TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 13.06.1996, G87/96

VfGH vom 13.06.1996, G87/96

Sammlungsnummer

14503

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der als absolute Sperre wirkenden Festlegung einer Höchstzahl für Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer; Unverhältnismäßigkeit und Unsachlichkeit einer solchen undifferenzierten Regelung aufgrund der Unmöglichkeit der Berücksichtigung öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen; keine Verfassungswidrigkeit mehr seit der Einfügung einer Ausnahmeregelung für bestimmte Ausländer und einer Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung zur Überziehung der Bundeshöchstzahl

Spruch

I. a) § 4 Abs 7 des Bundesgesetzes vom , mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird, BGBl. Nr. 218/1975, idF der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 war verfassungswidrig.

b) Diese Bestimmung ist auch in dem beim Verwaltungsgerichtshof zur Z 95/09/0140 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

II. § 4 Abs 7 des Bundesgesetzes vom , mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird, BGBl. Nr. 218/1975, idF der Novelle BGBl. Nr. 257/1995 war bis zum Ablauf des verfassungswidrig.

III. Der Bundeskanzler ist zur

unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Beim Verfassungsgerichtshof sind drei Beschwerdeverfahren anhängig, deren Gegenstand jeweils ein im Instanzenzug ergangener Bescheid einer Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice bildet, mit dem - gestützt auf § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 iVm der gemäß § 12a leg.cit. erlassenen Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994 - ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft abgewiesen wird.

Begründend wurde in allen drei Verfahren ausgeführt, daß gemäß § 4 Abs 7 AuslBG Beschäftigungsbewilligungen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt ist, nur unter der Voraussetzung erteilt werden dürfen, daß diese Höchstzahl nicht überschritten wird. Da die in § 12a AuslBG vorgesehene Gesamtzahl gemäß der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994, für das Kalenderjahr 1995 262.000 betrage, diese Bundeshöchstzahl aber - wie sich aus der amtlichen Statistik ergebe - bereits überzogen und die beantragte ausländische Arbeitskraft auch nicht auf die Bundeshöchstzahl anzurechnen sei, sei die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht zulässig.

Bei Behandlung dieser hg. zu B729/95, B783/95 und B1367/95 protokollierten Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 entstanden. Der Gerichtshof hat deshalb beschloßen, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (G1395/95, G24/96 und G28/96).

b) Weiters ist beim Verfassungsgerichtshof zu B1659/95 eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid einer Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anhängig, mit dem - (nunmehr) gestützt auf § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 iVm der gemäß § 12a leg.cit. erlassenen Verordnung BGBl. 944/1994 - ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft abgewiesen wird. Auch dieser Bescheid ist wie die oben unter a) genannten begründet.

Aus Anlaß dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 entstanden. Er hat daher beschloßen, auch diese Bestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (G27/96).

c) Schließlich sind beim Verfassungsgerichtshof zu G87/96 bis G92/96 Anträge des Verwaltungsgerichtshofes anhängig, mit denen er aus Anlaß der bei ihm zu den Zlen. 95/09/0068, 95/09/0072, 95/09/0083, 95/09/0113, 95/09/0116 und 95/09/0119 anhängigen Beschwerden gegen Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (die den beim Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheiden gleichen - s. oben I.1.a)) und unter Hinweis auf den unten unter Pkt. II.3.a) wiedergegebenen Einleitungsbeschluß die Feststellung begehrt, daß § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 verfassungswidrig war.

d) Mit einem weiteren beim Verfassungsgerichtshof am eingelangten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof anläßlich einer weiteren bei ihm zur Z 95/09/0140 anhängigen Beschwerde, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 verfassungswidrig war. Dieser Antrag ist hg. zu G151/96 protokolliert.

Die dem Antrag zugrunde liegende Beschwerde wendet sich gegen einen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , mit dem der beschwerdeführenden Gesellschaft die beantragte Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft gemäß § 4 Abs 7 iVm § 12a AuslBG wegen Überschreitung der Bundeshöchstzahl nicht erteilt wurde.

II. 1. a) § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 lautet(e):

"(7) Beschäftigungsbewilligungen dürfen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt ist, nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß diese Höchstzahl nicht überschritten wird."

b) Diese Bestimmung erhielt durch die Novelle BGBl. 257/1995 mit Wirksamkeit folgenden Wortlaut:

"(7) Unbeschadet des § 12a Abs 2 dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß die Bundeshöchstzahl nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer erteilt werden soll, der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz hat."

2. § 4 Abs 7 AuslBG stand und steht systematisch und entstehungsgeschichtlich in folgendem Zusammenhang:

a) Ausländer (mit Ausnahme solcher aus dem EWR) dürfen in Österreich nur aufgrund eines Befreiungsscheins, einer Arbeitserlaubnis oder einer Beschäftigungsbewilligung beschäftigt werden. Eine solche kann nach dem Regelungssystem des AuslBG im Normalverfahren, im erleichterten Kontingentverfahren oder im Kontingentüberziehungsverfahren erteilt werden:

Während im Normalverfahren eine Beschäftigungsbewilligung (nach Anhörung der Sozialpartner gemäß § 20 Abs 2) nur zu erteilen ist, "wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen" (§4 Abs 1) und die in § 4 Abs 3 aufgezählten Voraussetzungen (zu denen die Aufenthaltsberechtigung des Ausländers, die Beschäftigung im eigenen Betrieb des Antragstellers, das Vorliegen entsprechender ärztlicher Zeugnisse, das Vorhandensein einer entsprechenden Unterkunft u.a. zählen) gegeben sind, entfällt dann, wenn Kontingente gemäß § 12 festgelegt sind, bis zu deren Ausschöpfung die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs 1 (und die Befassung der Sozialpartner). Sind Landeshöchstzahlen nach § 13 oder § 13a festgelegt, entfällt die Prüfung der Voraussetzungen nach § 4 Abs 1 bis zum Erreichen von 80 % der jeweiligen Höchstzahl.

Ist die Landeshöchstzahl aber überschritten oder ein bestehendes Kontingent ausgeschöpft, dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur im erschwerten Verfahren gemäß § 4 Abs 6 AuslBG erteilt werden. Diese Bestimmung lautet (idF BGBl. 450/1990, 684/1991 und 314/1994):

"Über bestehende Kontingente (§12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§13 und 13 a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs 3 in Verbindung mit Abs 4 gegeben sind."

(Der verwiesene § 18 Abs 3 handelt von der Beschäftigung von Ausländern für Montagearbeiten, Reparaturen im Zusammenhang mit Lieferungen oder Inbetriebnahme von Anlagen und Maschinen.)

b) Mit der Novelle BGBl. 450/1990 wurde in das AuslBG ein mit "Bundeshöchstzahl" überschriebener § 12a eingefügt und § 4 Abs 7 erhielt den unter II.1.a) wiedergegebenen Wortlaut.

Die Bestimmung des § 12a über die Bundeshöchstzahl wurde mehrfach novelliert und lautet in der für die Beurteilung der hg. zu B729/95, B783/95 und B1367/95 bekämpften Bescheide maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. 501/1993:

"(1) Die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer darf den Anteil von 8 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen.

(2) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann durch Verordnung die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer bis zum Anteil von 10 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erhöhen, wenn es öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen oder die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erfordern."

Ihr Abs 2 wurde mit Wirksamkeit durch die Novelle BGBl. 257/1995 neu gefaßt. Er lautet nunmehr:

"Über die Gesamtzahl gemäß Abs 1 hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, ein Höchstausmaß für alle Überziehungsfälle zusammengerechnet oder bestimmte zahlenmäßige Höchstrahmen für einzelne Gruppen vorsehen."

Mit der genannten Novelle BGBl. 257/1995 wurde auch § 4 Abs 7 neu gefaßt (und damit der novellierten Bestimmung des § 12a Abs 2 angepaßt; Wortlaut s. oben II.1.b)).

c) Auf der Grundlage des § 12a AuslBG (in unterschiedlichen Fassungen) hat der Bundesminister die Bundeshöchstzahl jeweils wie folgt festgesetzt:

für 1991 mit 308.000 (Kdm. BGBl. 755/1990)

für 1992 mit 317.000 (Kdm. BGBl. 599/1991)

für 1993 zunächst mit 324.000 (Kdm. BGBl. 739/1992)

sodann - nach einer Änderung des § 12a AuslBG durch

BG BGBl. 501/1993 und einer darauf

gestützten Verordnung, BGBl. 503/1993 -

mit 304.000 (Kdm. BGBl. 504/1993)

für 1994 zunächst mit 305.000 (Kdm. BGBl. 795/1993)

sodann - nach einer auf § 12a AuslBG idF BGBl.

501/1993 gestützten Verordnung, BGBl.

925/1993 -

mit 295.000 (Kdm. BGBl. 926/1993).

Für das - hier maßgebliche - Jahr 1995 hat der Bundesminister zunächst von der Ermächtigung des § 12a Abs 2 AuslBG (idF BGBl. 501/1993) nicht Gebrauch gemacht; vielmehr legte er die Bundeshöchstzahl durch Verordnung BGBl. 944/1994 mit 262.000 fest und ordnete weiters an, daß "ab Erreichen dieser Zahl ... Beschäftigungsbewilligungen und Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer erteilt werden (dürfen), die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterliegen".

In der Folge wurde - gestützt auf § 12a Abs 2 AuslBG idF BGBl. 257/1995 - mit Wirksamkeit vom die sogenannte Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung, BGBl. 278/1995, erlassen, mit der eine generelle Ermächtigung zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen und Sicherungsbescheinigungen für bestimmte Gruppen von Ausländern bis zum Ausmaß von 9 v.H. des österreichischen Arbeitskräftepotentials erteilt wird.

3. Angesichts dieser Rechtslage hatte der Gerichtshof die Bedenken, daß § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 und idF BGBl. 257/1995 mit den Anforderungen des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums und mit denen des Gleichheitsgrundsatzes unvereinbar sein dürfte.

a) Er begründete dies in seinem § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 betreffenden Einleitungsbeschluß B783/95 vom wie folgt:

"a) Die Regelung über die Notwendigkeit einer Bewilligung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und jene Regelungen, die näher bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Bewilligung zu erteilen und unter welchen Voraussetzungen sie zu versagen ist, greifen in die durch die Eigentumsgarantie des Art 5 StGG im Rahmen dieses Grundrechts mitgewährleistete Privatautonomie (vgl. VfSlg. 12227/1989) ein. Der Gesetzgeber muß bei derartigen Regelungen - wie der EGMR zu Art 1 des

1. ZPEMRK mehrfach erkannt hat (vgl. etwa die Fälle Sporrong und Lönnroth, EuGRZ 1983, 523 ff., Lithgou, EuGRZ 1988, 350 ff. oder Mellacher, ÖJZ 1990, 150 ff.) - darauf achten, daß 'ein billiger Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des einzelnen hergestellt wird'. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach (vgl. jüngst , unter Hinweis auf Lehre und frühere Rechtsprechung) die Auffassung vertreten, daß der Gesetzgeber bei Normierung von im öffentlichen Interesse gelegenen Eigentumsbeschränkungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten habe.

Der auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgrundsatz verlangt Regelungen, die sachlich gerechtfertigt werden können, normiert also ein umfassendes Sachlichkeitsgebot (vgl. zusammenfassend etwa Holoubek, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, ÖZW 1991, 72 ff.), wobei unverhältnismäßige Regelungen zur Unsachlichkeit führen können (vgl. z.B. VfSlg. 8871/1980, 12151/1989, 13020/1992).

b) Der nach dieser Rechtsprechung erforderlichen Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung scheint die in Prüfung genommene Regelung nicht standhalten zu können:

Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften einer Bewilligungspflicht unterwirft, solange die Ausgestaltung eines solchen Bewilligungsvorbehalts die Privatautonomie nicht unverhältnismäßig einschränkt oder sonst unsachlich ist. Es begegnet in diesem Sinn keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Erteilung einer solchen Bewilligung von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und vom Vorliegen besonderer Voraussetzungen abhängig macht (wie dies im Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs 1 und 3 AuslBG vorgesehen ist); aber auch die Festlegung von Kontingenten und Höchstzahlen begegnet grundsätzlich keinen Bedenken. Der hierin liegende Grundrechtseingriff dürfte angesichts der Regelung des § 4 Abs 6 AuslBG nicht unverhältnismäßig sein, derzufolge im Fall der Überschreitung solcher Kontingente und Höchstzahlen unter ganz besonderen Voraussetzungen (etwa wenn es sich um Schlüsselkräfte zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, um die ersatzweise Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes oder um die Besetzung von Arbeitsplätzen im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege handelt oder wenn öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zulässig ist.

Mögen die durch die Regelungen des AuslBG bewirkten Begrenzungen der Privatautonomie auch gewichtig sein, so lassen sie sich doch nach Ansicht des Gerichtshofes durch das hohe öffentliche Interesse an einem geordneten Arbeitsmarkt und einem effektiven Schutz der inländischen Arbeitnehmer rechtfertigen. Der Gerichtshof hegt jedoch das Bedenken, daß der Grundrechtseingriff unsachlich und unverhältnismäßig wird, wenn eine Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zugunsten von aufenthaltsberechtigten Ausländern bei Erreichen einer bestimmten absoluten und weder regional noch nach Branchen oder nach der Beschäftigungsart differenzierenden Höchstzahl ausnahmslos unmöglich ist, also zB auch dann, wenn die Beschäftigung im öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interesse geradezu erforderlich erscheint. Ein undifferenziertes System einer Begrenzung durch eine derartige Höchstzahl dürfte sachlich nur gerechtfertigt sein, wenn in ganz besonders gelagerten Fällen - etwa aus wichtigen volkswirtschaftlichen oder sonstigen öffentlichen Interessen - Ausnahmemöglichkeiten bestehen.

Die angenommene Verfassungswidrigkeit der Regelung dürfte - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - jedenfalls dann gegeben sein, wenn die als absolute Sperre wirkende Höchstzahl in einer Höhe festgelegt wird, die zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens bereits deutlich überschritten ist. Es dürfte nämlich auf diese Weise die Erteilung von neuen Beschäftigungsbewilligungen auch in ganz besonders gelagerten Situationen, in denen (zB bei der Aufnahme von Pflegepersonal im Gesundheitsbereich) ein hohes öffentliches oder (etwa in Fällen der Art des § 4 Abs 6 Z 2 lita AuslBG) gesamtwirtschaftliches Interesse besteht, oder auch dann, wenn wie bei der Besetzung von Arbeitsplätzen, an denen (etwa wegen der dringenden Notwendigkeit einer Wiederbesetzung) ein besonderes betriebliches Interesse besteht, absolut ausgeschlossen sein.

Die Regelung scheint auch so konzipiert zu sein, daß sie von der Vollziehung relativ häufig umgangen wird. So ist es aus Beschwerdeverfahren beim Verfassungsgerichtshof amtsbekannt, daß sich die Behörde mehrfach mit der Frage des Vorliegens der in § 4 Abs 6 angeführten Gründe auseinandergesetzt hat, obwohl die durch die Bundeshöchstzahl gesetzte Grenze evidentermaßen überschritten war, und es zeigt die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes im Verfahren vorgelegte Statistik, daß ungeachtet der Tatsache, daß die in der Verordnung festgestellte Höchstzahl schon zu Jahresbeginn erheblich überschritten war, die Zahl der beschäftigten und arbeitslosen Ausländer weiter angestiegen ist. In der Mitteilung des Bundesministers vom ... wird dargelegt, daß in der Zeitspanne bis zum Inkrafttreten der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung am über 27.000 Beschäftigungsbewilligungen, davon über 1.800 Erstbewilligungen, erteilt wurden. Offensichtlich war die Praxis der Arbeitsmarktverwaltung bemüht, die absolute Wirkung des Verbotes der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen zu entschärfen.

c) Die Unsachlichkeit und Unverhältnismäßigkeit der Regelung dürfte, wie der Gerichtshof vorläufig annimmt, durch die in Prüfung genommene Bestimmung des § 4 Abs 7 AuslBG bewirkt werden, der - anders als § 4 Abs 6 bei Überschreiten von Kontingenten oder anderen Höchstzahlen - jede Überschreitung der Bundeshöchstzahl nach § 12a als absoluten Hinderungsgrund zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen konstituiert."

b) In seinem Beschluß B1659/95 vom ging er vorläufig davon aus, daß gegen § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 jedenfalls so lange dieselben Bedenken bestünden wie gegen diese Bestimmung idF BGBl. 450/1990, als von der Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung nach § 12a Abs 2 AuslBG nicht Gebrauch gemacht wird.

4. Die Bundesregierung hat in den Verfahren G1395/95, G24/96, G27/96 und G28/96 eine gemeinsame Äußerung erstattet, auf die sie in den Verfahren G87/96 bis G92/96 verweist.

Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 tritt sie nicht entgegen, sondern weist lediglich darauf hin, daß diese Bestimmung nicht mehr in Geltung stehe und daher nur ein Ausspruch gemäß Art 140 Abs 4 B-VG in Betracht komme.

Im Anschluß daran führt die Bundesregierung zu § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 aus:

"Die Praxis und die Erfahrung mit dieser Bestimmung (idF vor BGBl. 257/1995) haben den Gesetzgeber bewogen sie zu novellieren. Mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 257/1995 wurde § 4 Abs 7 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes derart geändert, daß nun eine Überziehung der Bundeshöchstzahl (§12a Abs 1 AuslBG) für Ausländer, welche Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz haben, zulässig ist. Darüber hinaus wurde mit der genannten Novelle auch § 12a Abs 2 AuslBG - der eine mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung korrespondierende Norm darstellt - geändert. Dadurch wird eine Weiterüberziehung der Bundeshöchstzahl im Falle eines gesamtwirtschaftlichen oder öffentlichen Interesses vorgesehen.

...

A. Zum Inhalt der angefochtenen Bestimmung:

1. Entgegen der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes geht die Bundesregierung davon aus, daß § 4 Abs 7 leg.cit. (idF BGBl. Nr. 257/1995) keine absolute Sperre zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen darstellt.

Die Sperrwirkung der genannten Bestimmung ist bloß relativ, da sie in mehrfacher Hinsicht durchbrochen ist.

2. Von der Begrenzung durch die Bundeshöchstzahl sind aufgrund des § 4 Abs 7 AuslBG alle Ausländer ausgenommen, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erworben haben. Der solcher Art umschriebene Personenkreis umfaßt alle jene ausländischen Arbeitskräfte, die aufgrund einer entsprechend langen Vorbeschäftigung in Österreich, mit der sie ihren Leistungsanspruch erworben haben, bereits am Arbeitsmarkt Fuß gefaßt haben und folglich in Erfüllung der einschlägigen Voraussetzungen für den Erhalt einer prinzipiell auf Dauer ausgerichteten Aufenthaltsbewilligung seit längerem zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. An einer vordringlichen Wiederbeschäftigung dieser aus öffentlichen Mitteln unterstützten Personen besteht zweifelsfrei ein dringendes öffentliches Interesse.

Die vom Verfassungsgerichtshof angenommene ausnahmslose Unmöglichkeit der Beschäftigung von aufenthaltsberechtigten Ausländern wird gerade durch § 4 Abs 7 AuslBG verhindert, da diese Personengruppe vom Anwendungbereich - wie soeben dargestellt - ausgenommen ist. Dies bedeutet aber auch, daß die vom Verfassungsgerichtshof vertretene Auffassung, § 4 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz wirke zumindest bis zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 12a Abs 2 AuslBG als absolute Sperre, unzutreffend ist.

3. Aber auch die Verordnungsermächtigung zur Überschreitung der Bundeshöchstzahl (§12a Abs 2 AuslBG) macht die bloß 'relative Sperrwirkung' des § 4 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz, als korrespondierender Bestimmung, deutlich. Als integrierter Bestandteil eines differenzierten Höchstzahlensystems räumt die Verordnungsermächtigung dem Bundesminister für Arbeit und Soziales die Möglichkeit ein, bestimmte Personengruppen festzulegen, für die im Falle einer Überschreitung der Bundeshöchstzahl, neben den Leistungsbeziehern, zusätzliche Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Maßgebliche Determinante für die Erlassung der Verordnung ist selbstverständlich, daß an der Beschäftigung der einzelnen Personengruppen öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen. Die absolute Grenze für die zusätzliche Beschäftigung von in der Verordnung definierten ausländischen Arbeitskräften ist beim Anteil von 9% des gesamten Arbeitskräftepotentials festgelegt. Dadurch wird ein Überziehungsspielraum freigemacht, der - wie sich in der Vollziehungspraxis der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung auch zeigt - ausreicht, um zusätzlich zu den Leistungsbeziehern für jene Ausländer Beschäftigungsbewilligungen - etwa für Kriegsflüchtlinge, für integrierte jugendliche Ausländer der zweiten Generation, für hochqualifizierte Schlüsselkräfte - erteilen zu können, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen.

Dazu wird im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (127 BlgNR XIX. GP) zum Initiativantrag (IA 151/A XIX. GP), welcher § 4 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 257/1995 zugrunde liegt, festgehalten:

'Durch den gegenständlichen Initiativantrag soll durch eine Änderung der geltenden Verordnungsermächtigung dem Bundesminister für Arbeit und Soziales die Möglichkeit eingeräumt werden, durch Verordnung bestimmte Personengruppen festzulegen, für die auch im Fall einer Überschreitung der derzeitigen Bundeshöchstzahl (8% des österreichischen Arbeitskräftepotentials) Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen. Voraussetzung ist, daß an der Beschäftigung der einzelnen Personengruppen öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen.

...

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales geht davon aus, daß unter den in § 12a Abs 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz bezeichneten Personengruppen an deren Beschäftigung ein öffentliches oder gesamtwirtschaftliches Interesse besteht, insbesondere Kinder von integrierten Ausländern, bosnische Kriegsflüchtlinge, Manager und hochqualifizierte Schlüsselkräfte im Zusammenhang mit und zur Sicherung von ausländischen Investitionen in Österreich, Beschäftigte aufgrund von Verordnungen nach § 7 des Aufenthaltsgesetzes sowie Grenzgänger, welche von bilateralen Abkommen erfaßt sind, verstanden werden.'

Aus diesen Ausschußfeststellungen ist nach Ansicht der Bundesregierung zu schließen, daß es die Intention des Gesetzgebers war, durch die Neuregelung der §§4 Abs 7 und 12a Abs 2 AuslBG die absolute Beschränkung der Neuzulassung von ausländischen Arbeitskräften, soweit dies im öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interesse zu rechtfertigen ist, zu durchbrechen. Die Normierung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Ausnahmeregelungen in der unmittelbar nach Inkrafttreten der Novelle erlassenen Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung war somit bereits ein zentraler Bestandteil der Novelle selbst und muß daher als solcher betrachtet werden.

B. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes:

1. Gemäß Art 5 StGG und Art 1 des 1. ZProtMRK ist die Unversehrtheit des Eigentums verfassungsrechtlich gewährleistet. Im Erkenntnis VfSlg. 12227/1989 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung, da sie sich auf alle privaten Vermögensrechte erstreckt, auch 'das Recht zum Abschluß privatrechtlicher Verträge', also die Privatautonomie mitumfasse. Der Staat darf demzufolge - gleichgültig ob er den Abschluß bestimmter Verträge verhindert oder umgekehrt dazu zwingt - in die Privatautonomie lediglich unter den Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen vorsieht. Dies bedeutet, daß auch die Notwendigkeit einer Beschäftigungsbewilligung zum Abschluß eines Vertrages mit einem ausländischen Arbeitnehmer in die verfassungsrechtlich gewährleistete Privatautonomie eingreift. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kann der Gesetzgeber eine Eigentumsbeschränkung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vorsehen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig und unsachlich ist (vgl. VfSlg. 12100/1989, 12227/1989, 13659/1993).

2. Der Verfassungsgerichtshof selbst hegt in dg. Beschlüssen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick darauf, daß die in Prüfung gezogene Norm nicht im öffentlichen Interesse gelegen wäre.

Es ist die von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Absicht des Gesetzgebers den Neuzugang von ausländischen Arbeitskräften zum österreichischen Arbeitsmarkt ab Erreichen eines bestimmten Sättigungsgrades des Arbeitsmarktes durch ausländische Arbeitnehmer einzuschränken, und dadurch auch Substitutionsprozesse zwischen inländischen und integrierten ausländischen Arbeitnehmern und 'billigen' neuen ausländischen Arbeitnehmern einzudämmen. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit von ausländischen Arbeitskräften legt nahe, die Deckung des Arbeitskräftebedarfs ab Erreichen eines bestimmten Anteils an ausländischen Arbeitskräften nur mehr aus dem Potential der als arbeitslos vorgemerkten in- und ausländischen Arbeitskräfte zuzulassen. Die gesamten volkswirtschaftlichen Nachteile - von den beträchtlichen sozialen Spannungen, welche zwangsläufig durch die Konkurrenz unter den von der Knappheit an Arbeit betroffenen Gruppen (arbeitslose Inländer, integrierte Ausländer und Neuzugänger) entstehen würden, abgesehen - überwiegen bei weitem jene Nachteile, die ein vereinzelt nicht abgedeckter Bedarf verursacht, zumal mit einer einigermaßen sorgfältigen Suche einem Arbeitgeber eine Versorgung mit Arbeitskräften aus den großen und immer größer werdenden Potential der vorgemerkten in- und ausländischen Arbeitslosen jederzeit möglich ist.

Um die genannte Zielvorstellung zu erreichen, hat der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes (vgl. etwa VfSlg. 13659/1993) ein im Laufe der Jahre immer differenzierter gewordenes Höchstzahlensystem geschaffen, wobei die in Prüfung gezogene Bestimmung des § 4 Abs 7 AuslBG ein Teil dieses Systems ist. Ein solches Höchstzahlensystem - das der Verfassungsgerichtshof im Grunde als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet - bringt es zunächst naturgemäß mit sich, daß ab der Ausschöpfung keine weiteren Bewilligungen erteilt werden.

3. Nach der Judikatur des EGMR muß jeder Eigentumseingriff einen billigen Ausgleich ('fair balance') zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses der Gemeinschaft und denen des Grundrechtschutzes des Einzelnen herstellen (vgl. EGMR , EuGRZ 1983, 523). Der Verfassungsgerichtshof erblickt in § 4 Abs 7 AuslBG eine unverhältnismäßige und unsachliche Regelung, da diese Bestimmung ab Erreichen der Höchstzahl - und wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluß vom (richtig: ), B1659/1995, dargetan hat, zumindest bis zur Erlassung einer Verordnung gemäß § 12a Abs 2 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ausnahmslos unmöglich mache, § 4 Abs 7 AuslBG also als absolute Sperre wirke.

Wie schon in Pkt. A dargestellt wurde ist dieser Regelungsinhalt der in Prüfung gezogenen Norm gerade nicht zu unterstellen. Da Ausländer, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erworben haben, von der Begrenzung durch die Bundeshöchstzahl gemäß § 4 Abs 7 AuslBG ausgenommen sind, kommt es zu keiner absoluten, undifferenzierten Sperrwirkung, wie sie der Verfassungsgerichtshof annimmt.

4. Die hier relevante letzte Änderung des § 4 Abs 7 AuslBG wurde im 80. Stück des Bundesgesetzblattes, BGBl. Nr. 257/1995, am kundgemacht. Da diese Novelle keine gesonderten Inkrafttretensregelungen vorsah, traten die Bestimmungen gemäß Art 49 Abs 1 B-VG, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wurde, also mit , in Kraft. Bereits im 85. Stück des Bundesgesetzblattes, ausgegeben am , wurde die Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung, BGBl. Nr. 278, kundgemacht. Der dem Verfahren G27/96 (Beschluß B 1659/95 vom ) zugrundeliegende Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien datiert vom . Er wurde damit genau innerhalb jenes Zeitraumes von 11 Tagen erlassen, in dem zwar die Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz in Kraft war, aber noch nicht die Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung.

Bereits bei Pkt. A wurde dargelegt, daß die Bundesregierung die Normierung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Ausnahmeregelungen als zentralen Bestandteil der Novelle selbst sieht, und somit nicht der Meinung des Verfassungsgerichtshofes ist, wonach solange von der Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung nach § 12a Abs 2 AuslBG nicht Gebrauch gemacht wird, § 4 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 257/1995 jedenfalls die Wirkung eines ausnahmelosen Verbots der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen hätte. Dieses Argument des ausnahmslosen Verbotes der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen kann auch schon deswegen nicht zutreffen, da nunmehr § 4 Abs 7 selbst eine Durchbrechung für Anspruchberechtigte auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorsieht.

5. Aber selbst wenn man der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes folgen wollte, und damit zu dem Ergebnis käme, die Bestimmung des § 4 Abs 7 AuslBG wäre bis zum Zeitpunkt der Erlassung einer Verordnung nach § 12a Abs 2 AuslBG verfassungswidrig gewesen, so kann daraus wohl nicht gefolgert werden, es wäre die nun geltende Bestimmung, auf die die Bedenken gar nicht mehr zutreffen, aufzuheben. Wenn der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtssprechung stets den Standpunkt eingenommen hat, daß er den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen habe, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werde, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt (vgl. VfSlg. 13232/1992), so kann nicht eine Bestimmung aufgehoben werden, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes kein Rechtswidrigkeitsvorwurf gemacht werden kann.

Da, wie schon ausgeführt, die Ausnahmegründe bereits im Gesetz angelegt sind, könnte eine Rechtswidrigkeit allenfalls in der Untätigkeit des Verordnungsgebers liegen. Aber selbst das kann im gegebenen Fall nicht angenommen werden, da zwischen dem Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmung und dem Inkrafttreten der korrespondierenden Verordnung nur eine Frist von 11 Tagen verstrichen ist.

6. Wenn der Verfassungsgerichtshof darüber hinaus annimmt, der mit § 4 Abs 7 Ausländerbeschäftigungsgesetz vorgenommene Eingriff in die vom Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums mitumfaßte Privatautonomie sei vor allem dadurch unsachlich und unverhältnismäßig, da er ein Verbot der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für aufenthaltsberechtigte Ausländer treffe, so ist dem folgendes entgegenzuhalten:

Die in Prüfung gezogene Bestimmung knüpft hinsichtlich ihrer Verbotswirkungen nicht an das Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung an, sondern an ein wesentliches Kriterium des Integrationsgrades, nämlich an Zeiten der legalen Arbeitstätigkeit in Österreich. Bereits mit den durch Bundesgesetz BGBl. Nr. 450/1990 eingeführten Änderungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz war es eine der wesentlichen Zielvorstellungen des Gesetzgebers die Integration bereits in Österreich befindlicher Ausländer zu verstärken. Es ist die Intention des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, den Zugang zum Arbeitsmarkt in erster Linie an arbeitsmarktpolitischen Aspekten zu messen. Demnach sind Leistungsbezieher von Beschränkungen durch die Bundeshöchstzahl generell ausgenommen, unabhängig davon, ob sie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen oder nicht.

Unter primär arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten kann aber andererseits der Besitz einer aufrechten Aufenthaltsberechtigung nicht automatisch die Berechtigung für den Eintritt in den Arbeitsmarkt sein, zumal die Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz auch für eine Reihe anderer Zwecke als den der unselbständigen Erwerbstätigkeit (so etwa für den bloß privaten Aufenthalt zu Urlaubs- oder Besuchszwecken) erteilt wird."

Abschließend beantragt die Bundesregierung, § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 nicht als verfassungswidrig aufzuheben, und stellt für den Fall der Aufhebung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

5. Die beim Verwaltungsgerichtshof zu Z 95/09/0072 beschwerdeführende Gesellschaft hat im hg. Verfahren G88/96 eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes beitritt und den Zuspruch von Kosten begehrt.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat in den - zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

1. a) Es ist nichts vorgebracht worden oder sonst hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden spräche oder daran zweifeln ließe, daß der Verfassungsgerichtshof bei deren Beurteilung die in Prüfung gezogene Bestimmung des § 4 Abs 7 AuslBG anzuwenden hatte, und zwar idF BGBl. 450/1990 in den Beschwerdeverfahren B729/95, B783/95 und B1367/95, die Anlaß zu den zu G1395/95, G24/96 und G28/96 protokollierten Verfahren gaben, und idF BGBl. 257/1995 im Beschwerdeverfahren B1659/95, das Anlaß zum Gesetzesprüfungsverfahren G27/96 gab. Da auch sonst die Prozeßvoraussetzungen in den von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren gegeben sind, sind diese zulässig.

b) In den Verfahren ist auch nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes (die sich alle auf die Fassung BGBl. 450/1990 beziehen) sprechen würde. Auch die zu G87/96 bis G92/96 protokollierten Verfahren sind daher zulässig.

2. a) Die Bundesregierung tritt den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Regelung des § 4 Abs 7 AuslBG idF der Novelle BGBl. 450/1990 nicht entgegen. Auch sonst ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was gegen die Annahmen des Prüfungsbeschlusses spräche:

Die Regelung über die Notwendigkeit einer Bewilligung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und jene Regelungen, die näher bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Bewilligung zu erteilen und unter welchen Voraussetzungen sie zu versagen ist, greifen in die durch die Eigentumsgarantie des Art 5 StGG im Rahmen dieses Grundrechts mitgewährleistete Privatautonomie ein. Der Gesetzgeber muß bei derartigen Regelungen darauf achten, daß ein billiger Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des einzelnen hergestellt wird. Der Gesetzgeber darf daher Regelungen, die sich als Beschränkungen des Grundrechts erweisen, in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nur vorsehen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig und unsachlich ist (vgl. VfSlg. 12227/1989, 13659/1993, , sowie die im - oben wiedergegebenen - Prüfungsbeschluß zitierten Entscheidungen des EGMR).

Zwar ist die Festlegung von Kontingenten und Höchstzahlen im Ausländerbeschäftigungsrecht an sich unbedenklich, doch wird eine derartige Regelung dann unverhältnismäßig und unsachlich, wenn eine Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zugunsten von aufenthaltsberechtigten Ausländern bei Erreichen einer bestimmten absoluten und nicht weiter differenzierenden Höchstzahl ausnahmslos unmöglich ist und im Gesetz auch keine Vorkehrungen getroffen sind, die es der Behörde ermöglichen, innerhalb der Höchstzahl oder bei deren Überschreitung etwa nach der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Bedeutung der beantragten Bewilligungen zu differenzieren, sodaß die Erteilung beispielsweise auch dann nicht zulässig ist, wenn die Beschäftigung im öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interesse geradezu erforderlich erscheint. Die als absolute Sperre wirkende Bestimmung des § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 450/1990, die in dieser Fassung bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. 257/1995 galt, war angesichts dessen aus den im Prüfungsbeschluß dargelegten Gründen verfassungswidrig.

Da eine förmliche Einbeziehung des hg. zu G151/96 protokollierten Antrages des Verwaltungsgerichtshofes in die vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch für die beim Verwaltungsgerichtshof zur Z 95/09/0140 anhängige Beschwerde herbeizuführen. Eine weitere Behandlung dieses Antrages erübrigt sich folglich (VfSlg. 11918/1988, ua.).

b) Hingegen hält die Regelung in der geltenden Fassung BGBl. 257/1995 an sich der im Einleitungsbeschluß postulierten Verhältnismäßigkeits- und Sachlichkeitsprüfung stand und entspricht damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Wie die Bundesregierung zu Recht ausführt, ist die Sperrwirkung des § 4 Abs 7 AuslBG nämlich derzeit keine absolute mehr:

Zum einen sind von ihr alle Ausländer ausgenommen, die einen

Anspruch auf Leistungen nach dem AlVG erworben haben. Die

Bundesregierung weist darauf hin, daß "der solcherart

umschriebene Personenkreis ... all jene ausländischen

Arbeitskräfte, die aufgrund einer entsprechend langen

Vorbeschäftigung in Österreich ... bereits am Arbeitsmarkt Fuß

gefaßt haben", umfaßt.

Zum anderen ermächtigt die mit der Novelle BGBl. 257/1995 der Regelung über die Bundeshöchstzahl hinzugefügte Bestimmung des § 12a Abs 2 AuslBG zur Erlassung einer Verordnung, mit der die Überziehung der Bundeshöchstzahl ermöglicht wird. Sobald nun eine derartige Verordnung erlassen wird, die die zulässige Zahl der Beschäftigungen höher festsetzt, als die Zahl der bis dahin erteilten Bewilligungen, schafft sie eine Überziehungsmöglichkeit. Diese wurde durch die schon zitierte Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung, BGBl. 278/1995, so ausgestaltet, daß sie die Arbeitsmarktverwaltung bei verfassungs- und gesetzeskonformer Vollziehung (insbesondere der Z 3 und 5 des § 1 der Verordnung) in die Lage versetzt, in Fällen von besonderem öffentlichen (gesellschaftlichen, gesamtwirtschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen) Interesse Beschäftigungsbewilligungen zu erteilen, wenngleich es auch nach dieser Rechtslage in Einzelfällen zu Härten kommen kann (die bei generellen Regelungen eben nicht vermeidbar sind, vgl. etwa VfSlg. 8871/1980).

Angesichts dieser Möglichkeiten ist der den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zugrunde liegenden Annahme von der absoluten Sperrwirkung des § 4 Abs 7 AuslBG der Boden entzogen. Dies freilich erst ab Wirksamwerden der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (vgl. zur Bedeutung der Erlassung einer Verordnung für die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen etwa VfSlg. 11632/1988 und ), das ist - da das Bundesgesetzblatt, das diese Verordnung BGBl. 278/1995 enthält, am ausgegeben worden ist - der ; denn erst mit dieser Verordnung wurde eine Rechtslage geschaffen, die hinsichtlich der Gründe für eine Überziehung und hinsichtlich der Zahl der insgesamt zulässigen Beschäftigungsbewilligungen die Arbeitsmarktverwaltung in die Lage setzte, bei besonderen Umständen (wie sie etwa in den im Prüfungsbeschluß genannten Beispielsfällen vorlägen) zusätzliche Bewilligungen zu erteilen.

Es war daher auszusprechen, daß § 4 Abs 7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 bis zum Ablauf des verfassungswidrig war. Seither ist diese Bestimmung aus den im Prüfungsbeschluß genannten Gründen nicht mehr verfassungswidrig.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes erfließt aus Art 140 Abs 5 zweiter Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.

4. Die im hg. Verfahren G88/96 von der beim Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Gesellschaft für ihre Äußerung begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es im Fall von aufgrund von Gerichtsanträgen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe der antragstellenden Gerichte ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für ihre Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. zB VfSlg. 10832/1986).

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene öffentliche mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.