VfGH vom 03.10.2013, G88/2011
19808
Leitsatz
Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches betreffend die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses großer Aktiengesellschaften im Amtsblatt zur Wiener Zeitung; zusätzlich zur Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs vorgesehene Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden, weitgehend unentgeltlich zugänglichen Medium angesichts der besseren Zugänglichkeit von Informationen für die interessierte Öffentlichkeit im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag und Vorverfahren
1. Die antragstellende Gesellschaft begehrt mit ihrem auf Art 140 B-VG gestützten Antrag,
"§277 Abs 2 und 3 sowie die Worte 'und 2' in Abs 4 UGB idF BGBl I Nr 70/2008, den 2. Satz des § 280 Abs 1 UGB idF BGBl Nr 304/1996 und die Worte 'und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes' in § 281 Abs 2 UGB idF BGBl I Nr 103/2006,
in eventu § 277 Abs 2 und 3 sowie die Worte 'und 2' in Abs 4 UGB idF BGBl I Nr 70/2008, den 2. Satz des § 280 Abs 1 UGB idF BGBl Nr 304/1996, die Worte 'und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes' in § 281 Abs 2 UGB idF BGBl I Nr 103/2006, die Wortfolge 'und ob, soweit Veröffentlichungen vorgeschrieben sind, diese veranlaßt' in § 282 Abs 1 UGB idF BGBl Nr 304/1996, § 282 Abs 3 UGB idF BGBl Nr 304/1996 und § 191 AktG idF BGBl I Nr 71/2009,
als verfassungswidrig aufzuheben". (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
1.1. Die antragstellende Gesellschaft bringt zu ihrer Antragslegitimation im Wesentlichen Folgendes vor:
1.1.1. Sie sei eine große Aktiengesellschaft iSd § 221 Abs 3 des Bundesgesetzes über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch - UGB), dRGBl. S 219/1897 idF BGBl I 50/2013, (in der Folge: UGB), weshalb § 277 Abs 2 leg.cit., welcher – neben der Einreichung des Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht gemäß § 277 Abs 1 leg.cit. – die zusätzliche Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vorschreibe, auf sie anzuwenden sei. Da die antragstellende Gesellschaft darüber hinaus zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sei, müsse sie gemäß § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. auch den Konzernabschluss zusätzlich im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlichen; nach herrschender Meinung beziehe sich diese Bestimmung entsprechend der Absicht des Gesetzgebers auch auf den Fall, dass die Muttergesellschaft selbst eine große Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland sei, womit diese Bestimmung auch auf den Konzernabschluss der antragstellenden Gesellschaft anzuwenden sei. Gemäß § 283 Abs 7 leg.cit. würden die angeführten Veröffentlichungspflichten nicht nur den Vorstand, sondern auch die Gesellschaft selbst treffen, womit auch die antragstellende Gesellschaft Adressatin der Veröffentlichungspflichten sei.
1.1.2. Die genannten Veröffentlichungspflichten würden die antragstellende Gesellschaft unmittelbar aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen treffen, womit diese ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für die antragstellende Gesellschaft wirksam würden.
1.1.3. Schließlich sei es der antragstellenden Gesellschaft nicht zumutbar, gegen die jeweilige Veröffentlichungspflicht zu verstoßen und anschließend die Verhängung der Zwangsstrafe zu bekämpfen, weil seit der Neufassung des Zwangsstrafenregimes in § 283 UGB (Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010) keine Androhung der Zwangsstrafe mehr vorgesehen sei, sondern eine solche gemäß § 283 Abs 2 leg.cit. sofort und ohne vorausgehendes Verfahren zu verhängen sei, wenn die Offenlegung des Jahresabschlusses nach § 277 leg.cit. nicht fristgerecht erfolge. Die auf Basis der alten Rechtslage in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes geäußerten Gründe für die Zumutbarkeit der Bekämpfung der Verhängung von Zwangsstrafen (VfSlg 15.589/1999) würden daher nicht mehr vorliegen.
1.2. In der Sache bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und gegen den Gleichheitssatz (Art2 StGG und Art 7 B-VG) verstoßen würden:
1.2.1. Die "sinnlose" Anordnung des § 277 Abs 2 UGB, wonach große Aktiengesellschaften ihren Jahresabschluss zusätzlich zur Einreichung beim Firmenbuchgericht (und der damit einhergehenden Veröffentlichung) kostenpflichtig im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu veröffentlichen hätten, sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil eine zusätzliche – über die in der Datenbank des Firmenbuchs bestehende – Information des Publikums nicht notwendig sei. Schon mit der Einreichung des Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht stehe jedermann die Einsicht in den Jahresabschluss offen, wobei diese weltweit über Internet möglich sei. Der Wiener Zeitung fehle es an einer entsprechenden Breitenwirkung, weshalb eine sachliche Rechtfertigung für § 277 Abs 2 leg.cit. bzw. § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. unter dem Gesichtspunkt der Publikumsinformation nicht gegeben sei. Die angefochtenen Bestimmungen würden daher ganz offensichtlich nur der Subventionierung eines Staatsbetriebes, insbesondere der Querfinanzierung des Mediums Wiener Zeitung, dienen. Die Subventionierung solcher Medien sei zwar an sich zulässig, jedoch sei es einerseits unsachlich bzw. gleichheitswidrig, andererseits eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Ausübung der Erwerbsbetätigungsfreiheit, dass einzelne Wirtschaftstreibende, wie die antragstellende Gesellschaft als große Aktiengesellschaft, dazu verpflichtet würden, mittels Schaltung von Zwangsinseraten ein bestimmtes Medium zu subventionieren.
1.2.2. Darüber hinaus gebe es keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass die Veröffentlichungspflicht allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig gemacht werde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass lediglich große Aktiengesellschaften ihren Jahresabschluss zusätzlich veröffentlichen müssten, nicht aber große Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Diese Differenzierung sei vom Gesetzgeber bei Einführung der Bestimmung damit begründet worden, dass große Aktiengesellschaften ihren Jahresabschluss "im vollen Inhalt" veröffentlichen müssten, während das Firmenbuchgericht nur "den Tag der Einreichung des Jahresabschlusses bekannt zu machen" habe. Diese Begründung sei jedoch seit der Umstellung der Urkundensammlung auf ADV (womit nunmehr ohnehin alle Jahresabschlüsse in vollem Inhalt im Firmenbuch zu veröffentlichen seien) obsolet.
2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag geäußerten Bedenken entgegentritt und beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen bzw. die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
2.1. Zur Frage der Zulässigkeit des Antrags führt die Bundesregierung im Wesentlichen wie folgt aus:
2.1.1. Die Veröffentlichungspflicht nach § 277 Abs 2 UGB sei dem Wortlaut dieser Regelung nach nur an den Vorstand einer großen Aktiengesellschaft adressiert. Diese Veröffentlichungspflicht treffe zwar – wie die antragstellende Gesellschaft richtigerweise festhalte – gemäß § 283 Abs 7 leg.cit. auch die antragstellende Gesellschaft selbst, jedoch greife § 277 Abs 2 leg.cit. erst mittels § 283 Abs 7 leg.cit. in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein; dasselbe gelte für § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit.
2.1.2. Des Weiteren sei der Anfechtungsumfang im vorliegenden Antrag nicht richtig abgegrenzt. Der Antrag behaupte einen untrennbaren Zusammenhang des § 277 Abs 3 UGB und der angefochtenen Wortfolgen in § 277 Abs 4 leg.cit. und § 281 Abs 2 leg.cit. mit den primär angefochtenen § 277 Abs 2 leg.cit. und § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. Ein untrennbarer Zusammenhang liege jedoch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes noch nicht allein dadurch vor, dass im Falle der Aufhebung des § 277 Abs 2 leg.cit. bzw. des § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. die übrigen o.a. Bestimmungen unanwendbar würden. Durch die Aufhebung der Wortfolge "und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes" in § 281 Abs 2 vierter Satz leg.cit. würde mehr aus dem Rechtsbestand entfernt werden, als zur Beseitigung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit erforderlich sei. Es könne sich nämlich aus einer Verpflichtung zum Verweis auf die Nummer des Bekanntmachungsblattes allein keine Pflicht zur Veröffentlichung in einem Bekanntmachungsblatt ergeben.
2.1.3. Schließlich stehe der antragstellenden Gesellschaft ein zumutbarer Umweg iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Verfügung. Die Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Amtsblatt zur Wiener Zeitung stelle zwar Vollziehung der Gesetze iSd § 1 Abs 1 AHG dar, ihr liege jedoch ein privatrechtlicher Auftrag zugrunde, nämlich die Veranlassung der Veröffentlichung, für die ein Entgelt zu entrichten sei. Die antragstellende Gesellschaft könne bei einem Auftrag zur Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung das dafür zu bezahlende Entgelt mit Vorbehalt entrichten und es in einem zivilgerichtlichen Verfahren zurückfordern.
2.2. In der Sache tritt die Bundesregierung den im Antrag geäußerten Bedenken folgendermaßen entgegen:
2.2.1. Die im vorliegenden Antrag angefochtene Veröffentlichungspflicht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung sei zur Erfüllung des im öffentlichen Interesse liegenden Informationszweckes geeignet und zudem verhältnismäßig, weil die Einsicht in das Amtsblatt zur Wiener Zeitung im Gegensatz zu jener in das Firmenbuch unentgeltlich möglich sei.
Der Oberste Gerichtshof habe bisher keine Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen gehegt. Laut diesem würden die Bestimmungen über die Offenlegung des Jahresabschlusses zur Information von Dritten dienen, welche die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen würden. Die nach § 277 Abs 2 UGB in Papierform nur im Amtsblatt zur Wiener Zeitung erfolgende Veröffentlichung erfülle das Informationsbedürfnis einer interessierten Öffentlichkeit, die diese Mitteilungen gemäß § 2a Verlautbarungsgesetz 1985 unentgeltlich über das Internet abrufen könne ( mwN). Des Weiteren habe der Oberste Gerichtshof in seiner Judikatur festgehalten, dass die "durch die Bekanntmachung sowohl in der Ediktsdatei als auch im Amtsblatt zur Wiener Zeitung erreichte (erweiterte) Publizität […] mit den Zielen der Vorlagepflicht und ihrer Durchsetzung (Schutz der Rechte von Gläubigern und Vertragspartnern der Gesellschaft) in Einklang" stehe ().
2.2.2. Zum Vorbringen der mangelnden sachlichen Rechtfertigung, die Veröffentlichungspflicht allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig zu machen, führt die Bundesregierung aus, dass das Unternehmensgesetzbuch zwischen großen Aktiengesellschaften (§277 Abs 2 UGB), kleinen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§278 leg.cit.), kleinen und mittelgroßen Aktiengesellschaften und mittelgroßen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§279 leg.cit.), Konzernen (§280 leg.cit.) sowie Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften (§280a leg.cit.) unterscheide, was im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege. Die Verpflichtung großer Aktiengesellschaften zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Amtsblatt zur Wiener Zeitung sei durch die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung von großen Aktiengesellschaften bzw. durch das besondere Interesse von Investoren, Gläubigern und Anteilseignern an der wirtschaftlichen Situation von großen Aktiengesellschaften begründet.
II. Rechtslage
1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des UGB, dRGBl. S 219/1897 idF BGBl I 50/2013, lauten wie folgt (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen bzw. Wortfolgen sind hervorgehoben):
"ZWEITER ABSCHNITT
Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften
(Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
ERSTER TITEL
Größenklassen
Umschreibung
§221. (1) Kleine Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:
1. 4,84 Millionen Euro Bilanzsumme;
2. 9,68 Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Ab- schlussstichtag;
3. im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer.
(2) Mittelgroße Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei in Abs 1 bezeichneten Merkmale überschreiten und mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:
1. 19,25 Millionen Euro Bilanzsumme;
2. 38,5 Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
3. im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer.
(3) Große Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei in Abs 2 bezeichneten Merkmale überschreiten. Eine Kapitalgesellschaft gilt stets als groß, wenn Aktien oder andere von ihr ausgegebene Wertpapiere an einem geregelten Markt im Sinne des § 1 Abs 2 BörseG oder an einem anerkannten, für das Publikum offenen, ordnungsgemäß funktionierenden Wertpapiermarkt in einem Vollmitgliedstaat der OECD zum Handel zugelassen sind.
(4)-(7) […]
[…]
ZWEITER TITEL
Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung,
Prüfung durch das Firmenbuchgericht
Offenlegung
§277. (1) Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluß und den Lagebericht sowie gegebenenfalls den Corporate Governance-Bericht nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen. […]
(2) Der Vorstand einer großen Aktiengesellschaft (§221 Abs 3) hat die Veröffentlichung des Jahresabschlusses unmittelbar nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung, jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu veranlassen. Der Nachweis über die Veranlassung dieser Veröffentlichung ist gleichzeitig mit den in Abs 1 bezeichneten Unterlagen beim Firmenbuchgericht einzureichen. Bei der Veröffentlichung ist das Firmenbuchgericht und die Firmenbuchnummer anzugeben. Dies gilt auch für allfällige Änderungen (Abs1 letzter Satz).
(3) In der Veröffentlichung können alle Posten in vollen 1 000 Euro angegeben werden.
(4) Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben spätestens mit den Einreichungen gemäß Abs 1 und 2 oder auf dem Jahresabschluss selbst anzugeben, in welche der Größenklassen des § 221 Abs 1 bis 3 die Gesellschaft unter Bedachtnahme auf § 221 Abs 4 im betreffenden Geschäftsjahr einzuordnen ist.
(5)-(8) […]
[…]
Offenlegung des Konzernabschlusses
§280. (1) Die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft, die einen Konzernabschluß aufzustellen hat, haben den Konzernabschluß mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung gleichzeitig mit dem Jahresabschluß unter Beifügung der bezeichneten Unterlagen und des Konzernlageberichts beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen. § 277 Abs 2 ist für die Veröffentlichung des Konzernabschlusses sinngemäß anzuwenden, wenn ein Tochterunternehmen eine große Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist.
(2) […]
[…]
Form und Inhalt der Unterlagen bei der Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung
§281. (1) Bei der vollständigen oder teilweisen Offenlegung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses und bei der Veröffentlichung oder Vervielfältigung in anderer Form auf Grund des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung sind der Jahresabschluß und der Konzernabschluß so wiederzugeben, daß sie den für ihre Aufstellung maßgeblichen Vorschriften entsprechen; sie haben in diesem Rahmen vollständig und richtig zu sein. Wurde der Jahresabschluß oder der Konzernabschluß auf Grund gesetzlicher Vorschriften durch einen Abschlußprüfer geprüft, so ist jeweils der vollständige Wortlaut des Bestätigungsvermerks oder des Vermerks über dessen Versagung wiederzugeben; wird der Jahresabschluß wegen der Inanspruchnahme von Erleichterungen nur teilweise offengelegt und bezieht sich der Bestätigungsvermerk auf den vollständigen Jahresabschluß, so ist hierauf hinzuweisen.
(2) Werden der Jahresabschluß oder der Konzernabschluß in Veröffentlichungen und Vervielfältigungen, die nicht durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorgeschrieben sind, nicht in der gemäß Abs 1 vorgeschriebenen Form wiedergegeben, so ist jeweils in einer Überschrift darauf hinzuweisen, daß es sich nicht um eine der gesetzlichen Form entsprechende Veröffentlichung handelt. Ein Bestätigungsvermerk darf nicht beigefügt werden. Ist jedoch auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine Prüfung durch einen Abschlußprüfer erfolgt, so ist anzugeben, ob der Abschlußprüfer den in gesetzlicher Form erstellten Jahresabschluß oder den Konzernabschluß bestätigt hat oder ob er die Bestätigung eingeschränkt oder versagt hat. Ferner ist anzugeben, bei welchem Firmenbuch und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes die Offenlegung erfolgt oder daß die Offenlegung noch nicht erfolgt ist.
DRITTER TITEL
Prüfungspflicht und Zwangsstrafen
Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts
§282. (1) Das Gericht hat zu prüfen, ob die gemäß §§277 bis 281 offenzulegenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht und ob, soweit Veröffentlichungen vorgeschrieben sind, diese veranlaßt worden sind.
(2) Gibt die Prüfung gemäß Abs 1 Anlaß zu der Annahme, daß von der Größe der Gesellschaft abhängige Vorschriften nicht hätten in Anspruch genommen werden dürfen, so kann das Gericht zu seiner Unterrichtung von der Gesellschaft innerhalb einer angemessenen Frist die Mitteilung der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse gemäß § 231 und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer gemäß § 221 Abs 6 verlangen. Unterläßt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, so gelten die Vorschriften als zu Unrecht in Anspruch genommen.
(3) Ist eine gebotene Veröffentlichung unterblieben, so hat das Gericht diese Tatsache ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf Kosten der Gesellschaft bekanntzumachen, wenn dies ein Gesellschafter, Gläubiger, Betriebsrat (Zentralbetriebsrat) oder eine gesetzliche Interessenvertretung beantragt. Die Antragsberechtigung ist glaubhaft zu machen. Ein späterer Wegfall der Antragsberechtigung ist unschädlich. Der Antrag kann nicht zurückgenommen werden.
Zwangsstrafen
§283. (1) Die Vorstandsmitglieder (Geschäftsführer) oder die Abwickler sind, unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften, zur zeitgerechten Befolgung der §§244, 245, 247, 270, 272 und 277 bis 280, die Aufsichtsratsmitglieder zur Befolgung des § 270 und im Fall einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft die für diese im Inland vertretungsbefugten Personen zur Befolgung des § 280a vom Gericht durch Zwangsstrafen von 700 Euro bis zu 3 600 Euro anzuhalten. Die Zwangsstrafe ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen. Sie ist wiederholt zu verhängen, soweit die genannten Organe ihren Pflichten nach je weiteren zwei Monaten noch nicht nachgekommen sind.
(2) Ist die Offenlegung nach Abs 1 nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgt, so ist – sofern die Offenlegung nicht bis zum Tag vor Erlassung der Zwangsstrafverfügung bei Gericht eingelangt ist – ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung eine Zwangsstrafe von 700 Euro zu verhängen. Von der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung kann abgesehen werden, wenn das in Abs 1 genannte Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. In diesem Fall kann – soweit bis dahin noch keine Offenlegung erfolgt ist – mit der Verhängung der Zwangsstrafverfügung bis zum Ablauf von vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses, welches der Offenlegung entgegenstand, zugewartet werden. Zwangsstrafverfügungen sind wie Klagen zuzustellen. Gegen die Zwangsstrafverfügung kann das jeweilige Organ binnen 14 Tagen Einspruch erheben, andernfalls erwächst die Zwangsstrafverfügung in Rechtskraft. Im Einspruch sind die Gründe für die Nichtbefolgung der in Abs 1 genannten Pflichten anzuführen. Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§21 AußStrG). Ist der Einspruch verspätet oder fehlt ihm jegliche Begründung, so ist er mit Beschluss zurückzuweisen.
(3) Mit der rechtzeitigen Erhebung des begründeten Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung außer Kraft. Über die Verhängung der Zwangsstrafe ist im ordentlichen Verfahren mit Beschluss zu entscheiden. Ist nicht mit Einstellung des Zwangsstrafverfahrens vorzugehen, so kann – ohne vorherige Androhung – eine Zwangsstrafe von 700 Euro bis 3 600 Euro verhängt werden. Gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren steht dem jeweiligen Organ ein Rechtsmittel zu (§§45 ff. AußStrG).
(4) Ist die Offenlegung innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des letzten Tages der Offenlegungsfrist noch immer nicht erfolgt, so ist durch Strafverfügung eine weitere Zwangsstrafe von 700 Euro zu verhängen. Das Gleiche gilt bei Unterbleiben der Offenlegung für jeweils weitere zwei Monate; wird gegen eine solche Zwangsstrafverfügung Einspruch erhoben, so ist der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen.
(5) Richtet sich die Zwangsstrafverfügung gemäß Abs 4 gegen ein in Abs 1 genanntes Organ einer mittelgroßen (§221 Abs 2) Kapitalgesellschaft, so erhöhen sich die damit zu verhängenden Zwangsstrafen sowie die in Abs 1 und 3 angedrohten Zwangsstrafen im ordentlichen Verfahren jeweils auf das Dreifache. Wird das Zwangsstrafenverfahren gegen ein in Abs 1 genanntes Organ einer großen (§221 Abs 3) Kapitalgesellschaft geführt, so erhöhen sich diese Beträge jeweils auf das Sechsfache. Als Grundlage für die Größenklasse kann der zuletzt vorgelegte Jahresabschluss herangezogen werden.
(6) Die Zwangsstrafen sind auch dann zu vollstrecken, wenn die Bestraften ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist.
(7) Die den gesetzlichen Vertretern in den §§244, 245, 247, 270, 272 und 277 bis 280a auferlegten Pflichten treffen auch die Gesellschaft. Kommt die Gesellschaft diesen Pflichten durch ihre Organe nicht nach, so ist gleichzeitig auch mit der Verhängung von Zwangsstrafen unter sinngemäßer Anwendung der Abs 1 bis 6 auch gegen die Gesellschaft vorzugehen."
2. § 191 des Bundesgesetzes über Aktiengesellschaften (Aktiengesetz – AktG), BGBl 98/1965 idF BGBl I 35/2012, lautet wie folgt:
"Veröffentlichung
§191. Die Veröffentlichung des Jahresabschlusses nach § 277 UGB darf im Fall des § 188 erst nach Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung, im Fall des § 189 erst ergehen, nachdem die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung und die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen worden sind. "
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art 140 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002).
1.2. Der Antrag ist zulässig:
1.2.1. Die antragstellende Gesellschaft ist eine große Aktiengesellschaft iSd § 221 Abs 3 UGB, weshalb sich die Veröffentlichungspflicht gemäß § 277 Abs 2 leg.cit. an sie richtet; sie ist daher Adressatin dieser Norm. Darüber hinaus ist die antragstellende Gesellschaft auch zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet. Gemäß § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. ist für die Veröffentlichung des Konzernabschlusses § 277 Abs 2 leg.cit. sinngemäß anzuwenden, wenn ein Tochterunternehmen eine große Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist; nach herrschender Meinung gilt dasselbe, wenn die Muttergesellschaft selbst eine große Aktiengesellschaft ist (s. Fölhs / Prillinger in: Torggler [Hrsg.], Unternehmensgesetzbuch Kommentar, 2013, § 280, Rz 6). Die antragstellende Gesellschaft ist daher auch Normadressatin des § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit.
1.2.2. Soweit die Bundesregierung in ihrer Äußerung festhält, dass § 277 Abs 2 UGB an den Vorstand einer großen Aktiengesellschaft gerichtet sei und erst iVm § 283 Abs 7 leg.cit. in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingreife, ist zu entgegnen, dass die Rechtsfolgen der Veröffentlichungspflicht gemäß § 283 Abs 7 leg.cit. jedenfalls auch die antragstellende Gesellschaft selbst treffen.
1.2.3. Zur damit in Zusammenhang stehenden Frage, ob der Anfechtungsumfang im Antrag zu eng gewählt ist (weil die antragstellende Gesellschaft auch § 283 Abs 7 UGB mitanfechten hätte müssen), ist festzuhalten, dass einerseits durch die isolierte Aufhebung des § 277 Abs 2 leg.cit. bzw. des § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit. die mögliche Verfassungswidrigkeit beseitigt würde und andererseits § 283 Abs 7 leg.cit. auch nicht einen dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Inhalt annehmen oder als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar überbleiben würde (s. VfSlg 16.279/2001), weil § 277 leg.cit. (auf welchen § 283 Abs 7 leg.cit. verweist) noch weitere Pflichten – wie zB jene der Einreichung u.a. des Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht gemäß § 277 Abs 1 leg.cit. – regelt.
1.2.4. Die ebenfalls beantragte Aufhebung der Wortfolge "und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes" in § 281 Abs 2 UGB ist zulässig, weil diese Bestimmung unmittelbar an die Veröffentlichungspflicht anknüpft.
1.2.5. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (VfSlg 15.589/1999) zur früheren Rechtslage entschieden, dass die Bekämpfung eines Bescheides, mit dem eine Zwangsstrafe nach der damaligen Rechtslage zur Erzwingung einer verpflichtenden Veröffentlichung verhängt wurde, einen zumutbaren Weg darstellt, die Verfassungswidrigkeit der die Veröffentlichung anordnenden Normen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Aufgrund der durch BGBl I 111/2010 erfolgten Änderung des Zwangsstrafenregimes liegt ein zumutbarer Weg nun nicht mehr vor. Das neue Zwangsstrafenregime macht die Androhung einer Strafe obsolet (so auch Dokalik / Birnbauer , Das neue Verfahren zur Erzwingung der Offenlegung nach den §§277 ff UGB, GesRZ2011, 22 [22]). Sofern die Offenlegungspflichten (dazu zählen gemäß § 283 Abs 1 leg.cit. auch jene nach § 277 Abs 2 leg.cit. und § 280 Abs 1 zweiter Satz leg.cit.) bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist nicht erfüllt sind, ist gemäß § 283 Abs 2 leg.cit. ohne vorhergehendes Verfahren automationsunterstützt mit dem festgesetzten Mindestbetrag durch Strafverfügung eine Zwangsstrafe zu verhängen (s. RV 981 BlgNR 24. GP, 71). Gegen die verhängte Zwangsstrafverfügung kann zwar gemäß § 283 Abs 2 leg.cit. binnen 14 Tagen Einspruch erhoben werden, womit die Zwangsstrafverfügung gemäß § 283 Abs 3 leg.cit. außer Kraft tritt und das ordentliche Verfahren mit der Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsmittels einzuleiten ist, jedoch ist es dem Betroffenen – im Gegensatz zur o.a. früheren Rechtslage – nun nicht mehr möglich, der Verhängung der Zwangsstrafe durch ihre Bekämpfung und die Erfüllung der Verpflichtung zu entgehen. Der "Hinweis auf eine mittlerweile nach Erlassung der Zwangsstrafverfügung (wenngleich auch verspätet) erfolgte Vorlage reicht, wie sich aus dem […] Zweck der Verhängung der Zwangsstrafe ergibt (Anhaltung zur zeitgerechten Erfüllung der Pflichten), nicht aus", um das Verfahren einzustellen (RV981 BlgNR 24. GP, 71; vgl. auch ua.).
Der antragstellenden Gesellschaft ist es daher nicht zumutbar, sich rechtswidrig zu verhalten, um durch Provozierung eines Verfahrens zur Ahndung ihres rechtswidrigen Verhaltens eine Gesetzesprüfung vor dem Verfassungsgerichtshof zu erreichen (VfSlg 11.853/1988, 12.379/1990, 13.891/1994, 14.260/1995 ua.).
1.2.6. Soweit die Bundesregierung in ihrer Äußerung ausführt, dass die antragstellende Gesellschaft bei einem Auftrag zur Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung das dafür zu bezahlende Entgelt mit Vorbehalt entrichten und in einem zivilgerichtlichen Verfahren zurückfordern könne, ist festzuhalten, dass die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Bestimmungen in einem zivilrechtlichen Verfahren, in dem Prozessgegenstand die Rückforderung der Entgeltzahlung auf Grund einer Inseratenschaltung wäre, für das zuständige Gericht nicht präjudiziell wären.
1.2.7. Der Antrag auf Aufhebung des § 277 Abs 2 und 3 sowie der Worte "und 2" in § 277 Abs 4 UGB, des zweiten Satzes des § 280 Abs 1 leg.cit. sowie der Worte "und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes" in § 281 Abs 2 vierter Satz leg.cit. ist daher – da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen – zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Die antragstellende Gesellschaft behauptet, die angefochtenen Bestimmungen verstießen gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG und Art 7 B VG), auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG).
2.3. Im Rahmen der Darlegung ihrer Bedenken bringt die antragstellende Gesellschaft aber ausschließlich Gründe vor, weswegen die angefochtene Bestimmung unsachlich sei, somit allenfalls das Gleichheitsrecht verletze. Da die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung einen anderen Schutzbereich und Inhalt haben als der Gleichheitsgrundsatz und bei diesen dementsprechend nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes andere Eingriffsvoraussetzungen bestehen (zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums vgl. VfSlg 13.587/1993, 15.364/1998, 15.768/2000, zu jenem auf Freiheit der Erwerbsbetätigung s. VfSlg 10.501/1985, 15.112/1998, 15.431/1999), ist auf die Behauptung einer Verletzung dieser Rechte nicht weiter einzugehen.
2.4. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber
jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
2.5. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass es im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers liegt, für Veröffentlichungen, die als Folge des rechtsstaatlichen Prinzips oder aus sonstigen Gründen im öffentlichen Interesse liegen, ein besonderes Amtsblatt vorzusehen, das mit einer Tageszeitung verbreitet wird. Der Umfang der Veröffentlichungspflichten ist in sachlicher Weise abzugrenzen.
2.6. Die antragstellende Gesellschaft meint, dass die Veröffentlichung des Jahresabschlusses einschließlich des Bestätigungsvermerks oder des Vermerks über dessen Versagung oder Einschränkung in der Datenbank des Firmenbuchs (§277 Abs 6 UGB) und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung (§277 Abs 2 UGB) in gleicher Weise erfolge. Dies trifft zwar für den Inhalt des Veröffentlichungsgegenstandes zu, nicht aber für die Weise, in der die Veröffentlichung erfolgt und wie sich das Publikum jeweils über die Veröffentlichung informieren kann.
2.6.1. Zunächst ist auf den wesentlichen Unterschied hinzuweisen, dass die Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs – neben der Möglichkeit auf Einsichtnahme bei Gericht gemäß § 33 Firmenbuchgesetz (FBG), BGBl 10/1991 idF BGBl I 53/2011, bzw. auf Einsicht bei Notaren gemäß § 35 leg.cit. – insbesondere im Wege des Internets erfolgt, während die Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auch in Papierform ergeht. Ungeachtet der starken Verbreitung des Internets und dessen leichter weltweiter Verfügbarkeit darf nicht übersehen werden, dass schon die – in regelmäßigen Abständen erfolgende – Veröffentlichung in Papierform die Zugänglichkeit einer Veröffentlichung für einen nicht bloß unerheblichen Personenkreis, der das Internet bzw. die Möglichkeit der Einsichtnahme bei Gericht und bei Notaren nicht nutzt, ermöglicht. Die zusätzlichen Möglichkeiten des Internets schränken den Wert der traditionellen Veröffentlichung in regelmäßig erscheinenden Zeitungen in Papierform beim gegenwärtigen Stand der Technik und dem breiten Nutzerverhalten des jeweiligen Leserkreises keineswegs ein. Soweit die antragstellende Gesellschaft insoweit auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.112/2010 verweist, erfolgt dies zu Unrecht, weil der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung keine qualifizierenden Aussagen über die Breitenwirkung des Internets getroffen sondern lediglich ausgeführt hat, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Breitenwirkung des Internets keinen Unterschied für die Qualifizierung eines Veröffentlichungsaktes als der Gesetzgebung oder Vollziehung zurechenbar ausmacht.
2.6.2. Dazu kommt, dass die Veröffentlichung in einem Periodikum eine andere Informationsmöglichkeit bietet als die bloße Zugänglichkeit in einer Datenbank, besteht doch bei der periodischen Information die Möglichkeit, sich laufend über die Veröffentlichungen einen Überblick zu verschaffen, während in der Datenbank des Firmenbuchs gezielt – mittels konkreter Abfrage unter Angabe der Firmenbuchnummer – nach einer bestimmten Veröffentlichung gesucht werden muss. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass gemäß § 1 des Bundesgesetzes über Verlautbarungen in der Wiener Zeitung (Verlautbarungsgesetz 1985 - VerlautbG), BGBl 201, zuletzt geändert durch BGBl I 100/2003, die "Wiener Zeitung" bzw. das "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" für jegliche Bekanntmachung, für die gesetzlich eine öffentliche Verlautbarung vorgesehen ist, verwendet werden kann. Die Bundesregierung verweist auch zu Recht darauf, dass der Gesetzgeber auch in anderen Zusammenhängen öffentliche Verlautbarungen in diesem Medium vorsieht, so in § 65 BWG und § 84 VAG. Nach der Absicht des Gesetzgebers erhält das "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" auf diese Weise die Stellung eines zentralen Publikationsorgans, dem die Funktion zukommt, grundsätzlich jedem von öffentlichen Bekanntmachungen Betroffenen einen laufenden Überblick über diese Veröffentlichungen zu verschaffen, ohne dass der Betroffene bereits wissen muss, welche Informationen für ihn von Relevanz sind, wie dies bei der bloßen Zugänglichmachung im Wege einer im Internet verfügbaren Datenbank erforderlich ist.
2.6.3. Die gesetzliche Anordnung des § 2a VerlautbG, den Inhalt des "Amtsblattes zur Wiener Zeitung" unentgeltlich im Internet bereit zu stellen, ermöglicht die Zugänglichkeit des Amtsblattes auch ohne den entgeltlichen Erwerb in Papierform. Das Amtsblatt zur Wiener Zeitung ist im Internet – und zwar sowohl die jeweils aktuelle Ausgabe, als auch längere Zeit in die Vergangenheit zurückreichende Ausgaben – für jedermann unentgeltlich abrufbar, während sowohl Auszüge als auch Abfragen aus dem Firmenbuch im Hinblick auf Jahresabschlüsse gemäß § 32 GGG kostenpflichtig sind. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die redaktionelle Aufmachung in der Internetversion des Amtsblattes zur Wiener Zeitung nicht vergleichbar ist mit jener der Datenbank des Firmenbuchs nach § 29 FBG, dies gilt auch für die Suchfunktionen.
2.7. Es trifft daher schon die Prämisse der antragstellenden Gesellschaft nicht zu, die Veröffentlichung im Wege der Datenbank des Firmenbuchs sei von der Art her die gleiche wie jene im Amtsblatt zur Wiener Zeitung, auch wenn man nur die Zugänglichkeit im Internet heranzieht. Im Übrigen gehen die Betrachtungen der antragstellenden Gesellschaft über den Verbreitungsgrad des Amtsblattes zur Wiener Zeitung ins Leere, kommt es doch nicht auf den täglichen sichtbaren Leserkreis, sondern auf die Zugänglichkeit von Informationen für die interessierte Öffentlichkeit an.
Zusammengefasst liegt es daher im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, zusätzlich zur Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs auch eine Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden bzw. weitgehend unentgeltlich zugänglichen Medium wie dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung vorzusehen.
2.8. Soweit die antragstellende Gesellschaft meint, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, die Veröffentlichungspflicht lediglich für große Aktiengesellschaften, nicht aber für große Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorzusehen, ist festzuhalten, dass dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden kann, wenn er die Veröffentlichungspflicht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auf Grund der spezifischen Ausgestaltung von großen Aktiengesellschaften auf diese beschränkt und damit in sachlicher Weise an eine bestimmte Rechtsform anknüpft (zur Zulässigkeit der Differenzierung nach der Rechtsform vgl. VfSlg 12.175/1989).
IV. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2013:G88.2011