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VfGH vom 09.10.1986, g89/86

VfGH vom 09.10.1986, g89/86

Sammlungsnummer

11054

Leitsatz

SchülerbeihilfenG idF Wiederverlautbarung BGBl. 455/1983; gleichheitswidriger Ausschluß selbständig Erwerbstätiger vom Bezug einer besonderen Schulbeihilfe in § 10 Abs 1 - keine sachliche Rechtfertigung; keine analoge Anwendung der in Prüfung gezogenen Bestimmung auf selbständig Erwerbstätige; Aufhebung einiger Worte in § 10 Abs 1 als gleichheitswidrig

Spruch

Die Worte "in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch" in § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes, wiederverlautbart mit Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom , BGBl. 455, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu Z B770/84 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom , Z 1013/2-30B/84, wendet. Mit diesem Bescheid wurde einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Landesschulrates von Tir. vom nicht Folge gegeben, mit dem der Antrag des G C auf besondere Schulbeihilfe im Schuljahr 1983/84 unter Berufung auf § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes 1983, BGBl. 455, abgewiesen worden war, weil G C vor Einstellung seiner Berufstätigkeit selbständig erwerbstätig gewesen sei.

2. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde am zu

Z B770/84 beschlossen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Worte "in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch" in § 10 des Schülerbeihilfengesetzes, wiederverlautbart mit Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom , BGBl. 455, von Amts wegen zu prüfen.

3. § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes hat folgenden Wortlaut:

"§10. (1) Österreichische Staatsbürger, die eine höhere Schule für Berufstätige besuchen und sich zum Zweck der Vorbereitung auf die Reifeprüfung gegen Entfall der Bezüge beurlauben lassen oder ihre Berufstätigkeit nachweislich einstellen, haben - unabhängig von den im § 2 festgesetzten Voraussetzungen - für die der mündlichen Reifeprüfung unmittelbar vorangehenden sechs Monate, während derer sie daher die Berufstätigkeit nicht ausüben, für jeden dieser sechs Monate Anspruch auf eine Schulbeihilfe in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch in der Höhe von 4900 S."

4. Der VfGH ist in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß vorläufig davon ausgegangen, daß er die in Prüfung gezogenen Worte im Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte.

5. Er hat seine Bedenken gegen die Wortfolge in § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes wie folgt umschrieben:

"Der Beschwerdeführer ist selbständiger Kaufmann. Der angefochtene Bescheid, mit dem ihm die besondere Schulbeihilfe wegen der Selbständigkeit seiner Erwerbstätigkeit verweigert wird, stützt sich auf § 10 Abs 1 SchBG 1983. Der VfGH geht zunächst davon aus, daß der Sitz einer eventuell vorliegenden Verfassungswidrigkeit in den Worten 'in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch' des § 10 Abs 1 SchBG 1983 liegt. Die Beschwerde und das mit diesem Beschluß eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren scheinen zulässig zu sein.

Der Beschwerdeführer behauptet, das Gesetz sei gleichheitswidrig, wenn es den von der belangten Behörde angenommenen Inhalt habe, wonach Selbständige in allen Fällen vom Anspruch auf eine besondere Schulbeihilfe ausgeschlossen seien. Eine differenzierende Behandlung von Antragstellern, je nachdem ob sie selbständig oder unselbständig erwerbstätig sind, sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß § 10 Abs 1 SchBG 1983 Selbständige generell vom Bezug einer besonderen Schulbeihilfe ausschließt. Der Gesetzgeber scheint hiebei von der Meinung ausgegangen zu sein, daß - von einzelnen Härtefällen abgesehen - sich Selbständige auf eine Prüfung vorbereiten können ohne ihre Berufstätigkeit deswegen einstellen zu müssen. Für diese Auslegung des Gesetzes spricht wohl der Umstand, daß die Vorschriften betreffend die Bemessung der besonderen Schulbeihilfe ausschließlich auf die unselbständige Tätigkeit abgestellt sind. Ein solcher Gesetzesinhalt scheint jedoch dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot zu widersprechen, weil auch selbständig Erwerbstätige durch die Vorbereitung zur Reifeprüfung - nicht nur in vernachlässigbaren Ausnahmefällen - gezwungen sein können, ihre berufliche Tätigkeit einzustellen.

Nach Meinung des VfGH kann aber auch eine Auslegung des Gesetzes nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wonach auch selbständig Erwerbstätigen der Anspruch auf die besondere Schulbeihilfe zukommt. Nach § 10 Abs 1 SchBG 1983 haben nämlich alle österreichischen Staatsbürger, die eine höhere Schule für Berufstätige besuchen und sich zum Zwecke der Vorbereitung auf die Reifeprüfung gegen Entfall der Bezüge beurlauben lassen oder ihre Berufstätigkeit nachweislich einstellen, unter den weiters genannten Voraussetzungen Anspruch auf die besondere Schulbeihilfe. Der belangten Behörde wird aber wohl nicht entgegengetreten werden können, wenn sie von der Auffassung ausgeht, daß Selbständige keinen letzten Monatsbezug haben, von dem gesetzliche Abzüge einbehalten werden könnten. Das Gesetz scheint daher keine Vorschriften über die Bemessung der besonderen Schulbeihilfe für Selbständige zu enthalten. Unter der Annahme aber, daß ungeachtet der Vorschrift des § 10 SchBG 1983 über die Bemessung der besonderen Schulbeihilfe die sonstigen Vorschriften des Gesetzes über die Einkommensberechnung bei Selbständigen heranzuziehen oder die in Prüfung gezogenen Teile des § 10 Abs 1 SchBG 1983 sinngemäß für Selbständige adaptiert anzuwenden sind, scheint die gesetzliche Regelung in dieser Hinsicht so unbestimmt zu sein, daß sie dem Art 18 Abs 1 B-VG nicht entspricht.

Auch die Argumentation der belangten Behörde aus § 3 Abs 4 letzter Satz SchBG 1983 scheint für die Auslegung des Gesetzes nichts zu erbringen. Für den Anspruch auf besondere Schulbeihilfe gemäß § 10 Abs 1 SchBG 1983 scheint es nämlich unerheblich zu sein, ob der Anspruchswerber keine, eine oder mehrere Lohnsteuerkarten zur Verwahrung bei der Behörde vorzulegen hat.

Sollte sich die Annahme als richtig erweisen, daß das Gesetz einen Anspruch des selbständig Erwerbstätigen auf besondere Schulbeihilfe ausschließt, würde dies wohl dem Sachlichkeitsgebot widersprechen, weil damit ein größerer Personenkreis vom Bezug der besonderen Schulbeihilfe ausgeschlossen wäre, dessen Ausschluß wohl nicht damit begründbar wäre, daß es sich nur um einzelne Härtefälle handelt. Sollte sich aber im Gegenteil die Annahme als richtig erweisen, daß ein selbständig Erwerbstätiger nicht grundsätzlich vom Bezug der besonderen Schulbeihilfe ausgeschlossen ist, dann scheint das Gesetz eine hinreichend bestimmte Umschreibung darüber vermissen zu lassen, wie die besondere Schulbeihilfe für den selbständig Erwerbstätigen zu bemessen ist.

Gegen die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle scheint daher entweder das Bedenken zu bestehen, daß sie dem Gleichheitsgebot widerspricht oder - für den Fall, daß auch selbständig Erwerbstätige auf die besondere Schulbeihilfe Anspruch haben - daß die Vorschriften betreffend die Bemessung der besonderen Schulbeihilfe nicht hinreichend bestimmt sind."

6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der der Antrag gestellt wird, die in Prüfung gezogenen Worte in § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Für den Fall der Aufhebung wird beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen treffen zu können.

Die Bundesregierung begründete ihren Antrag wie folgt:

"Eine sachliche Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen scheint aber nach Ansicht der Bundesregierung nicht völlig ausgeschlossen.

Zunächst ist grundsätzlich darauf zu verweisen, daß die österreichische Rechtsordnung vielfach unterschiedliche Regelungen für diese beiden Personengruppen im Bezug auf gleiche materielle Sachverhalte kennt. Nach der Judikatur des VfGH (vgl. Slg. 6874/72 mit weiteren Hinweisen) ist dies immer dann gerechtfertigt, wenn Unterschiede im Tatsächlichen vorliegen.

Es geht bei der in Frage stehenden Regelung um die finanzielle Förderung der Fortbildung von Personen durch die Ablegung der Reifeprüfung. Das erscheint wohl auf den ersten Blick als ein Regelungsgegenstand, der eine differenzierte Behandlung von selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigen nicht zuläßt. Nach Ansicht der Bundesregierung aber lassen sich sehr wohl Argumente für diese unterschiedliche Behandlung anführen. Der unselbständig Erwerbstätige ist generell in einer relativ stark abhängigen Situation. Der österreichische Gesetzgeber hat sich in vieler Hinsicht veranlaßt gesehen, gerade diese Position des unselbständig Erwerbstätigen abzusichern bzw. zu stärken. So trifft der österreichische Gesetzgeber nur Vorsorge für die Arbeitslosigkeit von Unselbständigen, nicht aber für die Arbeitslosigkeit von selbständig Erwerbstätigen. Dahinter steht wohl die Zielsetzung, daß es sozusagen ein typischer Zug der selbständigen Erwerbstätigkeit ist, einem größeren Risiko ausgesetzt zu sein, das einzugehen solche Personen meist aufgrund eines entsprechenden finanziellen Hintergrundes möglich ist. Diese finanzielle Basis, auf der jede selbständige Erwerbstätigkeit aufbaut, die in gewisser Weise Voraussetzung der Selbständigkeit ist, und auch die bei dieser Tätigkeit grundsätzlich mögliche Chance, weit höhere Einkommen zu erzielen als der Durchschnitt der unselbständig Erwerbstätigen, können diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dem selbständig Erwerbstätigen ist es viel eher möglich, das Ausmaß seiner beruflichen Tätigkeit zu reduzieren oder die Tätigkeit flexibler zu gestalten, um an Vorbereitungskursen teilnehmen zu können.

Aus all diesen Gründen erscheint die Ausgangsüberlegung des VfGH, daß es gleichheitswidrig ist, hier selbständig und unselbständig Erwerbstätige unterschiedlich zu behandeln, nach Ansicht der Bundesregierung nicht unbedingt zwingend.

Sollte der VfGH diese Auffassung nicht teilen, ist zur Verteidigung der in Prüfung gezogenen Bestimmung folgendes zu sagen:

a) Die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle wurde in das Schülerbeihilfengesetz durch ArtI Z 7 der Novelle BGBl. Nr. 115/1982, eingefügt. Die Erläuterungen dazu (831 BlgNR XV. GP) geben zur Interpretation des begünstigten Personenkreises keinen besonderen Aufschluß.

Auf Seite 12 der Erläuterungen wird zu § 7 Abs 1 lediglich dargelegt, daß bei der besonderen Schulbeihilfe für Schüler höherer Schulen für Berufstätige im Prüfungsstadium die Anspruchsvoraussetzungen, abweichend von den Anspruchsvoraussetzungen der Schul- und Heimbeihilfe gemäß § 2 Schülerbeihilfengesetz, erschöpfend geregelt werden sollen, weil es sich hiebei um einen von der Schul- und Heimbeihilfe unabhängigen Tatbestand handelt. Zur Klarstellung soll daher in dieser Bestimmung auch die Anspruchsvoraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft genannt sein.

Im Rahmen der Wiederverlautbarung 1983 wurde der vormalige § 7 Abs 1 als nunmehriger § 10 Abs 1 neu bezeichnet.

b) Für den Fall, daß die unterschiedliche Behandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist, schließt sich die Bundesregierung der im Unterbrechungsbeschluß vertretenen Auffassung an, daß der Begriff 'Berufstätigkeit' in § 10 Abs 1 so ausgelegt werden kann, daß er auch die selbständige Berufstätigkeit umfaßt. Für diese Auffassung spricht, daß der vor dem Wort 'oder' geregelte Fall 'gegen Entfall der Bezüge beurlauben lassen' gerade für die unselbständig Erwerbstätigen eine Regelung trifft, deren Nichtanwendbarkeit auf selbständig Erwerbstätige offenbar die Alternative 'oder ihre Berufstätigkeit nachweislich einstellen' notwendig gemacht hat. Für eine solche Interpretation spricht auch, daß nach dem Sinn des Gesetzes die Schulbeihilfe für das mangelnde Einkommen im Vorbereitungsstadium der Reifeprüfung gewährt werden soll, wobei es gleichgültig ist, ob früher eine unselbständige oder eine selbständige Berufstätigkeit bestand.

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs 1 leg. cit. können daher aus dieser Sicht verfassungskonform so interpretiert werden, daß auch den vormals selbständig Berufstätigen ein Anspruch auf Schulbeihilfe gebührt.

c) Was hingegen die gesetzlichen Kriterien für die Bemessung der Höhe der Schulbeihilfe betrifft, so ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung mittels verfassungskonformer Auslegung so deutbar ist, daß sie für ehemals selbständig Erwerbstätige anwendbar ist.

Bei der Regelung der Bemessung der Studienbeihilfe gemäß § 10 Abs 1 leg. cit. besteht offenbar im Hinblick auf die unter Punkt 2 erwähnte Auslegung, daß die Regelung für Selbständige und Unselbständige gilt, insofern eine Gesetzeslücke, als nach dem Wortlaut der Regelung über die Bemessung zu schließen ist, daß der Gesetzgeber nur eine Regelung für die unselbständig Erwerbstätigen treffen wollte. Eine Gesetzeslücke aber kann aus dem Gebot verfassungskonformer Auslegung mittels Analogie geschlossen werden (so ).

Bei analoger Anwendung der in Prüfung gezogenen Teile des § 10 Abs 1 leg. cit. auf den selbständig Erwerbstätigen muß man wohl vom letzten Nettomonatseinkommen des ehemals selbständig Erwerbstätigen abzüglich der auf diesen Monat entfallenden Einkommensteuer, des auf ihn entfallenden Pflichtversicherungsbeitrages und der Familienbeihilfe ausgehen, wobei jene Einkunftsarten des Einkommensteuerrechtes außer Betracht zu bleiben haben, die nicht im Zusammenhang mit einer Berufstätigkeit erzielt werden. Es wäre daher vom Überschuß der im letzten Monat vor Aufgabe der Berufstätigkeit zugeflossenen Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (vgl. § 4 Abs 3 EStG 1972), abzüglich der anteiligen Einkommensteuerbelastung dieses Monates und allfälliger Sozialversicherungsbeiträge auszugehen. Über diese Bezugsgröße gibt es in der Regel keinen einem Gehaltsabschnitt vergleichbaren, von vornherein vorgesehenen Nachweis. Die Behörde wird daher von einer Erklärung des Antragstellers auszugehen haben, deren Zutreffen aber anhand der betrieblichen Aufzeichnungen, zu deren Führung der Antragsteller nach handelsrechtlichen oder abgabenrechtlichen (§§124 ff. BAO) Vorschriften verpflichtet ist, überprüft werden können. Als weitere Anhaltspunkte können der Einkommensteuerbescheid des Vorjahres, eine allenfalls bereits vorliegende Einkommensteuererklärung und Bescheide bzw. Vorschreibungen von Einkommensteuervorauszahlungen herangezogen werden.

d) Für den Fall, daß die hier vertretene Analogie vom VfGH als zu weitgehend erachtet wird, erscheint noch folgende verfassungskonforme Auslegung der geprüften Bestimmung denkbar:

Da das Abstellen auf das letzte Monatseinkommen eines selbständig Erwerbstätigen bei der tatsächlichen Vollziehung erheblich schwieriger ist als das Abstellen auf den letzten Monatsbezug eines Unselbständigen, hat der Gesetzgeber offenbar eine diesbezügliche Regelung für den Selbständigen unterlassen mit dem Ziel, daß für den Selbständigen stets die pauschalierte Grenze zur Anwendung kommen soll. Die Überlegung des Gesetzgebers dahinter war wohl, daß aus Gründen vor allem der Vollziehbarkeit und der Verwaltungsvereinfachung wegen des nur unter großen Schwierigkeiten feststellbaren, in der jüngsten Vergangenheit angefallenen Nettomonatseinkommen eines Selbständigen ein Abstellen darauf unterlassen wurde. Die generelle Anwendung der Pauschale für die Selbständigen ohne vorhergehende genaue Prüfung des tatsächlich letzten Monatseinkommens läßt sich im Lichte des Gleichheitssatzes damit rechtfertigen, daß bei Selbständigen im Regelfall von einer darüberliegenden Bemessungsgrundlage iS der obigen analogen Anwendung der Bemessungsregelung für die Unselbständigen auf die Selbständigen ausgegangen werden kann, sodaß jene wenigen Fälle, also in denen die Bemessungsgrundlage für den Selbständigen unter der Pauschale liegt, als unbeachtlich außer Betracht bleiben können."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der VfGH wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben.

Der ihr zugrunde liegende Bescheid ist auf § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes gestützt. Auch der VfGH hätte bei Entscheidung über die Beschwerde diese bundesgesetzliche Vorschrift anzuwenden.

Da auch die übrigen Voraussetzungen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß vom geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen. Die Äußerung der Bundesregierung ist nicht geeignet, sie zu entkräften.

a) Der VfGH geht davon aus, § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes schließe nach Wortlaut und Sinn der Bestimmung die Selbständigen vom Bezug einer besonderen Schulbeihilfe aus. Durch die Wortfolge "in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch" hat der Gesetzgeber nämlich deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er die selbständig Erwerbstätigen vom Bezug der Schulbeihilfe gemäß § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes ausschließen wollte. Selbständig Erwerbstätige haben keinen letzten Monatsbezug; von ihrem Monatseinkommen kann auch niemand gesetzliche Abzüge einbehalten.

Die Bundesregierung meint aber, daß eine unterschiedliche Behandlung von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen im Hinblick auf den Bezug der besonderen Schulbeihilfe gerechtfertigt werden könne. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß der österreichische Gesetzgeber nur Vorsorge für den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit, eine entsprechende Vorsorge aber für den selbständig Erwerbstätigen nicht getroffen habe. Dahinter stehe wohl die Erkenntnis, daß es ein typischer Zug der selbständigen Erwerbstätigkeit sei, daß die so Tätigen einem größeren wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt seien. Der VfGH ist jedoch der Ansicht, daß es sachlich sehr wohl zu rechtfertigen ist, daß nur unselbständig Erwerbstätige für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert sind, weil ein Selbständiger - neben anderen Vorteilen - das größere wirtschaftliche Risiko trägt. Er findet jedoch nicht, daß dieser Umstand dafür herangezogen werden kann, einen selbständig Erwerbstätigen vom Bezug der besonderen Schulbeihilfe auszuschließen, obwohl er wirtschaftlich nicht besser gestellt ist als der Unselbständige. Das größere wirtschaftliche Risiko der selbständig Erwerbstätigen im allgemeinen gibt hiefür keine sachliche Begründung.

b) Im Beschluß betreffend die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens ist auch die Möglichkeit erwogen worden, die Gesetzesbestimmung des § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes so zu verstehen, daß die selbständig Erwerbstätigen vom Bezug der besonderen Schulbeihilfe nicht ausgeschlossen sind, somit das unter

II. 2. a) angeführte gleichheitswidrige Ergebnis vermieden wird. Die Bundesregierung meint, bei analoger Anwendung der in Prüfung gezogenen Teile des § 10 Abs 1 auf den selbständig Erwerbstätigen müsse vom letzten Nettomonatseinkommen abzüglich der auf diesen Monat entfallenden Einkommensteuer, des auf ihn entfallenden Pflichtversicherungsbeitrages und der Familienbeihilfe, wobei jene Einkunftsarten des Einkommensteuerrechtes außer Betracht zu bleiben hätten, die nicht iZm. einer Berufstätigkeit erzielt würden, ausgegangen werden. Die Behörde hätte hiebei von einer Erklärung des Antragstellers auszugehen, deren Zutreffen aber anhand von betrieblichen Aufzeichnungen, zu deren Führung der Antragsteller nach handelsrechtlichen oder abgabenrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist, zu überprüfen wäre. Als weitere Anhaltspunkte könnten der Einkommensteuerbescheid des Vorjahres, eine allenfalls bereits vorliegende Einkommensteuererklärung und Bescheide bzw. Vorschreibungen von Einkommensteuervorauszahlungen herangezogen werden.

Der VfGH ist der Ansicht, daß damit die im Prinzip legitime analoge Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung in dem konkreten Fall überzogen wäre. Es gäbe auch zu viele Möglichkeiten der Variation, sodaß nicht klar wäre, welche analog herangezogen werden könnte.

c) Aber auch eine Auslegung des Gesetzes, wonach bei selbständig Erwerbstätigen stets die Obergrenze ("höchstens jedoch in der Höhe von ...") der besonderen Schulbeihilfe zum Tragen käme, verbietet sich schon deshalb, weil dies eine sachlich nicht zu rechtfertigende Bevorzugung der selbständig Erwerbstätigen bedeuten würde.

Nichts spricht dafür, daß das Einkommen der selbständig Erwerbstätigen, die einen Antrag auf besondere Schulbeihilfe stellen, bei einer durchschnittlichen Betrachtungsweise als so hoch anzusetzen wäre, daß bei ihnen im Gegensatz zu den unselbständig Erwerbstätigen in allen Fällen die Anwendung dieser Obergrenze sachlich gerechtfertigt wäre.

d) Da aber, wie schon ausgeführt, durch die Wortfolge "in der Höhe des letzten Monatsbezuges vermindert um die einbehaltenen gesetzlichen Abzüge und die Familienbeihilfe, höchstens jedoch" der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, daß er die selbständig Erwerbstätigen vom Bezug der besonderen Schulbeihilfe gemäß § 10 Abs 1 des Schülerbeihilfengesetzes ausschließen wollte, verstößt diese Regelung gegen das den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot.

Diese Wortfolge war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.