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VfGH vom 06.11.2008, g86/08

VfGH vom 06.11.2008, g86/08

Sammlungsnummer

18609

Leitsatz

Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit durch eine Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes über die Ausnahme der Mehrparteienverfahren vom Geltungsbereich der fünfzehnmonatigen Frist für das Außer-Kraft-Treten eines Straferkenntnisses seit Einlangen der Berufung beim UVS; Rechtfertigung nur bei Privatanklagesachen aufgrund der Möglichkeit der Devolution bzw Säumnisbeschwerde

Spruch

I. Die Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in § 51 Abs 7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die in Prüfung gezogene Wortfolge ist auf die am beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren, denen ein Bescheid zugrunde liegt, der nach Ablauf der fünfzehnmonatigen Frist des § 51 Abs 7 VStG erlassen wurde (mit Ausnahme von Privatanklagesachen), nicht mehr anzuwenden.

III. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

IV. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

V. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1323/07 ein Verfahren

gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, (im Folgenden: UVS NÖ) anhängig, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG lediglich mit der Maßgabe einer Herabsetzung der verhängten Geldstrafen Folge gegeben wurde.

In der gegen diesen Bescheid nach Art 144 B-VG erhobenen Beschwerde werden Verstöße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (§28 Abs 1 Z 1 lita AuslBG) behauptet.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist darüber hinaus zu B1817/07 ein Verfahren gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS OÖ) anhängig, mit dem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG keine Folge gegeben wurde.

In der gegen diesen Bescheid nach Art 144 B-VG erhobenen Beschwerde werden Verstöße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren und auf eine wirksame Beschwerde sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (§28 Abs 1 Z 1 lita AuslBG sowie eine Wortfolge in Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG und die Wortfolge "in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht" in § 51 Abs 7 VStG) gerügt.

3. Sowohl in der zu B1323/07 als auch in der zu B1817/07 protokollierten Beschwerde wird u.a. ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist nach Art 6 EMRK durch die überlange Dauer des jeweiligen Verwaltungsstrafverfahrens geltend gemacht. Der Bescheid des UVS NÖ wurde dem Beschwerdeführer zu B1323/07 am , sohin 2 Jahre, 1 Monat und 9 Tage nach Einlangen der Berufung bei der erstinstanzlichen Behörde am zugestellt. Die Gesamtverfahrensdauer (berechnet von der Kenntnisnahme des Beschwerdeführers vom Tatvorwurf bis zur Zustellung des im Berufungsverfahren ergangenen Bescheides) betrug 2 Jahre, 3 Monate und 4 Tage. Vom Einlangen der Berufung der Beschwerdeführerin zu B1817/07 bei der erstinstanzlichen Behörde am bis zur Zustellung des Bescheides des UVS OÖ an die Beschwerdeführerin am vergingen 1 Jahr, 6 Monate und 28 Tage. Die Gesamtverfahrensdauer dieses Verfahrens betrug 1 Jahr, 8 Monate und 29 Tage. In keinem der beiden angefochtenen Bescheide wurde die Verfahrensdauer explizit als strafmildernder Umstand gewertet.

II. 1. Aus Anlass dieser - unter sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerdeverfahren sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in § 51 Abs 7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I 158/1998, entstanden, welche ihn veranlasst haben, diese Wortfolge mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

1.1. Die in Rede stehende Bestimmung lautet wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"5. Abschnitt: Rechtsschutz durch
unabhängige Verwaltungssenate

Berufung

§51. (1) Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

(2) Ob und inwieweit Verwaltungsbehörden Berufung erheben können, bestimmen die Verwaltungsvorschriften.

(3) - (6) [...]

(7) Sind in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht, seit dem Einlangen der Berufung gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen, so tritt das Straferkenntnis von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist in diese Frist nicht einzurechnen."

1.2. Der Verfassungsgerichtshof nahm vorläufig an, dass sowohl der UVS NÖ als auch der UVS OÖ bei der Erlassung der in den Anlassbeschwerdeverfahren angefochtenen Bescheide die in Rede stehende Wortfolge in § 51 Abs 7 VStG angewendet hätten und dass daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesstelle anzuwenden hätte. Er begründete dies damit, dass die belangten Behörden - vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zwischen dem Einlangen der Berufung und der Zustellung der angefochtenen Bescheide Zeiträume von mehr als zwei Jahren bzw. 18 Monaten liegen würden - zu prüfen gehabt hätten, ob in den Verfahren im Sinne von § 51 Abs 7 VStG nicht nur den jeweiligen Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht und die Bescheiderlassung demgemäß im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. ; , 2002/02/0099) rechtmäßig erfolgen konnte. Der Verfassungsgerichtshof nahm an, dass auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen.

1.3. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof zunächst das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge mangels sachlicher Rechtfertigung gegen den Gleichheitssatz verstoße. Er legte dieses Bedenken im Einzelnen wie folgt dar (Hervorhebungen wie im Original):

"4.1. Nach Art 132 B-VG ist eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafsachen nicht zulässig. Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht für Privatanklage- und Finanzstrafsachen.

§ 51 Abs 7 VStG 1991 bestimmt, dass ein angefochtenes Straferkenntnis ex lege außer Kraft tritt, wenn über die Berufung - in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten ein Berufungsrecht zusteht - nicht innerhalb eines Zeitraumes von 15 Monaten durch Bestätigung oder Aufhebung entschieden wird. Die Frist läuft ab Einlangen der Berufung bei der erstinstanzlichen Behörde, da eine Berufung gemäß § 63 Abs 5 AVG 1991 bei dieser einzubringen ist. Wenn die Frist verstreicht, ohne dass über die Berufung entschieden worden ist, tritt der angefochtene Bescheid außer Kraft und das Verwaltungsstrafverfahren ist einzustellen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, 2000, § 51 VStG, Rz 29 ff.).

Neben § 51 Abs 7 VStG 1991 gilt in Verwaltungsstrafverfahren die in § 31 Abs 3 VStG 1991 idF BGBl. 620/1995 normierte Frist für die Strafbarkeitsverjährung. Danach darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat, drei Jahre vergangen sind.

Der Schutz vor Säumnis der Unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafverfahren, die nicht Privatanklage- oder Finanzstrafsachen sind, erschöpft sich sohin in den Fristen des § 31 Abs 3 VStG 1991 und des § 51 Abs 7 leg.cit.

4.2. § 51 Abs 7 VStG 1991 ist allerdings ausdrücklich lediglich in Verwaltungsstrafverfahren anwendbar, in denen nicht auch anderen Parteien als dem Beschuldigten ein Berufungsrecht zusteht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob im konkreten Fall einer anderen Partei ein Berufungsrecht zukommt, sondern lediglich darauf, ob in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit abstrakt gesehen andere Parteien ein Berufungsrecht haben (s. mwN; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, 2000, § 51 VStG, Rz 26). Allein der Umstand, dass anderen Parteien gegen ein Straferkenntnis das Recht der Berufung zusteht (und auch unabhängig davon, ob dieses Recht tatsächlich ausgeübt wird), führt dazu, dass der Unabhängige Verwaltungssenat die fünfzehnmonatige Entscheidungsfrist nach § 51 Abs 7 VStG 1991 verstreichen lassen kann, ohne dass die Rechtsfolge des Außer-Kraft-Tretens des Straferkenntnisses eintritt. Ist daher anderen Parteien - etwa einem Privatankläger oder einer Amtspartei, wie in den vorliegenden Verfahren betreffend Verwaltungsstrafen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz etwa der Abgabenbehörde (nach § 28a Abs 1 AuslBG idF BGBl. I 103/2005), - ein Berufungsrecht eingeräumt, gilt in Bezug auf den Säumnisschutz nur mehr die dreijährige Verjährungsfrist nach § 31 Abs 3 VStG 1991.

4.3. Diese Verjährungsfrist nach § 31 Abs 3 VStG 1991 dürfte weder aus der Perspektive des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes die Beschränkungen des sachlichen Anwendungsbereichs des § 51 Abs 7 VStG 1991 rechtfertigen noch aus der Perspektive des Gebots angemessener Verfahrensdauer eine hinreichend effektive Abhilfe gegen Verfahrensverzögerungen bieten (vgl. EGMR , Fall Jancikova, Appl. 56.483/00, ÖJZ 2006, 93).

4.4. Der Verfassungsgerichtshof kann vorläufig nicht erkennen, inwiefern der Umstand, dass anderen Parteien als dem Beschuldigten das Recht der Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren eingeräumt wird, eine sachliche Rechtfertigung dafür darstellt, dass dem Beschuldigten im Gegensatz zu Verfahren ohne Berufungsrecht anderer Parteien der Säumnisschutz nach § 51 Abs 7 VStG 1991 vorenthalten bzw. sie auf die dreijährige Verjährungsfrist nach § 31 Abs 3 VStG 1991 beschränkt werden.

4.4.1. Der Zweck, der ausweislich der Materialien mit der Vorgängerregelung zu § 51 Abs 7 VStG 1991, dem § 51 Abs 5 VStG 1950 idF BGBl. 299/1984 - demzufolge (lediglich) Privatanklagesachen von der Entscheidungsfrist ausgenommen waren und nicht pauschal auf Verfahren, bei denen anderen Parteien ein Berufungsrecht zusteht, abgestellt wurde - ursprünglich verfolgt wurde, bestand darin, einen Ausgleich für den durch die B-VG-Novelle, BGBl. 296/1984, in Art 132 B-VG normierten Ausschluss der Säumnisbeschwerde in Verwaltungsstrafsachen zu schaffen (s. AB 348 BlgNR 16. GP). Dieser Zweck dürfte jedoch durch § 51 Abs 7 VStG 1991 nicht erfüllt werden, da damit hinsichtlich jener Mehrparteienverfahren, in denen anderen Parteien als Privatanklägern - insbesondere Amtsparteien - ein Berufungsrecht zukommt, kein Ausgleich, sondern vielmehr eine Rechtsschutzlücke im Hinblick auf den Säumnisschutz geschaffen wird.

Zu berücksichtigen ist auch die Rolle der Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren im Gefolge der Einführung der Unabhängigen Verwaltungssenate im Jahr 1988 (dh. nach der Novelle BGBl. 299/1984). War zuvor die Berufungsbehörde als einzige Behörde am Berufungsverfahren beteiligt, hat nunmehr die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, Parteistellung im Berufungsverfahren, womit sie ihre Parteirechte im Verfahren geltend machen (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 1992, 72 f. mwN, 232) und für die Zwecke der Wahrung des Rechts auf Entscheidung durch ein unabhängiges Tribunal nach Art 6 EMRK als eine gleichsam die Funktion der Anklagebehörde wahrnehmende Partei angesehen werden kann (s. EGMR , Fall Fehr, Appl. 19.247/02, ÖJZ 2005, 850 [Z28]).

4.4.2. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst verweist in seiner Äußerung zum Beschwerdevorbringen betreffend B1817/07 auf die Materialien zu § 51 Abs 5 VStG 1950 idF BGBl. 299/1984, wonach in Mehrparteienverfahren (insb. in Privatanklagesachen) ein automatisches Außer-Kraft-Treten des Straferkenntnisses ausgeschlossen werden sollte, da eine Befristung in diesen Fällen unangemessen wäre. Die Gründe für diese Unangemessenheit einer Befristung in Mehrparteienverfahren werden weder in den Materialien noch vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst näher dargelegt.

In Bezug auf die Verfahren der Privatanklagesachen ist im Übrigen die Säumnisbeschwerde nach Art 132 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, welche gemäß § 27 Abs 1 VwGG an eine sechsmonatige Entscheidungsfrist anknüpft (vgl. etwa , ). Diesbezüglich dürfte also von den zuständigen Behörden erwartet werden, dass sie entsprechende Verfahren innerhalb von sechs Monaten zu Ende führen können. Schließlich wird durch § 51 Abs 7 VStG 1991 die fünfzehnmonatige Entscheidungsfrist auch dann ausgeschlossen, wenn anderen Parteien lediglich die abstrakte Möglichkeit einer Berufung eingeräumt ist, selbst wenn sie also objektiv von ihrem Berufungsrecht nicht fristgerecht Gebrauch gemacht haben.

4.4.3. Der Gerichtshof vermag sohin vorderhand keinen hinreichenden Grund für die sachliche Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Wortfolge zu erkennen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die durch § 51 Abs 7 VStG 1991 und § 31 Abs 3 VStG 1991 vorgegebenen Entscheidungsfristen die einzigen Mittel sind, um in Verwaltungsstrafsachen, ausgenommen Privatanklage- und Finanzstrafsachen, Säumnisschutz zu gewähren, dürfte die starre Anknüpfung an die bloß abstrakt eingeräumte Möglichkeit, Berufung zu erheben, wie sie aus der in Prüfung gezogenen Wortfolge folgt, nach der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes dazu führen, dass den Beschuldigten in solchen Verwaltungsstrafverfahren ohne sachliche Rechtfertigung der Schutz vor Säumnis der Unabhängigen Verwaltungssenate vorenthalten wird."

Darüber hinaus nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge gegen das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist nach Art 13 iVm Art 6 Abs 1 EMRK verstoße. Diesbezüglich führte er wie folgt aus:

"4.5.1. Nach Art 13 EMRK hat jedermann, der eine Verletzung seiner durch die Konvention geschützten Rechte behauptet, das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz. Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache innerhalb angemessener Frist gehört wird, und zwar von einem Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat.

4.5.2. Aus Art 6 EMRK lässt sich damit ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Erlassung eines Strafbescheides innerhalb angemessener Frist ableiten. Dem Argument, dass kein rechtliches Interesse an einer Bestrafung angenommen werden könnte, ist entgegenzuhalten, dass jedenfalls ein rechtliches Interesse daran anzunehmen ist, die Situation der Ungewissheit über den Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens zu beenden (vgl. auch Jabloner, Art 132 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 8. Lfg., 2007, Rz 31). Ein nach der EMRK und damit verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Entscheidung über die Berufung gegen ein Straferkenntnis binnen angemessener Frist besteht jedenfalls.

In Bezug auf das Recht auf eine wirksame Beschwerde geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass diesem entweder durch verfahrensbeschleunigende oder durch nachfolgende Rechtsbehelfe Rechnung getragen werden kann (EGMR , Fall Kudla, RJD 2000-XI, ÖJZ 2001, 904 [Z159]). Eine gesetzlich verfügte Höchstdauer für einen Verfahrensabschnitt vermag grundsätzlich dazu beizutragen, dass ein hinreichender Effektivitätsstandard für die Zwecke von Art 13 EMRK gegeben ist (EGMR Fall Jancikova, Z 37, 40). § 51 Abs 7 VStG 1991 dürfte diesen Anforderungen aber wegen der in Prüfung gezogenen Wortfolge in Bezug auf jene Verfahren nicht gerecht werden, in denen nicht nur dem Beschuldigten ein Berufungsrecht eingeräumt ist (ausgenommen Privatanklagesachen), da diesbezüglich weder eine Höchstdauer des Berufungsverfahrens verfügt wird, noch eine Möglichkeit präventiven Säumnisschutzes durch die Säumnisbeschwerde nach Art 132 B-VG besteht. Die Regelung dürfte vor diesem Hintergrund zur Konsequenz haben, dass in den durch die angefochtene Wortfolge bezeichneten Verwaltungsstrafverfahren überhaupt kein effektiver Rechtsschutz zur Bekämpfung unangemessener Verfahrensdauer im Sinne des Art 13 iVm Art 6 EMRK gegeben ist. Der Verfassungsgerichtshof kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR auch in der - prinzipiellen - Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 31 Abs 3 VStG 1991 keinen Gesichtspunkt erblicken, der die Annahme des Bestehens eines effektiven Rechtsschutzes iSv Art 13 EMRK iVm Art 6 Abs 1 EMRK zuließe (s. EGMR Fall Jancikova, Z 40), zumal bei einer Verfahrensdauer, die das Ausmaß von drei Jahren erreicht, nicht ausgeschlossen ist, dass längere Zeiträume der Untätigkeit einer Instanz zu einer Verletzung der EMRK führen können (vgl. EGMR , Fall Sylvester [Nr. 2], Appl. 54.640/00, ÖJZ 2005, 686 [Z31] mwN; EGMR , Fall Yavuz, Appl. 46.549/99, ÖJZ 2005, 156 [Z38]; EGMR , Fall Schutte, Appl. 18.015/03, NL 2007, 197 [Z28]; EGMR , Fall Blum, Appl. 31.655/02, ÖJZ 2005, 766 [Z23]). Die in Prüfung gezogene Wortfolge erscheint dem Verfassungsgerichtshof somit auch insoweit verfassungsrechtlich bedenklich."

2. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren eine schriftliche Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung der Bestimmung wird beantragt, für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Anpassungen vornehmen zu können.

Den Bedenken der Unsachlichkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge hält die Bundesregierung im Einzelnen folgende Ausführungen entgegen (Hervorhebungen wie im Original):

"2.1. Dass § 51 Abs 7 VStG in Privatanklagesachen nicht anzuwenden ist, lässt sich dadurch begründen, dass die Strafbehörde erster Instanz eine Entscheidungspflicht über den Strafantrag eines Privatanklägers trifft, die mittels Devolutionsantrags an den Unabhängigen Verwaltungssenat und letztlich mit Säumnisbeschwerde verfolgt werden kann (vgl. § 52b VStG, der anordnet, dass § 73 AVG auch in Privatanklagesachen anzuwenden ist und Art 132 B-VG). Auch dem Beschuldigten steht die Erhebung eines Devolutionsantrags zu (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003], Rz 907; Winkelhofer, Säumnis von Verwaltungsbehörden [1991] 152 f). Bleibt die angerufene Strafbehörde mit der Erledigung säumig, stehen daher sowohl dem Privatankläger als auch dem Beschuldigten die Erhebung eines Devolutionsantrags sowie (bei Säumnis des Unabhängigen Verwaltungssenates) einer Säumnisbeschwerde offen. Darüber hinaus findet auch die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 erster Satz VStG, wonach ein Straferkenntnis nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr gefällt werden darf und das Verfahren nach § 45 VStG einzustellen ist, in Privatanklageverfahren Anwendung.

2.2. Die Nichtanwendung des § 51 Abs 7 VStG in Verfahren, in denen einer Amtspartei ein Berufungsrecht zusteht, erklärt sich aus der besonderen Bedeutung dieser Rechtsbereiche.

Für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, - auch die dem vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegenden Beschwerden betreffen diesen Rechtsbereich - hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass er es unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes, an dem die Einräumung jeder Parteistellung zu messen ist, nicht für bedenklich hält, wenn § 28a AuslBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 450/1990 die Organparteistellung (einschließlich des Berufungsrechtsrechtes) des Landesarbeitsamtes im Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG begründet. In Bezug auf § 51 Abs 7 VStG (in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 620/1995) hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass die im Hinblick auf die mit der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte verbundene massive Gefährdung öffentlicher Interessen die allenfalls mit der Begründung der Stellung des Landesarbeitsamtes als Organpartei verbundene Verschlechterung der Stellung des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber jenen Verfahren, in denen keine Organparteistellung von Verwaltungsbehörden vorgesehen sei, sachlich gerechtfertigt sei (vgl. VwSlg. 14.321 A/1995).

In jenen Fällen, in denen einer Amtspartei ein Berufungsrecht eingeräumt ist und der angefochtene Bescheid nicht automatisch außer Kraft tritt, bietet die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG Schutz vor Säumnis.

2.3. Die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 51 Abs 7 VStG ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch rechtlich geboten, da andernfalls eine Rechtsschutzlücke eröffnet würde, die den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK widerspräche:

In Privatanklagesachen würde bei einer Aufhebung der Wortfolge ', in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht,' die 15-monatige Entscheidungsfrist der Unabhängigen Verwaltungssenate gelten, bei deren Überschreitung der angefochtene Bescheid außer Kraft tritt; gleichzeitig räumt aber die Verfassung dem Einzelnen das Recht ein, wegen Untätigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates in Privatanklagesachen den Verwaltungsgerichtshof im Wege der Säumnisbeschwerde anzurufen (vgl. Art 132 B-VG). Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Spannungsverhältnis im Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtes mit der Überlegung gelöst, dass § 51 Abs 7 VStG eine 15-monatige Entscheidungspflicht für den Unabhängigen Verwaltungssenat normiere und diese Bestimmung als längere Entscheidungsfrist der Frist von sechs Monaten gemäß § 27 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, vorgehe (vgl. den Beschluss vom , Zl. 95/17/0450). Eine Auslegung, wonach die Säumnisbeschwerde bereits nach Ablauf von sechs Monaten erhoben werden könnte und die 15-monatige Frist des § 51 Abs 7 VStG also nicht auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren durchschlagen würde, verwarf der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich; dies mit der Begründung, dem einfachen Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe zwar der Berufungsbehörde eine Frist von 15 Monaten zur Entscheidung eingeräumt, die Behörde aber gleichzeitig auch an die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 27 VwGG binden wollen. Dies sei auch deshalb ausgeschlossen, weil das Säumnisbeschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof - insbesondere auch im Hinblick auf die zu setzende Nachfrist des § 36 Abs 2 VwGG - in der Regel geraume Zeit in Anspruch nehme, was häufig zum ungenützten Verstreichen der 15-monatigen Entscheidungsfrist während der Anhängigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens führen müsse. Der Rechtsschutz im Rahmen des Säumnisbeschwerdeverfahrens würde also auch bei dieser - vom Verwaltungsgerichtshof verworfenen - Ansicht de facto meist leerlaufen (vgl. Piska, Neuerungen im Säumnisbeschwerdeverfahren mit besonderer Berücksichtigung des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechts, in: Jabloner/Thienel [Hrsg.], Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel [1999], 130 f). Nach dieser Rechtsprechung wäre es in Privatanklagesachen nach Ablauf der - im Wege des § 27 Abs 1 VwGG auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren wirkenden - Entscheidungsfrist von 15 Monaten zwar an sich möglich, Säumnisbeschwerde zu erheben, dies würde aber keinen Sinn mehr machen, weil gemäß der spezifischen Regelung des § 51 Abs 7 VStG der bekämpfte Bescheid bereits außer Kraft getreten ist.

Nach dem VStG ist die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung eine Privatanklagesache (§56 VStG). Die Regelung der (verwaltungsbehördlich strafbaren) Ehrenkränkung fällt in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz der Länder (ArtVIII der B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444). Die Ehrenkränkung ist in den meisten Bundesländern mit Strafe bedroht (vgl. §§3 ff des NÖ Polizeistrafgesetzes, LGBl. 4000-3; § 4 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 114/2006; § 3 des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes, LGBl. Nr. 24/2005, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 95/2007; §§20 f des Tiroler Landes-Polizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 56/2007; §§12 f des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1967, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 1/2008, §§1 f des Wiener Ehrenkränkungsgesetzes, LGBl. Nr. 35/1987, in der Fassung des Landesgesetzes LBGl. Nr. 28/2001).

Im Fall Isop gegen Österreich (Entscheidung vom , Appl. 808/60) hat die Europäische Menschenrechtskommission eine Privatanklage wegen Verletzung der Ehre als Angelegenheit des Zivilrechts im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK betrachtet (vgl. in diesem Sinne auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - EGMR vom , Patrono ua. gegen Italien, Appl. 10180/04, Z 29 f; vom , Pieniazek gegen Polen, Appl. 62179/00, Z 20; vom , Perez gegen Frankreich, Appl. 47287/99, Z 70 und vom , Helmers gegen Schweden, Appl. 11826/85, Z 29). Derjenige, der das Privatanklageverfahren wegen Verletzung der Ehre betreibt, hat somit nach der Rechtsprechung des EGMR einen zivilrechtlichen Anspruch mit der Folge der Anwendbarkeit von Art 6 EMRK (vgl. Grabenwarter, Art 6 EMRK, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht [1999], Rz 39).

Durch die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge würde auch in Privatanklageverfahren das Straferkenntnis nach Ablauf von 15 Monaten automatisch außer Kraft treten; der Privatankläger hätte - wie zuvor dargelegt - keine Möglichkeit, eine abschließende Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates zu erwirken. Der Privatankläger würde dadurch in seinem Recht auf Zugang zu einem Gericht gemäß Art 6 EMRK, worunter auch das Recht auf effektive Gewährleistung von Rechtsschutz zu verstehen ist, verletzt werden (vgl. Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007], Rz 1541).

2.4. Aus den dargelegten Gründen geht die Bundesregierung davon aus, dass die in Prüfung gezoge[ne] Wortfolge in § 51 Abs 7 VStG sachlich gerechtfertigt und daher auch unter dem Aspekt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden ist."

Zum Bedenken, wonach die in Prüfung gezogene Wortfolge gegen das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist nach Art 13 iVm Art 6 Abs 1 EMRK verstößt, führt die Bundesregierung im Einzelnen aus:

"3. Nach der Rechtsprechung des EGMR, verlangt das Grundrecht auf einen effektiven Rechtsbehelf gemäß Art 13 EMRK eine Beschwerde an eine innerstaatliche Instanz insbesondere auch wegen einer behaupteten Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer. Die Beschwerde vor der nationalen Instanz wegen Verletzung des Gebots angemessener Verfahrensdauer muss Gewähr dafür bieten, dass entweder präventiv das Verfahren beschleunigt oder nachfolgend dem Betroffenen eine angemessene Entschädigung für die eingetretene Verzögerung zuerkannt wird (zB Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung; vgl. Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention2, Handkommentar [2006], Rz 20 ff zu Art 13; vgl. Grabenwarter, Das Recht auf effektive Beschwerde gegen überlange Verfahrensdauer, in:

Ennöckl/N. Raschauer/Schulev-Steindl/Wessely [Hrsg.], Über Struktur und Vielfalt im Öffentlichen Recht. Festgabe für B. Raschauer [2008], 20 f). Die Staaten haben eine Wahlfreiheit hinsichtlich der beiden Arten von Rechtsbehelfen. Zwar hat der EGMR in der Vergangenheit wiederholt eine deutliche Präferenz für Rechtsmittel erkennen lassen, die auf eine Beschleunigung ausgerichtet sind; eine konventionsrechtliche Verpflichtung zu deren Einrichtung besteht jedoch nicht (vgl. Grabenwarter, Das Recht auf effektive Beschwerde, 20 f).

In den Verwaltungsstrafverfahren, in denen nicht nur dem Beschuldigten das Recht auf Berufung zusteht, bietet die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG Gewähr dafür, dass ein Straferkenntnis binnen drei Jahren erlassen wird (vgl. die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer - bei der immer die konkrete Konstellation des Einzelfalls ausschlaggebend ist; drei Jahre dauernde Verfahren werden vom Verfassungsgerichtshof - aufgrund einer Gesamtschau der Rechtsprechung des EGMR - regelmäßig, länger als fünf Jahre dauernde Verfahren hingegen nur selten als angemessen erachtet;

vgl. VfSlg. 16.436/2002, 16.268/2001, 17.307/2004 und 16.358/2001);

sollte es in einem Verwaltungsstrafverfahren trotz der Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG zu einer Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer kommen (zB längere Phasen der Inaktivität der Behörde), so ist dieser Umstand von den vollziehenden Behörden bei der Strafbemessung zu berücksichtigen (§19 Abs 2 VStG in Verbindung mit § 34 Abs 2 des Strafgesetzbuches - StGB, BGBl. Nr. 60/1974; vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/03/0155, mwN). Wird die unangemessene Verfahrensdauer von den vollziehenden Behörden bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt, hebt der Verfassungsgerichtshof den Bescheid im Umfang des Strafausspruches auf (vgl. das Erkenntnis VfSlg. 17.854/2006). Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 51 Abs 7 VStG gegen das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist nach Art 13 in Verbindung mit Art 6 Abs 1 EMRK verstößt, werden daher nicht geteilt."

3. Auch der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens zu B1323/07 erstattete eine Äußerung.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig:

Den vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerdeverfahren, die Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben haben, zulässig sind, und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerden die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung anzuwenden hätte, wurde nicht entgegen getreten. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache:

2.1. § 51 Abs 7 VStG bestimmt, dass ein angefochtenes Straferkenntnis ex lege außer Kraft tritt, wenn über die Berufung - in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten ein Berufungsrecht zusteht - nicht innerhalb eines Zeitraumes von fünfzehn Monaten durch Bestätigung oder Aufhebung entschieden wird. Wenn die Frist verstreicht, ohne dass über die Berufung entschieden worden ist, tritt der angefochtene Bescheid außer Kraft und das Verwaltungsstrafverfahren ist einzustellen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, 2000, § 51 VStG, Rz 29 ff.).

2.2. Der Zweck der Vorgängerregelung des § 51 Abs 7 VStG, des § 51 Abs 5 VStG idF BGBl. 299/1984, wonach lediglich Privatanklagesachen vom Geltungsbereich der fünfzehnmonatigen Frist ausgenommen waren und nicht pauschal alle Verfahren, in denen auch anderen Parteien als dem Beschuldigten ein Berufungsrecht zusteht, bestand darin, einen Ausgleich für den durch die B-VG-Novelle, BGBl. 296/1984, in Art 132 B-VG normierten Ausschluss der Säumnisbeschwerde in Verwaltungsstrafsachen zu schaffen (s. AB 348 BlgNR 16. GP, 1). Mit der Verfahrensnovelle BGBl. 358/1990 wurde die Ausnahme jedoch im neuen Absatz 7 des § 51 VStG (wiederverlautbart mit BGBl. 52/1991) auf Verfahren, in denen nicht nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht, erstreckt, sodass nach neuer Rechtslage nicht mehr nur Privatanklagesachen, sondern zudem insbesondere jene Mehrparteienverfahren, in denen Amtsparteien ein Berufungsrecht eingeräumt ist, vom Geltungsbereich der fünfzehnmonatigen Frist ausgenommen waren.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof erachtet die Ausnahme der Privatanklagesachen von der fünfzehnmonatigen Frist - und damit von der Rechtsfolge des Außer-Kraft-Tretens des erstinstanzlichen Bescheides - durch die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 73 AVG (nach § 52b VStG) und allenfalls einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 132 B-VG grundsätzlich für gerechtfertigt.

2.4. Für die übrigen Verwaltungsstrafverfahren im Anwendungsbereich des § 51 Abs 7 VStG, die nicht Privatanklagesachen darstellen, besteht dagegen die Möglichkeit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde gemäß Art 132 B-VG nicht. Der Schutz vor Säumnis in diesen Verfahren beschränkt sich - allein - auf die in § 31 Abs 3 VStG normierte dreijährige Frist für die Strafbarkeitsverjährung.

Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass der Ausschluss dieser Verwaltungsstrafverfahren von der Rechtsfolge des Außer-Kraft-Tretens des Straferkenntnisses nach § 51 Abs 7 VStG nicht den Anforderungen von Art 13 iVm Art 6 EMRK genügt, hat sich bestätigt:

2.4.1. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass dem Recht auf eine wirksame Beschwerde entweder durch verfahrensbeschleunigende oder durch nachfolgende Rechtsbehelfe Rechnung getragen werden kann (vgl. EGMR , Fall Kudla, RJD 2000-XI, ÖJZ 2001, 904 [Z159]; EGMR [GK], Fall Scordino [Nr. 1], Appl. 36.813/97, ÖJZ 2007, 382 [Z180 ff.]). Eine gesetzlich verfügte Höchstdauer für einen Verfahrensabschnitt wie jene des § 51 Abs 7 VStG vermag grundsätzlich dazu beizutragen, dass ein hinreichender Effektivitätsstandard für die Zwecke von Art 13 EMRK gegeben ist (vgl. EGMR , Fall Jancikova, Appl. 56.483/00, ÖJZ 2006, 93 [Z37, 40]). § 51 Abs 7 VStG wird diesen Anforderungen aber wegen der Ausnahme jener Verwaltungsstrafverfahren, in denen auch anderen Parteien als dem Beschuldigten ein Berufungsrecht eingeräumt wird (mit Ausnahme der Privatanklagesachen) nicht gerecht, da die Bestimmung für diese Verfahren weder eine Höchstdauer des Berufungsverfahrens verfügt noch die Möglichkeit präventiven Säumnisschutzes vorsieht.

2.4.2. Die Bundesregierung versucht die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob des Verstoßes der angefochtenen Wortfolge gegen das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist durch den Verweis auf die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG zu entkräften. Diese biete Gewähr dafür, dass ein Straferkenntnis binnen drei Jahren erlassen werde. Sollte es in einem Verwaltungsstrafverfahren trotz der Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG zu einer Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer kommen (etwa bei längeren Phasen der Inaktivität der Behörde), so sei dieser Umstand gem. § 19 Abs 2 VStG iVm § 34 Abs 2 StGB von den vollziehenden Behörden bei der Strafbemessung zu berücksichtigen (vgl. mwN). Sofern die unangemessene Verfahrensdauer bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt werde, hebe der Verfassungsgerichtshof den Bescheid im Umfang des Strafausspruches auf (vgl. VfSlg. 17.854/2006).

2.4.3. Dem ist entgegen zu halten, dass die Verjährungsfrist des § 31 Abs 3 VStG nicht zu verhindern vermag, dass das Verwaltungsstrafverfahren in der Berufungsinstanz - wie die Anlassfälle zeigen - insbesondere durch eine längere Phase der Untätigkeit eine Dauer erreicht, die mit Art 6 EMRK nicht im Einklang steht (vgl. zB EGMR , Fall Yavuz, Appl. 46.549/99, ÖJZ 2005, 156 [Z38]), ohne dass der Beschuldigte über ein effektives Rechtsmittel zur Beschleunigung des Verfahrens im Sinne des Art 13 EMRK verfügt.

Überdies vermag der Hinweis der Bundesregierung auf die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs 3 VStG auch deshalb nicht durchzuschlagen, weil diese Regelung letztlich - wie insbesondere durch das Urteil des EGMR im Fall Jancikova deutlich wurde - keine Gewähr für die Zustellung eines Berufungsbescheides innerhalb der dreijährigen Frist bieten kann (EGMR Fall Jancikova, Z 40).

Die von der Bundesregierung ins Treffen geführte Möglichkeit der Strafmilderung wiederum reicht für sich genommen - insbesondere wenn man sich den Fall der mündlichen Verkündung eines Berufungsbescheides innerhalb und der schriftlichen Bescheidausfertigung außerhalb der dreijährigen Frist nach § 31 Abs 3 VStG vor Augen hält - nicht aus, um in jedem Fall den Anforderungen des Art 13 EMRK zu entsprechen, zumal die Behörden dabei jedenfalls in einer ausreichend deutlichen Weise anerkannt haben müssen, dass eine Verletzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer stattgefunden hat, und auch die Herabsetzung der Strafe in einer ausdrücklichen und messbaren Weise erfolgen muss (so zB EGMR , Fall Eckle, Serie A 51, EuGRZ 1983, 371 [Z66]; EGMR , Fall Beck, Appl. 26.390/95 [Z27] sowie mit Verweis auf diese Urteile aus jüngerer Zeit die Entscheidung EGMR , Fall Karg, Appl. 29.749/04, ÖJZ 2008, 648 [Z1]). Zudem kann bei Verhängung der Mindeststrafe bei Straftatbeständen wie jenen in den Anlassfällen - ausgenommen die Möglichkeit des § 20 VStG - eine überlange Verfahrensdauer bei der Strafbemessung nicht mildernd berücksichtigt werden. Abgesehen davon hat der Beschuldigte in den Fällen, in denen die Verjährungsfrist des § 31 Abs 3 VStG verstreicht, gar keine Möglichkeit, eine Entscheidung zu erwirken, in der auf diese Weise explizit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Verletzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer gemäß Art 6 EMRK stattgefunden hat (vgl. zu diesem Erfordernis EGMR Fall Scordino [Nr. 1], Z 180 mwN).

2.5. Ob die Annahme der Bundesregierung zutrifft, dass - im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Säumnisbeschwerden im landesgesetzlichen Abgabenstrafrecht (s. ) - im Falle einer Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge in § 51 Abs 7 VStG eine im Hinblick auf Art 6 EMRK bedenkliche Rechtsschutzlücke in Bezug auf Privatanklagesachen entstehen könnte, kann dahingestellt bleiben. Für die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge lässt sich daraus nichts gewinnen. Es ist Sache des Gesetzgebers, allenfalls unerwünschte Folgen der Aufhebung einer gesetzlichen Regelung durch den Verfassungsgerichtshof - gegebenenfalls innerhalb einer gemäß Art 140 Abs 5 B-VG gesetzten Frist (s. Punkt IV.1.) - zu beseitigen, indem er etwa eine anderweitige Regelung über den Säumnisschutz in den einschlägigen Verwaltungsstrafverfahren trifft.

2.6. Vor diesem Hintergrund erweist sich das im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend das Recht auf eine effektive Beschwerde wegen behaupteter Verletzung des Rechts auf eine Entscheidung in angemessener Frist nach Art 13 iVm Art 6 Abs 1 EMRK als zutreffend.

Die im Spruch genannte Wortfolge ist als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Im Hinblick auf diese zur Aufhebung führenden Überlegungen war auf das weitere im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken nicht einzugehen.

IV. 1. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der

aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

3. Der Verfassungsgerichtshof sah sich des Weiteren veranlasst, von der Ermächtigung des Art 140 Abs 7 B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die unter Fristsetzung aufgehobene Wortfolge auf die zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung des Gesetzesprüfungsverfahrens am beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren, denen ein Bescheid zugrunde liegt, der nach Ablauf der fünfzehnmonatigen Frist des § 51 Abs 7 VStG erlassen wurde (mit Ausnahme von Privatanklagesachen), nicht mehr anzuwenden ist.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.