VfGH vom 05.10.1992, g90/92

VfGH vom 05.10.1992, g90/92

Sammlungsnummer

13197

Leitsatz

Aufhebung der im Zuge einer rückwirkenden Anordnung der Steuerpflicht normierten Verjährungshemmung nach der Wr GefrorenessteuerG-Nov 1989 wegen Unsachlichkeit; keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch die rückwirkende Anordnung der Einbeziehung des Wertes der mit dem Gefrorenen mitverkauften Gefäße und Löffel in das steuerpflichtige Entgelt; Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Anordnung der Einbeziehung des Wertes der Verpackung in die Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer durch die Wr GetränkesteuerG-Nov 1989

Spruch

1.1. ArtII Abs 5 des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

1.2. ArtII des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 20/1989, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

3. Der Landeshauptmann von Wien ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

4. Die Abs 1, 3 und 4 des ArtII des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Geforenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide anhängig, die Rückzahlungsbegehren und die Vorschreibung von Getränke- und Gefrorenessteuer zum Gegenstand haben. In den Beschwerden wurden die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des jeweils bekämpften Bescheides beantragt.

1.1. Die hg. zu B1249/90 protokollierte Beschwerde richtet sich gegen den - infolge des hg. Erkenntnisses vom , B954/89, ergangenen - (Ersatz-)Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom , Z MDR - P 26/90.

Im angefochtenen Bescheid wird über Ansuchen der Beschwerdeführerin um Rückzahlung von Getränke- und Gefrorenessteuer für den Zeitraum Jänner 1984 bis September 1987 sowie über die bescheidmäßige Festsetzung von Getränke- und Gefrorenessteuer für die Jahre 1984 bis 1986 abgesprochen. Der abweisliche (Ersatz-)Bescheid stützt sich im Hinblick auf die Getränkesteuer nunmehr auf das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 31/1990, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird (Rechtsgrundlage des vorausgehenden Bescheides war das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird), und im Hinblick auf die Gefrorenessteuer nunmehr auf ArtI und ArtII Abs 1 des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird (Rechtsgrundlage des vorausgehenden Bescheides war das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 44/1983, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wird).

1.2. Die hg. zu B173/91 protokollierte Beschwerde richtet sich gegen den - infolge des hg. Erkenntnisses vom , B955/89, ergangenen - (Ersatz-)Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom , Z MDR - S 12/90.

In diesem (Ersatz-)Bescheid wird einerseits einer Berufung gegen den Bescheid der Abgabenbehörde I. Instanz vom , mit dem ein Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung von Getränke- und Gefrorenessteuer für den Zeitraum Jänner 1982 bis Dezember 1986 abgewiesen wurde, insoweit Folge gegeben, als dem Ansuchen für den Zeitraum Jänner 1982 bis Dezember 1983 bezüglich Getränkesteuer stattgegeben wurde; im übrigen wurde der Berufung gegen diesen Bescheid keine Folge gegeben. Andererseits wurde mit dem angefochtenen Bescheid einer Berufung gegen den Bescheid der Abgabenbehörde I. Instanz vom , mit dem eine bescheidmäßige Festsetzung der Getränke- und Gefrorenessteuer für verschiedene Standorte und verschiedene - insgesamt die Jahre 1982 bis 1986 umfassende - Zeiträume erfolgte, insoweit Folge gegeben, als der Betrag für die Einweggebinde für den Zeitraum Jänner 1982 bis Dezember 1983 bei der Festsetzung der Getränkesteuer nicht miteinbezogen wurde; im übrigen wurde der Berufung gegen diesen Bescheid keine Folge gegeben.

Auch dieser Bescheid stützt sich im Hinblick auf die Getränkesteuer nunmehr auf das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 31/1990, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird (Rechtsgrundlage des vorausgehenden Bescheides war das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird), und im Hinblick auf die Gefrorenessteuer nunmehr auf §§1 und 2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983, LGBl. für Wien Nr. 18/1983, iVm dem Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird (Rechtsgrundlage des vorausgehenden Bescheides war das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 44/1983, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wird).

1.3. Mit dem der hg. zu B1299/91 protokollierten Beschwerde zugrundeliegenden Bescheid wurde eine Berufung gegen den Bescheid der Abgabenbehörde I. Instanz vom , mit dem eine bescheidmäßige Festsetzung von Getränke- und Gefrorenessteuer für die Jahre 1984 bis 1988 erfolgte, als unbegründet abgewiesen. Des weiteren wurde der Berufung gegen diesen Bescheid, soweit damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von Getränkesteuer für den Zeitraum Jänner 1984 bis Oktober 1988 abgewiesen wurde, keine Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid stützt sich im Hinblick auf die Getränkesteuer auf das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 31/1990, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird, und auf ArtI des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 20/1989, und im Hinblick auf die Gefrorenessteuer auf ArtI und ArtII Abs 1 des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird.

2. Zur Rechtslage:

2.1. Die Rechtslage hinsichtlich der Gefrorenessteuer stellt sich - unter Hervorhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen - wie folgt dar:

2.1.1. § 2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983, Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 18/1983, über die Wiederverlautbarung des Gesetzes vom über die Einhebung einer Steuer anläßlich der entgeltlichen Abgabe von Gefrorenem im Gebiete der Stadt Wien, lautete wie folgt:

"§2. (1) Die Steuer beträgt 10 vH des Entgeltes für das Gefrorene einschließlich üblicher Beigaben, die nicht gesondert in Rechnung gestellt werden. Für die Steuerpflicht begründet es keinen Unterschied, ob der Verzehr an Ort und Stelle stattfindet oder ob der Käufer die Ware mitnimmt. Ein allfälliges Bedienungsgeld sowie die Umsatzsteuer gehören nicht zur Bemessungsgrundlage der Steuer.

(2) Dem Steuerpflichtigen steht es frei, die Gefrorenessteuer entweder seinen Kunden getrennt aufzurechnen oder sie in das Entgelt einzubeziehen. Im letzteren Falle ist der Versteuerung das Entgelt abzüglich der Gefrorenessteuer und der Umsatzsteuer zugrunde zu legen, wenn die Kunden in geeigneter Weise, zB durch einen entsprechenden Aushang, auf die Einrechnung der Gefrorenessteuer hingewiesen werden. Ansonsten wird die Gefrorenessteuer nach dem Gesamtentgelt unter Ausschluß der Umsatzsteuer berechnet."

2.1.2. Mit Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 44/1983, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wird, wurde bestimmt:

"§2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983, LGBl. für Wien Nr. 18, ist so auszulegen, daß zum Entgelt mit Ausnahme der im Gesetz genannten Faktoren alles gehört, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Gefrorene erhält. Es umfaßt daher auch den Wert mitverkaufter Gefäße und Löffel und bei Spezialitäten (wie etwa Pfirsich-Melba, Fruchtbecher) auch den Wert der nicht aus Gefrorenem bestehenden Bestandteile der Spezialität unabhängig von deren mengen- und wertmäßigem Verhältnis zum Gefrorenen."

2.1.3. Mit Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 19/1989, mit dem das Geforenessteuergesetz für Wien 1983 geändert wird (im folgenden: Wr. GeforenessteuerG-Novelle 1989), wurde bestimmt:

"Artikel I

Dem § 2 Abs 1 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983, LGBl. für Wien Nr. 18, sind folgende Sätze anzufügen:

'Zum Entgelt gehört mit Ausnahme der genannten Faktoren alles, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Gefrorene erhält. Es umfaßt daher auch den Wert mitverkaufter Gefäße und Löffel und bei Spezialitäten (wie etwa Pfirsich-Melba, Fruchtbecher) auch den Wert der nicht aus Gefrorenem bestehenden Bestandteile der Spezialität unabhängig von deren mengen- und wertmäßigem Verhältnis zum Gefrorenen.'

Artikel II

(1) Dieses Gesetz tritt rückwirkend am in Kraft.

(2) Das Gesetz, LGBl. für Wien Nr. 44/1983, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wird, tritt außer Kraft.

(3) Abgabenerklärungen und Bescheide für die Zeit vom Inkrafttreten bis zur Kundmachung dieses Gesetzes gelten als Bemessungsakte auf Grund dieses Gesetzes. Wenn Abgabenerklärungen den Bestimmungen des ArtI nicht entsprechen, sind sie innerhalb eines Monates nach Kundmachung dieses Gesetzes zu berichtigen. In den Fällen, in denen rechtskräftige Bescheide den Bestimmungen des ArtI nicht entsprechen, ist innerhalb der gleichen Frist eine Abgabenerklärung für den sich aus diesem Gesetz ergebenden Differenzbetrag einzureichen.

(4) Die sich aus diesem Gesetz ergebenden Nachzahlungen sind einen Monat nach Kundmachung dieses Gesetzes fällig.

(5) Die Zeit vom bis zur Kundmachung dieses Gesetzes ist in die Fristen für die Verjährung des Rechtes, die Abgabe festzusetzen, sowie für die Verjährung des Rechtes, die fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, nicht einzurechnen."

2.2. Die Rechtslage hinsichtlich der Getränkesteuer stellt sich - unter Hervorhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen - folgendermaßen dar:

2.2.1. Mit Erkenntnis VfSlg. 11869/1988 hob der Verfassungsgerichtshof das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 2/1971, über die Wiederverlautbarung des Getränkesteuergesetzes für Wien, idF des LGBl. für Wien Nr. 12/1973 wieder in Kraft tritt.

Die Aufhebung wurde im LGBl. für Wien Nr. 44/1988 am kundgemacht.

2.2.2. § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 idF LGBl. für Wien Nr. 12/1973 hat folgenden Wortlaut:

"§3 (1) Die Steuer beträgt 10 v. H. des Entgeltes (Kleinhandelspreises) für die gemäß § 1 steuerpflichtigen Getränke. Kleinhandelspreis ist das Entgelt, das dem Verbraucher für das Getränk ausschließlich der Getränkesteuer, der Umsatzsteuer, der Abgabe von alkoholischen Getränken und des Bedienungsgeldes in Rechnung gestellt wird. Bei der Berechnung der Steuer darf für übliche Beigaben, deren Preis herkömmlicherweise im Preis für das Getränk mitenthalten ist (z. B. Zucker und Milch bei Kaffee, Zitrone bei Tee), nichts abgezogen werden. Ist in das Entgelt die Getränkesteuer bereits eingerechnet, so ist der Versteuerung das Entgelt abzüglich der Getränkesteuer zugrunde zu legen.

(2) Wird die Steuer in das Entgelt eingerechnet, so ist der Betriebsinhaber verpflichtet, seine Kunden auf die Einrechnung der Steuer in geeigneter Weise (Aushang, Vermerk auf der Preiskarte, z. B. 'Preise einschließlich Getränkesteuer' oder ähnlich) hinzuweisen. Beim Fehlen dieses Hinweises wird die Steuer nach dem gesamten Entgelt ausschließlich der Umsatzsteuer, der Abgabe von alkoholischen Getränken und des Bedienungsgeldes berechnet."

2.2.3. Mit Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 20/1989 (im folgenden: Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989), wurde das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert. Dieses Gesetz hat folgenden Wortlaut:

"Artikel I

Dem § 3 Abs 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 12/1973 sind folgende Sätze anzufügen:

'Zum Entgelt gehört mit Ausnahme der genannten Faktoren alles, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Getränk erhält. Es umfaßt daher auch den Wert der mitverkauften Gefäße und Trinkhalme.'

Artikel II

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage der Kundmachung der Aufhebung des Gesetzes, LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G121/88, im Landesgesetzblatt für Wien in Kraft.

(2) Abgabenerklärungen und Bescheide für die Zeit vom Inkrafttreten bis zur Kundmachung dieses Gesetzes gelten als Bemessungsakte auf Grund dieses Gesetzes. Wenn Abgabenerklärungen den Bestimmungen des ArtI nicht entsprechen, sind sie innerhalb eines Monates nach Kundmachung dieses Gesetzes zu berichtigen. In den Fällen, in denen rechtskräftige Bescheide den Bestimmungen des ArtI nicht entsprechen, ist innerhalb der gleichen Frist eine Abgabenerklärung für den sich aus diesem Gesetz ergebenden Differenzbetrag einzureichen.

(3) Die sich aus diesem Gesetz ergebenden Nachzahlungen sind einen Monat nach Kundmachung dieses Gesetzes fällig."

2.2.4. Mit Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 31/1990, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 geändert wird, wurde verfügt:

"(1) § 3 Abs 1 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der Fassung des ArtI des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 20, wird auch für die Zeit vom bis zum in Kraft gesetzt.

(2) Abgabenerklärungen und Bescheide für diese Zeit gelten als Bemessungsakte auf Grund dieses Gesetzes. Wenn Abgabenerklärungen den Bestimmungen des Abs 1 nicht entsprechen, sind sie innerhalb eines Monats nach Kundmachung dieses Gesetzes zu berichtigen. In den Fällen, in denen rechtskräftige Bescheide den Bestimmungen des Abs 1 nicht entsprechen, ist innerhalb der gleichen Frist eine Abgabenerklärung für den sich aus diesem Gesetz ergebenden Differenzbetrag einzureichen.

(3) Die sich aus diesem Gesetz ergebenden Nachzahlungen sind einen Monat nach Kundmachung dieses Gesetzes fällig."

3. Bei der Beratung über die Beschwerden sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des (unter Punkt 2.1.3. wiedergegebenen) ArtII Abs 1 und Abs 3 bis 5 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 entstanden.

Bei der Beratung der zu B1299/91 protokollierten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof weiters Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des (unter Punkt 2.2.3. wiedergegebenen) ArtII der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 entstanden.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluß vom , B1249/90, B173/91 und B1299/91, Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen eingeleitet.

4.1. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 eine untrennbare Einheit bilden und in allen eingangs genannten Beschwerdefällen von der belangten Behörde bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet wurden. Der Verfassungsgerichtshof ging weiters davon aus, daß auch die in Prüfung gezogenen Regelungen der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 eine untrennbare Einheit bilden und von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, der dem Beschwerdefall B1299/91 zugrunde liegt, ebenfalls angewendet wurden. Auch der Verfassungsgerichtshof dürfte die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei Erledigung der anhängigen Beschwerden anzuwenden haben.

Den in Prüfung gezogenen Bestimmungen dürfte daher Präjudizialität im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG zukommen.

4.2.1. Der Verfassungsgerichtshof äußerte gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Regelungen der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 folgende Bedenken:

"Mit der in Rede stehenden Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 wird in ArtI festgelegt, daß zum gefrorenessteuerpflichtigen Entgelt alles gehört, was aufgewendet werden muß, damit der Verbraucher das Gefrorene erhält, insbesondere also auch der Wert mitverkaufter Gefäße und Löffel. Der in Prüfung gezogene Abs 1 des Artikels II leg.cit. spricht aus, daß die Novelle rückwirkend am in Kraft tritt.

Im Antrag, der dieser Novelle zugrunde lag und in der Sitzung des Landtages am eingebracht wurde, wurde ausgeführt:

'Die unterfertigten Abgeordneten haben unter einem einen Initiativantrag zur Änderung des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 eingebracht. Wegen des gleichen verfassungsrechtlichen Mangels ist auch eine Sanierung bei der Gefrorenessteuer erforderlich. Da bei der Gefrorenessteuer die authentische Interpretation bisher nicht angefochten und daher auch nicht aufgehoben wurde, müßte bloß eine Ergänzung vorgenommen werden. Um einen Gleichklang der Regelungen herzustellen, bietet sich jedoch als günstigste Lösung an, in gleicher Weise wie bei der Getränkesteuer eine Änderung des Gesetzes vorzunehmen. Da im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes auch eine bloß theoretisch denkbare Bevorzugung von Steuerpflichtigen, die sich nicht gesetzestreu verhalten haben, ausgeschlossen werden muß, ist es dabei erforderlich, die Wirksamkeit der Novelle so festzulegen, daß alle Fälle erfaßt werden, bei denen im Zeitpunkt der Kundmachung der authentischen Interpretation die Verjährung möglicherweise noch nicht eingetreten war. Gemäß § 156 Abs 3 WAO beträgt der Verjährungszeitraum längstens 15 Jahre.'

Die rückwirkende Regelung scheint mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar zu sein.

Der Verfassungsgerichtshof geht dabei vorläufig davon aus, daß sowohl nach dem Wortlaut des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983, Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 18/1983, über die Wiederverlautbarung des Gesetzes vom als auch aufgrund der Rechtslage vor dieser Wiederverlautbarung Steuerpflichtige darauf vertrauen konnten, daß nur das Entgelt für das Gefrorene einschließlich der üblichen Beigaben als Steuerbemessungsgrundlage heranzuziehen sei, nicht aber das gesamte Entgelt, das vom Verbraucher aufgewendet werden muß, damit er das Gefrorene erhält. Der Verfassungsgerichtshof hat nun bereits mit Erkenntnis vom , G228/89, unter Hinweis auf die Vorjudikatur zum Ausdruck gebracht, daß das Vertrauen in die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen durch den Gleichheitsgrundsatz geschützt ist (so etwa in Fällen, in denen eine Steuerbehörde von einer über mehrere Jahre vertretenen Rechtsauffassung, an die sich die Steuerpflichtigen in der Folge gehalten haben, ohne triftige Gründe abweicht), daß aber auch der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, dem Vertrauensschutz bei seinen Regelungen Beachtung zu schenken. Daher können gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitsgrundsatz in Konflikt geraten, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten. Der Verfassungsgerichtshof meint, daß ein solcher Fall aufgrund der in Prüfung gezogenen rückwirkenden Regelung vorliegen dürfte.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gehen aber auch dahin, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen rückwirkend die Steuerpflicht auch für Zeiträume anordnen, für die - auch bei ordnungsgemäßer Führung der Buchhaltung - die Aufzeichnungen und Bücher nicht nur im Jahre 1989, also im Zeitpunkt der Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelungen, sondern sogar bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1983, nämlich im Jahre 1983, wohl im allgemeinen nicht mehr vorhanden waren, ja nicht mehr vorhanden sein mußten; dies deshalb, weil die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Unterlagen selbst im zuletzt genannten Zeitpunkt für etliche Jahre, die von der rückwirkenden Regelung erfaßt sind, längst nicht mehr bestanden hat.

Anders als aufgrund der Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 - weshalb auch, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig meint, die Überlegungen seines Erkenntnisses vom , G283/89 ua., auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sein dürften - erfaßt die in Prüfung gezogene (Wiener) Regelung auch Sachverhalte, für die Verjährung bereits eingetreten ist, sodaß die extreme Rückwirkung im Zusammenhang mit den Verpflichtungen nach ArtII Abs 3 und 4 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 sachlich nicht zu rechtfertigen sein dürfte. Für den Verdacht der Unsachlichkeit spricht zusätzlich, daß Abs 5 leg.cit. den Zeitraum vom bis zur Kundmachung des Gesetzes () aus den Fristen für die Verjährung ausdrücklich ausnimmt. Es besteht daher das Bedenken, daß der Gesetzgeber unsachlich vorgegangen ist."

4.2.2. Gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ArtII der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 sind verfassungsrechtliche Bedenken aus folgendem Grund entstanden:

"Mit ArtI der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 wurde der Wert der mit dem Getränk mitverkauften Gefäße und Trinkhalme in die Steuerpflicht bei Getränken miteinbezogen. Mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung des ArtII Abs 1 wurde angeordnet, daß diese Bestimmung rückwirkend mit dem Tage der Kundmachung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11869/1988, nämlich dem , in Kraft tritt.

Mit diesem Erkenntnis wurde die Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1983, mit der das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 dahin 'authentisch interpretiert' wurde, daß zum steuerpflichten Entgelt alles gehöre, was aufgewendet werden müsse, damit der Verbraucher das Getränk erhalte, aufgehoben und ausgesprochen, daß das aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden ist sowie daß § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 idF LGBl. für Wien Nr. 12/1973 wieder in Kraft tritt.

Mit der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1983 wurden - rückwirkend ab 1971 - die mit dem Getränk mitverkauften Gefäße und Trinkhalme in die Steuerpflicht einbezogen. Aufgrund der durch die 'authentische Interpretation' geschaffenen Rechtslage konnten Normunterworfene - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - zunächst nicht mehr mit der Steuerfreiheit der mit dem Getränk mitverkauften Gefäße und Trinkhalme rechnen. Aufgrund der durch das vorhin erwähnte Erkenntnis VfSlg. 11869/1988 maßgeblichen Rechtslage geht der Verfassungsgerichtshof jedoch vorläufig davon aus, daß Normunterworfene ab dessen Kundmachung am damit rechnen konnten, daß (künftig) der Wert der mit dem Getränk mitverkauften Gefäße und Trinkhalme nicht zu versteuern sein werde. Auf die Ausführungen des eben zitierten Erkenntnisses VfSlg. 11869/1988 (insbesondere S. 434 bis 436), die darlegen, daß aufgrund des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 Verpackungen nicht getränkesteuerpflichtig waren, sei zusätzlich verwiesen. Erst mit der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 wurde der Wert der mit dem Getränk mitverkauften Gefäße und Trinkhalme in die Steuerbemessung neu einbezogen. Der Verfassungsgerichtshof meint daher, daß nach der Kundmachung der Aufhebung des Gesetzes, das schon vorher bestandene und durch die verfassungswidrige 'authentische Interpretation' verdrängte oder (jedenfalls) beeinträchtigte Vertrauen wieder hergestellt wurde. Da der hievon betroffene Zeitraum fast ein halbes Jahr beträgt, dürfte es auch nicht vertretbar sein, davon auszugehen, daß die in Prüfung gezogene rückwirkende Regelung eine so geringfügige Belastung bewirke, daß sie nicht ins Gewicht fiele.

Der Verfassungsgerichtshof ist daher vorläufig der Ansicht, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar sind."

5. Die Wiener Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht, allenfalls nur ArtII Abs 5 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 aufzuheben. Für den Fall einer weitergehenden Aufhebung wurde beantragt, für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist von einem Jahr zu setzen, um die notwendige Sanierung zu ermöglichen.

Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wird im wesentlichen ausgeführt:

"... Zur Gefrorenessteuergesetz-Novelle

1.) Zur Frage der Durchbrechung der Verjährung

a) ...

Die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß die hier in Prüfung gezogene Wiener Regelung auch Sachverhalte erfasse, für die bereits die Verjährung eingetreten ist, erweist sich jedoch bei eingehender Prüfung als nicht zutreffend. ...

b) Im Jahre 1983 hatte der Wiener Landtag zwei Gesetze beschlossen, mit denen das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 und das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wurden. Mit Beschluß vom , B775/87 (= G121/88), leitete der Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren (nur) hinsichtlich der authentischen Interpretation des Getränkesteuergesetzes ein. ... Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wurzelten damals in der Überlegung, daß Fälle, die nach dem Inkrafttreten der authentischen Interpretation zur Entscheidung gelangten, nach der durch die authentische Interpretation geschaffenen Rechtslage zu lösen waren, während bereits rechtskräftig entschiedene Fälle hievon nicht betroffen waren; da aber nach den verfahrensrechtlichen Grundsätzen der Wiener Abgabenordnung hiedurch diejenigen Steuerpflichtigen, die sich nicht gesetzestreu verhalten hatten (sodaß es zu einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung kommen mußte), gegenüber gesetzestreuen Steuerpflichtigen begünstigt waren, schien dem Verfassungsgerichtshof die Regelung unsachlich zu sein. Der Verfassungsgerichtshof ging damals zwar nicht ausdrücklich auf die Frage, ob durch die authentische Interpretation eine bereits eingetretene Verjährung durchbrochen wurde oder nicht, ein, aus der Textierung seines Unterbrechungsbeschlusses ('Rechtsfälle ..., die ... noch zur Entscheidung gelangen') ist jedoch erkennbar, daß er nicht von einer Durchbrechung der bereits eingetretenen Verjährung ausging. Dies entspricht auch dem Wesen der damaligen authentischen Interpretation als Regelung im materiellrechtlichen Bereich, durch die ohne ausdrückliche Anordnung verfahrensrechtlich festgelegte Aspekte nicht betroffen werden.

...

c) Obwohl nun ... die authentische Interpretation des

Gefrorenessteuergesetzes mangels Anlaßfalles nicht aufgehoben

worden war, mußte auch in diesem Bereich eine Sanierung erfolgen.

In gesetzestechnischer Hinsicht wurde ebenfalls (wie bei der

Getränkesteuer) der Weg einer Novellierung gewählt ... So wie bei

der Getränkesteuer sollte jedoch auch bei der Gefrorenessteuer

keine generelle Durchbrechung der Verjährung herbeigeführt werden.

Ebensowenig wie bei der Getränkesteuer hatte bei der

Gefrorenessteuer die authentische Interpretation die Verjährung

durchbrochen, und auch die Sanierung sollte sich inhaltlich in

gleicher Weise wie bei der Getränkesteuer auf die Einbeziehung

rechtskräftig entschiedener Fälle beschränken. ... So wurde als Tag

des Inkrafttretens der festgelegt und damit eine

Regelung getroffen, die eine Anwendbarkeit auf alle noch nicht

verjährten Fälle ermöglicht. ... Die Dauer der Rückwirkung auf

15 Jahre zeigt auch unmißverständlich den Konnex zur maximal möglichen Verjährungszeit auf, ein durchaus gewollter Signaleffekt. Diese ausdrückliche Bezugnahme im Initiativantrag auf Fälle, in denen die Verjährung noch nicht eingetreten war, macht auch deutlich, daß durch die authentische Interpretation und die sie ersetzende Novelle die Verjährung nicht durchbrochen wurde. Nur so ist auch ArtII Abs 5 der Novelle erklärlich. Ausgehend von der Vorstellung, daß die Sanierung alle im Zeitpunkt der Kundmachung der authentischen Interpretation möglicherweise noch nicht verjährten Fälle erfassen müsse, mußte die Zeit der Geltung der authentischen Interpretation für die sich aus der Novelle allenfalls ergebenden Nachbemessungen verjährungsneutral gestellt werden. Wäre aber durch die Novelle an sich schon die Verjährung unterbrochen worden, so wäre ArtII Abs 5 überflüssig gewesen. Und auch bei der Gefrorenessteuer ist wie bei der Getränkesteuer klar, daß die materiell-rechtliche Regelung ungebrochen weiterlaufen sollte.

Es zeigt sich also, daß durch die Gefrorenessteuergesetz-Novelle die Verjährung nicht generell unterbrochen wurde. Die Anordnung, daß das Gesetz am in Kraft tritt (ArtII Abs 1), bedeutet nur, daß sich das materielle Abgabenrecht ab diesem Zeitpunkt nach dieser Novelle richtet. Eine Durchbrechung der Verjährung ist jedoch weder ausdrücklich angeordnet (abgesehen jetzt von Abs 5) noch ist dies unausgesprochener Inhalt der Inkrafttretensbestimmung. Vielmehr steht das Abgabenverfahrensrecht mit seinen Verjährungsbestimmungen wie auch sonst neben dem materiellen Abgabenrecht, d.h. die Regelungen der WAO sind maßgeblich dafür, wie das materielle Abgabenrecht (auch in der durch die Novelle geänderten Fassung) verfahrensmäßig umsetzbar ist. Die Verjährung bedeutet eben, daß ein materiell-rechtlich an sich bestehender Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Aber auch die Abs 3 und 4 des ArtII bewirken keine Durchbrechung der Verjährung. Ihre Funktion ist lediglich, entsprechend dem System der Selbstbemessungsabgaben für die durch die Novelle neu geschaffenen Abgabenansprüche Fälligkeitsbestimmungen für die danach zu legenden Abgabenerklärungen und die zu leistenden Zahlungen zu schaffen, sodaß bei Nichteinhaltung dieser Fälligkeit die verfahrensrechtlichen Bedingungen für eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung (keine dem Gesetz entsprechende Abgabenerklärung, § 149 Abs 2 WAO) und für eine Vollstreckung (keine Entrichtung bis zum Fälligkeitstag, § 173 WAO) erfüllt sind.

Würde man dagegen in den Absätzen 1, 3 und 4 des ArtII einen Eingriff in die Verjährungsregelung der WAO erblicken, so müßte eine derartige Argumentation auch daran scheitern, daß diese Bestimmungen das Ende einer sodann neu laufenden Verjährung offen lassen. Somit ist auch aus dem Fehlen einer solchen Regelung, die aber bei einer Durchbrechung der Verjährung erforderlich gewesen wäre, erkennbar, daß keine Durchbrechung der Verjährung angeordnet wurde.

Schließlich sei auch noch darauf hingewiesen, daß einer möglichen Interpretation, die ein Gesetz verfassungskonform erscheinen läßt, der Vorzug zu geben ist gegenüber einer, nach der ein Gesetz verfassungswidrig wäre. Das dargestellte Verständnis der Rückwirkung ist sicher zumindest möglich, eine gegenteilige Auffassung aber keineswegs zwingend.

d) So verbleibt noch ArtII Abs 5 zu beleuchten, wodurch tatsächlich ein Eingriff in die Verjährung erfolgte. Wie schon früher erwähnt, ergibt sich aus dieser Bestimmung, daß durch die vorhergehenden Regelungen die Verjährung noch nicht unterbrochen wurde, weil sie ja ansonsten überflüssig wäre. Diese Bestimmung wurde allein deswegen geschaffen, um den vermuteten Vorstellungen des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen. Sollte diese Vermutung unzutreffend gewesen sein (die nunmehr geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes weisen darauf hin), so besteht seitens der Wiener Landesregierung kein Einwand dagegen, ArtII Abs 5 isoliert aufzuheben. Es ist jedoch kein Anlaß ersichtlich, deswegen auch die übrigen in Prüfung gezogenen Absätze des ArtII aufzuheben. Diese stehen nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit Abs 5, sondern können auch bei Aufhebung des Abs 5 fortbestehen. Der verfassungsrechtliche Mangel, den der Verfassungsgerichtshof möglicherweise in Abs 5 erblickt, ist ein Mangel der Sachlichkeit des Regelungsinhaltes dieser Bestimmung und kann sich daher auch nicht etwa dergestalt auf die übrigen Absätze auswirken, daß diese dadurch ebenfalls verfassungswidrig (unsachlich) würden, weil sie einen völlig anderen Regelungsinhalt haben.

Würde nun der Verfassungsgerichtshof ArtII Abs 5 aufheben, so würde dadurch der Text und auch der Inhalt der anderen Absätze nicht verändert, insbesondere also auch nicht Abs 1. Es würde weiterhin für Sachverhalte ab der Wert mitverkaufter Gefäße und Löffel zum steuerpflichtigen Entgelt gehören. Allerdings wäre dies im Hinblick auf die Verjährung nur mehr für Sachverhalte realisierbar, die maximal 15 Jahre vom Inkrafftreten der Novelle zurückliegen. Dieses Auseinanderklaffen zwischen kalendermäßig bestimmtem Datum des Inkrafttretens und der tatsächlichen Anwendbarkeit ist jedoch unter keinem Aspekt ein verfassungsrechtlicher Mangel, die Herstellung eines solchen Zustandes hindert daher den Verfassungsgerichtshof nicht an einer isolierten Aufhebung des ArtII Abs 5.

e) Mit der Aufhebung des ArtII Abs 5 würde eine völlige inhaltliche Übereinstimmung der verglichenen Novellierungen in Oberösterreich und Wien erzielt. In beiden Fällen wäre die geänderte Rechtslage nur für noch nicht verjährte Fälle anwendbar. Der Unterschied zwischen beiden Regelungen wäre bloß ein Unterschied in der angewendeten Rechtssetzungstechnik, dem angesichts der gleichen Auswirkungen aber im gegebenen Zusammenhang keine verfassungsrechtliche Relevanz zukommt. Da die Regelung in Oberösterreich nicht als verfassungswidrig aufgehoben wurde, sollte daher auch die Regelung in Wien nicht der Aufhebung verfallen.

2.) Zur Frage des Vertrauensschutzes

In seinem Prüfungsbeschluß hat der Verfassungsgerichtshof vor dem - abgelehnten - Vergleich mit der Rechtslage in Oberösterreich auch noch andere Überlegungen angestellt. An sich müßten diese Überlegungen mit dem Nachweis der (zumindest durch Aufhebung des ArtII Abs 5 herstellbaren) Identität der Regelungen in Oberösterreich und Wien miterledigt sein, da der Verfassungsgerichtshof die im Prinzip selben Überlegungen auch im Gesetzesprüfungsverfahren G283/89 u.a. vorgebracht hat, dennoch aber damals die geprüfte Gesetzesstelle nicht aufgehoben hat. Dennoch soll hier jedoch darauf kurz eingegangen werden.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß sowohl nach dem Wortlaut des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983 (Wiederverlautbarung des Gesetzes vom ) als auch nach der Rechtslage vor dieser Wiederverlautbarung Steuerpflichtige darauf vertrauen konnten, daß nur das Entgelt für das Gefrorene einschließlich der üblichen Beigaben als Steuerbemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Wiederum darf in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis vom , G283/89 u.a., hingewiesen werden. Dort hat der Verfassungsgerichtshof zugebilligt, daß die von der Behörde gehandhabte Praxis jedenfalls nicht unvertretbar war, und daraus den Schluß gezogen, daß die Steuerpflichtigen nicht in ihrem Vertrauen auf die vorher bestandene Rechtslage enttäuscht sein mußten. Gleiches sollte wohl auch für Wien gelten. Auch in Wien wurde in der Praxis nie der Wert der Löffel usw. aus der Bemessungsgrundlage für die Gefrorenessteuer herausgerechnet. Dies zeigt sich auch in den vorliegenden Beschwerdefällen, in denen wie in Oberösterreich Rückzahlungsanträge gestellt wurden, weil eben die Bemessungsgrundlage nicht gekürzt worden war. Dazu kommt, daß es kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gegeben hat, das eine derartige Herausrechnung bei der Gefrorenessteuer als erforderlich bezeichnet hätte, und das Erkenntnis zur Getränkesteuer vom , Zl. 1054/68, nicht in die Amtliche Sammlung aufgenommen worden war, somit - abgesehen von der Frage, wie weit daraus ein Steuerpflichtiger überhaupt Vergleiche ziehen durfte - mangels Publizität auch keine besondere Vertrauenslage herzustellen geeignet war. Besonders wichtig ist aber, daß das in Prüfung gezogene Gesetz einen Vorläufer hatte, nämlich die authentische Interpretation, die gleichzeitig mit der Erlassung der Novelle aufgehoben wurde (ArtII Abs 2). Spätestens ab der Kundmachung der authentischen Interpretation gab es infolge ausdrücklicher gesetzlicher Regelung, die unangefochten bis zu ihrer Ablösung durch die Novelle Bestand hatte, kein gerechtfertigtes und schutzwürdiges Vertrauen auf eine andere Rechtsauffassung. Die Steuerpflichtigen mußten also in Wien noch viel weniger als in Oberösterreich im Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht sein. Dieser Zustand währte bereits eine volle normale Verjährungsperiode, sodaß im Prinzip bereits alle Steuerpflichtigen im Rahmen eines Bemessungsvorganges (Selbstbemessung oder Bescheid) mit dieser Rechtslage konfrontiert waren. Anders gelagerte (nur theoretisch denkbare) Ausnahmefälle sind nicht bekannt geworden.

3.) Zur Frage der Aufbewahrung von Aufzeichnungen

Schon in seinen Einleitungsbeschlüssen zur Prüfung der Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 hatte der Verfassungsgerichtshof Bedenken wegen des Umstandes geäußert, daß die Rückwirkung des Gesetzes je nach Lage des Falles länger sein kann als die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen. Weder die Oberösterreichische Landesregierung noch die Stadt Linz sind in ihren Äußerungen im Gesetzesprüfungsverfahren auf diesen Detailaspekt eingegangen. Auch der Verfassungsgerichtshof selbst ist in der Begründung seines Erkenntnisses auf diese Bedenken nicht mehr eingegangen. Das Verfahren endete schließlich damit, daß die geprüfte Gesetzesstelle nicht aufgehoben wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bedenken also als nicht tragfähig erkannt.

Tatsächlich wurde damit auch ein Problem angeschnitten, das gar nicht den in Prüfung stehenden (bzw. in Oberösterreich in Prüfung gestandenen) Gesetzesstellen zuzuordnen ist. Vielmehr handelt es sich um eine sich allgemein aus dem Verfahrensrecht ergebende Konstellation, daß das Bemessungsrecht der Behörde weiter zurückreichen kann als die Aufbewahrungspflicht für Unterlagen. Dies ist jedoch keine für die Steuerpflichtigen nachteilige Regelung, da ihnen ja nicht untersagt wird, ihre Unterlagen länger aufzubewahren. Die gesetzliche Aufbewahrungspflicht dient der Behörde, im eigenen Interesse dürfen die Steuerpflichtigen ihre Unterlagen selbstverständlich auch länger aufbewahren. Den länger (über die gesetzliche Verpflichtung hinaus) aufbewahrten Unterlagen kommt die gleiche Bedeutung zu wie jüngeren Unterlagen, für die noch die Aufbewahrungspflicht gilt; d.h. die Behörde hat sie im Falle ihrer Vorlage in gleicher Weise zu beachten.

Festzuhalten ist aber, daß ganz allgemein das Fehlen von Geschäftsunterlagen kein Hindernis für die Steuerfestsetzung ist, und zwar unabhängig davon, ob die Frist für die Aufbewahrung schon abgelaufen ist. In so einem Fall ist eben mit einer Schätzung vorzugehen. Können allerdings die Unterlagen deswegen nicht vorgelegt werden, weil die gesetzliche Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen ist, so dürfen aus diesem Umstand jedenfalls keine für den Steuerpflichtigen nachteilige Schlußfolgerungen gezogen werden, d. h. daß die Behörde bei der Schätzung größere Schwierigkeiten hat, nicht aber der Steuerpflichtige. Im übrigen kommt es aber innerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist in aller Regel auch zu einer endgültigen Steuerfestsetzung, da die erste Verjährungsperiode (Hinterziehungsfälle ausgenommen) ja lange vor dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist endet. Und schließlich kann sich jeder Steuerpflichtige selbst ausrechnen, wann das Bemessungsrecht der Behörde verjährt, und - sollte er diese Vorsicht für angebracht finden - seine Aufbewahrungsdauer darauf abstellen.

... Zur Getränkesteuergesetz-Novelle

1.) Zur Frage des Vertrauensschutzes

Der Verfassungsgerichtshof meint in seinen vorläufigen Überlegungen, daß die Steuerpflichtigen nach der Aufhebung der authentischen Interpretation darauf vertrauen konnten, daß nunmehr der Wert der Gebinde aus der Steuerbemessungsgrundlage auszuscheiden sein werde. Dies ist sicher unbestreitbar insoweit richtig, als dies nach dem Willen des Verfassungsgerichtshofes der Inhalt der durch seinen Spruch geschaffenen Rechtslage sein sollte. Ein solches auf den bloßen Inhalt der Rechtslage reduziertes Verständnis des Begriffes 'Vertrauen' in diesem Zusammenhang wird jedoch der vom Verfassungsgerichtshof dazu entwickelten Betrachtungsweise nicht völlig gerecht.

In seinem Einleitungsbeschluß zur Prüfung der Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 bezieht der Verfassungsgerichtshof die Rechtfertigung des Vertrauens nicht bloß auf den Wortlaut des Gesetzes, sondern auch auf die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Wenn man diesen Gedanken auf den hier zu entscheidenden Fall umlegt, so springt sofort ins Auge, daß das vom Verfassungsgerichtshof vorläufig als schutzwürdig angenommene Vertrauen in die Rechtslage nach der Aufhebung der authentischen Interpretation bei den Steuerpflichtigen überhaupt nur dadurch entstehen konnte, daß sie von der Aufhebung Kenntnis erlangten. Die Bedeutung war aber aus der bloßen Kundmachung im Landesgesetzblatt nicht erschließbar. Daraus war nämlich nur zu ersehen, daß die authentische Interpretation aufgehoben und die frühere Rechtslage wieder in Geltung gesetzt wurde. Die Gründe hiefür hätten verschiedene sein können. Es sei daran erinnert, daß in der juristischen Literatur zum Teil heftige Attacken gegen das Institut der authentischen Interpretation an sich geführt worden waren; auch die Beschwerdeschrift im Anlaßverfahren hatte dieses Argument vorgebracht. Hätte also z.B. der Verfassungsgerichtshof die authentische Interpretation aus diesem Grunde aufgehoben, so wäre trotz der formalen Rückwandlung der Rechtslage durch die Aufhebung der authentischen Interpretation und Wiederinkraftsetzung des früheren Textes der Inhalt der Rechtslage unverändert geblieben, wenn nur die authentische Interpretation den Inhalt der vor ihr bestandenen Rechtslage richtig wiedergegeben hätte. Durch das Dazwischentreten der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war aber - ohne Kenntnis deren Inhaltes - für die Steuerpflichtigen die Rückkehr zu allfällig früher bestandenen Vertrauensmustern abgeschnitten. Der Verfassungsgerichtshof hätte ja auch die authentische Interpretation als inhaltlich richtig befunden haben können! So gesehen tritt es wohl schon etwas in den Hintergrund, daß analog zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Falle Oberösterreichs auch in Wien schon vor der authentischen Interpretation die Einbeziehung der Umschließungen in die Steuerbemessungsgrundlage den Steuerpflichtigen nicht unvertretbar erscheinen durfte (und tatsächlich auch von ihnen praktiziert wurde), sodaß sie nicht in einem Vertrauen auf einen anderen Inhalt der Rechtslage enttäuscht sein mußten. Die bis dahin einzige gegenteilige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war - wie bereits erwähnt - vom Gerichtshof nicht veröffentlicht worden und konnte so keine spezielle Vertrauenslage schaffen.

Um sich also ein Bild darüber machen zu können, was nach der Aufhebung der authentischen Interpretation nunmehr wirklich Inhalt der Rechtslage sei und ob auf den Weiterbestand dieser Rechtslage vertraut werden könne, mußte ein Steuerpflichtiger den Inhalt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung kennen. Beim Studium dieser Entscheidung konnte er zwar erkennen, daß sich der Verfassungsgerichtshof der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes angeschlossen hatte, wonach nach dem (wiederhergestellten) Altbestand des Gesetzes der Wert der Umschließung nicht zur Steuerbemessungsgrundlage gehörte. Gleichzeitig mußte ihm aber bewußt werden, daß gegen den Inhalt der aufgehobenen Regelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestanden hatten und daher nach dem üblichen Lauf der Dinge die Wiederherstellung dieser vom Landesgesetzgeber gewünschten Rechtslage unter gleichzeitiger Sanierung des festgestellten Mangels sicher zu erwarten war; ja vielmehr noch: diese Sanierung war in der im Erkenntnis wiedergegebenen Äußerung der Wiener Landesregierung bereits angekündigt! Wenn also die vom Verfassungsgerichtshof als ebenfalls wesentlich hingestellte Bedachtnahme auf die Judikatur überhaupt eine Bedeutung haben kann, dann kann sie sich im vorliegenden Fall wohl nur dahingehend auswirken, daß die Steuerpflichtigen nicht auf den Bestand der vom Verfassungsgerichtshof zunächst unmittelbar geschaffenen Rechtslage vertrauen durften, sondern sich vielmehr auf eine Änderung einstellen mußten.

Es soll hier noch ein wesentlicher Unterschied zum Fall des Erkenntnisses vom , G228/89, zum Ersten Abgabenänderungsgesetz 1987 herausgestrichen werden. Damals hatte der Bundesgesetzgeber eine ihm vom Verfassungsgerichtshof gesetzte Frist zunächst ungenützt verstreichen lassen und erst einige Zeit nach Ablauf dieser Frist eine rückwirkende Neuregelung geschaffen. Nach Ablauf dieser Frist durften die Steuerpflichtigen aber mit wesentlich mehr Grund auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen als in Wien nach der Aufhebung der authentischen Interpretation.

2.) Zur Frage des Gewichtes der Rückwirkung

Die Verletzung selbst eines gerechtfertigten Vertrauens wäre jedoch noch nicht schädlich, wenn die Belastung nicht ins Gewicht fiele. Der Verfassungsgerichtshof mißt das Gewicht der Belastung an der Dauer der Rückwirkung.

Hiezu darf wiederum auf die Stellungnahme der Oberösterreichischen Landesregierung Bezug genommen werden, in der bereits darauf hingewiesen wurde, daß den Gesetzgeber jedenfalls der für ein Gesetzgebungsverfahren erforderliche zeitliche Mindestspielraum eingeräumt werden müsse. Die Wiener Landesregierung teilt diese Auffassung und ergänzt dazu, daß in diesem Mindestspielraum auch eine angemessene Zeitspanne für anzustellende Überlegungen und ein Begutachtungsverfahren enthalten sein muß. Im gegenständlichen Falle wurde der Gesetzentwurf als Initiativantrag in der ersten Sitzung des Landtages nach der Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt eingebracht und in der zweiten Sitzung bereits beschlossen. Dies war die schnellstmögliche Behandlung überhaupt. Erst nach Abschluß des Verfahrens nach Art 98 B-VG kann dann die Verlautbarung im Landesgesetzblatt durch die Österreichische Staatsdruckerei veranlaßt werden. Aus all diesen einzuhaltenden Schritten erklärt sich die Zeitspanne zwischen Kundmachung der Aufhebung und Kundmachung des Sanierungsgesetzes.

..."

6. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

Das Verfahren hat nichts ergeben, was gegen die Richtigkeit der vorläufigen Annahme des Einleitungsbeschlusses, daß den in Prüfung gezogenen Regelungen Präjudizialität im Sinne des Art 140 Abs 1 B-VG zukomme, spricht. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

7. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache selbst erwogen:

7.1. Zur Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989:

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen nur hinsichtlich des Abs 5 des ArtII der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989, nicht auch hinsichtlich der Abs 1, 3 und 4 zu.

7.1.1. Bedenken wegen Durchbrechung der Verjährung:

Die Wiener Landesregierung führt in ihrer Äußerung aus, daß - wie dies aus dem Text des Initiativantrages klar ersichtlich sei - mit der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 dem Standpunkt des Verfassungsgerichtshofes dadurch entsprochen werden sollte, daß alle Fälle erfaßt werden, bei denen im Zeitpunkt der Kundmachung der (durch die Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 zu ersetzenden) authentischen Interpretation die Verjährung möglicherweise noch nicht eingetreten war.

ArtII Abs 5 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 legt fest, daß die Zeit vom bis zur Kundmachung der in Rede stehenden Novelle, also bis , in die Fristen für die Verjährung des Rechtes, die Abgabe festzusetzen, sowie für die Verjährung des Rechtes, die fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, nicht einzurechnen ist. Die Regelung bewirkt also, daß für den genannten Zeitraum der Lauf der Verjährung gehemmt ist. Damit werden auch solche Sachverhalte der Steuerpflicht unterworfen, die ohne diese Bestimmung bereits verjährt waren.

Die Wiener Landesregierung betont in ihrer Äußerung weiters, daß eine Durchbrechung der Verjährung - abgesehen von ArtII Abs 5 - weder ausdrücklich angeordnet wurde noch unausgesprochen dem Inhalt der Inkrafttretensbestimmung der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 zu entnehmen sei.

Mit diesem Vorbringen ist die Wiener Landesregierung im Recht:

Die rückwirkende Erfassung von die Abgabenpflicht begründenden Sachverhalten ohne Rücksicht auf die allgemein sonst geltende Verjährungsregelung der Wiener Abgabenordnung wird nur durch den in Prüfung gezogenen Abs 5 des ArtII der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 bewirkt.

Der Verfassungsgerichtshof pflichtet der Wiener Landesregierung bei, daß Abs 5 und die weiters in Prüfung gezogenen Abs 1, 3 und 4 nicht untrennbaren Inhaltes sind, und daß mit der Aufhebung des Abs 5 die im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken - abgesehen von der Frage einer Verletzung des Vertrauensschutzes, worauf als nächstes eingegangen werden wird - beseitigt werden. Das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung für die Verjährungshemmung, wie sie in Abs 5 verfügt ist, wird auch von der Wiener Landesregierung gar nicht behauptet. Die im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken treffen insofern offensichtlich zu, sodaß die Bestimmung des ArtII Abs 5 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 als verfassungswidrig aufzuheben ist.

7.1.2. Zum Vertrauensschutz:

Demgegenüber haben sich die vom Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken gegen die Abs 1, 3 und 4 des ArtII der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 nicht als zutreffend erwiesen.

Gegen diese Bestimmungen hatte der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß das Bedenken, daß die getroffenen - rückwirkenden - Anordnungen aus dem Grunde des Vertrauensschutzes mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar seien. Es ist nun aber so, daß sich der Wortlaut des § 2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983 (Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 18/1983, über die Wiederverlautbarung des Gesetzes vom über die Einhebung einer Steuer anläßlich der entgeltlichen Abgabe von Gefrorenem im Gebiet der Stadt Wien) vom Wortlaut des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 (Anlage der Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 2/1971, über die Wiederverlautbarung des Getränkesteuergesetzes für Wien) entscheidend abhob. Da § 2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983 den Besteuerungsgegenstand so umschrieb, daß eine grammatikalische Interpretation es jedenfalls vertretbar erscheinen ließ (gleiches schloß der Wortlaut des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 aus), daß zum steuerpflichtigen Entgelt alles gehörte, was aufzuwenden war, damit der Verbraucher das Gefrorene erhielt - darunter konnten aber auch mitverkaufte Gefäße und Löffel verstanden werden -, war die mit Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 44/1983, vorgenommene authentische Interpretation des § 2 des Gefrorenessteuergesetzes für Wien 1983 somit nur als sprachliche Verdeutlichung dessen zu sehen, was bereits Inhalt des (1983 wiederverlautbarten) Wiener Gefrorenessteuergesetzes 1948 war und damals mit den Worten "die Steuer beträgt 10 v. H. des Entgeltes für das Gefrorene einschließlich üblicher Beigaben, die nicht gesondert in Rechnung gestellt werden" umschrieben wurde. Zu § 2 des Wiener Gefrorenessteuergesetzes 1948 erging auch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die es sprachlich als unvertretbar erachtet hätte, die mit dem Gefrorenen mitverkauften Gefäße und Löffel in das steuerpflichtige Entgelt miteinzubeziehen. Ein Vertrauen auf eine Verwaltungsgerichtshofjudikatur (das natürlich auch dann zu bejahen wäre, wenn Erkenntnisse nicht in der amtlichen Sammlung publiziert worden sind) wurde durch die besagte Unterschiedlichkeit der Regelung somit nicht geschaffen.

Damit treffen aber die im Hinblick auf die Abs 1, 3 und 4 des ArtII der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu: Wenn es in Abs 1 leg.cit. heißt, daß das Gesetz rückwirkend mit in Kraft tritt, und in Abs 2, daß das Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 44/1983, mit dem das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 authentisch interpretiert wird, außer Kraft tritt, dann wird hiedurch - materiell gesehen - der Norminhalt, der bereits seit 1948 dem Rechtsbestand angehört hat, nicht verändert.

Das Vertrauen der Steuerpflichtigen in die Rechtslage wurde demnach nicht enttäuscht.

Es war daher auszusprechen, daß die Abs 1, 3 und 4 des ArtII der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

7.2. Zum Wiener Getränkesteuergesetz:

Die im Einleitungsbeschluß gegen ArtII der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 aufgeworfenen Bedenken treffen zu.

Die Wiener Landesregierung hält den Ausführungen des Einleitungsbeschlusses lediglich entgegen, daß ein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen durch die in Prüfung gezogene Bestimmung schon deshalb nicht verletzt worden sein könne, weil die Aufhebung des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, erst am im Landesgesetzblatt (Nr. 44) kundgemacht worden sei und die in Rede stehende Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 bereits am beschlossen und am im Landesgesetzblatt (Nr. 20) kundgemacht worden sei. Der Gesetzgeber sei daher unverzüglich nach Aufhebung des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, tätig geworden, sodaß die Wiener Rechtslage derjenigen von Oberösterreich gleiche, die Gegenstand des mit Erkenntnis VfSlg. 12322/1990 abgeschlossenen verfassungsgerichtlichen Verfahrens gewesen sei und zum Ausspruch führte, daß die geprüfte Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde.

Die Wiener Landesregierung übersieht dabei jedoch den entscheidenden Unterschied zwischen der Wiener und der oberösterreichischen Regelung, auf den bereits im Einleitungsbeschluß hingewiesen wurde: Anders als für Oberösterreich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Z 1054/68, für Wien, und zwar bereits mehr als zehn Jahre vor der Aufhebung der authentischen Interpretation durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 11869/1988, ausgesprochen, daß § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1948, unter Zugrundelegung grammatikalischer Interpretation in zweifelsfreier Weise festgelegt hatte, daß ausschließlich der Wert des Getränkes der Bemessung der Getränkesteuer zugrundegelegt werden dürfe. Im Einleitungsbeschluß wurde hiezu insbesondere auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis VfSlg. 11869/1988, S. 434 bis 436, verwiesen, wo es u.a. heißt, daß der Verfassungsgerichtshof der Vollziehung ein die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ignorierendes Vorgehen nicht unterstellen könne und den Rechtsunterworfenen zugebilligt werden müsse, daß sie sich, wenn sie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgten, gesetzestreu verhalten haben. Auf die Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens durften sie bauen.

Wenn nun die Wiener Landesregierung meint, daß die authentische Interpretation die Rechtslage verändert habe und die Rechtsunterworfenen damit rechnen mußten, daß der Gesetzgeber im Falle der Aufhebung der authentischen Interpretation zu einer Neuregelung schreiten würde, die wieder die Verpackung in die Steuerpflicht einbeziehen würde, dann übersieht sie, daß aufgrund der Aufhebung und der damit erfolgten Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes für den Normunterworfenen die Rechtslage, wie sie im Wiener Getränkesteuergesetz 1948 und ebenso im Getränkesteuergesetz für Wien 1971 idF LGBl. für Wien Nr. 12/1973 enthalten war, wieder hergestellt wurde und es damit unzweifelhaft war, daß ausschließlich der Wert der Getränke die Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer bilden durfte. Daß Steuerpflichtige auf dem Boden der Rechtslage des Wiener Getränkesteuergesetzes 1948 darauf vertrauen konnten, daß der Wert der Umhüllungen nicht zum getränkesteuerpflichtigen Entgelt zähle, wurde dabei durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 1054/68, wohl bestärkt, nicht aber erst bewirkt, womit es - entgegen der Ansicht der Wiener Landesregierung - bedeutungslos ist, ob eine Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung stattfand. Konnte der Steuerpflichtige aber auf diesen Regelungsinhalt des Wiener Getränkesteuergesetzes 1948 bis zur Erlassung des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, bauen, wie dies der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis VfSlg. 11869/1988 ausgesagt hat, dann konnten Steuerpflichtige auch nach der Kundmachung der Aufhebung des Gesetzes über die authentische Interpretation im Landesgesetzblatt am auf diese - ursprüngliche - Rechtslage wieder vertrauen. Daran ändert nichts, daß ab Kundmachung des Gesetzes vom , LGBl. für Wien Nr. 43/1983, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971 authentisch interpretiert wird, bis zu seiner Aufhebung Steuerpflichtige aufgrund einer verfassungswidrigen Norm zur Entrichtung der Getränkesteuer auch für Verpackungen verpflichtet waren, daß der Gesetzgeber mit der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 vom Steuererfindungsrecht für die Zukunft Gebrauch machte und daß er von dieser Möglichkeit auch schon 1983 durch Erlassung eines verfassungskonformen Gesetzes Gebrauch hätte machen können. Die Tatsache, daß der Landesgesetzgeber ein verfassungskonformes Vorgehen durch Erlassung der authentischen Interpretation verfehlt hat, auch wenn er dazu die Möglichkeit gehabt hätte, kann nur zu seinen Lasten gehen und nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen.

ArtII der Wr. GetränkesteuerG-Novelle 1989 war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

7.4. Der Ausspruch, daß die aufgehobenen Gesetzesstellen nicht mehr anzuwenden sind, gründet sich auf Art 140 Abs 7 B-VG (damit ist hinsichtlich der Getränkesteuer für die Zeit vom (Kundmachung der Aufhebung der authentischen Interpretation) bis (Kundmachung der nun aufgehobenen Bestimmung) § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 idF LGBl. für Wien Nr. 12/1973 wieder anzuwenden); von dieser Ermächtigung hat der Verfassungsgerichtshof deshalb Gebrauch gemacht, weil dies einerseits aufgrund der sachlich nicht gerechtfertigten Durchbrechung der Verjährung durch ArtII Abs 5 der Wr. GefrorenessteuerG-Novelle 1989 geboten war und andererseits nur auf diese Weise dem berechtigten Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Inhalt des § 3 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 idF LGBl. für Wien Nr. 12/1973 Rechnung getragen werden kann. Der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art 140 Abs 5 B-VG.