VfGH vom 12.12.2016, G88/2016, V17/2016
Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung des UniversitätsG 2002 über den Erlass bzw die Rückerstattung des Studienbeitrags wegen Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit; unsachliche Auswirkungen der Regelung infolge Abstellens auf ein Jahreseinkommen im einkommensteuerrechtlichen Sinn; Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der StudienbeitragsV 2004 mangels gesetzlicher Grundlage
Spruch
I. 1. § 92 Abs 1 Z 5 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I Nr 120/2002 idF BGBl I Nr 79/2013, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. 1. Die Ziffernfolge ", 5" im ersten Halbsatz und die Ziffer 3 des § 2b Abs 4 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004), BGBl II Nr 55/2004 idF BGBl II Nr 211/2010, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
1. Die Aufhebung tritt mit in Kraft.
2. Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung diese Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E2383/2015 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens ist eine Studentin an der Universität Wien, die 2014 neben dem Studium sowohl unselbständig als auch selbständig berufstätig war. Nach Überschreitung der vorgesehenen Studienzeit im Sinne des § 91 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG) wurde ihr für das Sommersemester 2015 die Entrichtung eines Studienbeitrages vorgeschrieben; ihr Antrag auf Erlass (bzw. Rückerstattung) wegen Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit gemäß § 92 Abs 1 Z 5 UG wurde vom Rektorat der Universität Wien abgewiesen, da im Jahre 2014 keine über der in § 92 Abs 1 Z 5 UG vorgesehenen Geringfügigkeitsgrenze liegenden Gesamteinkünfte erwirtschaftet worden seien.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der von der Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2014 – auf Grund von Verlusten im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nach Abzug bestimmter Sonderausgaben und außergewöhnlicher Belastungen – unstrittig einen negativen Gesamtbetrag an Einkünften ausweise, sodass der in § 92 Abs 1 Z 5 UG als Mindestverdienstgrenze genannte 14-fache Betrag gemäß § 5 Abs 2 ASVG in der geltenden Fassung nicht erreicht worden sei. Einen anderen Nachweis für die Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit als den Einkommensteuerbescheid lasse § 2b Abs 4 Z 3 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004) nicht zu.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gemäß Art 144 B VG erhobenen Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 92 Abs 1 Z 5 UG, BGBl I 120/2002 idF BGBl I 79/2013, entstanden. Weiters entstanden Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Ziffernfolge ", 5" im ersten Halbsatz und der Ziffer 3 des § 2b Abs 4 der StubeiV 2004, BGBl II 55/2004 idF BGBl II 211/2010. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] 2.1. Gemäß § 91 Abs 1 UG haben unter anderem österreichische oder ihnen aus unions- oder völkerrechtlichen Gründen gleichgestellte ordentliche Studierende, die die für ihr Studium jeweils vorgesehene Studienzeit um mehr als zwei Semester überschreiten, einen Studienbeitrag für jedes weitere Semester zu entrichten. § 92 Abs 1 UG regelt in der Folge Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen den Studierenden der Studienbeitrag, den sie grundsätzlich nach § 91 UG zu entrichten hätten, erlassen – oder gegebenenfalls rückerstattet – wird.
In diesem Zusammenhang sieht § 92 Abs 1 Z 5 UG den folgenden Ausnahmetat-bestand vor: Studierenden, die die für ihr Studium im Sinne des § 91 Abs 1 UG veranschlagte Studienzeit (also Regelstudienzeit zuzüglich zwei Semester) über-schreiten, wird der Studienbeitrag erlassen, 'wenn sie im Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn durch eine Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen waren, durch die sie ein Jahreseinkommen zumindest in der Höhe des 14-fachen Betrages gem. § 5 Abs 2 ASVG in der jeweils geltenden Fassung erzielt haben. Die Träger der Sozialversicherung haben zu diesem Zweck den Universitäten auf Anfrage die für das Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn vorliegen-den Daten der betroffenen Studierenden über die Erwerbstätigkeit und die Beitragsgrundlagen im automationsunterstützten Datenverkehr über den Haupt-verband (§31 ASVG) zu übermitteln.'
2.2. Diese Regelung dürfte mit dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsat-zes und den aus Art 18 B VG folgenden Anforderungen an eine, dem Regelungs-gegenstand angemessene Determinierung des Vollzugshandelns (siehe in Bezug auf die gesetzliche Regelung der Einhebung von Studienbeiträgen VfSlg 19.448/2011) nicht im Einklang stehen:
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der Gesetzgeber mit § 92 Abs 1 Z 5 UG eine Ausnahme von der nach § 91 Abs 1 UG grundsätzlich bestehenden Studienbeitragspflicht für jene Studierenden vorsehen wollte, die neben dem Studium (womit eine Beurlaubung nach § 67 UG nicht in Frage kommt) einer Erwerbstätigkeit nachgehen (müssen), was zu einer entsprechenden Verlangsamung ihres Studienfortschritts führen kann. Dass der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand des § 92 Abs 1 Z 5 UG gerade wegen dieses Aspekts der zeitlichen Belastung der Studierenden eingeführt hat, dürfte sich auch daraus ergeben, dass dieser Ausnahmetatbestand gemeinsam mit dem des § 92 Abs 1 Z 6 UG (für Fälle der Krankheit, Schwangerschaft oder Kinderbetreuung) eingeführt wurde, die allesamt auf Fallkonstellationen Bedacht nehmen, in denen Studierende an der zügigen Fortführung des Studiums aus berücksichtigungswürdigen Gründen gehindert sein können (siehe BGBl I 134/2008 und dazu den Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dass für 'Studierende, die auf Grund von Krankheit, Schwangerschaft, Kinderbetreuung, Berufsausübung oder Behinderung die vorgesehenen Studienzeitvorgaben nicht erfüllen können, […] ein Erlass des Studienbeitrages möglich sein' soll [890/A, 23. GP, 8]).
Vor diesem Hintergrund dürfte § 92 Abs 1 Z 5 UG für die Beurteilung des Aus-maßes, inwieweit ein Studierender 'durch eine Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen' war, auf das Jahreseinkommen und in der Folge darauf abstellen, dass ein Ausmaß dieser Inanspruchnahme, das eine entsprechende Studienzeitüberschreitung rechtfertigt, dann vorliegt, wenn dieses Jahreseinkommen das 14-fache der sogenannten Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG erreicht.
Der Verfassungsgerichtshof hält es vorläufig schon aus verwaltungsökonomi-schen Gründen für grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, das Ausmaß der zeitli-chen Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit am Maßstab des mit dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens zu messen. Ebenso dürfte es im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nicht zu beanstanden sein, dass, wie § 2b Abs 4 Z 3 StubeiV 2004 in Konkretisierung des § 92 Abs 1 Z 5 UG festlegen dürfte, dieses Einkommen grundsätzlich durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, das dem jeweiligen Semesterbeginn vorangeht, nachzuweisen ist.
Dass der Gesetzgeber in § 92 Abs 1 Z 5 UG mit dem Begriff des 'Jahreseinkom-men(s)' das Einkommen im Sinne des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988) vor Augen hatte, dürfte sich auch daraus ergeben, dass § 92 Abs 1 Z 5 UG in seiner früheren Fassung durch BGBl I 134/2008 noch ausdrücklich darauf verwiesen hat, dass die '§§8 bis 11 Studienförderungsgesetz [….] bei der Einkommensberechnung anzuwenden' sind. § 8 StudFG definiert nun in seinem Abs 1 Z 1 das Einkommen grundsätzlich als jenes gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988, das das StudFG in der Folge insbesondere für die Zwecke der Festle-gung einer Einkommensgrenze für die Gewährung von Studienbeihilfe aus dem Grund sozialer Bedürftigkeit durch Hinzurechnungen (§9 StudFG) und Regelun-gen über einen Pauschalierungsausgleich (§10 StudFG) ergänzt. Die nunmehr in Geltung stehende Fassung des § 92 Abs 1 Z 5 UG wurde mit BGBl I 81/2009 herbeigeführt. Mit dieser UG-Novelle ist die genannte Bezugnahme auf die §§8 ff. StudFG in § 92 Abs 1 Z 5 UG entfallen. Stattdessen hat der Gesetzgeber im zweiten Satz dieser Bestimmung nunmehr die Verpflichtung der Träger der Sozialversicherung zu einer entsprechenden Datenübermittlung festgelegt.
Die Gesetzesmaterialien dürften keinen Aufschluss darüber geben, warum die Bezugnahme auf die Bestimmungen des StudFG entfallen ist; sie erläutern nur, dass die angesprochene Verpflichtung der Träger der Sozialversicherung im Sinne einer 'Verwaltungsvereinfachung [….] eine Rückfrage hinsichtlich der Angaben über die Erwerbstätigkeit und die Beitragsgrundlagen der Studierenden im Zusammenhang mit dem Erlass des Studienbeitrages auf Grund von Erwerbstä-tigkeit' ermöglichen soll (Erläut. RV 225 BlgNR 24. GP, 27).
Der Verfassungsgerichtshof versteht die Regelung des § 92 Abs 1 Z 5 UG daher vorläufig dahingehend, dass sie mit dem Jahreseinkommen – nach wie vor – grundsätzlich auf das Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts abstellt und die Möglichkeit der Anfrage beim jeweiligen Träger der Sozialversicherung nach dem zweiten Satz des § 92 Abs 1 Z 5 UG nur eine weitere Ermittlungsmög-lichkeit eröffnen soll.
Auch bei einem solchen Verständnis des § 92 Abs 1 Z 5 UG (siehe aber noch unten Punkt 2.3.) besteht gegen die Regelung aber das Bedenken, dass sie in jenen Fällen, in denen Studierende (ausschließlich oder zusätzlich zu einem solchen aus nichtselbständiger Arbeit auch) ein Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehen und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb deswegen niedrig ausfallen (und das Einkommen des Studierenden deswegen unter der in § 92 Abs 1 Z 5 UG genannten Mindestgrenze zu liegen kommt), weil bei der Ermittlung des Gewinns entsprechend hohe Ausgaben etwa für Anschaffungen, Instandhaltungen oder dergleichen angefallen sind, zu unsachlichen und damit gleichheitswidrigen Ergebnissen führt. Diesbezüglich wird zu prüfen sein, ob das Einkommen im Sinne des § 2 Abs 2 EStG 1988, also in den in Rede stehenden Fällen der 'Gewinn' im Sinne eines positiven oder negativen Jahresergebnisses, einen angemessenen Indikator für die zeitliche Belastung des einkommensteuerpflichtigen Studierenden durch die einschlägige Erwerbstätigkeit aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb darstellt.
An einem einfachen Beispiel veranschaulicht: Ein Studierender verrichtet 'freibe-rufliche Lektoratstätigkeit' und erhält dafür im Jahr ein Entgelt von € 6.000,-. Für die Lektoratstätigkeit fällt die Anschaffung eines Notebook samt Drucker an. In einer solchen Konstellation kann die Geltendmachung der Ausgaben für Note-book und Drucker über die Frage entscheiden, ob der Studierende unter oder über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 92 Abs 1 Z 5 UG liegt.
2.3. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird aber auch zu erörtern sein, ob diese Bedenken des Verfassungsgerichtshofes durch eine gleichheitskonforme Ausle-gung des § 92 Abs 1 Z 5 UG zerstreut werden können. Eine solche Auslegung könnte dahin gehen, unter dem 'Jahreseinkommen' im Sinne des § 92 Abs 1 Z 5 UG nicht nur das Einkommen im Sinne des § 2 Abs 2 EStG 1988 zu verstehen, sondern von einem eigenständigen 'Jahreseinkommensbegriff' auszugehen, der (bestimmte) einkommensteuerrechtlich relevante Ausgaben wieder zur Ermittlung dieses Jahreseinkommens hinzurechnet und somit zu einem, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes vermeidenden Ergebnis gelangt. Für diesen Fall wird auch zu prüfen sein, ob einer solchen Auslegung entgegensteht, dass dann dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen sein dürfte, wie das für die Zwecke des § 92 Abs 1 Z 5 UG relevante Jahreseinkommen zu ermitteln ist.
2.4. Schließlich wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu klären sein, ob, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, eine nicht zu vernachlässigende Zahl aller erwerbstätigen Studierenden potentiell von dieser Problematik betroffen ist, oder ob sich der unter Punkt 2.2. geschilderte Effekt nur in vereinzelten Härtefäl-len ergibt. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob die, Einkommen unter € 11.000,- steuerfrei stellende Regelung des § 33 Abs 1 EStG 1988 für selbständig erwerbs-tätige Studierende eine Funktion erfüllt, die – weil diese Studierenden auf die Geltendmachung von Betriebsausgaben verzichten können – die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zerstreut.
2.5. Sollte das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, § 92 Abs 1 Z 5 UG stelle maßgeblich auf die zeitliche Belastung der Studierenden ab, nicht zutrifft (und der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft mit seiner im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Äußerung, es sei weder in § 92 UG noch in der StubeiV 2004 'der geringste Hinweis darauf zu finden, dass die Zeit, die für die Erwerbstätigkeit neben dem Studium aufgewendet wird, für die Erlassung des Studienbeitrages maßgeblich ist', im Recht sein), dann hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass § 92 Abs 1 Z 5 UG mit dem 'Jahreseinkommen', das eine bestimmte 'Geringfügigkeitsgrenze' nicht überschreiten darf, auf ein unsachliches Kriterium für den Erlass oder die Rückerstattung des Studienbeitrages abstellt, weil damit ein geringes Einkommen nicht, ein hohes demgegenüber schon zum Erlass beziehungsweise zur Rückerstattung des Studienbeitrages führen dürfte.
3.1. Treffen die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 92 Abs 1 Z 5 UG zu, so dürfte mit der Aufhebung dieser Bestimmung die gesetzliche Grundlage für § 2b Abs 4 Z 3 StubeiV 2004 und damit die gemäß Art 18 Abs 2 B VG erforderliche Rechtsgrundlage wegfallen.
3.2. Sollten die gegen § 92 Abs 1 Z 5 UG geäußerten Bedenken des Verfassungs-gerichtshofes demgegenüber nicht zutreffen und diese Bestimmung einer, diese Bedenken entkräftenden Auslegung zugänglich sein, dann hegt der Verfassungs-gerichtshof darüber hinaus gegen § 2b Abs 4 Z 3 StubeiV 2004 folgende Beden-ken:
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass § 2b Abs 4 Z 3 Stu-beiV 2004 als Nachweis für das Jahreseinkommen im Sinne des § 92 Abs 1 Z 5 UG ausschließlich den Einkommensteuerbescheid festlegt (vgl. ; , 2013/10/0184; , Ro 2014/10/0087). Diesfalls scheint § 2b Abs 4 Z 3 StubeiV 2004 insoweit mit § 92 Abs 1 Z 5 UG in Widerspruch zu stehen, als diese Gesetzesbestimmung – nach den Materialien ausdrücklich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung (siehe oben Punkt 2.2.) – jedenfalls auch eine Anfrage beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu ermöglichen scheint (zur fehlenden Anpassung der StubeiV 2004 vgl. Perthold-Stoitzner, § 92, in: Mayer [Hrsg.], Universitätsgesetz 2002 – Kommentar², 2010, 357). Dabei ist es dem Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht klar, ob und inwiefern der Nachweis durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides und die Anfrage beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu gleichen oder unterschiedlichen Ergebnissen führen können (etwa weil im Zusammenhang mit selbständig erwerbstätigen Studierenden der informationspflichtige Sozialversicherungsträger ohnehin nur den vorher von ihm auf Grund-lage der §§229a ff. GSVG seinerseits vom zuständigen Finanzamt erhaltenen Einkommensteuerbescheid übermittelt).
Schließlich besteht gegen § 2b Abs 4 Z 3 StubeiV 2004 das Bedenken, dass, sollte das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, dass nach § 92 Abs 1 Z 5 UG (nicht nur) das Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts maßgeblich ist, diese Verordnungsbestimmung dann aber die Berücksichtigung anderer Aspekte als denjenigen des Einkommens im Sinne des Einkommensteuerrechts ausschließen dürfte."
4. Die Bundesregierung erstattete zur Prüfung des § 92 Abs 1 Z 5 UG eine Äußerung, in der sie den vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken hinsichtlich dieser Regelung wie folgt entgegentritt:
"[…] 1.1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot:
1.1.1. […]
1.1.2. Der Wille des Gesetzgebers ist in der in Prüfung gezogenen Bestimmung eindeutig darauf gerichtet, Studierenden, die auf Grund von Erwerbstätigkeit an ihrem Fortkommen im Studium gehindert sind, den Studienbeitrag nach Überschreitung der studienbeitragsfreien Zeit zu erlassen bzw. zurückzuerstatten. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit muss dabei einen bestimmten Betrag, der sich an der Geringfügigkeitsgrenze orientiert und damit als Gradmesser für die zeitliche Belastung fungiert, erreichen.
1.1.3. Im Prüfungsbeschluss hält es der Gerichtshof für grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit am Maßstab des mit dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens zu messen (Rz 23). Er stellt aber in Frage, ob das Einkommen im Sinne des § 2 Abs 2 EStG, also in den in Rede stehenden Fällen der 'Gewinn' im Sinne eines positiven oder negativen Jahresergebnisses, einen angemessenen Indikator für die zeitliche Belastung eines einkommensteuerpflichtigen Studierenden durch die einschlägige Erwerbstätigkeit aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb darstellt (Rz 27).
Die aufgrund einer Berufstätigkeit bestehende zusätzliche Belastung der Studierenden kann schon aus rein verwaltungstechnischen Gründen nicht am mit der Erwerbstätigkeit tatsächlich verbundenen Zeitaufwand gemessen werden, da insbesondere bei selbständig Erwerbstätigen diese zeitliche Belastung nicht objektiv feststellbar bzw. belegbar ist. Als Indikator der zeitlichen Belastung bietet sich daher vielmehr das aus der Berufstätigkeit erzielte Einkommen an, zumal eine Erwerbstätigkeit generell auf die Erzielung von Einkommen abzielt.
Um eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen, hat der Gesetzgeber daher normiert, dass das Einkommen aus Erwerbstätigkeit einen bestimmten Betrag, der sich an der Geringfügigkeitsgrenze orientiert und damit als 'objektiver' Gradmesser für die zeitliche Belastung fungiert, erreichen muss.
1.1.4. Im Hinblick auf die Geltendmachung von Abschreibungen ist dem Verfassungsgerichtshof einerseits beizupflichten, dass die Vornahme dieser Abschreibungen darüber entscheiden könnte, ob der Studierende unter oder über der Geringfügigkeitsgrenze zu liegen kommt, und andererseits, dass auf die Geltendmachung von Betriebsausgaben auch verzichtet werden könnte (vgl. Rz 28 und 30 des Prüfungsbeschlusses). Es bleibt dabei jedem einkommensteuerpflichtigen Studierenden im Einzelfall unbenommen, konkret durchzurechnen, wie er am besten 'aussteigt', zu diesem Zweck gegebenenfalls bestehende Optionen gegeneinander abzuwägen, Gestaltungsspielräume zu nutzen und unter Umständen auch einen Steuerberater zu konsultieren, um das für ihn optimale Ergebnis zu erzielen. […]
1.1.8. Eine (allenfalls unter dem Gesichtspunkt verfassungskonformer Interpretation vorzuziehende) Interpretation des Begriffes 'Jahreseinkommen' in § 92 Abs 1 Z 5 UG dahingehend, dass dabei insbesondere bestimmte, den einkommensteuerrechtlichen Gewinn mindernde Ausgaben außer Betracht zu bleiben hätten – wie in Rz 29 des Prüfungsbeschlusses erwogen – ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht gangbar, da dem Gesetz keine Kriterien für eine Unterscheidung zwischen den zu veranschlagenden und den nicht zu veranschlagenden Ausgaben zu entnehmen sind – und somit auch die Grenze des Wortlauts der Bestimmung überschritten wäre.
1.1.9. Zu der Bedeutung der von den Trägern der Sozialversicherung zu übermittelnden Daten über die Erwerbstätigkeit und die Beitragsgrundlagen ist auszuführen:
Da das Einkommen (im steuerrechtlichen Sinn) und die 'Beitragsgrundlage' (im sozialversicherungsrechtlichen Sinn) nicht identisch sind, wird die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides und die Anfrage beim zuständigen Sozialversicherungsträger im Regelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. Rz 34 des Prüfungsbeschlusses).
Beitragsgrundlage sind sozialversicherungsrechtliche Entgelte (Bezüge) bzw. Einkommen (Einkünfte) unter Berücksichtigung von Mindest- und Höchstbeitragsgrundlagen bzw. allenfalls Geringfügigkeitsgrenzen (vgl. §§44 ff ASVG; Blume in: Sonntag (Hrsg), ASVG Jahreskommentar 6 [2015] §§44 ff; §§25 ff GSVG; Pflug in: Sonntag (Hrsg), GSVG Jahreskommentar 4 [2015] §§25 ff). Bei unselbständig Erwerbstätigen ergibt sich die Beitragsgrundlage aus dem im Beitragszeitraum gebührenden Arbeitsverdienst bzw. Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (vgl. § 49 ASVG). Bei jenen selbständig Erwerbstätigen, die dem GSVG unterliegen, weicht die Beitragsgrundlage aufgrund der Hinzurechnung der in § 25 Abs 2 Z 2 GSVG genannten Beiträge (zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherung) in aller Regel von den relevanten Einkünften laut Einkommenssteuerbescheid ab, und zwar unter Umständen deutlich.
In anderen Fällen kann es sein, dass es aufgrund der Nichtüberschreitung der steuerlichen Veranlagungsgrenze gar keinen Einkommenssteuerbescheid gibt, oder dass etwa Einkünfte als Gesellschafter einer GmbH, die gegebenenfalls Teil der Beitragsgrundlage nach dem GSVG sein können, aber aufgrund ihrer Endbesteuerung über die Kapitalertragssteuer nur ausnahmsweise im Einkommenssteuerbescheid festgestellt werden.
In der Praxis können aus der Beitragsgrundlage im sozialversicherungsrechtlichen Sinn daher zwar gewisse Schlüsse auf die (steuerliche) Einkommenshöhe gezogen werden, aber ob und wie diese Angaben konkret verwendbar sind, kann nicht generell gesagt werden. Vielmehr würde es im Einzelfall einer genauen Prüfung bzw. Verifizierung bedürfen. […]"
5. Das Bundesverwaltungsgericht erstattete eine Äußerung, in der es im Wesentlichen den in der Stellungnahme der Bundesregierung vorgebrachten Argumenten beitritt. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei und der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft erstatteten keine Äußerung.
II. Rechtslage
1. § 92 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 79/2013, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):
"Erlass und Rückerstattung des Studienbeitrages
§92. (1) Der Studienbeitrag ist insbesondere zu erlassen
1.-3. […]
4. Studierenden, die die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs 1 erfüllen, auch bei Überschreitung des in Abs 1 festgelegten Zeitraumes für Semester, in denen sie nachweislich mehr als 2 Monate durch Krankheit oder Schwangerschaft am Studium gehindert waren oder sich überwiegend der Betreuung von Kindern bis zum 7. Geburtstag oder einem allfälligen späteren Schuleintritt gewidmet haben.
5. Studierenden, die die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs 1 erfüllen, auch bei Überschreitung des in Abs 1 festgelegten Zeitraumes, wenn sie
im Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn durch eine Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen waren, durch die sie ein Jahres- einkommen zumindest in der Höhe des 14-fachen Betrages gem. § 5 Abs 2 ASVG in der jeweils geltenden Fassung erzielt haben. Die Träger der Sozialversicherung haben zu diesem Zweck den Universitäten auf Anfrage die für das Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn vorliegenden Daten der betroffenen Studierenden über die Erwerbstätig- keit und die Beitragsgrundlagen im automationsunterstützten Datenver- kehr über den Hauptverband (§31 ASVG) zu übermitteln.
6. Studierenden, die die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs 1 erfüllen, auch bei Überschreitung des in Abs 1 festgelegten Zeitraumes, wenn eine Behinderung nach bundesgesetzlichen Vorschriften mit mindestens 50 % festgestellt ist.
7. […]
(2) Über den Antrag auf Erlass des Studienbeitrages entscheidet das Rektorat.
(3) Dem Antrag sind die für den Erlass des Studienbeitrages erforderlichen Nachweise beizufügen.
(4)-(10) […]"
2. § 92 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 134/2008, lautete auszugsweise wie folgt:
"Erlass und Rückerstattung des Studienbeitrages
§92. (1) Der Studienbeitrag ist insbesondere zu erlassen
1.-4. […]
5. Studierenden, die die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs 1 erfüllen, auch bei Überschreitung des in Abs 1 festgelegten Zeitraumes, wenn sie im Kalenderjahr vor dem jeweiligen Semesterbeginn durch eine Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen waren, durch die sie ein Jahreseinkommen zumindest in der Höhe des 14-fachen Betrages gem. § 5 Abs 2 ASVG in der jeweils geltenden Fassung erzielt haben. Die §§8 bis 11 Studienförderungsgesetz sind bei der Einkommensberechnung anzuwenden.
6. […]
(2)-(10) […]"
3. § 2b der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004), BGBl II 55/2004 idF BGBl II 211/2010, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):
"Erlass des Studienbeitrages gemäß § 92 des Universitätsgesetzes 2002
§2b. (1) Liegt ein Grund für einen Erlass des Studienbeitrages gemäß § 92 Abs 1 des Universitätsgesetzes 2002 vor, so kann die oder der Studierende einen Antrag auf Erlass des Studienbeitrages stellen.
(2) […]
(3) Der Antrag auf Erlass des Studienbeitrages ist bis längstens 31. Oktober bzw. 31. März des betreffenden Semesters zu stellen, soferne von der jeweiligen Universität keine abweichende Regelung getroffen wird. Können die Nachweise für den Erlass des Studienbeitrages nicht fristgerecht nachgewiesen werden, so ist der Studienbeitrag zu entrichten. Ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Wintersemester ist bis zum nächstfolgenden 31. März, ein Antrag auf Rückzahlung des Studienbeitrages für das Sommersemester ist bis zum nächstfolgenden 30. September zulässig; die Dauer eines allfälligen Verbesserungsauftrages darf eine zur Behebung des Mangels erforderliche angemessene Frist nicht überschreiten.
(4) Für den Nachweis der Gründe gemäß § 92 Abs 1 Z 4 , 5 und 6 Universitätsgesetz 2002 gilt Folgendes:
1. Die Hinderung am Studium durch mehr als zwei Monate durch Krankheit oder Schwangerschaft (§92 Abs 1 Z 4 des Universitätsgesetzes 2002) ist durch eine entsprechende fachärztliche Bestätigung nachzuweisen.
2. Die überwiegende Betreuung von Kindern bis zum 7. Geburtstag oder einem allfälligen späteren Schuleintritt (§92 Abs 1 Z 4 des Universitätsgesetzes 2002) ist durch folgende Dokumente nachzuweisen:
- Geburtsurkunde des Kindes,
- Meldezettel der oder des Studierenden,
- Meldezettel des Kindes, wobei die angegebene Adresse mit der Adresse der oder des Studierenden übereinstimmen muss, und
- eidesstattliche Erklärung der oder des Studierenden, dass das Kind überwiegend von ihr oder von ihm betreut wird.
3. Die Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit (§92 Abs 1 Z 5 des Universitätsgesetz 2002) ist durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über jenes Kalenderjahr, das dem jeweiligen Semesterbeginn vorangeht, nachzuweisen. Hinzurechnungen gemäß § 9 des Studienförderungsgesetzes 1992 und der Pauschalierungsausgleich gemäß § 10 des Studienförderungsgesetzes 1992 sind bei der Ermittlung des Einkommens im Sinne des § 8 des Studienförderungsgesetzes 1992 nur zu berücksichtigen, wenn diese aufgrund einer Erwerbstätigkeit angefallen sind.
4. Die Behinderung gemäß § 92 Abs 1 Z 6 des Universitätsgesetzes 2002 ist durch den Behindertenpass des Bundessozialamtes nachzuweisen.
(5) […]
(6) Der Erlass des Studienbeitrages kann, bei Vorliegen der entsprechenden Nachweise, für folgende Dauer gewährt werden:
1. […]
2. in den Fällen des § 92 Abs 1 Z 5 des Universitätsgesetzes 2002 für das betreffende Sommer- und das darauf folgende Wintersemester;
3. in den Fällen des § 92 Abs 1 Z 6 des Universitätsgesetzes 2002 für die gesamte Studiendauer;
4. […]
(7) […]"
III. Erwägungen
1. Das Gesetzes- und das Verordnungsprüfungsverfahren sind zulässig. Die Verfahren haben nicht ergeben, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Beschwerde im Anlassverfahren zulässig ist, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Anlassfall auch angewendet wurden und auch der Verfassungsgerichtshof sie bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden hätte, unzutreffend wären. Auch die Bundesregierung sieht keine Anhaltspunkte, die gegen die Zulässigkeit der Verfahren sprechen.
2. Der Verfassungsgerichtshof hegt im Prüfungsbeschluss primär Bedenken ob der Verfassungskonformität des § 92 Abs 1 Z 5 UG. Diese Bedenken haben sich im Gesetzesprüfungsverfahren im Ergebnis auch als zutreffend erwiesen:
2.1. Ausgangspunkt ist die auch von der Bundesregierung in ihrer Äußerung hervorgestrichene Auslegung des § 92 Abs 1 Z 5 UG, der zufolge dieser Tatbestand für den Erlass beziehungsweise die Rückerstattung von Studienbeiträgen den Aspekt der zeitlichen Inanspruchnahme von Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit berücksichtigen soll. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren auch die im Prüfungsbeschluss geäußerte vorläufige Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, der zufolge § 92 Abs 1 Z 5 UG auf ein Jahreseinkommen im einkommensteuerrechtlichen Sinn in einer bestimmten Höhe "als Gradmesser für die zeitliche Belastung" (Äußerung der Bundesregierung, Punkt 1.1.2.) abstellt.
Wenn der Gesetzgeber damit aus verwaltungsökonomischen Gründen das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme von Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit am Maßstab des mit dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens misst, ist dem unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten. Dass die vom Gesetzgeber hiezu in § 92 Abs 1 Z 5 UG vorgesehene Mindestverdienstgrenze in Höhe des 14-fachen der Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG mitunter nur bedingt Auskunft über die tatsächliche zeitliche Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit gibt, führt für sich genommen noch nicht zur Unsachlichkeit der Regelung (vgl. VfSlg 18.705/2009).
2.2. Die Bedenken, die der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss ge-äußert hat, gehen dahin, dass für Studierende, die ein entsprechendes Erwerbseinkommen (auch) aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielen, die Regelung des § 92 Abs 1 Z 5 UG zu unsachlichen Ergebnissen führt. So kann die steuerliche Berücksichtigung etwa von Investitionen dazu führen, dass das Jahreseinkommen, auf das § 92 Abs 1 Z 5 UG abstellt, unter die dort genannte Mindestverdienstgrenze absinkt, obwohl – lässt man diese Investitionen außer Betracht – ein über dieser Verdienstgrenze liegendes Einkommen erwirtschaftet würde. Ebenso kann der Umstand, dass § 92 Abs 1 Z 5 UG auf das Jahreseinkommen abstellt, bei Studierenden, die sowohl unselbständig als auch selbständig erwerbstätig sind, dazu führen, dass – obwohl das Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit über der Mindestverdienstgrenze des § 92 Abs 1 Z 5 UG liegt – ihr Jahreseinkommen wegen der steuerlichen Berechnung des Jahreseinkommens insgesamt unter der genannten Mindestverdienstgrenze zu liegen kommt. In all diesen Fällen sagt das Unterschreiten der in § 92 Abs 1 Z 5 UG vorgesehenen Verdienstgrenze jedoch nichts über die zeitliche Inanspruchnahme des Studierenden durch eine Erwerbstätigkeit aus.
Die Bundesregierung trachtet, diese Auswirkungen des von § 92 Abs 1 Z 5 UG gewählten Regelungssystems damit zu rechtfertigen, dass es aus selbständiger Erwerbstätigkeit einkommensteuerpflichtige Studierende in der Hand haben, ob sie beispielsweise die steuerliche Geltendmachung von bestimmten Investitionen oder eben den Erlass des Studienbeitrages bevorzugen. Es bleibe jedem Studierenden im Einzelfall unbenommen, "konkret durchzurechnen, wie er am besten 'aussteigt'".
Dieser Einwand verfängt nicht. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum Studierende auf die Geltendmachung einkommensteuerrechtlicher Vorteile verzichten sollen, um in den Genuss der finanziellen Begünstigung des § 92 Abs 1 Z 5 UG zu kommen, wenn die Regelung ansonsten diese Begünstigung jedem erwerbstätigen Studierenden auch mit noch so hohem Einkommen zugesteht. Wenn die Regelung auch Studierende begünstigt, die sich – gemessen am Indikator ihres Jahreseinkommens – hauptsächlich ihrer Erwerbstätigkeit und untergeordnet dem Studium widmen, dann ist es sachlich nicht gerechtfertigt, für bestimmte erwerbstätige Studierende mit geringerem Jahreseinkommen diese Begünstigung davon abhängig zu machen, dass sie auf gesetzlich vorgesehene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten verzichten.
2.3. Wie die Bundesregierung ausführt, kommt eine diese unsachliche Konsequenz vermeidende differenzierende Auslegung des Begriffes "Jahreseinkommen" schon deswegen nicht in Betracht, weil dem Gesetz keine näheren Anhaltspunkte für ein solches differenziertes Verständnis des Jahreseinkommens zu entnehmen sind (vgl. demgegenüber im Hinblick auf das Überschreiten bestimmter Verdienstgrenzen differenzierend strukturierte Regelungen wie beispielsweise § 2 Abs 2 Z 2 litc bzw. Z 6 litb iVm §§41 f. Karenzgeldgesetz [KGG], BGBl I 47/1997 in der geltenden Fassung, sowie § 12 Abs 6 litc iVm §§36 ff. Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 [AlVG], BGBl 609/1977 in der geltenden Fassung).
An diesem Ergebnis ändert auch die durch BGBl I 81/2009 in § 92 Abs 1 Z 5 zweiter Satz UG aufgenommene Möglichkeit zur Anfrage beim jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger nichts, weil damit offensichtlich – im Hinblick auf die auch von der Bundesregierung betonten Unterschiede zwischen den Beitragsgrundlagen im sozialversicherungsrechtlichen Sinn und dem Jahreseinkommen im einkommensteuerrechtlichen Sinn – nur eine ergänzende Ermittlungsmöglichkeit geschaffen werden sollte, ohne dass die Maßgeblichkeit des Jahreseinkommens im einkommensteuerrechtlichen Sinn für den Erlass bzw. die Rückerstattung des Studienbeitrages gemäß § 92 Abs 1 Z 5 UG aufgegeben werden soll.
2.4. § 92 Abs 1 Z 5 UG verstößt somit aus den dargelegten Gründen gegen den Gleichheitsgrundsatz. Diese Bestimmung ist daher – weil Satz 1 und Satz 2 des § 92 Abs 1 Z 5 UG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen – zur Gänze aufzuheben.
3. Die den Gegenstand des Verordnungsprüfungsverfahrens bildenden Teile des § 2b Abs 4 StubeiV 2004 haben, was im Verfahren unbestritten geblieben ist, ihre gesetzliche Grundlage in § 92 Abs 1 Z 5 UG. Mit der Aufhebung des § 92 Abs 1 Z 5 UG haben somit die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des § 2b Abs 4 StubeiV 2004 ihre gesetzliche Grundlage verloren und sind daher schon deshalb als gesetzwidrig aufzuheben, ohne dass auf die sonstigen im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungsbestimmungen einzugehen ist (vgl. VfSlg 17.476/2005 und die dort zitierte Judikatur).
IV. Ergebnis
1. § 92 Abs 1 Z 5 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 79/2013, ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B VG. Mit dieser Frist soll dem Gesetzgeber und in der Folge dem Verordnungsgeber die Möglichkeit einer Neuregelung eingeräumt und gleichzeitig ein Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmungen während eines laufenden Semesters verhindert werden (vgl. VfSlg 19.448/2011).
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Die Ziffernfolge ", 5" im ersten Halbsatz und die Ziffer 3 des § 2b Abs 4 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004), BGBl II 55/2004 idF BGBl II 211/2010, sind als gesetzwidrig aufzuheben.
6. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Stellen der StubeiV 2004 gründet sich auf Art 139 Abs 5 letzter Satz B VG.
7. Die Verpflichtung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 59 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2016:G88.2016