter Verweis auf sein Erkenntnis VfSlg 8852/1980 (in dem er ausgesprochen hat, daß die fortlaufende Reduzierung der Zahl der in einem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten eine Grenze erreichen könne, von der ab die Disproportion zwischen Stimmen und Mandaten so groß sei, daß aufgrund dieser veränderten Auswirkung einer anderen als der verfassungsgesetzlichen Repräsentationsvorstellung entsprochen werde, somit eine extreme Verkleinerung der Wahlkreise auf einen Wahlsystemwechsel zur Mehrheitswahl hinauslaufe) meint der VfGH schließlich in seinem Erkenntnis vom , G266, 267/94, daß der Gesetzgeber seinen Gestaltungsfreiraum überschreite, wenn in einem Wahlkreis eine besonders hohe Hürde für das Erlangen eines Grundmandates vorgesehen sei, 'ohne daß dieses Erfordernis in einem späteren Ermittlungsverfahren - auf welche Weise immer - aufgefangen und ausgeglichen werden könnte'.

Nach dieser Rechtsprechung gilt die Auffassung, daß nur jene Parteien, die die Wahlzahl erreichen, von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung seien, jedenfalls dann nicht, wenn die Kriterien und Grundlagen, die zur Ermittlung der Wahlzahl führen, dem Mehrheits- oder dem Minderheitswahlrecht entstammen. Einer Partei kommt zahlenmäßig erhebliche Bedeutung zu, wenn sie die Wahlzahl erreicht, aber auch dann, wenn sie diese Voraussetzung zwar nicht erfüllt, jedoch die Wahlzahl nicht im Einklang mit den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes ermittelt wurde und als Ausgleich für diesen Mangel auch kein Korrektiv vorgesehen ist. Die Wahlzahl ist daher nicht grundsätzlich und jedenfalls als Abgrenzungskriterium für die Feststellung geeignet, ob eine Partei zahlenmäßig erhebliche Bedeutung und somit Anspruch auf Vertretung im Vertretungskörper hat. Andernfalls hätte es der Gesetzgeber ja beispielsweise in der Hand, die Anzahl der zu vergebenden Mandate derart herabzusetzen (und damit die Wahlzahl derart zu erhöhen), daß das Ergebnis dem Mehrheitswahlsystem entspräche. (Bereits in VfSlg 9224 hat der VfGH zum Ausdruck gebracht, die Zahl der Repräsentanten dürfe nicht so gering sein, daß von einer Verhältniswahl nicht mehr die Rede sein kann, wobei auch auf den Schutz von Minderheiten Bedacht zu nehmen ist. Schon diese Entscheidung stellt klar, daß dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Grenzen gesetzt sind.)

Das Verhältniswahlrecht ist nicht nur aus dem Gegensatz zum Mehrheits- und zum Minderheitswahlrecht zu sehen. Seinem Wesen nach soll es allen politischen Parteien nach Maßgabe ihrer Stärke eine Mitwirkung im Parlament ermöglichen. Diese Bedeutung darf nicht vernachlässigt und nur auf den Gegensatz zum Mehrheits- und zum Minderheitswahlrecht abgestellt werden. Eine solche Sicht würde zu sehr vereinfachen und verkennen, um was es eigentlich beim Verhältniswahlrecht geht. Das Verfahren zur Ermittlung der Wahlzahl steht daher nicht erst dann in Widerspruch zum Verhältniswahlrecht, wenn es dem Mehrheits- oder dem Minderheitswahlrecht entspricht, vielmehr liegt bereits dann eine Verfassungswidrigkeit vor, wenn vom Proportionalitätsgedanken erkennbar abgegangen wird. Nach der Kärntner Landtagswahlordnung würde eine Partei, die in jedem Wahlkreis das Grundmandat um eine Stimme verfehlt und somit über 33.259 bzw. 10,00689 % gültig abgegebene Stimmen verfügt, nicht in den Landtag einziehen können. Bei einem reinen Verhältniswahlsystem hätte eine solche Partei, die zweifellos ihrer Wählerzahl nach von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung ist, Anspruch auf zumindest drei Mandate.

Kennzeichen des Verhältniswahlrechtes ist es, daß in einem demokratischen Gemeinwesen Machtstrukturen in einem verpflichtenden Entsprechungsverhältnis zu dem jeweiligen Kräfteverhältnis des politischen Systems zum Ausdruck kommen müssen. Die Zusammensetzung des allgemeinen Vertretungskörpers soll ein möglichst genaues Abbild der politischen Realität widerspiegeln. Die Kärntner Landtagswahlordnung mit ihrer hohen Grundmandatshürde ist dazu ungeeignet und verzerrt die Realität. Sie wird daher wegen ihrer deutlichen Tendenz zum Minderheitswahlrecht dem Proportionalitätsgrundsatz nicht gerecht.

Besonders deutlich wird dies, wenn man die in den letzten Jahren beobachtbare Entwicklung der politischen Realität weiterdenkt. Die Tendenz ging von zwei Großparteien in Richtung einer Vielfalt von Mittel- bis Kleinparteien. Unter der Annahme, daß sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte es soweit kommen, daß es ein Dutzend etwa gleich starke Parteien zu je etwa 8,33 Prozent gäbe. Gelänge es einer, einen vergleichsweise höheren Prozentsatz ihrer Sympathisanten zu mobilisieren und (aufgrund der vorhandenen Kräftevertellung nur) im Wahlkreis 2 die Grundmandatshürde zu erreichen, so hätte dies - in Ermangelung einer Prozentklausel - zur Folge, daß ihr alle zu vergebenden Mandate zufielen.

Die hohe Grundmandatshürde der Kärntner Wahlordnung würde daher eines Ausgleichs im zweiten Ermittlungsverfahren bedürfen, damit das Wahlsystem noch den Grundsätzen und Prinzipien des Verhältniswahlrechtes gerecht werden kann.

Auch wenn das früher geltende Homogenitätsprinzip nicht unmittelbar anwendbar ist, so lassen sich doch aus den Wahlordnungen des Bundes und der anderen Länder Anhaltspunkte dafür gewinnen, was nach einem allgemeinen gegenwärtigen Demokratieverständnis als Partei von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung anzunehmen ist. Bei den Wahlen zum Nationalrat dürfen am zweiten Ermittlungsverfahren all jene Parteien teilnehmen, die mindestens in einem regionalen Wahlkreis ein Grundmandat oder im gesamten Bundesgebiet mindestens vier Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben. Niederösterreich und Oberösterreich gewährleisten eine Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren bereits ab vier Prozent der Stimmen landesweit, Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien ab fünf Prozent. Die Landtagswahlordnung der Steiermark gewährt zwar auch nur Parteien, die ein Grundmandat erreicht haben, die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren, die Grundmandatshürde liegt jedoch nur bei etwas mehr als fünf Prozent der Stimmen.

Im Gegensatz zur Ansicht des Bundesgesetzgebers und aller anderen Landesgesetzgeber dürfen nach der Kärntner Landtagswahlordnung am zweiten Ermittlungsverfahren nur jene Parteien teilnehmen, die im ersten Ermittlungsverfahren ein Grundmandat erreicht haben, wofür 10,00, 8,33, 11,11 bzw. 11,11 Prozent der Stimmen in den einzelnen Wahlkreisen erforderlich sind. Im Kärntner Landtag sind daher auch nur jene politischen Parteien vertreten, die im Schnitt mehr als zehn Prozent der Stimmen im Wahlkreis erreichen.

Während also die Gesetzgeber des Bundes und aller Länder mit Ausnahme von Kärnten einer Partei zahlenmäßig erhebliche Bedeutung zubilligen, wenn sie etwa vier bis fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann, meint einzig der Gesetzgeber in Kärnten, daß eine Partei doppelt bis dreifach so stimmenstark sein müsse, sonst komme ihr keine erhebliche Bedeutung und damit kein Anspruch auf Präsenz im Vertretungskörper zu. Dieser unterschiedlichen Bewertung liegt keine sachliche Rechtfertigung zugrunde; sie ist rein willkürlich und führt dazu, daß politischen Willensäußerungen von Staatsbürgern in Kärnten bei der Landtagswahl weniger Gewicht zukommt als bei der Nationalratswahl. Eine solche Ungleichbehandlung widerspricht nicht nur den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes sondern steht auch im Hinblick auf den Grundsatz des 'gleichen' Wahlrechts nicht in Einklang mit der Verfassung.

Abschließend ist zu sagen, daß gegen die Kärntner Landtagswahlordnung auch insoweit demokratiepolitische Bedenken bestehen, als die Wähler wissen, daß Stimmen, die für kleinere Parteien abgegeben werden, die die Zehnprozenthürde voraussichtlich nicht erreichen, verloren sind und im Ergebnis einer der drei derzeit größeren Parteien zugutekommen. Sympathisanten von Kleinparteien, die der von ihnen bevorzugten politischen Gruppierung keine Erfolgsaussichten beimessen, bleiben der Wahl fern oder treffen gleichsam eine zweite Wahl und geben einer der Großparteien ihre Stimme, wenn sie verhindern wollen, daß sie letztlich indirekt einer keineswegs gewünschten Partei zugutekommt. Die Kärntner Landtagswahlordnung zeitigt daher die Wirkung einer Wahlwerbung zugunsten der Großparteien, was in einer parlamentarischen Demokratie nicht erwünscht sein kann.

Wäre die Wahl zum Kärntner Landtag nach einem reinen Verhältniswahlsystem (ohne Grundmandatshürde oder mit einer der üblichen Prozentklauseln) durchgeführt worden, so hätte dies auch insoweit auf das Ergebnis eingewirkt, als zweifellos eine beträchtliche Anzahl von Wählern bereit gewesen wäre, die Anfechtungswerberin zu wählen.

Aus all diesen Gründen widersprechen die §§2, 2a, 2b, 81, 82, 82a und 82b der LTWO den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes und des gleichen Wahlrechtes."

4. Die Landeswahlbehörde beim Amt der Kärntner Landesregierung legte dem Verfassungsgerichtshof die bezughabenden Akten vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

5. Das Amt der Kärntner Landesregierung und das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wurden eingeladen, zu den in der Wahlanfechtungsschrift unter dem Aspekt des Verhältniswahlrechtes sowie der Gleichheit des Wahlrechtes aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einzelne landesgesetzliche Bestimmungen Stellung zu nehmen.

5.1. Das Amt der Kärntner Landesregierung äußerte sich dazu wie folgt:

"Verfassungskonformität bereits bestätigt

Bereits nach der Landtagswahl am ist von der damals kandidierenden Wählergruppe 'Kärntner Einheitsliste - Koroska Enotna Lista (KEL)' an den Verfassungsgerichtshof die Anregung zur Prüfung der Kärntner Landtagswahlordnung 1974, LGBl. Nr. 191, damals in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 49/1979 herangetragen worden. Die anfechtende Wählergruppe begründete damals ihre Anregung unter anderem damit, daß die Bestimmungen der Wahlordnung über die Wahlkreise und Wahlkreisverbände (§2 und § 2a) gegen Bundesverfassungsrecht verstoßen würden.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich damals nicht veranlaßt gesehen, die Anregung zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens aufzugreifen. In seinem Erkenntnis vom Zl. W 1-9/79-24 (Slg. Nr. 9224) hat er auch festgehalten, daß im Verfahren nicht hervorgekommen sei, 'daß die von der anfechtenden Wählergruppe für verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des LVG und der LWO aus einem anderen Grunde bedenklich wären. Da nach den vorstehenden Darlegungen die in der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages, über die Wahlkreise und über die Wahlkreisverbände - insbesondere des Art 7 LVG sowie der §§2 und 2a LWO - liegende Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht gegeben ist, war der Anfechtung nicht stattzugeben.'

In den seit dem damaligen Wahlprüfungsverfahren ergangenen Novellen zur Landtagswahlordnung 1974 ist der § 2a mit der Novelle LGBl. Nr. 1/1984 dahingehend modifiziert worden, als die vormalige (vorsichtshalber) festgelegte Unterteilung des Landesgebietes in zwei Wahlkreisverbände aufgegeben wurde und die Wahlkreise in einem einzigen Wahlkreisverband zusammengefaßt wurden. Weiters ist der § 82 mit der Novelle LGBl. Nr. 94/1993 im Hinblick auf die Vorzugsstimmenvergabe angepaßt worden. Daß diese Modifikationen dem VfGH wohl keinen Anlaß geben dürften, seine seinerzeit ausgesprochene Bedenkenfreiheit zurückzunehmen, wird im folgenden noch näher dargelegt.

Zu den problematisierten Bestimmungen

Die Anfechtungswerberin hat in ihrer Anregung zur Einleitung einer Gesetzesprüfung folgende Bestimmungen der Landtagswahlordnung 1974 als verfassungswidrig bezeichnet:


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a)
§2 (Wahlkreise)
b)
§2a (Wahlkreisverband)
c)
§2b (Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise)
d)
§81 (Erstes Ermittlungsverfahren)
e)
§82 (gewählte Bewerber, Verlautbarung)
f)
§82a (Zweites Ermittlungsverfahren)
g)
§82b (Zuweisung an die Bewerber; Niederschrift; Verlautbarung)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zu a) (§2 - Wahlkreise):

Diese Bestimmung wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 49/1979 im Gefolge des sogenannten 'Burgenland-Erkenntnisses' VfSlg. Nr. 8321/1978, mit der die Verpflichtung zur Unterteilung des Landes in Wahlkreise bei der Durchführung von Landtagswahlen festgestellt wurde, geschaffen. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur bereits ausgesprochen hat, ist davon auszugehen, daß für die Wahlen zu den Landtagen keine verfassungsrechtlich vorgebildete Gestaltung der Wahlkreise besteht (VfSlg. 8700/1979), und auch die Schaffung von Wahlkreisen verschiedener Größe entspricht dem verfassungsrechtlich eröffneten Gestaltungsspielraum (VfSlg. Nr. 8852/1980).

Diese in § 2 der Landtagswahlordnung 1974 festgelegte Wahlkreiseinteilung knüpft an die historisch gewachsene Gliederung des Landes in politische Bezirke an; jeder Wahlkreis umfaßt mehrere solcher politischen Bezirke. Der Gesetzgeber hat sich dabei an die Regelung in § 9 des Gesetzes vom LGuVBL Nr. 14/1902 angelehnt, nach der das Land für die Wahl der Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse in vier Wahlbezirke gegliedert war. Diese Wahlkreiseinteilung ist einerseits vom Bemühen, die Zahl der Wahlkreise möglichst niedrig zu halten (vier), und andererseits vom Bestreben nach möglichster Ausgewogenheit in den erfaßten Wähler(Bevölkerungs-)zahlen getragen.

Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. Nr. 9224/1981 ausdrücklich einer Prüfung unterzogen und festgestellt, daß diese Regelung 'keinen Anhaltspunkt (bietet), der zu Bedenken Anlaß gäbe, daß mit dieser Regelung ... gegen die Grundsätze der Verhältniswahl oder gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot verstoßen worden wäre.'

Die Anfechtungswerberin hat in ihrer Begründung auch gar keine konkreten, ergänzenden Argumente gegen die Unterteilung des Landes in vier Wahlkreise, wie sie in § 2 der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 festgeschrieben ist, vorgebracht, sodaß die Behauptung, diese Regelung wäre mit Verfassungswidrigkeit belastet, wohl ins Leere geht.

Die Ausgewogenheit und damit den Proportionalitätsanforderungen entsprechende Gestaltung der mit dieser Bestimmung vorgenommen Wahlkreisgestaltung zeigt sich am deutlichsten wohl bei einem Blick auf die Verteilung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise, wie sie seit der Einführung einer Mehrzahl von Wahlkreisen im Kärntner Landtagswahlrecht vorzunehmen war. So zeigte die Kundmachung nach der erstmaligen Einführung einer Wahlkreisunterteilung im Kärntner Landtagswahlrecht im Landesgesetzblatt Nr. 51/1979 folgende

Mandatsverteilung:

Wahlkreis 1: 9 Mandate

Wahlkreis 2: 11 Mandate

Wahlkreis 3: 7 Mandate

Wahlkreis 4: 9 Mandate

An dieser Mandatsverteilung hat sich auch nach der Volkszählung 1981 nichts geändert, sodaß in der Kundmachung im Landesgesetzblatt Nr. 59/1982 eine identische Verteilung der Mandate kundzumachen war.

Die Ergebnisse der Volkszählung 1991 hatten eine Modifikation in der Mandatsverteilung auf die Wahlkreise zur Folge, sodaß im Landesgesetzblatt Nr. 83/1993 folgende Mandatsverteilung kundzumachen war:

Wahlkreis 1: 9 Mandate

Wahlkreis 2: 11 Mandate

Wahlkreis 3: 8 Mandate

Wahlkreis 4: 8 Mandate

Diese, jegliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit ausschließende Ausgewogenheit spiegelt sich aber auch in den Wahlzahlen wider, die für die Mandatsverteilung in den einzelnen Wahlkreisen seit der Novelle zur Kärntner Landtagswahlordnung 1974, LGBl Nr. 49/1979 bei den einzelnen Landtagswahlen ermittelt wurden:

Landtagswahl 1979:

Wahlkreis 1: Wahlzahl 7703

Wahlkreis 2: Wahlzahl 7579

Wahlkreis 3: Wahlzahl 8125

Wahlkreis 4: Wahlzahl 6871

Landtagswahl 1984:

Wahlkreis 1: Wahlzahl 8040

Wahlkreis 2: Wahlzahl 7867

Wahlkreis 3: Wahlzahl 7488

Wahlkreis 4: Wahlzahl 8105

Landtagswahl 1989:

Wahlkreis 1: Wahlzahl 9172

Wahlkreis 2: Wahlzahl 8601

Wahlkreis 3: Wahlzahl 8450

Wahlkreis 4: Wahlzahl 9101

Landtagswahl 1994:

Wahlkreis 1: Wahlzahl 9024

Wahlkreis 2: Wahlzahl 8568

Wahlkreis 3: Wahlzahl 8331

Wahlkreis 4: Wahlzahl 9072

Landtagswahl 1999:

Wahlkreis 1: Wahlzahl 8516

Wahlkreis 2: Wahlzahl 8182

Wahlkreis 3: Wahlzahl 7920

Wahlkreis 4: Wahlzahl 8641

Zu b) (§2a - Wahlkreisverband):

Diese Regelung wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 1/1984 in die Landtagswahlordnung 1974 eingebaut. Mit dieser Novelle wurde der § 2a in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 49/1979 abgelöst, mit dem noch eine Unterteilung des Landes in zwei Wahlkreisverbände vorgesehen war. Diese seinerzeitige Regelung wurde im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff der Wahlkreise (insbesondere VfSlg. Nr. 1381/1931 und 6563/1971) geradezu vorsichtshalber geschaffen. Nachdem aber der Verfassungsgerichtshof in der Folge im Erkenntnis VfSlg. Nr. 8700/1979 klarstellte, daß nicht auch zwingend eine Mehrzahl von Wahlkreisverbänden zum Zwecke der Abhaltung von Landtagswahlen vorzusehen sei, wurden die zwei Wahlkreisverbände mit der Novelle LGBl. Nr. 1/1984 zu einem einzigen Wahlkreisverband zusammengefaßt.

Aus der Begründung der Anfechtung können konkret keine Argumente entnommen werden, warum die Anfechtungswerberin die Auffassung vertritt, daß diese Festlegung in § 2a der Landtagswahlordnung 1974, mit der die vier Wahlkreise in einem Wahlkreisverband zusammengefaßt werden und somit zur Abwicklung des zweiten Ermittlungsverfahren das gesamte Land einen Wahlkreisverband bildet, mit verfassungsrechtlichen Bedenken behaftet sei.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. Nr. 9224/1981 sogar zur damals in Geltung gestandenen Unterteilung des Landes in zwei Wahlkreisverbände ausdrücklich festhielt, daß diese Regelung 'keinen Anhaltspunkt (bietet), der zu Bedenken Anlaß gäbe, daß mit dieser Regelung ... gegen die Grundsätze der Verhältniswahl oder gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot verstoßen worden wäre', ist davon auszugehen, daß die zwischenzeitlich vorgenommene Reduzierung auf einen einzigen Wahlkreisverband noch weniger Anlaß gibt, den global in der Begründung durch die Anfechtungswerberin vorgebrachten Bedenken im Zusammenhang mit dem Verhältniswahlrechtsprinzip Berechtigung zuzuerkennen.

Zu c) (§2b - Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise):

Mit dieser seit der Novelle LGBl. Nr. 49/1979, mit der im Landtagswahlrecht die Wahlkreisunterteilung eingeführt wurde, unverändert gebliebenen Regelung wird die Verteilung der laut Art 8 der Kärntner Landesverfassung (K-LVG) festgelegten 36 Landtagsmandate auf die vier Wahlkreise vorgenommen. Die Ermittlung der Verhältniszahl, nach der die Mandate auf die Wahlkreise verteilt werden sollen, erfolgt auf der Basis eines von Mr. H.R. Droop im Jahre 1869 entwickelten Modells, welches eine Modifikation des Hare'schen Quotientensystems darstellt. Dabei wird die Gesamtheit der Staatsbürger (nicht nur der Wahlberechtigten) mit Hauptwohnsitz in Kärnten, wie sie im Rahmen der letzten Volkszählung ermittelt wurde, durch die um eins vermehrte Anzahl der Mitglieder des Landtages geteilt. Dieser auf drei Dezimalstellen errechnete Quotient bildet die Verhältniszahl, auf dessen Grundlage die auf die einzelnen Wahlkreise fallenden Mandatszahlen ermittelt werden. Die auf diese Weise nicht verteilbaren Mandatsreste werden nach der Größe der auf fünf Dezimalstellen ermittelten Dezimalreste vergeben.

Praktisch alle Landtagswahlordnungen und auch die Nationalratswahlordnung sehen für die Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise das sogenannte 'Hare'sche Quotientensystem' als Berechnungsgrundlage vor. Der geringfügig weiter entwickelte Berechnungsmodus, wie er für die Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise nach der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 im Sinne von Droop vorgesehen ist, hat im Ergebnis sogar eine verfeinerte Proportionalität zur Folge, weil durch die Vergrößerung des Divisors eine Unzulänglichkeit des Hare'schen Quotientensystems, nämlich die zu hohe Verhältniszahl, abgemildert wird. Damit können mehr Mandate direkt den Wahlkreisen zugeordnet werden und müssen weniger Mandate erst aufgrund der Dezimalreste verteilt werden.

Nachdem dieses System der Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise fraglos international als ein dem Verhältniswahlgedanken entsprechendes Verrechnungsverfahren anerkannt ist (vgl. insb. Ludwig Boyer, Wahlrecht in Österreich, Bd 1, S 106), ist davon auszugehen, daß die von der Anfechtungswerberin allgemein vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf das Verhältniswahlrecht auf die Bestimmung des § 2b der Landtagswahlordnung 1974 nicht zutreffend sind.

Zu d) (§81 - Erstes Ermittlungsverfahren):

Die gegenständliche Regelung, die ebenfalls bereits seit der Novelle LGBl. Nr. 49/1979 unverändert in der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 in Geltung steht und somit bereits im Zuge der von der Kärntner Einheitsliste im Gefolge der Landtagswahl 1979 an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Wahlanfechtung von diesem bei deren Prüfung anzuwenden war, legt für die Verteilung der Mandate im ersten Ermittlungsverfahren eine Berechnung auf der Grundlage des sogenannten Hagenbach-Bischoff'schen Verfahrens fest. Mit diesem nach dem Basler Mathematikprofessor Hagenbach-Bischoff benannten Berechnungsverfahren soll, in Anlehnung an den von Droops entwickelten Modus (siehe die Darstellung zu litc), eine zusätzliche Vergrößerung des Divisors durch die Aufrundung des ermittelten Quotienten auf die nächstfolgende ganze Zahl (auch dann, wenn der Quotient ohnehin bereits eine ganze Zahl bildet) erreicht werden. Die Zahl der im ersten Ermittlungsverfahren nicht verteilbaren Mandate wird damit reduziert. Zum Unterschied von der D'Hondt'schen Mandatsverteilungsregel, die sich anerkanntermaßen begünstigend für die größeren Parteien auswirkt, bringt dieses Stimmenverrechnungsverfahren für kleinere Parteien Vorteile (vgl. Boyer, Wahlrecht in Österreich, Bd 1, S 113). Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsmäßigkeit dieses Mandatsverteilungssystems in seiner Judikatur auch bereits mehrfach bestätigt (vgl. insb. VfSlg. Nr. 3653/1959, 6563/1971).

Bei einer Zusammenschau, einerseits der im Hinblick auf die Bevölkerungszahl zueinander sehr harmonisch abgegrenzten vier Wahlkreise, deren Anzahl in Anbetracht der proportionalitätsbeeinflussenden Wirkung bewußt sehr moderat gehalten ist, und andererseits des dem Verhältniswahlgedanken besonders Rechnung tragenden Stimmenverrechnungsverfahrens, wie es in § 81 der Landtagswahlordnung 1974 festgelegt ist, lassen sich die von der Anfechtungswerberin gegen die letztgenannte Bestimmung allgemein erhobenen Bedenken im Hinblick auf die Grundsätze des Verhältniswahlrechtes nicht nachvollziehen.

Eine fraglos ebenfalls den Vorgaben des Verhältniswahlrechtes Rechnung tragende Regelung hätte der Landesgesetzgeber genausogut dadurch treffen können, daß er auf die Einführung eines zweiten Ermittlungsverfahrens überhaupt verzichtet und für die Stimmenverrechnung in den vier Wahlkreisen dann sofort die Verteilungsregeln nach D'Hondt festlegt, sodaß Restmandate unterbleiben. Eine derartige Gesetzesregelung hätte für kleinere wahlwerbende Gruppen weit ungünstigere Bedingungen für den Einzug in den Landtag zur Folge gehabt, ohne daß bei einer Beibehaltung der vom Verfassungsgerichtshof als im Hinblick auf das Verhältniswahlprinzip unverdächtig erkannten Unterteilung des Landes in die derzeit vorgesehenen vier Wahlkreise dagegen ernsthafte Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht vorgebracht werden könnten.

Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich bei der ihm überantworteten Prüfung, ob ein Wahlrecht wahlwerbenden Gruppen mit zahlenmäßig erheblicher Bedeutung entsprechend ausreichende Berücksichtigung sichert, stets hervorgehoben, daß das Wahlrecht in seiner Gesamtheit - in seinen einzelnen Komponenten und dem Zusammenspiel dieser Komponenten (Wahlkreiseinteilung, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Parteien) - in einer Weise geregelt sein muß, daß dem Grundsatz der Verhältniswahl entsprochen wird. Diese Konkretisierung des Verständnisses vom Verhältniswahlrecht, wie sie der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt bestätigt hat (zB VfSlg. Nr. 8700/1979, 8852/1980), deutet aber auch schon darauf hin, daß er die Prüfung der Berücksichtigung der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes vorrangig auf der Ebene der Wahlkreise vornimmt. Ein zweites Ermittlungsverfahren könnte zwar bei entsprechender Ausgestaltung allfällige Proportionalitätsdefizite im ersten Ermittlungsverfahren ausgleichen und sanieren (VfSlg. Nr. 14035/1995), wenn allerdings die Wahlkreiseinteilung, die Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise und die Zuteilung der Mandate an die Parteien in einer Weise geregelt werden, daß dagegen aus der Sicht des Verhältniswahlrechtes keine Bedenken bestehen, ist demnach davon auszugehen, daß aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Verhältniswahlprinzip entsprochen wird. Wenn also konkret die §§2 (Wahlkreiseinteilung), 2b (Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise) und 81 (1. Ermittlungsverfahren) der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 aus verfassungsrechtlicher Sicht den Vorgaben des Art 95 Abs 1 B-VG gerecht werden, ist davon auszugehen, daß damit gegen die Regelungen des Landtagswahlrechtes im Hinblick auf die Wahrung der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes keine Bedenken bestehen.

Zu e) (§82 - Gewählte Bewerber, Verlautbarung):

Träger des Anspruchs auf Vertretung im Parlament ist beim Verhältniswahlrecht nach einhelliger Auffassung die wahlwerbende Partei (vgl. Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht 2. Auflage S 87 und die dort zitierte Literatur und Judikatur). Das bedeutet aber, daß dem Bundesverfassungsgesetzgeber ein Verhältniswahlrecht in Form des Listenwahlrechtes vorgeschwebt hatte (so auch VfSlg. Nr. 1932/1950). Deutlich geworden ist diese Intention insbesondere bei der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. Nr. 9912/1984, wo der Verfassungsgerichtshof geradezu die Unabdingbarkeit eines Listensystems im Verhältniswahlrecht propagierte.

Auf diesen anerkannten Grundsätzen des Verhältniswahlrechts aufbauend legt der angesprochene § 82 der Landtagswahlordnung 1974 fest, wie die im ersten Ermittlungsverfahren auf die wahlwerbenden Parteien entfallenden Mandate den einzelnen Bewerbern auf deren Parteilisten zugeordnet werden. In dieser Bestimmung wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 1/1984 dem rechtspolitischen Anliegen nach Eröffnung eines größeren Einflusses des Wählers auch auf die personelle Zusammensetzung des Landtages dadurch Rechnung getragen, daß durch die Möglichkeit der Vergabe von Vorzugsstimmen die Listenreihung, wie sie in den Wahlvorschlägen vorgegeben ist, in ihrer Verbindlichkeit relativiert wurde. Bewerbern, die zumindest eine Anzahl von Vorzugsstimmen erreichen, die der Hälfte der Wahlzahl im betreffenden Wahlkreis entspricht, wird ein vorrangiger Anspruch auf die Zuordnung eines der wahlwerbenden Gruppe zugefallenen Mandates gesichert. Nachdem aber für eine derartige vorzugsweise Mandatszuordnung nur Bewerber in Betracht kommen, die auf der Liste der betreffenden wahlwerbenden Gruppe gereiht sind, bleibt das untrennbar mit dem Verhältniswahlrecht verknüpfte Listenwahlrecht durch die gegenständliche Bestimmung gewahrt.

Jedenfalls lassen sich keinerlei Gründe finden, die die von der Anfechtungswerberin global vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Verletzung der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes und des gleichen Wahlrechtes in Bezug auf die Bestimmungen des § 82 der Landtagswahlordnung 1974 rechtfertigen.

Zu f) (§82a - Zweites Ermittlungsverfahren):

Obwohl die Anfechtungswerberin in ihrem Vorbringen die Vorbehalte nicht vorrangig und eindeutig auf die Bestimmungen des § 82a der Landtagswahlordnung 1974 konzentriert, ist doch in der Zusammenschau der Begründung der Anfechtung mit dem in der Vorphase der Wahlanfechtung erhobenen Bedenken davon auszugehen, daß sich die verfassungsrechtlichen Bedenken in erster Linie gegen diese Bestimmung richten.

Diesen Bedenken ist folgendes entgegenzuhalten:

1. Die Argumentation in der Wahlanfechtung wird vorrangig an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes orientiert und auf die danach zwangsläufige und wesensnotwendige Verbindung des Verhältniswahlsystems mit einer Wahlzahl verwiesen. Weiters darauf, daß laut dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , W l-12/90 (VfSlg. Nr. 12647), das Wesen des Verhältniswahlrechts darin bestehe, daß allen politischen Kräften von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert werde. Für das Wesen des Verhältniswahlsystems sei es charakteristisch, daß nach der Idee der Proportionalität möglichst allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung gewährt werden soll, doch bleiben davon jene kleinen Gruppierungen ausgenommen, die nicht einmal die Mindestzahl an Stimmen, die sog. Wahlzahl erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu stellen.

Nachdem aber gerade diese bisherige ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zum Verständnis des Verhältniswahlsystems, wie es die österreichische Bundesverfassung vorsieht, eigentlich die Interessen der Anfechtungswerberin nicht stützt, sondern vielmehr die Verfassungskonformität der in der Landtagswahlordnung 1974 getroffenen Regelung bestätigt, wird in der Folge versucht, aus dem Erkenntnis VfSlg. Nr. 14035/1995 eine Wende in der Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes herauszulesen. In diesem Erkenntnis zur Salzburger Landtagswahlordnung hat der Verfassungsgerichtshof darin einen Verstoß gegen die Anforderungen des Verhältniswahlrechtes gesehen, daß 'für ein Mandat in einem bestimmten Wahlkreis ... im Regelfall mehr als 50% der abgegebenen Stimmen notwendig sind und diese hohe Eintrittsschwelle nicht durch eine alternative Prozentklausel abgeschwächt wird'. In diesem Erkenntnis wird jedoch nur die bereits vorherige ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. Nr. 8852/1980) bestätigt, wonach 'bei fortlaufender Reduzierung der Zahl der in einem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten eine Grenze erreicht wird, von der ab die Disproportion zwischen Stimmen und Mandaten so groß ist, daß aufgrund dieser veränderten Auswirkung einer anderen Repräsentationsvorstellung entsprochen wird; eine Verkleinerung der Wahlkreise kann also auf einen Wahlsystemwechsel zur Mehrheitswahl hinauslaufen.'

Wenn man in dem Erkenntnis VfSlg. Nr. 14035/1995 eine geänderte Judikaturlinie erblicken will, dann höchstens dahingehend, daß man ein Wahlrecht, das infolge der Herabsetzung der in einem Wahlkreis zu vergebenden Mandate unter die Zahl drei auch dann als mit den Verhältniswahlgrundsätzen in Einklang stehend ansehen könnte, wenn durch die Berücksichtigung der im Wahlkreis abgegebenen Stimmen in einem den Anforderungen des Verhältniswahlrechtes entsprechenden weiteren Ermittlungsverfahren ein entsprechender Ausgleich und damit eine Abschwächung des Mehrheitswahleffektes gewährleistet ist.

Aber gerade aus dieser Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes läßt sich für die Interessen der Anfechtungswerberin nichts gewinnen. Wie sie auf S 12 letzter Absatz selbst hervorhebt, kann der Bedarf nach einem derartigen Ausgleichskorrektiv nur dann bestehen, wenn 'die Wahlzahl nicht im Einklang mit den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes ermittelt wurde'. Gerade diese Bedenken sind aber gegenüber den auf Grund der Wahlkreiseinteilung in der Landtagswahlordnung 1974 zu ermittelnden Wahlzahlen unangebracht. Nachdem der Verfassungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis VfSlg. Nr. 8.852/1980 trotz des Hinweises auf das vom Grundsatz der wahlkreisweisen Repräsentation geprägte System des Verhältniswahlrechtes ein Landtagswahlrecht, bei dem auf den kleinsten Wahlkreis entsprechend seiner Bürgerzahl lediglich drei Mandate entfielen, als im Rahmen des Systems des Verhältniswahlrechtes stehend beurteilt hat, können derartige Zweifel gegenüber dem Kärntner Landtagswahlrecht nicht im entferntesten aufkommen. Wie bereits zu a) (§2 - Wahlkreise) dargestellt wurde, sind derzeit in Kärnten auch im kleinsten der vier Wahlkreise acht Mandate zu vergeben; auch bei der Mandatszuordnung auf Grund der Ergebnisse der Volkszählungen 1971 und 1981 waren im jeweils kleinsten Wahlkreis sieben Mandate zu vergeben, also mehr als doppelt so viele Mandate, als der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. Nr. 8.852/1980 als im Rahmen des Systems des Verhältniswahlrechtes liegend bewertet hat. Nachdem der Kärntner Landesgesetzgeber in keinem Wahlkreis eine besonders hohe Hürde für das Erlangen eines Grundmandates aufgebaut hat, besteht auch kein Bedarf danach, daß 'dieses Erfordernis in einem späteren Ermittlungsverfahren - auf welche Weise immer - aufgefangen und ausgeglichen' werde (S 12 2. Absatz der Wahlanfechtung).

Wenn die Anfechtungswerberin auf der S 13 der Anfechtungsschrift das Erkenntnis VfSlg. Nr. 14035/1995 dahingehend zu interpretieren versucht, daß das Verfahren zur Ermittlung der Wahlzahl nicht erst dann in Widerspruch zum Verhältniswahlrecht stehe, wenn es dem Mehrheits- oder dem Minderheitswahlrecht entspricht, sondern eine Verfassungswidrigkeit bereits dann vorliege, wenn vom Proportionalitätsgedanken erkennbar abgegangen wird, so ist dieser globalen Aussage durchaus zuzustimmen. Wenn allerdings in der Folge die Regelungen der Kärntner Landtagswahlordnung 1974, nach der auch im kleinsten Wahlkreis mehr als doppelt so viel Mandate zu vergeben sind, als vom Verfassungsgerichtshof noch als im Rahmen des Systems des Verhältiswahlrechtes liegend bewertet wurde, dann kann das nur als rein anfechtungsbezogene Überzeichnung beurteilt werden.

2. Der in der Anfechtung im Sinne eine Wiederbelebung des wahlrechtlichen Homogenitätsprinzips unternommene Versuch, dem Kärntner Landtagswahlrecht Verfassungswidrigkeit durch den Hinweis auf die in der Nationalratswahlordnung und in den Landtagswahlordnungen der anderen Länder als Teilnahmebedingung am Zweiten Ermittlungsverfahren vorgesehene Prozenthürde zu unterstellen, vermag ebenfalls die Verfassungskonformität der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Abgesehen davon, daß sich dieses Homogenitätsprinzip auch vor der Konkretisierung in Richtung der in der Bundesverfassung vorgesehenen Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes immer nur auf das Verhältnis Nationalratswahlrecht-Landtagswahlrecht bezog und daraus niemals ein wie immer gearteter Harmonisierungsdruck auch im Verhältnis der Landtagswahlordnungen untereinander abzuleiten war, muß dabei berücksichtigt werden, daß sich nur sachlich vergleichbare Umstände zueinander in Beziehung bringen lassen.

So darf bei einem Vergleich des Nationalratswahlrechtes mit dem Kärntner Landtagswahlrecht nicht übersehen werden, daß die Zahl der Mitglieder der im Wege dieser Wahlordnungen zu wählenden Vertretungskörper zueinander in einem Größenverhältnis von 5:1 steht. Diese unterschiedliche Mitgliederzahl muß auch bei der Beurteilung der Vertretbarkeit der für eine Teilnahme am Zweiten Ermittlungsverfahren vorgesehenen Sperrklauseln in Betracht gezogen werden. Um vergleichbare Teilnahmechancen für Kleinparteien am 2. Ermittlungsverfahren zu eröffnen, müßte dieses Verhältnis von 5:1 auch bei der Festlegung einer zum Grundmandat alternativen Prozentklausel berücksichtigt werden. Aus der Sicht der Sperrwirkung wirkungsgleich mit der 4%-Klausel nach der Nationalratswahlordnung wäre demnach beim Wahlrecht für die Wahl eines 36 Mitglieder umfassenden Landtages eine 20%-Klausel bzw. mit einer 5%-Klausel im Landtagswahlrecht für einen Landtag dieser Größe eine 1 %-Klausel bei den Nationalratswahlen.

Auch bei dem im Anfechtungsvorbringen enthaltenen Hinweis, daß Niederösterreich und Oberösterreich alternativ zum Grundmandat eine Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren bereits ab 4% der Gesamtstimmen vorsehen, muß berücksichtigt werden, daß die Vertretungskörper dieser beiden Länder mit 56 Mitgliedern ebenfalls weit größer sind und damit nicht direkt mit den Verhältnissen bei den Landtagswahlen in Kärnten vergleichbar sind. Zu Recht wird auch auf S 15 der Anfechtung auf die unvergleichbaren Umstände in der Landtagswahlordnung der Steiermark hingewiesen, wo ebenfalls für die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren alleine die Erreichung eines Grundmandates im ersten Ermittlungsverfahren Bedingung ist, ohne daß diese durch eine alternative Prozentklausel ergänzt würde. Bei 56 zu vergebenden Mandaten liegt bei einer Unterteilung des Landesgebietes in ebenfalls vier Wahlkreise die Wahlzahl eben im Verhältnis zur Wählerzahl wesentlich niedriger und ist demnach die Chance für kleinere Parteien, ein Mandat zu erreichen günstiger, als bei lediglich 36 zu vergebenden Mandaten.

Die im Kärntner Landtagswahlrecht bestehende Hürde für kleinere Parteien, bei der Mandatsverteilung Berücksichtigung zu finden, kann demnach nicht als Willkür und unsachliche Bevorzugung der größeren politischen Parteien gewertet werden, sie ist primär Ausfluß der niedrigeren Mitgliederzahl des Kärntner Landtags. Es wäre zwar dem Kärntner Landes(verfassungs)gesetzgeber nicht verwehrt, diese Zahl anzuheben (die derzeitige Zahl 36 geht auf die bis zur B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 539/1977, bestandene bundesverfassungsgesetzliche Vorgabe zurück), im Hinblick auf den auch bei der Gebarung der Länder verfassungsrechtlich zur Berücksichtigung vorgeschriebenen Effizienzgrundsatz nach Art 127 Abs 1 B-VG wird man den Landtag aber wohl nicht zu einer Anhebung der Mitgliederzahl verhalten können, zumal der Verfassungsgerichtshof konkret in seinem Erkenntnis VfSlg. Nr. 9224/1981 gegen die Mitgliederzahl von 36 in der Kärntner Landesverfassung in Anbetracht des Ansinnens der damaligen Anfechtungswerberin keine Bedenken als gerechtfertigt erkannte.

3. Daß der Bundesverfassungsgesetzgeber trotz der Vorgabe des Verhältniswahlrechtes in Art 95 Abs 1 B-VG offensichtlich keine rein proportionale Aufteilung der zu vergebenden Mandate auf die wahlwerbenden Gruppen beabsichtigt hatte, ergibt sich schon zwingend aus der verpflichtenden Vorgabe zur Unterteilung des Landesgebietes in Wahlkreise. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur darüber hinaus Abweichungen von der strikten Proportionalität im Wahlrecht mit der zulässigen Rücksichtnahme der Gesetzgebung auf die Sicherstellung 'arbeitsfähiger Parlamente' und der Vermeidung allzu großer 'parteimäßiger Zersplitterung' für verfassungsrechtlich zulässig bewertet (vgl. insb. VfSlg. Nr. 1.381/1931, 3.653/1959, 3.654/1959). Neben der Einrichtung einer Mehrzahl von Wahlkreisen - solange die in einem Wahlkreis zu vergebende Zahl von Mandaten nicht einen Wechsel in Richtung Mehrheits- oder Minderheitswahlrecht bedingt - wurden grundsätzlich auch Prozent- oder Grundmandatsklauseln ebenso für zulässig bewertet, wie auch Stimmenverrechnungsverfahren, die anerkannt einen Verstärkereffekt zu Gunsten größerer Parteien zur Folge haben, wie etwa das d'Hondt'sche System (vgl. VfSlg. Nr. 6563/1971).

Auch durch das Bürgerzahlprinzip bei der Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise, mit dem eine indirekte Repräsentation der noch nicht Wahlberechtigten erreicht werden sollte, wird je nach der demographischen Struktur der einzelnen Wahlkreise ebenso die rein mathematische Verhältnismäßigkeit beeinträchtigt, wie sich tendenziell auch eine unterschiedliche Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlkreisen proportionalitätsbeeinflussend auswirkt.

Mit der Zulässigkeit der Verankerung des Sperreffektes, den eine Grundmandatshürde zur Folge hat, hat sich der Verfassungsgerichtshof erstmals und ausführlich in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. Nr. 1381 auseinandergesetzt. Darin hat er auch in diesem Zusammenhang auf das Wesen des Verhältniswahlrechtes Bezug genommen, wonach 'allen politischen Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert' werden muß. Für die Zulässigkeit der Grundmandatsklausel hat er daraus gefolgert, daß, wenn in einem ersten Ermittlungsverfahren die Erreichung einer Wahlzahl als Bedingung für die politische Vertretung 'nicht nur den Grundsätzen der Verhältniswahl voll entspricht, sondern jedem Verhältniswahlsystem sogar wesensnotwendig verbunden ist, dann ist nicht einzusehen, warum diese Voraussetzung nicht auch für ein 2. Ermittlungsverfahren, das doch nur eine Ergänzung des 1. Verfahrens ist, derart gelten sollte, daß sich eine Partei um Mandate aus diesem Verfahren nur bewerben kann, wenn sie im 1. Ermittlungsverfahren mindestens ein Mandat im ganzen Bundesgebiet erlangt.' Der Verfassungsgerichtshof hat an dieser Rechtsauffassung auch in seiner späteren Judikatur festgehalten (vgl. insb. VfSlg. Nr. 3653/1959 und 12647/1991).

Die Grundmandatsklausel im Kärntner Landtagswahlrecht, die mit der Novelle LGBl. Nr. 49/1979 im Zuge der erstmaligen Unterteilung des Landes in mehrere Wahlkreise festgelegt wurde, fand erstmals bei der Landtagswahl 1979 Anwendung. Wenngleich die damals von der Kärntner Einheitsliste eingebrachte Wahlanfechtung die Verfassungsmäßigkeit der Grundmandatsklausel nicht angesprochen hatte, entband dies den Verfassungsgerichtshof nicht ... der ihm aus Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG erfließenden Verpflichtung zur (amtswegigen) Überprüfung aller bei der Entscheidung über die Wahlanfechtung anzuwendenen Vorschriften. Es ist davon auszugehen, daß der Verfassungsgerichtshof keinerlei Bedenken gegen diese Bedingung für die Teilnahme wahlwerbender Gruppen am zweiten Ermittlungsverfahren gesehen hat. Hat er doch im Erkenntnis VfSlg. Nr. 12647/1991, also vor nicht allzu langer Zeit, ausdrücklich betont, daß 'folglich Parteien, denen im 1. Ermittlungsverfahren im ganzen Bundesgebiet kein Mandat zugefallen ist, auch im zweiten Ermittlungsverfahren - das nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit dem ersten zu sehen ist - auf die Zuweisung von Restmandaten keinen Anspruch' haben. Insoweit erfährt das Verhältniswahlprinzip - durch die Einrichtung des sog. Grundmandats - 'eine der Verfassungsrechtslage gemäße notwendige Einschränkung.'

Zusammenfassend läßt sich daher der derzeitige Stand der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Grundmandatshürde so darstellen, daß maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Wahlverfahren den Anforderungen der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes gerecht wird, die Ausgestaltung des ersten Ermittlungsverfahrens in den Wahlkreisen zu sein scheint. Wenn dort die einzelnen Komponenten (Wahlkreiseinteilung, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Wahlparteien) und das Zusammenspiel dieser Komponenten unter dem Gesichtspunkt des Verhältniswahlrechtes unbedenklich gestaltet sind, dann sind demnach auch die Vorbehalte zur Sperrwirkung der Grundmandatshürde für das zweite Ermittlungsverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht unbegründet.

4. Begründete Zweifel an der Verfassungskonformität der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 und im Besonderen an der Regelung des § 82a, insoweit damit als Eintrittsschwelle für das zweite Ermittlungsverfahren das Erreichen eines Grundmandates in einem der vier Wahlkreise im ersten Ermittlungsverfahren vorausgesetzt wird, vermögen aber auch die anhand der völlig realitätsfremden und jedenfalls mittel- aber wohl auch langfristig undenkbaren Umstürze in der Parteienstruktur des Landes, wie sie dem auf der S 14 zweiter Absatz der Anfechtung dargestellten Extremrechenbeispiel zugrundegelegt sind, nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, daß derzeit auf keiner Ebene Tendenzen 'in Richtung einer Vielfalt von Mittel- bis Kleinparteien' im dargestellten Ausmaß erkennbar sind, muß festgehalten werden, daß es fraglos gleichartige realtitätsfremde, aber theoretisch denkbare Konstellationen gäbe, die zu einer gleichartigen Verzerrung der Verhältnismäßigkeit im Wahlergebnis führen könnten, obwohl die Wahlordnung für die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren neben der Grundmandatsklausel eine alternative Prozentklausel vorsieht. Es müßten dann eben, mit Ausnahme einer, alle in der illusorischen Vielzahl auftretenden Parteien unter dieser Prozenthürde bleiben, dann hätte diese nur theoretisch denkbare Konstellation ebenfalls zur Folge, daß alle Mandate dieser einen, womöglich nur geringfügig stärkeren Partei vorbehalten blieben.

Wenngleich - wie bereits dargestellt - derzeit in keinster Weise auch nur geringste Anzeichen dafür bestehen, daß es je zu einer derartigen explosiven Vervielfältigung der Zahl der politischen Parteien kommen könnte, muß aber festgehalten werden, daß die Kärntner Landtagswahlordnung 1974, obwohl sie materiell Verfassungsrecht darstellt, nicht im Verfassungsrange steht und daher vom Kärntner Landtag mit einfacher Mehrheit jederzeit allfälligen, angesichts von Wandlungen in der Parteienstruktur angezeigten Anpassungserfordernissen entsprechend novelliert werden könnte.

5. Auch die in § 82a Abs 3 festgelegte Form der Restmandatsverteilung auf der Basis des d'Hondt'schen Verrechnungssystems nach Maßgabe der aus dem ersten Ermittlungsverfahren ungenützt übrig gebliebenen Reststimmen gibt keinen Anlaß für verfassungsrechtliche Bedenken. Solche wurden konkret von der Anfechtungswerberin auch gar nicht aufgezeigt. Zum Unterschied von den für die Verteilung der Nationalratsmandate mit der B-VG-Novelle 1992, BGBl. Nr. 470, geänderten Rahmenbedingungen, die ein abschließendes Ermittlungsverfahren in Form eines bundesweiten Proportionalitätsausgleichs anordnen, besteht für die Landesgesetzgebung nach Art 95 Abs 3 B-VG keine derartige Verpflichtung. Da der Verfassungsgerichtshof schon bisher das bei allen Landtagswahlen für die Verteilung der Restmandate angewendete herkömmliche Reststimmenverfahren als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet hat (vgl. Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, 2. Auflage, S 97), wird wohl auch gegen die vorliegende Regelung in § 82a Abs 3 der Landtagswahlordnung 1974 kein Einwand bestehen.

6. Wenn die Anfechtungswerberin abschließend auf der S 16 der Anfechtungsschrift vorbringt, daß gegen die Kärntner Landtagswahlordung auch insoweit demokratiepolitische Bedenken bestehen, als die Wähler wissen, daß Stimmen, die für kleinere Parteien abgegeben werden, die die 10%-Hürde voraussichtlich nicht erreichen, verloren sind und im Ergebnis einer der drei derzeit größeren Parteien zugute kommen, so ist dieses Vorbringen jedenfalls zum Anlaß zu nehmen, die angesprochene Regelung des § 82a der Landtagswahlordnung 1974 auch unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Sachlichkeitsüberlegungen im Sinne der Gleichheitsjudikatur zu prüfen. Der einfache Gesetzgeber der Landtagswahlordnung ist nämlich wie jeder andere Gesetzgeber an das Sachlichkeitserfordernis des allgemeinen Gleichheitssatzes gebunden. Die Frage, ob das Fehlen einer Ausgleichsregelung zum Grundmandat als Eintrittshürde in das zweite Ermittlungsverfahren die Landtagswahlordnung 1974 verfassungswidrig im Sinne des Gleichheitssatzes machen könnte, ist daher nach dem heute allgemein akzeptierten grundrechtsdogmatischen Prüfschema zu beantworten, welches auch auf die Beurteilung der Gleichmäßigkeit angewendet werden kann. Dies kann im folgenden grob skizziert werden:

a) Zunächst ist zu prüfen, ob eine eingreifende Regelung einem spezifischen öffentlichen Interesse entspricht und in diesem Interesse erforderlich ist. Dazu ist zu sagen, daß das Ziel, die Zersplitterung der Parteienlandschaft in einem Parlament in Grenzen zu halten, gewiß nicht unsachlich ist. Dazu hat ja der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt Überlegungen angestellt und bis heute aufrecht erhalten.

b) Als weiterer Prüfschritt ist zu untersuchen, ob die fragliche Regelung zweckentsprechend ist. Dazu ist zu sagen, daß eine Grundmandatshürde im Prinzip grundsätzlich tauglich ist, dieses rechtspolitische Ziel zu erreichen.

c) Die so zu prüfende Regelung muß auch daraufhin untersucht werden, ob sie in ihren Auswirkungen nicht offenbar unverhältnismäßig ist (Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinn). Dabei ist zu prüfen, ob der Nachteil für die einen nicht außer Verhältnis stehe zum dem Vorteil, den andere bzw. die Allgemeinheit auf Grund der Regelung erfahren. Diesbezüglich gesteht der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber nach wie vor einen rechtspolitischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, dessen Grenzen er aber einer nachprüfenden Kontrolle unterzieht. Dies geschieht heute nach verfeinerten Maßstäben und unter Anwendung der sog. 'Abwägungsmethode'. Dabei wird der der Ausprägung des Verhältniswahlrechtes im österreichischen Bundesverfassungsrecht immanenten Tendenz, Maßnahmen gegen die sog. 'Parteienzersplitterung' als zulässig anzuerkennen, Bedeutung zukommen. Da aber keine der Komponenten des Verhältniswahlrechtes in der Ausprägung der Kärntner Landtagswahlordnung intentional unverhältnismäßig gestaltet ist und auch keine unverhältnismäßigen Auswirkungen aufweist, wird die durch die Grundmandatshürde bewirkte restriktive Vertretung von Klein- und Kleinstparteien im Kärntner Landtag auch aus der Sicht des Sachlichkeitserfordernisses des allgemeinen Gleichheitssatzes der Bundesverfassung als unbedenklich einzustufen sein. Dadurch, daß auf diese Weise letztlich im Regelfall Kleinstfraktionen mit nur einem Mitglied vermieden werden, werden damit auch demokratiepolitisch nicht unproblematische Umstände vermieden, wo derartigen Fraktionen mit einem Mitglied bei knappen Mehrheitverhältnissen die Rolle des 'Züngleins an der Waage' zukommt und ihnen damit weit mehr politisches Gewicht zufiele, als ihnen auf Grund ihrer demokratischen Legitimation zustünde.

Wenn die Anfechtungswerberin außerdem in ihrem Vorbringen 'demokratiepolitische Bedenken' anspricht, so ist darauf hinzuweisen, daß es Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens bzw. im Falle der Gesetzesprüfung die Verfassungskonformität der einfachgesetzlichen Regelungen zu prüfen, nicht aber obliegt dem Verfassungsgerichtshof eine rein demokratiepolitische Wertung. Die Prüfung der demokratiepolitischen Rechtfertigung der Grundmandatshürde im Kärntner Landtagswahlrecht obliegt letztlich dem Kärntner Landtag als Landesgesetzgebungsorgan. Dem am auf der Basis der in Diskussion gezogenen Landtagswahlordnung 1974 neugewählten Kärntner Landtag liegt zwischenzeitlich auch ein Antrag auf Ergänzung der Grundmandatshürde als alleiniger Eintrittsschwelle in das zweite Ermittlungsverfahren durch eine alternative Prozentklausel vor. Der Kärntner Landtag wird sich also in nächster Zeit mit der demokratiepolitischen Rechtfertigung der Grundmandatshürde als alleiniger Eintrittsschwelle in das zweite Ermittlungsverfahren auseinanderzusetzen haben.

g) (§82b - Zuweisung an die Bewerber; Niederschrift;

Verlautbarung):

Mit dieser Bestimmung wird die Zuteilung der nach § 82a zugeteilten Restmandate auf die Bewerber der Wahlvorschläge geregelt und festgelegt, daß nicht gewählte Bewerber Ersatzmitglieder für den Fall sind, daß ein Mandat ihrer Liste auf den Verbandswahlvorschlag erledigt wird. Wie schon zu § 82, mit dem die Zuweisung der Mandate, die den wahlwerbenden Gruppen im ersten Ermittlungsverfahren zugefallen sind, auf ihre Bewerber geregelt ist, dargestellt wurde, ist nach dem Verständnis des Verhältniswahlrechtes, wie es im österreichischen Bundesverfassungsrecht verankert ist, Träger des Rechts auf proportionale Vertretung nicht das Individuum, sondern eine wahlwerbende Gruppe. Diese unabdingbare Verknüpfung mit dem Listenwahlrecht geht auf den Anbeginn des republikanischen Wahlrechtes in Form der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. Nr. 115/1918 und die Wahlordnung für die Nationalversammlung, StGBl. Nr. 351/1920 zurück (vgl. Motivenbericht des Staatskanzlers Renner, abgedruckt bei Kelsen,

Die Verfassungsgesetze der Republik Deutschösterreich, 2. Band, 1919, S 44 f). Diesen Anforderungen wird auch mit der gegenständlichen Regelung voll Rechnung getragen, wenn die Zuweisung der im zweiten Ermittlungsverfahren an die wahlwerbenden Parteien zugeteilten Mandate auf deren Bewerber nach Maßgabe ihrer Reihenfolge in den Verbandswahlvorschlägen verankert wird. Auch im Verhältnis zu dieser Bestimmung können die von der Anfechtungswerberin pauschal vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf die Verletzung der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes und des gleichen Wahlrechtes nicht erkannt werden.

Zum Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes des gleichen Wahlrechtes:

Die Anfechtungswerberin hat in ihrem Anfechtungsvorbringen zusätzlich zum Vorwurf der Verletzung der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes auch den Vorwurf der Verletzung der Grundsätze des gleichen Wahlrechtes erhoben. Dazu ist festzuhalten, daß die besondere Anführung des gleichen Wahlrechtes neben dem allgemeinen Wahlrecht im Bundesverfassungsrecht offensichtlich eine Antwort auf die aus vorkonstitutioneller Zeit bekannten Wahlrechtsgestaltungen ist, nach denen zwar grundsätzlich allen Staatsbürgern das Wahlrecht zukommen konnte, zugleich aber ein ungleiches Stimmgewicht vorgesehen war (differenziert zB nach Besitz, Einkommen, Steuerleistung, nach Bildung, Religion, Nationalität usw.). Konkrete derartige Ausprägungen waren etwa das Kurienwahlrecht der Österreichischen Monarchie oder das Preussische Dreiklassenwahlrecht. Der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes gebietet sohin eindeutig, daß alle abgegebenen Stimmen den gleichen Zählwert haben müssen. Auch Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Deutsch-Österreich, 2. Band (1919), S 7, ging von dieser Vorstellung 'one man, one vote' aus. Sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht einhellige Auffassung darüber, daß der gleiche Zählwert ein Wesensmerkmal des gleichen Wahlrechtes ist (vgl. Kelsen/Fröhlich/Merkl, Die Bundesverfassung vom (1922), S 94; Walter, System des Österreichischen Bundesverfassungsrechts (1972), S 235 und Nowak, Politische Grundrechte (1988), S 400; ferner VfSlg. Nr. 1.381, 3.653, 6.207).

Die Festlegung, daß alle abgegebenen Stimmen den gleichen Zählwert haben müssen, bedeutet allerdings nach einvernehmlicher Auffassung in der Lehre wie auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht, daß daraus auch abzuleiten wäre, daß damit jeder Stimme der gleiche Erfolgswert gesichert sein müßte. Diese abweichende Beurteilung wird in erster Linie davon abgeleitet, daß die Bundesverfassung selbst Bestimmungen enthält, die unweigerlich einen unterschiedlichen Erfolgswert zur Folge haben, was bedeutet, daß ein verfassungsrechtlich relevanter Widerspruch zum verfassungskräftig verankerten Prinzip des gleichen Wahlrechtes nicht bestehen kann (vgl. Neisser/Handstanger/Schick, Das Bundeswahlrecht, 2. Auflage, S 75).

Einen derartigen Einfluß auf den Erfolgswert der abgegebenen Stimmen übt in erster Linie die bundesverfassungsrechtlich in Art 26 Abs 2 B-VG für die Wahlen zum Nationalrat und in Art 95 Abs 3 B-VG für die Wahlen zu den Landtagen zwingend vorgesehene Unterteilung des Bundes- bzw. der Landesgebiete in Wahlkreise aus. Eine weitere Einschränkung des gleichen Erfolgswertes ergibt sich durch das sog. Bürgerzahlprinzip, zumal die Zahl der Abgeordneten (Mandate) auf die Wahlkreise nicht im Verhältnis der Wahlberechtigten sondern im Verhältnis der Wohnsitzbürger zu verteilen ist. Eine weitere, zumindest tendenzielle Auswirkung in Richtung eines unterschiedlichen Erfolgswertes der Stimmen ergibt sich daraus, daß für die Berechnung der Wahlzahl im Wahlkreis naturgemäß nur die im Wahlkreis abgegebenen Stimmen herangezogen werden, woraus sich eine Erfolgswertungleichheit bereits durch eine ungleiche Wahlbeteiligung ergeben kann. Auch durch die dem einfachen Gesetzgeber überantwortete Festlegung der Zahl der Abgeordneten und der Zahl der Wahlkreise können sich bei einer inhomogenen Ausgestaltung ebenfalls unterschiedliche Erfolgswerte der Stimmen ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der Judikatur der 1. Republik den Grundsatz des gleichen Wahlrechtes allein mit dem gleichen Zählwert identifiziert. So hat er in VfSlg. Nr. 1381 ausdrücklich festgehalten '... zu verlangen, daß jeder Stimme die gleiche Kraft, der gleiche Nutz- oder Erfolgswert zukommen müsse, fällt außerhalb des Grundsatzes der Gleichheit des Wahlrechtes, ja außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Kein Wahlsystem und ganz besonders nicht das Verhältniswahlsystem, bei dem Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individuum, sondern die politische Partei ist, kann einen solchen Nutz- oder Erfolgswert verbürgen. ... (Der) Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechtes hat Bedeutung und Wirkung eben nur im Abstimmungsverfahren, wo jede gültige Stimme den gleichen Zählwert haben muß. Welcher Wert ihr bei der Verteilung der Mandate zukommt, hängt aber von wechselnden und zufälligen Umständen ab: von der Anzahl und verschiedenen Größe der Wahlkreise, von der zahlenmäßigen Stärke der Partei, für die die betreffende Stimme abgegeben wurde, von der Gesamtzahl der abgegebenen gültigen Stimmen, von der danach berechneten Wahlzahl und dem Umstand, ob die Partei, für die die betreffende Stimme abgegeben wurde, die Wahlzahl erreicht oder nicht, ob und in welchem Maß sie die Wahlzahl übersteigt und endlich, ob der dann noch erübrigende Stimmenrest ansehnlich ist oder nicht.' Daran hielt der Verfassungsgerichtshof auch in der 2. Republik fest. In VfSlg. Nr. 3653 sagte er: 'Es ist unmöglich, die abgebenen, gleichgezählten Stimmen so auszuwerten, daß sie einen gleichen Erfolgswert haben. Die Wirkung des gleichen Wahlrechtes ist daher mit der Zählung der abgegebenen Stimmen erschöpft. Das Prinzip des gleichen Wahlrechtes kann somit keinen Einfluß auf jene Regelungen haben, die den Erfolgswert bestimmen.'

Wenn diese Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in der Folge in der Wissenschaft auch vereinzelt auf Kritik gestoßen ist und mit der Auffassung konfrontiert wurde, der einfache Gesetzgeber hätte angesichts des Prinzips des gleichen Wahlrechtes die Verpflichtung, durch eine entsprechende Ausgestaltung der Wahlordnung ein Verhältniswahlrecht zu schaffen, aus dem ein grundsätzlich gleicher Erfolgswert resultiere, so ist im Sinne einer Rechtfertigung dieser Beurteilung darauf hinzuweisen, daß das 1920 vom Bundesverfassungsgesetzgeber vorgefundene Verhältniswahlrecht der Wahlordnung für die Nationalversammlung (StGBl. Nr. 351/1920) ähnliche Einschränkungen des Erfolgswertes kannte und im Sinne dieser Vorgefundenheit im Hinblick auf die historische Verfassungsinterpretation einen Maßstab für bundesverfassungsgesetzlich zulässige Einschränkungen des gleichen Erfolgswerts der abgegebenen Stimmen bildet (vgl. Neisser/Handstanger/Schick, Das Bundeswahlrecht, 2. Auflage, S 78).

Auch die von der Anfechtungswerberin pauschal erhobenen Vorwürfe in Richtung Verletzung der Grundsätze des gleichen Wahlrechts sind demnach nicht nachvollziehbar."

5.2. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst äußerte sich wie folgt:

"Zur Rechtslage nach der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 und zu ihren Auswirkungen:

Das Wahlsystem:

Gemäß Art 8 der Kärntner Landesverfassung (K-LVG, LGBl. Nr. 85/1996 idF LGBl. Nr. 52/1997) besteht der Landtag aus 36 Mitgliedern. Art 9 Abs 1 K-LVG sieht vor, daß die Mitglieder des Landtages aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Lande Kärnten gewählt werden. Nach Art 9 Abs 2 K-LVG sind die näheren Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht und über das Wahlverfahren durch Landesgesetz zu regeln.

Gemäß § 2 des Gesetzes vom über die Wahl des Kärntner Landtages (Landtagswahlordnung 1974, LGBl. Nr. 191, in der Fassung der Novellen 49/1979, 1/1984, 78/1988 und 94/1993, im folgenden kurz 'LTWO 1974') ist das Land Kärnten in folgende vier Wahlkreise eingeteilt:

1. Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und Bereich des politischen Bezirkes Klagenfurt Land;

2. Bereich des politischen Bezirkes St. Veit/Glan, Bereich des politischen Bezirkes Völkermarkt sowie Bereich des politischen Bezirkes Wolfsberg;

3. Bereich der Stadt Villach und Bereich des politischen Bezirkes Villach Land;

4. Bereich des politischen Bezirkes Hermagor, Bereich des politischen Bezirkes Spittal/Drau sowie Bereich des politischen Bezirkes Feldkirchen.

§ 2b LTWO 1974 sieht eine Verteilung der 36 Landtagsmandate auf die Wahlkreise nach dem sog. Hagenbach-Bischoff'schen Verfahren vor. Gemäß § 2 Abs 5 LTWO 1974 ist die Zahl der auf jeden Wahlkreis entfallenden Mandate von der Landesregierung unmittelbar nach endgültiger Feststellung des Ergebnisses der jeweils letzten ordentlichen oder außerordentlichen Volkszählung zu ermitteln und im Landesgesetzblatt kundzumachen. Die letzte diesbezüglich maßgebliche Kundmachung vom , LGBl. Nr. 83/1993, wies die 36 zu vergebenden Mandate derart zu, daß im Wahlkreis 1 neun, im Wahlkreis 2 elf, im Wahlkreis 3 acht und im Wahlkreis 4 ebenfalls acht Mandate zu vergeben sind. Die §§81 ff LTWO 1974 enthalten die Bestimmungen über das erste Ermittlungsverfahren auf Wahlkreisebene. Gemäß § 81 Abs 2 LTWO 1974 wird die Wahlzahl nach dem Hagenbach-Bischoff'schen Verfahren berechnet. Jene Mandate, die bei dieser Verteilung innerhalb der Wahlkreise nicht vergeben werden können (Restmandate), sind aufgrund der Parteistimmen, deren Zahl für die Zuteilung eines oder eines weiteren Mandates an die jeweilige Partei in den Wahlkreisen nicht ausreichte (Reststimmen), im zweiten Ermittlungsverfahren zu verteilen. Die §§82a ff LTWO 1974 regeln das zweite Ermittlungsverfahren im Wahlkreisverband. Dabei haben nur jene Parteien, die einen Verbandswahlvorschlag (§48a) gültig eingebracht haben und denen bereits im ersten Ermittlungsverfahren in einem der Wahlkreise ein Mandat zugefallen ist, Anspruch auf Zuweisung von Restmandaten im Wahlkreisverband. Die Verteilung der Restmandate erfolgt nach dem sog. d'Hondt'schen System.

Auswirkung für Kleinparteien:

Das ... dargestellte Wahlsystem hat aufgrund des Umstandes, daß der Kärntner Landtag aus nur 36 Mitgliedern besteht, für kleinere Wahlparteien einschneidende Auswirkungen. Die relativ kleine Zahl der den einzelnen Wahlkreisen zugewiesenen Mandate bewirkt relativ hohe Wahlzahlen im ersten Ermittlungsverfahren und damit im Ergebnis eine relativ hohe 'Grundmandatshürde'. Diese Hürde liegt in den vier Wahlkreisen zwischen 8,33 und 11, 11 % der Wählerstimmen. Das Erfordernis eines sogenannten Grundmandates für die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren bewirkt, daß auch wahlwerbende Parteien, die landesweit nennenswerte Anteile - nämlich jeweils Anteile, die auch nur knapp unter den 'Grundmandatshürden' liegen können und somit einen Stimmenanteil zwischen 8,33 und 11,11 % repräsentieren - an den abgegebenen Stimmen erzielen, von einer Vertretung im Landtag ausgeschlossen bleiben.

Zur Frage der Vereinbarkeit der Kärntner Landtagswahlordnung 1974 mit den Grundsätzen der Verhältniswahl (Art95 Abs 1 B-VG):

Allgemeine Bemerkungen:

Art 95 Abs 1 B-VG normiert, daß die Mitglieder der Landtage aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten männlichen und weiblichen Landesbürger gewählt werden.

Grundgedanke des Verhältniswahlrechtes ist nach Kelsen (Die Verfassungsgesetze der Republik Deutsch-Österreich, II. Teil, 1919, S 48), allen politischen Gruppen des Staates eine verhältnismäßige, d.h. ihrer ziffernmäßigen Stärke entsprechende Vertretung zu sichern. Allerdings sieht das B-VG kein reines Verhältniswahlrecht vor, sondern wird dieses Prinzip durch das Bürgerzahlprinzip und die Notwendigkeit der Einteilung in Wahlkreise abgeschwächt. Die konkrete Ausgestaltung des Verhältniswahlsystems obliegt dem einfachen Gesetzgeber. Der Verfassungsgerichtshof führte in den grundlegenden Erkenntnissen VfSlg. 1381/1931 und 1382/1931 aus, daß das Verhältniswahlrecht darin bestehe, daß allen politischen Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert werde, daß aber die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Bedeutung nach den Bestimmungen der Wahlordnung, insbesondere nach den Bestimmungen über die Wahlzahl (für die es wieder von Bedeutung ist, ob die verhältnismäßige Aufteilung der Mandate nach der Verfassung und der Wahlordnung im ganzen Staatsgebiet oder aber in einzelnen Wahlkreisen stattfindet), zu beurteilen seien.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes obliegt es diesem, die vom einfachen Gesetzgeber vorgenommene Gestaltung des Wahlrechtes dahin zu prüfen, ob es in seiner Gesamtheit - in seinen einzelnen Komponenten und dem Zusammenspiel dieser Komponenten (Wahlkreiseinteilung, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Parteien) - in einer Weise geregelt ist, daß dem Grundsatz der Verhältniswahl entsprochen ist, Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament zu sichern (vgl. in diesem Sinne z.B. VfSlg. 8700/1979, 8852/1980 und 9224/1981). Als maßgebliche Komponenten, deren Zusammenspiel im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Verhältniswahl zu überprüfen ist, kommen nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst im vorliegenden Fall die Wahlkreiseinteilung, die Zahl der Abgeordneten insgesamt sowie das Erfordernis eines sogenannten 'Grundmandats' in Frage.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst unternimmt es im folgenden, die Ausprägung der genannten Komponenten im System der LTWO 1974 auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Verhältniswahl zu überprüfen.

Wahlkreiseinteilung:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur die Auffassung, daß es dem einfachen Gesetzgeber obliege, die Gliederung des Gebietes, für das der zu wählende Vertretungskörper bestimmt ist, in Wahlkreise vorzunehmen. Er habe dabei aber zu berücksichtigen, daß Größe und Struktur der Wahlkreise, vor allem aber auch der Umstand, ob das Gebiet, für das der aus einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten bestehende Vertretungskörper zu wählen ist, in viele oder wenige Wahlkreise gegliedert ist, Auswirkungen auf die Beurteilung eines als Verhältniswahl deklarierten Wahlsystems haben können. Unter Berufung auf Literatur folgert der Verfassungsgerichtshof, daß bei fortlaufender Reduzierung der Zahl der in einem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten eine Grenze erreicht werden könne, von der ab die Disproportion zwischen Stimmen und Mandaten so groß ist, daß aufgrund dieser veränderten Auswirkungen einer anderen Repräsentationsvorstellung entsprochen werde, somit eine Verkleinerung der Wahlkreise auf einen Wahlsystemwechsel zur Mehrheitswahl hinauslaufen könne (vgl. in diesem Sinne VfSlg. 8852/1980 und die dort zitierte Literatur sowie VfSlg. 9224/1981).

Zunächst ist festzuhalten, daß die vier bestehenden Wahlkreise von vergleichbarer Größe sind und die Zahl der auf diese entfallenden Mandate ebenfalls nicht stark unterschiedlich ist

...

Ausgehend von den Normen, die der historische Verfassungsgesetzgeber 1920 vorgefunden hat - die Wahlordnung für die Nationalversammlung, StGBl. Nr. 315/1920, sah 27 Wahlkreise vor, wobei in diesen 27 Wahlkreisen nur 153 Abgeordnete zu wählen waren (15 weitere Abgeordnete in einem Reststimmenverfahren) - , und unter der Annahme, daß der Verfassungsgesetzgeber eine Wahlordnung nach dem Vorbild der Wahlordnung für die Nationalversammlung nicht für verfassungswidrig gehalten hätte, wird es jedenfalls zulässig sein, wenn der einfache Gesetzgeber eine Wahlkreiseinteilung schafft, bei der im Durchschnitt (und bei geringer Streuung) pro Wahlkreis 6 bis 7 Abgeordnete gewählt werden (vgl. Schick in Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, 2. Auflage, S 104).

Da sich die LTWO 1974 im Rahmen dieser Mandatszahlen pro Wahlkreis bewegt, die vom historischen Verfassungsgesetzgeber anscheinend akzeptiert wurden, dürfte sie aus diesem Blickwinkel betrachtet mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar sein.

Vor allem aber vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes W 1-9/79, VfSlg. 9224/1980 ist davon auszugehen, daß die in § 2 LTWO 1974 enthaltene Regelung über die Einteilung des Landes in Wahlkreise verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis (diesem lag folgende - von der aktuellen Wahlkreiseinteilung nur geringfügig abweichende - Verteilung der Mandate auf die vier Wahlkreise zugrunde: Wahlkreis 1: 9 Mandate, Wahlkreis 2: 11 Mandate, Wahlkreis 3: 7 Mandate, Wahlkreis 4: 9 Mandate) zunächst aus, daß für die Wahlen zu den Landtagen keine verfassungsrechtlich vorgebildete Gestaltung der Wahlkreise besteht und daß auch die Schaffung von Wahlkreisen verschiedener Größe verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen sei. Er kam zu dem Ergebnis, daß bei Abwägung und Gewichtung aller bei der Einteilung des Landes in Wahlkreise zu berücksichtigenden tatsächlichen Gegebenheiten - deren eine der Bestand der slowenischen Minderheit war - der Gesetzgeber einen rechtspolitischen Spielraum habe, der es durchaus erlaube, verschiedene Lösungen zu treffen, sodaß die an die Gliederung des Landes Kärnten in politische Bezirke anknüpfende Wahlkreiseinteilung zu keinen Bedenken Anlaß gebe, daß mit dieser Regelung gegen die Grundsätze der Verhältniswahl oder gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende Sachlichkeitsgebot verstoßen worden wäre.

Zahl der Abgeordneten im Landtag:

Auch die in der Kärntner Landesverfassung getroffene Festlegung der Zahl der Repräsentanten im Kärntner Landtag kann als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen werden.

Die Zahl der Abgeordnetensitze im Landtag hat Auswirkungen auf die Mandatszahl pro Wahlkreis und damit auf die Höhe der (allfälligen) Grundmandatshürde. Der Gesetzgeber kann durch eine entsprechend hoch gewählte Zahl von Abgeordneten im Landtag die Wirkungen, die eine große Zahl von Wahlkreisen ausübt, teilweise ausgleichen. In Frage steht somit, inwieweit der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich dazu verhalten sein könnte, bei freier Wahl mehrerer Wahlkreise die damit verbundenen Wirkungen durch eine höhere Zahl von Abgeordneten im Landtag auszugleichen. Die vom Bundesverfassungsgesetzgeber anläßlich der B-VG-Novelle 1929 eingeführte Kombination einer zwingend vorgeschriebenen Gliederung des Landesgebietes in Wahlkreise und einer vorgegebenen Höchstzahl von Abgeordneten im Landtag spricht allerdings dagegen, daß von Verfassungs wegen eine solche Ausgleichspflicht besteht. Auch die Materialien zur B-VG-Novelle 1977, BGBl. Nr. 539, mit der Art 95 Abs 4 B-VG ersatzlos aufgehoben wurde, geben keinen Hinweis darauf, daß die Aufhebung der Bindung des Landesgesetzgebers (bzw. Landesverfassungsgesetzgebers) mit wahlrechtlichen Überlegungen im Zusammenhang stand: Der Bericht des Verfassungsausschusses, 23 BlgNR XIV. GP, 1, spricht lapidar davon, daß die verfassungsgesetzliche Beschränkung der Zahl der Mitglieder der Landtage sowie des Gemeinderates der Stadt Wien aufgehoben werden sollte, um dem Forderungsprogramm der Bundesländer von 1976 zu entsprechen. Schon die B-VG-Novelle 1959, BGBl. Nr. 37, mit der die Höchstgrenzen in Art 95 Abs 4 B-VG verändert wurden, war anscheinend nicht von wahlrechtlichen Überlegungen getragen (vgl. die RV 603 BlgNR VIII. GP).

Insgesamt erscheint es damit eher unwahrscheinlich, daß der Landesgesetzgeber bundesverfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist, die Zahl der Landtagssitze über die traditionsgemäß vorgefundene Zahl hinaus zu erhöhen, um die Wirkungen, die eine traditionelle Wahlkreisgliederung in Verbindung mit einer Grundmandatshürde entfaltet, auszugleichen.

Der Verfassungsgerichtshof sprach in VfSlg. 9224/1980 aus, es sei zwar nicht undenkbar, daß eine im Hinblick auf die Zahl der Repräsentierten zu geringe Zahl von Repräsentanten - insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes - in Extremfällen den Grundsätzen der Verhältniswahl widersprechen könne - eine Zahl von 36 Mitgliedern des Kärntner Landtages bei einer Bürgerzahl von rund 500.000 gebe aber zu derartigen Bedenken nicht den geringsten Anlaß.

Erfordernis eines sogenannten 'Grundmandates':

Die Kärntner LTWO 1974 sieht ein zweites Ermittlungsverfahren auf Landesebene vor, wobei von der Teilnahme an diesem Verfahren diejenigen Wahlparteien ausgeschlossen sind, die auf Wahlkreisebene kein Mandat, das sog. 'Grundmandat', erlangen konnten. Diese Regelung hat zur Folge, daß selbst eine Wahlpartei, die zwar landesweit an die 10 % (je nach Wahlkreis 8,3 %, 10 % bzw. 11,11 %) der abgegebenen Stimmen, aber in keinem der vier Wahlkreise diesen erforderlichen Prozentsatz erreicht, von der Mandatszuweisung ausgeschlossen ist. Die LTWO 1974 enthält auch keine landesweite 'Prozentklausel' (wie z.B. in § 69 Abs 3 der Tiroler Landtagswahlordnung 1993, LGBl. Nr. 103 vorgesehen), die auch Wahlparteien, die zwar kein Grundmandat, aber in allen Wahlkreisen zusammen einen bestimmten Mindestprozentsatz der Stimmen erlangt haben, die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren ermöglicht (dieser Prozentsatz liegt in den Landtagswahlordnungen von Niederösterreich und Oberösterreich bei 4 %, von Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien bei 5 %).

Daß die anfechtende Wahlpartei nur 3,9 % der Stimmen erzielte und damit auch nicht über den für eine 4- bzw. 5%-Klausel erforderlichen Stimmenanteil verfügt hätte, kann für die Frage der Vereinbarkeit des Grundmandatserfordernisses der LTWO 1974 mit dem Grundsatz des Verhältniswahlrechtes außer Betracht bleiben.

Unbestritten ist zunächst, daß sich das B-VG darauf beschränkt, den Grundsatz der Verhältniswahl aufzustellen, ohne sich auf eine besondere Art des Verhältniswahlverfahrens festzulegen, die nähere Bestimmung des besonderen Verhältniswahlsystems und seiner Anwendung also vielmehr dem einfachen Gesetzgeber überläßt (vgl. Oberndorfer, in: Oberndorfer - Pernthaler - Winkler, Verhältniswahlrecht und Verfassungsgrundsatz, 31).

Fraglich ist dabei, inwieweit der einfache Gesetzgeber ermächtigt ist, Sperrklauseln oder Grundmandate vorzusehen, die kleinere wahlwerbende Parteien von der Mandatszuteilung ausschließen.

Im Lichte der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit eines Grundmandatserfordernisses erscheint die gegenständliche Regelung des § 82a LTWO 1974 zunächst verfassungsrechtlich unbedenklich. Allerdings hatte der Verfassungsgerichtshof eine dieser Bestimmung entsprechende Regelung bisher noch nicht zu prüfen, da es sich in den bisherigen Wahlprüfungsverfahren entweder um hohe Hürden in einzelnen Wahlkreisen, jedoch verbunden mit einer sog. Prozentklausel (Tirol, VfSlg. 8852/1979), bzw. um das System des Grundmandates an sich (vgl. VfSlg. 12647/1991 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) handelte.

Im Lichte der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seit VfSlg. 1381/1931 (vgl. auch 1382/1931, 3653/1959 und 8700/1979) ist eine Grundmandatsregelung für sich betrachtet nicht als im Widerspruch zum Grundsatz des Verhältniswahlrechtes anzusehen:

In VfSlg. 12647/1991 sprach der Gerichtshof bezüglich der Regelung des § 102 Abs 1 NRWO 1971 in Bekräftigung seiner Vorerkenntnisse VfSlg. 10178/1984 und 11256/1987 aus, daß es für das Wesen des Verhältniswahlsystems charakteristisch sei, daß nach Idee der Proportionalität möglichst allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung gewährt werden soll, doch davon jene kleinen Gruppierungen ausgenommen blieben, die nicht einmal die Mindestanzahl an Stimmen, die sog. Wahlzahl, erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu stellen; diese Wahlzahl nämlich sei nach herrschender Auffassung mit dem Proportionalwahlsystem wesensnotwendig verknüpft, insoweit erfahre das Verhältniswahlprinzip - durch die Einrichtung des sog. Grundmandats - eine der Verfassungsrechtslage gemäße notwendige Einschränkung.

Im Erkenntnis VfSlg. 8852/1980 hegte der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen einen Dreierwahlkreis bei der Tiroler Landtagswahl, wobei dieser Wahlkreis bei Anwendung des Hare'schen Prinzips mit einer Wahlzahl von einem Drittel der abgegebenen Stimmen verbunden ist (vgl. auch Schick, in Neisser/Handstanger/Schick, S 92):

'Entgegen der Behauptung der anfechtenden Wählergruppe findet sich kein Grund für die Annahme, daß die in der LWO 1975 in Anlehnung an die Einteilung des Landes in politische Bezirke vorgesehene Wahlkreiseinteilung willkürlich geschaffen worden wäre. Der Umstand, daß der Wahlkreis 5 im Vergleich zu den übrigen Wahlkreisen verhältnismäßig klein ist, findet seine Erklärung und Rechtfertigung schon in der besonderen geographischen und historischen Lage Osttirols und kann zu keinen verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß geben.'

Im Unterschied zur Kärntner LTWO 1974 sah § 65 Abs 3 der Tiroler Landtagswahlordnung 1975 jedoch vor, daß auch solche Wählergruppen Anspruch auf Zuteilung von Restmandaten haben, die in allen Wahlkreisen zusammen mindestens 5 % der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen erlangt haben.

Mit dem Erkenntnis VfSlg. 14035/1995 hob der Verfassungsgerichtshof zwar die Bestimmung des 'Art13 Abs 2 des Salzburger Landes-Verfassungsgesetzes 1945 und der Salzburger Landtagswahlordnung 1978 über die Wahlbezirkseinteilung und die Mandatsverteilung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältniswahl durch Annäherung an ein Mehrheitswahlrecht angesichts der Notwendigkeit von mehr als 50 % der Stimmen in einem bestimmten Wahlkreis' auf und sprach im Zusammenhang damit aus, daß der Boden des Verhältniswahlrechtes nicht erst dann verlassen werde, wenn ein Wahlrecht das Mehrheitswahlsystem im ganzen Landesgebiet und in voller Reinheit (etwa mit nur einem einzigen zu vergebenden Mandat in jedem Wahlkreis) verwirkliche, sondern vielmehr widerspreche eine Landtagswahlordnung dem B-VG schon dann, wenn sie ein Wahlrecht schaffe, das auf einen Systemwechsel zur Mehrheitswahl 'hinausläuft', d.h. sich einem Mehrheitswahlrecht in reiner Ausprägung sehr annähert.

In diesem Fall war jedoch verfassungsrechtlich ausschlaggebend, daß zum einen nach der Landtagswahlordnung für ein Mandat in einem bestimmten Wahlkreis, nämlich dem Wahlkreis Tamsweg, im Regelfall mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen notwendig waren und diese hohe Eintrittsschwelle nicht durch eine alternative Prozentklausel abgeschwächt wurde und daß zum anderen das B-VG in seinem Art 95 Abs 3 in der Fassung vor dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 504/1994, aber auch idF dieses Bundesverfassungsgesetzes den Grundsatz der wahlkreisweisen Repräsentation vorsieht. Dieser Grundsatz lasse es nicht zu, sich über das gesetzliche Stimmenerfordernis im Wahlkreis Tamsweg mit Berufung auf eine Durchschnittsbetrachtung für das gesamte Gebiet des Bundeslandes Salzburg hinwegzusetzen, und zwar mit dem Ergebnis, daß (wenngleich nur) im Wahlkreis Tamsweg alle für einen Kandidaten abgegebenen Stimmen, die keine Mehrheit ergeben, jedenfalls und endgültig verloren gehen müssen.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes besteht daher das Verhältniswahlrecht darin, daß allen politischen Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung eine Vertretung im Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke gesichert ist, daß aber die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Bedeutung nach den Bestimmungen der Wahlordnung, insbesondere nach den Bestimmungen über die Wahlzahl (für die es wieder von Bedeutung ist, ob die verhältnismäßige Aufteilung der Mandate nach der Verfassung und der Wahlordnung im ganzen Staatsgebiet oder aber in einzelnen Wahlkreisen stattfindet), zu beurteilen sind. Für das Wesen des Verhältniswahlrechtes sei somit auch charakteristisch, daß jene kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die Wahlzahl, nicht erreichen, von der verhältnismäßigen Vertretung ausgeschlossen seien. Diese Mindestzahl, die Wahlzahl, sei mit dem Verhältniswahlsystem wesensnotwendig verknüpft. Nur jene Parteien, die die Wahlzahl erreichen, seien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung. Welche Parteien von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung seien, habe der Gesetzgeber zu entscheiden; der Verfassungsgerichtshof habe nur zu prüfen, ob das vom Gesetzgeber aufgestellte Merkmal der zahlenmäßig erheblichen Bedeutung einer Partei mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar sei (vgl. VfSlg. 14035/1994).

Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß Wählergruppen, die im ersten Ermittlungsverfahren kein Mandat erreichen, auch im zweiten Ermittlungsverfahren keinen Anspruch auf Mandatszuweisung haben, bestehen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dann nicht, wenn das erste Ermittlungsverfahren in seinen einzelnen Komponenten und im Zusammenspiel dieser Komponenten unter dem Gesichtspunkt des Verhältniswahlrechtes unbedenklich gestaltet sei (vgl. VfSlg. 14035/1994).

Dieser Argumentation könnte allerdings der Zweck der Durchführung eines zweiten Ermittlungsverfahrens entgegengehalten werden:

Bei Durchführung nur eines Ermittlungsverfahrens erscheint es plausibel, wenn Parteien leer ausgehen, weil sie die 'Erheblichkeitsschwelle' nicht überschritten haben; findet aber ein zweites Ermittlungsverfahren auf anderer Ebene als der des einzelnen Wahlkreises, nämlich auf jener des Wahlkreisverbandes statt, so ändert sich eben diese 'Erheblichkeitsschwelle' (vgl. Schick, in: Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, S 99).

Darüber hinaus hat auch der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14035/1994 ausgesprochen, daß der dritte Satz des Art 95 Abs 3 B-VG in der Fassung des B-VG BGBl. Nr. 470/1992, wonach in einem abschließenden, landesweiten Ermittlungsverfahren eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt, dem Grundsatz des Verhältniswahlrechtes - nach den Gesetzesmaterialien - in gesteigertem Maße Rechnung tragen sollte.

Es erscheint demnach nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst zulässig, in diesem abschließenden und landesweiten Ermittlungsverfahren nicht nur jene Wahlparteien bei der Verteilung der Restmandate zu berücksichtigen, die in einem der Wahlkreise ein Grundmandat erringen konnten und damit auf der Ebene des ersten Ermittlungsverfahrens als von 'zahlenmäßig erheblicher Bedeutung' anzusehen sind, sondern gerade auch jene Wahlparteien, die dieses Erfordernis nicht erfüllen, welche aber dennoch - nämlich auf der Ebene des zweiten Ermittlungsverfahrens - zahlenmäßig (bei einem bestimmten Mindestprozentsatz an Stimmen) als von erheblicher Bedeutung anzusehen sind.

Besonders zu überlegen wäre nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst auch, ob sich die mögliche Auswirkung der Bestimmung des § 82a LTWO 1974, die darin besteht, daß auch eine Wahlpartei, welche landesweit an die 10 % der Wählerstimmen erreicht, nicht im Landtag vertreten ist (so daß über 33.000 Stimmen 'verloren gehen'), tatsächlich mit dem Argument der Vermeidung einer allzu großen Parteienzersplitterung rechtfertigen läßt.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu dieser Frage die Auffassung, daß der Zweck jeder Wahl darin bestehe, ein arbeitsfähiges Parlament zu schaffen und die Verhinderung einer allzu großen Zersplitterung der Parteien auch zum Wesen der Verhältniswahl gehöre (vgl. VfSlg. 3653/1959, 10178/1984).

In der Literatur wird dieser Auffassung allerdings widersprochen (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht, S 142; Nowak, Politische Grundrechte (1988), S 408; sowie kritisch Schick, in:

Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, S 99).

Nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst kann davon ausgegangen werden, daß die mit Sperrklauseln oder Grundmandatshürden zu erzielende Verhinderung der Parteienzersplitterung ein politisch legitimes Ziel (Ermöglichung regierungsfähiger Koalitionen) darstellt, das bis zu einem gewissen Grad eine Einschränkung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältniswahl rechtfertigen kann (vgl. Nowak, Rechtsfragen zur Salzburger Landtagswahl vom , JAP 1994, 18). Die Grenze für die Verfassungskonformität solcher Regelungen läßt sich wohl nur ungefähr bestimmen; sie wurde auch vom Verfassungsgerichtshof noch nicht ausdrücklich festgelegt (dieser äußerte jedoch in VfSlg. 8852/1980 gegen eine 5%-Klausel in § 65 der Tiroler Landtagswahlordnung 1975 keine Bedenken). Sie wird dort anzunehmen sein, wo durchschnittlich mehr Stimmen verfallen würden als bei den in Zeiten des Entstehens der Bundesverfassung bekannten Wahlkreisen, weil dann von einer ausreichenden Repräsentation kleinerer Parteien kaum noch gesprochen werden kann. Dies würde auch 5%-Klauseln nicht als verfassungswidrig erscheinen lassen (vgl. Schick, in: Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, 98). Festzuhalten ist, daß hohe Sperrklauseln mit der Repräsentationsvorstellung, die dem Verhältniswahlrecht zugrunde liegt, nicht vereinbar sind (vgl. Nohlen, Einführung, 34f; derselbe, Wahlsysteme, 62). Die Nationalratswahlordnung 1992 geht beispielsweise davon aus, daß eine politische Partei, die im gesamten Bundesgebiet 4 % an Stimmen erreicht, den Status der Splitterpartei überschritten hat. Ebenso sehen die Landtagswahlordnungen Niederösterreichs und Oberösterreichs einen Satz von 4 % vor, die Wahlordnungen von Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien einen Satz von 5 %.

Möglich erscheint daher allenfalls eine Rechtfertigung für 'Grundmandatshürden' durch Rückgriff auf die vom historischen Verfassungsgesetzgeber 1920 vorgefundenen Wahlordnungen: Bereits die Wahlordnung für die Nationalversammlung, StGBl. Nr. 351/1920, enthielt in § 38c Abs 2 eine Regelung, derzufolge keine Partei im (erstmals vorgesehenen) zweiten Ermittlungsverfahren mehr Abgeordnetensitze erhalten konnte, als ihr im ersten Ermittlungsverfahren zugefallen waren. Da auch die Wahlordnung für die Nationalversammlung - wie das am selben Tag beschlossene Gesetz über die Wahl und Einberufung der Nationalversammlung, StGBl. Nr. 317/1920, zeigt - dem Grundsatz der Verhältniswahl verpflichtet war, wird man annehmen können, daß gleichartige Regelungen verfassungskonform sind (vgl. Schick, in: Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht, S 99).

Das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten des Verhältniswahlsystems nach der LTWO 1974:

Wenngleich die Komponenten der Wahlkreiseinteilung sowie die Zahl der Landtagsmitglieder nach den Bestimmungen der LTWO 1974, für sich genommen, mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar zu sein scheinen, ist in einem abschließenden Schritt zu prüfen, ob durch das Zusammenwirken dieser Komponenten insgesamt ein System verwirklicht ist, das sich außerhalb des von Art 95 Abs 1 B-VG normierten verfassungsrechtlichen Rahmens bewegt. Soweit ersichtlich hatte der Verfassungsgerichtshof bislang keine Landtagswahlordnung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, die hinsichtlich der vorgesehenen Grundmandatshürde - ohne eine gleichzeitige, diese Ausschlußwirkung zumindest teilweise ausgleichende Prozentklausel - mit der LTWO 1974 vergleichbar war.

Ob eine Wahlpartei, die landesweit etwa 10 % der Wählerstimmen erreicht, eine solche von 'zahlenmäßig erheblicher Bedeutung' ist und ihr damit - dem Wesen des Verhältniswahlrechtes entsprechend - eine Vertretung im (Landes-)Parlament nach Maßgabe ihrer Stärke zukommen müßte, ist letztlich eine Abwägungsfrage, die nur vom Verfassungsgerichtshof abschließend beantwortet werden kann.

Die LTWO 1974 und der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes:

Der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes wird in den Art 26 Abs 1, 95 Abs 1 und 117 Abs 2 B-VG ausdrücklich hervorgehoben. Umstritten ist dabei, inwieweit der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes auch einen gleichen Erfolgswert der abgegebenen Stimmen verlangt, mit anderen Worten inwieweit der einfache Gesetzgeber den (faktischen) Erfolgswert beeinflussen darf (vgl. Schick, in: Neisser/Handstanger/Schick, S 75). Soweit die Bundesverfassung selbst Bestimmungen enthält, die einen unterschiedlichen Erfolgswert herbeiführen, kann ein verfassungsrechtlich relevanter Widerspruch zum gleichen Wahlrecht nicht bestehen. Bei einem System der Verhältniswahl müssen folgende die Gleichheit des Erfolgswertes beeinträchtigende Einflüsse hingenommen werden: Die in Art 26 Abs 2 sowie in Art 95 Abs 3 B-VG zwingend vorgesehene

Unterteilung des Bundesgebietes in Wahlkreise, des Landesgebietes in (mindestens zwei) Wahlkreise sowie die in Art 117 Abs 2 B-VG enthaltene Ermächtigung zur Schaffung von Wahlkreisen bewirken zumindest tendenziell einen unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen, weil für die Berechnung der Wahlzahl im Wahlkreis eben nur die im Wahlkreis abgegebenen Stimmen maßgeblich sind (Ungleichheit durch ungleiche Wahlbeteiligung). Dieser Effekt wird durch das im Art 26 Abs 2 und Art 95 Abs 3 B-VG (weitgehend) verwirklichte Bürgerzahlprinzip verstärkt.

Wenn man Stimmen in der Literatur folgt, die die Bedeutung des Grundsatzes des gleichen Wahlrechtes nicht auf den gleichen Zählwert der Stimmen reduzieren wollen, so könnte in dem Umstand, daß der Erfolgswert von bis zu etwa 33.000 Stimmen (bei 332.361 abgegebenen gültigen Stimmen), das sind etwa 10 % der Wählerstimmen, Null ist, ein Widerspruch zum Grundsatz des gleichen Wahlrechtes gesehen werden.

In der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird das Prinzip des gleichen Wahlrechtes jedoch auf den gleichen Zählwert der Stimmen eingeschränkt:

'... (D)arüber hinaus aber noch zu verlangen, daß jeder Stimme die gleiche Kraft, der gleiche Nutz oder Erfolgswert zukommen müsse, fällt außerhalb des Grundsatzes der Gleichheit des Wahlrechts, ja außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Kein Wahlsystem und besonders nicht das Verhältniswahlsystem, bei dem Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individuum, sondern die politische Partei ist, kann einen solchen Nutz- oder Erfolgswert verbürgen. ... Der Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechts hat Bedeutung und Wirkung eben nur im Abstimmungsverfahren, wo jede gültige Stimme den gleichen Zählwert haben muß. Welcher Wert ihr bei der Verteilung der Mandate zukommt, hängt aber von wechselnden und zufälligen Umständen ab: Von der Anzahl und verschiedenen Größe der Wahlkreise, von der zahlenmäßigen Stärke der Partei, für die die betreffende Stimme abgegeben wurde, von der Gesamtzahl der abgegebenen gültigen Stimmen, von der danach berechneten Wahlzahl und dem Umstand, ob die Partei, für die die betreffende Stimme abgegeben wurde, die Wahlzahl erreicht oder nicht, ob und in welchem Maß sie die Wahlzahl übersteigt und endlich, ob der dann noch erübrigende Stimmenrest ansehnlich ist oder nicht.'

Diese restriktive Judikatur wurde auch später beibehalten, so etwa im Erkenntnis VfSlg. 3652/1959:

'Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest. Es ist unmöglich, die abgegebenen, gleichgezählten Stimmen so auszuwerten, daß sie einen gleichen Erfolgswert haben. Die Wirkung des gleichen Wahlrechtes ist daher mit der Zählung der abgegebenen Stimmen erschöpft. Das Prinzip des gleichen Wahlrechtes kann somit keinen Einfluß auf jene Regelungen haben, die den Erfolgswert bestimmen.'

Schließlich darf in diesem Zusammenhang auch folgendes bemerkt werden:

Nicht zu folgen vermag das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst dem Vorbringen der Anfechtungswerberin, wonach ein Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Wahlrechtes darin gelegen sei, daß politischen Willensäußerungen von Staatsbürgern in Kärnten bei der Landtagswahl weniger Gewicht zukomme als bei der Nationalratswahl; denn der Grundsatz des gleichen Wahlrechtes kann wohl nicht im Verhältnis zwischen Nationalratswahl einerseits und der Wahl zum Kärntner Landtag andererseits zum Tragen kommen.

Zusammenfassung:

Verfassungsrechtliche Bedenken könnten nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst ob der Vereinbarkeit der in § 82a LTWO 1974 normierten Grundmandatshürde mit dem Grundsatz des Verhältniswahlrechtes (Art95 Abs 1 B-VG) im Hinblick auf den möglichen Ausschluß von der Vertretung im Landesparlament von Wahlparteien, die etwa 8 bis 10 % der Wählerstimmen erlangen, bestehen. Diesen Bedenken kann aber wiederum die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegengehalten werden, die Einschränkungen des Verhältniswahlprinzips durch Einführung einer Grundmandatshürde zuläßt. Im vorliegenden Fall wird die Rechtfertigung dieser Grundmandatshürde allerdings dadurch erschwert, daß sie zum Ausschluß einer Wahlpartei führen kann, die etwa 10 % der gültigen Stimmen erlangt hat. Dies könnte jedoch mit dem legitimen Ziel der Verhinderung einer zu großen Parteienzersplitterung, dem die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes offenbar große Bedeutung beimißt, begründet werden."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Wählergruppe "Demokratie 99" hat sowohl einen Antrag gemäß Art 141 als auch gemäß Art 140 B-VG gestellt.

1.1. Der im vorliegenden Fall einschreitenden Wählergruppe ist durch Art 141 Abs 1 lita B-VG und § 67 Abs 2 VerfGG 1953 die Möglichkeit eingeräumt, die Wahl zum Kärntner Landtag anzufechten und dabei die behauptete Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der LTWO geltend zu machen. Dieser Weg wurde von ihr auch beschritten, und zwar mit einem auf Art 141 B-VG gestützten Antrag. Auf Grund dieser Wahlanfechtung hat der Verfassungsgerichtshof zu prüfen, ob gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen Bedenken bestehen und bejahendenfalls ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Würde in einem solchen Fall auch die Legitimation zur Antragstellung nach Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG angenommen, so würde das zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes führen, die mit dem Grundprinzip der Subsidiarität des Individualantrages nicht in Einklang stünde (vgl. v.a. VfSlg. 8700/1979; ).

Der auf Art 140 B-VG gestützte Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

1.2. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch zu den Landtagen. Nach Art 141 Abs 1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens - und zwar auch auf die Verfassungswidrigkeit der zu Grunde gelegten Wahlvorschriften (VfSlg. 10178/1984, 14035/1995) - gestützt werden.

Nach § 67 Abs 2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorlegten, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter. Nach § 68 Abs 1 VerfGG 1953 muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens eingebracht werden.

Die Wahlanfechtung der Wählergruppe "Demokratie 99" erfüllt diese Voraussetzungen, sie ist daher zulässig.

2. Die Wahlanfechtung ist jedoch auf Grund folgender Überlegungen nicht begründet:

2.1. Die Anfechtungswerberin sieht die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens (allein) darin gelegen, dass die (oben unter Pkt. I.1.3. wiedergegebenen) §§2, 2a, 2b, 81, 82, 82a und 82b LTWO - über die Wahlkreiseinteilung, über den landesweiten Wahlkreisverband, über die Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise und über das (erste und zweite) Ermittlungsverfahren - verfassungswidrig seien. Für diese Auffassung führt die Anfechtungswerberin vor allem Folgendes ins Treffen:

2.1.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (die Anfechtungswerberin bezieht sich dabei auf das Erkenntnis VfSlg. 14035/1995) gelte die Auffassung, dass nur jene Parteien, die die Wahlzahl erreichten, von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung seien, jedenfalls dann nicht, wenn die Kriterien, die zur Ermittlung der Wahlzahl führten, dem Mehrheits- oder dem Minderheitswahlrecht entstammten. Einer Partei komme zahlenmäßig erhebliche Bedeutung zu, wenn sie die Wahlzahl erreiche, aber auch dann, wenn sie diese Voraussetzung zwar nicht erfülle, "jedoch die Wahlzahl nicht im Einklang mit den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes ermittelt" worden sei und "als Ausgleich für diesen Mangel auch kein Korrektiv vorgesehen" sei. Die Wahlzahl sei daher nicht grundsätzlich und in jedem Fall als Abgrenzungskriterium für die Feststellung geeignet, ob eine Partei zahlenmäßig erhebliche Bedeutung und somit Anspruch auf Vertretung im Vertretungskörper habe. Anderenfalls hätte es der Gesetzgeber beispielsweise in der Hand, die Anzahl der zu vergebenden Mandate derart herabzusetzen (und damit die Wahlzahl derart zu erhöhen), dass das Ergebnis dem Mehrheitswahlsystem entspräche. Der Verfassungsgerichtshof habe aber zum Ausdruck gebracht (dabei bezieht sich die Anfechtungswerberin auf das Erkenntnis VfSlg. 9224/1981), dass die Zahl der Repräsentanten nicht so gering sein dürfe, dass von einer Verhältniswahl nicht mehr die Rede sein könne, wobei auch auf den Schutz von Minderheiten Bedacht zu nehmen sei. Schon dadurch sei klargestellt, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Grenzen gesetzt seien.

2.1.2. Das Verhältniswahlrecht sei nicht nur aus dem Gegensatz zum Mehrheits- und zum Minderheitswahlrecht zu sehen. Seinem Wesen nach solle es allen politischen Parteien nach Maßgabe ihrer Stärke eine Mitwirkung im Parlament ermöglichen. Diese Bedeutung dürfe nicht vernachlässigt werden, es dürfte nicht allein auf den Gegensatz zum Mehrheits- und zum Minderheitswahlrecht abgestellt werden. Eine solche Sicht würde zu sehr vereinfachen und verkennen, worum es beim Verhältniswahlrecht eigentlich gehe. Das Verfahren zur Ermittlung der Wahlzahl stehe daher nicht erst dann in Widerspruch zum Verhältniswahlrecht, wenn es dem Mehrheits- oder dem Minderheitswahlrecht entspreche, vielmehr liege bereits dann eine Verfassungswidrigkeit vor, wenn vom Proportionalitätsgedanken erkennbar abgegangen werde. Nach der LTWO würde eine Partei, die in jedem Wahlkreis das Grundmandat um eine Stimme verfehlte - und somit über 33.259 bzw. 10,00689 % der gültig abgegebenen Stimmen verfügte -, nicht in den Landtag einziehen können. Bei einem reinen Verhältniswahlsystem hätte eine solche Partei, die zweifellos ihrer Wählerzahl nach von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung sei, Anspruch auf zumindest drei Mandate.

2.1.3. Kennzeichen des Verhältniswahlrechtes sei es, dass in einem demokratischen Gemeinwesen Machtstrukturen in einem verpflichtenden Entsprechungsverhältnis zum jeweiligen Kräfteverhältnis des politischen Systems zum Ausdruck kommen müssten. Die Zusammensetzung des allgemeinen Vertretungskörpers solle ein möglichst genaues Abbild der politischen Realität widerspiegeln. Die LTWO mit ihrer hohen Grundmandatshürde sei dazu ungeeignet und verzerre die Realität. Sie werde daher wegen ihrer deutlichen Tendenz zum Minderheitswahlrecht dem Proportionalitätsgrundsatz nicht gerecht.

Besonders deutlich werde dies, wenn man die in den letzten Jahren beobachtbare Entwicklung der politischen Realität weiterdenke. Die Tendenz sei vom Bestehen zweier Großparteien in Richtung einer Vielfalt von Mittel- bis Kleinparteien gegangen. Unter der Annahme, dass sich diese Entwicklung fortsetze, könnte es soweit kommen, dass es ein Dutzend etwa gleich starker Parteien zu je etwa 8,33 Prozent gebe. Gelänge es einer, einen vergleichsweise höheren Prozentsatz ihrer Sympathisanten zu mobilisieren und (auf Grund der vorhandenen Kräfteverteilung bloß) in einem der Wahlkreise die Grundmandatshürde zu erreichen, so hätte dies - in Ermangelung einer Prozentklausel - zur Folge, dass ihr alle zu vergebenden Mandate zufielen.

Die hohe Grundmandatshürde der Kärntner Landtagswahlordnung würde daher eines Ausgleichs im zweiten Ermittlungsverfahren bedürfen, damit das Wahlsystem noch den Grundsätzen und Prinzipien des Verhältniswahlrechtes gerecht werden könne.

2.1.4. Auch wenn das früher geltende Homogenitätsprinzip nicht unmittelbar anwendbar sei, so ließen sich doch aus den Wahlordnungen des Bundes und der anderen Bundesländer Anhaltspunkte dafür gewinnen, welche Parteien dem allgemeinen gegenwärtigen Demokratieverständnis zufolge als solche von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung anzusehen seien. Bei den Wahlen zum Nationalrat dürften am zweiten Ermittlungsverfahren all jene Parteien teilnehmen, die mindestens in einem Regionalwahlkreis ein Grundmandat oder im gesamten Bundesgebiet mindestens vier Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt hätten. Niederösterreich und Oberösterreich gewährleisteten eine Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren bereits ab vier Prozent der Stimmen landesweit; Burgenland, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien ab fünf Prozent. Die Landtagswahlordnung der Steiermark gewähre zwar auch nur Parteien, die ein Grundmandat erreicht haben, die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren, die Grundmandatshürde liege jedoch nur bei etwas mehr als fünf Prozent der Stimmen.

Anders als nach den einschlägigen bundesgesetzlichen Regelungen sowie jenen aller anderen Bundesländer dürften nach der LTWO am zweiten Ermittlungsverfahren nur jene Parteien teilnehmen, die im ersten Ermittlungsverfahren ein Grundmandat erreicht haben, wofür in den einzelnen Wahlkreisen 10,00, 8,33 bzw. (u.zw. in zwei Wahlkreisen) 11,11 % der Stimmen erforderlich seien. Im Kärntner Landtag seien daher nur jene politischen Parteien vertreten, die im Durchschnitt mehr als zehn Prozent der Stimmen im Wahlkreis erreichten.

Während also die Gesetzgeber des Bundes und der übrigen Bundesländer einer Partei zahlenmäßig erhebliche Bedeutung zubilligten, wenn sie etwa vier bis fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen könne, meine einzig der Gesetzgeber in Kärnten, dass eine Partei hiefür "doppelt bis dreifach" so stimmenstark sein müsse. Dieser unterschiedlichen Bewertung liege keine sachliche Rechtfertigung zu Grunde; sie sei rein willkürlich und führe dazu, dass politischen Willensäußerungen von Staatsbürgern in Kärnten bei der Landtagswahl weniger Gewicht zukomme als bei der Nationalratswahl. Eine solche Ungleichbehandlung widerspreche nicht nur den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes sondern stehe auch im Hinblick auf den Grundsatz des "gleichen" Wahlrechts nicht im Einklang mit der Verfassung.

2.1.5. Gegen die LTWO bestünden insoweit auch demokratiepolitische Bedenken, als die Wähler wüssten, dass Stimmen, die für kleinere Parteien abgegeben werden, die die Zehnprozenthürde voraussichtlich nicht erreichten, verloren seien und im Ergebnis einer der drei derzeit größeren Parteien zugute kämen. Sympathisanten von Kleinparteien, die der von ihnen bevorzugten politischen Gruppierung keine Erfolgsaussichten beimessen, müssten der Wahl fernbleiben oder gleichsam eine zweite Wahl treffen und einer der Großparteien ihre Stimme geben, wenn sie verhindern wollten, dass ihre Stimme letztlich indirekt einer keineswegs gewünschten Partei zugute käme. Die LTWO zeitige daher die Wirkung einer Wahlwerbung zu Gunsten der Großparteien, was in einer parlamentarischen Demokratie nicht erwünscht sein könne.

Wäre die Wahl zum Kärntner Landtag nach einem reinen Verhältniswahlsystem (ohne Grundmandatshürde oder mit einer der üblichen Prozentklauseln) durchgeführt worden, so hätte sich dies auch insoweit auf das Ergebnis ausgewirkt, als zweifellos eine beträchtliche Anzahl von Wählern bereit gewesen wäre, die Anfechtungswerberin zu wählen.

2.2.1. Beginnend mit seinem Erkenntnis VfSlg. 1381/1931 vertritt der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. v.a. VfSlg. 3653 und 3654/1959, 8700/1979 und 12647/1991) die Auffassung, dass gegen wahlrechtliche Bestimmungen, die für die Zuweisung von Restmandaten im zweiten Ermittlungsverfahren das Erfordernis eines sogenannten Grundmandates vorsehen, weder im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältniswahl noch unter dem Gesichtspunkt des gleichen Wahlrechtes verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Der Verfassungsgerichtshof bleibt auf Grund der folgenden Überlegungen auch im vorliegenden Fall bei dieser Auffassung:

Für das Wesen des Verhältniswahlsystems ist charakteristisch, dass nach der Idee der Proportionalität möglichst allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung gewährt werden soll. Davon bleiben jedoch jene Gruppierungen ausgenommen, die nicht einmal die Mindestanzahl an Stimmen, die sogenannte Wahlzahl, erreichen, über die eine Partei verfügen muss, um wenigstens ein Mandat zu erreichen; die Wahlzahl ist nämlich mit dem Proportionalwahlsystem wesensnotwendig verknüpft.

Bei der Umschreibung der Grundsätze der Verhältniswahl im Sinne des B-VG muss weiters berücksichtigt werden, dass Art 26 Abs 2 B-VG für die Nationalratswahl und Art 95 Abs 3 B-VG für die Landtagswahlen die Einteilung des Bundes- bzw. des Landesgebietes in (mehrere) Wahlkreise vorschreiben. Die Durchführung dieser Wahlen in einem einzigen Wahlkörper - wie sie einem "reinen" Verhältniswahlrecht (VfSlg. 1381/1931) entspräche (und gemäß Art 23a Abs 2 B-VG für die Wahl der von der Republik Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament vorgesehen ist) - ist demnach ausdrücklich ausgeschlossen (für die Landtagswahlen s. dazu v.a. VfSlg. 8321/1978). Dies bewirkt, dass die Parteien im jeweiligen Vertretungskörper nach ihrer Stimmenstärke in den einzelnen Wahlkreisen und nicht nach ihrer Bedeutung im gesamten Wahlkörper repräsentiert sind. (Freilich hat diese Auswirkung des verfassungsrechtlichen Gebotes der Gliederung des Wahlkörpers in - mehrere - Wahlkreise für Nationalratswahlen insoferne an Bedeutung verloren, als Art 26 Abs 2 vorletzter Satz B-VG, idF der B-VG-Novelle BGBl. 1992/470, nunmehr ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet vorsieht, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Modifizierung des Verhältniswahlsystems durch eine Prozentklausel s. jedoch VfSlg. 8852/1980 und 14035/1995). Für die Landtagswahlen besteht eine vergleichbare bundesverfassungsgesetzliche Regelung jedoch nicht:

Art95 Abs 3 B-VG sieht seinem eindeutigen Wortlaut (arg.: "Die Landtagswahlordnung kann ... vorsehen ...") zufolge eine bloße Ermächtigung des Landesgesetzgebers vor, einen solchen Proportionalausgleich vorzuschreiben. (Anders der - im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut - unbeachtliche Ausschussbericht 602 BlgNR 18. GP, 2, wonach die Länder zu einer solchen Regelung "verpflichtet" werden sollen.) Insoferne hat sich somit für die Landtagswahlen am "Grundsatz der wahlkreisweisen Repräsentation" (vgl. v.a. VfSlg. 3653/1959 sowie zuletzt VfSlg. 14035/1995) nichts geändert.)

Vor diesem Hintergrund bleibt der Verfassungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall bei seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass es mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar ist, wenn gemäß der LTWO Parteien, die im ersten Ermittlungsverfahren in keinem der Wahlkreise die Wahlzahl erreicht haben und denen somit kein (Grund)Mandat zugefallen ist, auch keinen Anspruch auf die Teilnahme am zweiten Ermittlungsverfahren haben, in dem es, in "Ergänzung" des ersten Ermittlungsverfahrens, um die Verteilung der im ersten Ermittlungsverfahren (aus Gründen des hiefür gewählten speziellen Berechnungsverfahrens; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des im vorliegenden Zusammenhang vorgesehenen Hagenbach-Bischoff'schen Verfahrens s.v.a. VfSlg. 2654/1954, S 78, und 8852/1980, S 520) nicht zur Vergebung gelangten Restmandate im Verhältnis der den Parteien aus diesem Verfahren verbliebenen Reststimmen geht (vgl. zu all dem v.a. VfSlg. 3653/1959 und 8700/1979).

2.2.2. Dem Verfassungsgerichtshof obliegt es freilich darüber hinaus auch, die vom einfachen Gesetzgeber vorgenommene Gestaltung des Wahlrechtes dahin zu prüfen, ob es in seiner Gesamtheit - in seinen einzelnen Komponenten (Wahlkreiseinteilung, Zahl der Mandate, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Parteien) und in deren Zusammenspiel - in einer Weise geregelt ist, dass den Grundsätzen der Verhältniswahl entsprochen ist (vgl. dazu v.a. VfSlg. 8700/1979, 8852/1980 und 9224/1981). Auch unter diesem Aspekt bestehen aber gegen die von der Anfechtungswerberin kritisierten Regelungen keine Bedenken.

2.2.2.1. Was die in den §§2 und 2a LTWO geregelte Wahlkreiseinteilung anlangt, so genügt es auf das Erkenntnis VfSlg. 9224/1981 zu verweisen, demzufolge diese Regelungen - ebenso wie die (damals in Art 7 (Kärntner) Landesverfassungsgesetz LGBl. 1974/190 geregelte, vgl. nunmehr Art 8 LVG) Zahl von 36 Mitgliedern des Landtages - keinen Anhaltspunkt bieten, der zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlass gäbe. (Dass § 2a LTWO mittlerweile - durch die LTWO-Novelle LGBl. 1984/1 - dahingehend geändert wurde, dass an Stelle von ehedem zwei Wahlkreisverbänden nunmehr bloß ein - landesweiter - Wahlkreisverband vorgesehen ist, ändert daran nichts.)

2.2.2.2. Gegen die in § 2b LTWO geregelte Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise bringt die Anfechtungswerberin im Einzelnen nichts vor. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2.2.2.3. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der die Zuteilung der Mandate an die Parteien betreffenden Regelungen, näherhin also der §§81, 82, 82a und 82b LTWO über das erste und das zweite Ermittlungsverfahren, ist vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Pkt. 2.2.1. auch noch Folgendes zu bemerken:

Mit seinem Erkenntnis VfSlg. 14035/1995 hat der Verfassungsgerichtshof Bestimmungen des Salzburger Landes-Verfassungsgesetzes 1945 sowie der Salzburger Landtagswahlordnung 1978 als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend wird dazu iW Folgendes ausgeführt:

"... Der Boden des Verhältniswahlrechtes wird nicht erst dann verlassen, wenn ein Wahlrecht das Mehrheitswahlsystem im ganzen Landesgebiet und in voller Reinheit (etwa mit nur einem einzigen zu vergebenden Mandat in jedem Wahlkreis) verwirklicht ... Vielmehr widerspricht eine Landtagswahlordnung dem B-VG schon dann, wenn sie ein Wahlrecht schafft, das auf einen Systemwechsel zur Mehrheitswahl 'hinausläuft'. ...

(Es) ist hier verfassungsrechtlich ausschlaggebend, daß zum einen für ein Mandat in einem bestimmten Wahlkreis, nämlich im Wahlkreis Tamsweg (in dem bloß zwei Mandate zur Vergabe gelangten), im Regelfall mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen notwendig sind u n d diese hohe Eintrittsschwelle nicht durch eine alternative Prozentklausel abgeschwächt wird, und daß zum anderen das B-VG in seinem Art 95 Abs 3 idF vor dem BVG BGBl. 504/1994, aber auch idF dieses BVG den Grundsatz der wahlkreisweisen Repräsentation vorsieht. Eben dieser Grundsatz lässt es nicht zu, sich über das gesetzliche Stimmenerfordernis im Wahlkreis Tamsweg (mehr als 50 %) mit Berufung auf eine Durchschnittsbetrachtung für das gesamte Gebiet des Bundeslandes Salzburg hinwegzusetzen, und zwar mit dem Ergebnis, daß (wenngleich nur) im Wahlkreis Tamsweg alle für einen Kandidaten abgegebenen Stimmen, die keine Mehrheit ergeben, jedenfalls und endgültig verloren gehen müssen. Der Hinweis der Salzburger Landesregierung auf das Erkenntnis VfSlg. 1381/1931 (über die Vereinbarkeit der Voraussetzungen des sog. 'Grundmandates' mit den Grundsätzen der Verhältniswahl und der Gleichheit des Wahlrechtes) ist schon deshalb nicht zielführend, weil der damalige Rechtsfall keinen Wahlkreis mit einem Stimmenerfordernis von mehr als 50 % zum Gegenstand hatte. Da das B-VG (s. Art 95) sich darauf beschränkt, den Grundsatz der Verhältniswahl aufzustellen, also sich nicht auf eine besondere Art des Verhältniswahlverfahrens festlegt, vielmehr die nähere Bestimmung des besonderen Verhältniswahlsystems und seiner Anwendung der einfachen Gesetzgebung überläßt (vgl. Oberndorfer/Pernthaler/Winkler, Verhältniswahlrecht als Verfassungsgrundsatz (1976) S 30), wies die Salzburger Landesregierung in breiten Ausführungen zwar vollkommen zu Recht auf den weiten Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers in einzelnen dieser Fragen hin; sie übersieht jedoch, dass diese Gestaltungsfreiheit die ihr in der Beschränkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im maßgebenden Sinn verfassungsgesetzlich gezogenen Grenzen dort überschreitet, wo, wie hier, in einem bestimmten Wahlkreis regelmäßig mehr als 50 % der Stimmen notwendig sind, um gewählt zu werden. Nowak (Rechtsfragen zur Salzburger Landtagswahl vom , JAP 94/95 H 1 S 15 (19)) hält zutreffend fest, daß im Wahlbezirk Tamsweg eine Partei selbst dann, wenn sie alle gültigen Stimmen auf sich vereinigt, nur ein Mandat (nicht zwei Mandate) erzielen könnte und daß bei der Wahl vom sogar eine Partei, die dort 46,6 % der Stimmen erreichte, das Grundmandat verfehlte."

Auch aus diesem Erkenntnis ist für den Standpunkt der Anfechtungswerberin nichts zu gewinnen. Es kann nämlich keine Rede davon sein, dass die von ihr kritisierten Regelungen auf einen Systemwechsel zur Mehrheitswahl hinausliefen. Dass sich der hier vorliegende Fall in den maßgeblichen Belangen von jenem unterscheidet, der den Gegenstand des Erkenntnisses VfSlg. 14035/1995 bildete, liegt auf der Hand. Der vorliegende Rechtsfall gleicht vielmehr jenem, der dem Erkenntnis VfSlg. 1381/1931 zu Grunde lag (auf die meisten der nach der Nationalratswahlordnung 1923 vorgesehenen Wahlkreise entfielen sogar weniger Mandate als auf jene beiden Kärntner Wahlkreise, in denen die wenigsten - also acht - Mandate zur Verteilung gelangen; sowohl die Nationalratswahlordnung 1923 (vgl. § 70 Abs 2) als auch die LTWO (vgl. § 81 Abs 2) sehen für das erste Ermittlungsverfahren die Hagenbach-Bischoff'sche Methode vor). Insoferne ist es auch unzutreffend, wenn die Anfechtungswerberin aus dem Erkenntnis VfSlg. 14035/1995 für den vorliegenden Fall ableitet, dass die hohe Grundmandatshürde eines Ausgleiches im zweiten Ermittlungsverfahren bedürfte, damit das Wahlsystem auch den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes gerecht werden könne.

2.2.3. Was den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Wahlrechtes anlangt, so hält der Verfassungsgerichtshof an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung fest, dass dieser Grundsatz nur für das Abstimmungsverfahren - in dem jede gültige Stimme den gleichen Zählwert haben muss - Bedeutung hat, wohingegen insbesondere der Umstand, ob die Partei, für die die betreffende Stimme abgegeben wurde, die Wahlzahl erreicht oder nicht, der neben anderem den Erfolgswert der Stimme bestimmt, hiefür ohne Belang ist (vgl. v.a. VfSlg. 1381/1931, 3653/1959).

Ebensowenig widerspricht es dem Grundsatz der Gleichheit des Wahlrechtes, wenn die LTWO im Vergleich zur Nationalrats-Wahlordnung 1992 oder zu den Wahlordnungen anderer Bundesländer unterschiedliche Regelungen betreffend das Erfordernis eines sogenannten Grundmandates für die Zuweisung von Restmandaten im zweiten Ermittlungsverfahren trifft (vgl. VfSlg. 8700/1979, S 379). Auch aus der Sicht des allgemeinen Gleichheitssatzes bestehen dagegen keine Bedenken (vgl. VfSlg. 8161/1977, 9116/1981).

2.2.4. Was schließlich die von der Anfechtungswerberin angestellten demokratiepolitischen Überlegungen anlangt, so sind sie - selbst wenn die Einschätzung der "Entwicklung der politischen Realität" zuträfe - im Rahmen der dem Verfassungsgerichtshof obliegenden verfassungsrechtlichen Beurteilung ohne heuristischen Wert.

2.3. Aus Art 141 Abs 1 zweiter und dritter Satz B-VG sowie aus den §§67 Abs 1 (,69 Abs 2) und 70 Abs 1 VerfGG 1953 ergibt sich, dass der Verfassungsgerichtshof das Wahlverfahren nur in den Grenzen der behaupteten Rechtswidrigkeit zu überprüfen hat, dass er aber darüber hinaus die Gesetzmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung nicht unterziehen darf (vgl. VfSlg. 1904/1950, 2937/1955, 6339/1970, 7070/1973, 8321/1978).

Da nach den vorstehenden Darlegungen die in der behaupteten Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der LTWO liegende Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht gegeben ist, war der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 lite sowie Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.