VfGH vom 15.12.1990, g85/89
Sammlungsnummer
12592
Leitsatz
Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Regelung über Ruhensbestimmungen für Pensionen im Sozialversicherungsrecht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; Gleichheitswidrigkeit der Gesamtregelung aufgrund der Unvereinbarkeit von nahezu drei Viertel der Ruhensfälle (Witwen- und Witwerpensionen) mit dem Gleichheitsgebot; Aufgabe der bisherigen Erwerbstätigkeit bei Anfall einer Witwen- oder Witwerpension nicht zumutbar; geringe arbeitsmarktpolitische Effektivität der aufgehobenen Ruhensbestimmung; Einsparungen im Haushalt der Pensionsversicherungsträger und somit mittelbar im Bundeshaushalt gering
Spruch
I. § 94 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in den Fassungen von der 31. Novelle, BGBl. Nr. 775/1974, bis zur 48. Novelle, BGBl. Nr. 642/1989, war verfassungswidrig.
Diese Gesetzesbestimmung ist auch in jener Rechtssache nicht mehr anzuwenden, welche dem Gesetzesprüfungsantrag des Oberlandesgerichtes Linz zu G284/90 zugrundeliegt.
II. § 94 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung der 49. Novelle, BGBl. Nr. 294/1990, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
III. Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim Verfassungsgerichtshof sind die folgenden (jeweils mit der Geschäftszahl des Verfassungsgerichtshofs und dem korrespondierenden Aktenzeichen des antragstellenden Gerichts) angeführten Verfahren über Anträge des Obersten Gerichtshofs sowie der Oberlandesgerichte Wien, Graz und Linz nach Art 140 B-VG anhängig, mit denen die Verfassungswidrigkeit des § 94 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955, in bestimmten (ebenfalls jeweils angeführten) Fassungen geltend gemacht wird (die den gerichtlichen Verfahren zugrundeliegenden Klagen sind durch Entscheidungen der Sozialversicherungsträger über das Ruhen von Pensionen und allfällige Rückforderungen eines Überbezuges während mehr oder weniger weit in die Vergangenheit reichender Zeiträume ausgelöst):
A. Anträge anläßlich des Ruhens einer Alterspension:
1. G50/89 (OGH 10 Ob S 41/89; Ruhen ab ), G51/89 (OGH 10 Ob S 32/89; Ruhen ab ), G230/89 (OLG Linz 13 Rs 119/89; Ruhen ab ), G235/89 (OGH 10 Ob S 220/89; Ruhen ab ), G47/90 (OLG Wien 34 Rs 244/89; Ruhen ab ), G125/90 (OLG Wien 31 Rs 98/90; Ruhen ab ), G170/90 (OLG Wien 12 Rs 83/90; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in der Fassung der 40. Novelle;
2. G33,34/89 (OGH 10 Ob S 42/89; Ruhen ab ), G48,49/89 (OGH 10 Ob S 91/89; Ruhen ab ), G85,86/89 (OLG Wien 33 Rs 139/89; Ruhen ab ), G48,49/90 (OLG Wien 32 Rs 18/90; Ruhen ab Juli 1989; Überbezug im April und Juni 1989) - jeweils in den Fassungen der 39. und 40. Novelle;
3. G35,36/89 (OGH 10 Ob S 7/89; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in den Fassungen der 33., 36., 37., 39. und 40. Novelle;
4. G46,47/89 (OGH 10 Ob S 30/89; Ruhen ab ) - in den Fassungen der 37., 39. und 40. Novelle;
5. G171,175/90 (OLG Wien 31 Rs 127/90; Ruhen ab ) - in den Fassungen der 40. und 48. Novelle.
B. Anträge anläßlich des Ruhens einer Witwen(Witwer)pension:
1. G37/89 (OGH 10 Ob S 73/89; Ruhen ab ) - in der Fassung der 40. Novelle;
2. G34,35/90 (OLG Linz 7 Rs 133/89; Ruhen ab ) - in den Fassungen der 40. und 48. Novelle;
3. G37,38/90 (OLG Wien 31 Rs 19/90; Ruhen ab ;
Überbezug - ) - in den Fassungen der 33., 36., 37., 39. und 40. Novelle;
4. G205/90 (OGH 10 Ob S 268/90; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in den Fassungen der 39., 40. und 41. Novelle;
5. G212/90 (OGH 10 Ob S 261/90; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in den Fassungen der 36. bis 40. Novelle;
6. G252/90 (OLG Wien 31 Rs 206/90; Ruhen ab ) - in den Fassungen der 48. und 49. Novelle.
C. Anträge anläßlich des Ruhens einer Berufsunfähigkeitspension:
1. G38/89 (OGH 10 Ob 187/88; Ruhen ab ), G262/89 (OLG Wien 32 Rs 146/89; Ruhen ab ) - in der Fassung der 40. Novelle;
2. G78,79/89 (OGH 10 Ob S 168/89; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in den Fassungen der 31., 33., 36., 37., 39. und 40. Novelle.
D. Antrag anläßlich des Ruhens einer Alterspension und einer Berufsunfähigkeitspension:
G60,61/89 (OGH 10 Ob S 122/89; Ruhen ab ; Überbezug - ) - in den Fassungen der 39. und 40. Novelle.
E. Antrag anläßlich des Ruhens einer Alterspension und einer Witwerpension:
G58,59/89 (OGH 10 Ob S 11/89; Ruhen und Überbezug - ) - in der Fassung der 39. Novelle.
II. § 94 Abs 1 ASVG in der Stammfassung (BGBl. 189/1955), die Absätze 1 und 2 des § 94 in den Fassungen der 39. bis 48. Novelle sowie der gesamte (- seit der 9. Novelle stets unter der Überschrift "Zusammentreffen eines Pensionsanspruches aus der Pensionsversicherung mit Erwerbseinkommen" stehende -) § 94 in der Fassung der 49. Novelle lauten wie folgt:
A. Stammfassung:
"§94. (1) Gebührt neben einem Rentenanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme des Anspruches auf Waisenrente Entgelt aus einer gleichzeitig ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit, so ruht der Grundbetrag mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Entgelt 500 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Rente und Entgelt im Monat den Betrag von 1300 S überschreitet."
B. 39. Novelle:
"§94. (1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Knappschaftspension und Knappschaftssold sowie Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, so ruht unbeschadet des Abs 2 der Grundbetrag mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 3200 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 7000 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 3200 S und 7000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Richtzahl (§108a Abs 1) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf
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a) | Witwen-(Witwer-)pension anzuwenden, | |||||||||
b) | Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-, Knappschaftsvoll-)pension anzuwenden und wird das Erwerbseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt, zu deren Ausübung der Versicherte durch Maßnahmen der Rehabilitation (§300 Abs 1) befähigt wurde oder auf Grund deren der Versicherte während des Anspruches auf diese Pension, ohne daß ihm Maßnahmen der Rehabilitation gewährt worden sind, mindestens 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben hat, | |||||||||
so ruht der Grundbetrag der Witwen-(Witwer)-pension bzw. der Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-, Knappschaftsvoll-)pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 5959 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 10247 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 5959 S und 10247 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Richtzahl (§108a Abs 1) vervielfältigten Beträge." |
C. 40. Novelle:
"§94. (1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Knappschaftspension und Knappschaftssold sowie Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, so ruhen unbeschadet des Abs 2 40 vH der Pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 3306 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 7231 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 3306 S und 7231 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf
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a) | Witwen(Witwer)pension anzuwenden, | |||||||||
b) | Invaliditäts(Berufsunfähigkeits-, Knappschaftsvoll)pension anzuwenden und wird das Erwerbseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt, zu deren Ausübung der Versicherte durch Maßnahmen der Rehabilitation (§§198 Abs 1 und 300 Abs 1 dieses Bundesgesetzes bzw. § 157 Abs 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes bzw. § 149 Abs 1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes befähigt wurde oder aufgrund deren der Versicherte während des Anspruches auf diese Pension, ohne daß ihm Maßnahmen der Rehabilitation gewährt worden sind, mindestens 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben hat, | |||||||||
so ruhen 40 vH der Witwen(Witwer)pension bzw. der Invaliditäts(Berufsunfähigkeits-, Knappschaftsvoll)pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 6156 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 10585 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 6156 S und 10585 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachten Beträge. Die Voraussetzung des Vorliegens von 36 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung entfällt, sofern der Versicherte Beitragsmonate der Pflichtversicherung erwirbt und ihm in dieser Zeit ein Freibetrag aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 65 vH nach § 106 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, gebührt." |
D. 48. Novelle:
"§94. (1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Knappschaftspension und Knappschaftssold sowie Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, so ruhen unbeschadet des Abs 2 40 vH der Pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 8000 S übersteigt, höchstens jedoch mit 50 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14000 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 8000 S und 14000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension anzuwenden, so ruhen 40 vH der Witwen(Witwer)pension mit 25 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14000 S übersteigt. An die Stelle des Betrages von 14000 S tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , der unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachte Betrag."
E. 49. Novelle:
"§94. (1) Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Knappschaftspension und Knappschaftssold sowie Waisenpension noch Erwerbseinkommen (Abs3 und 4) aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, so ruhen unbeschadet des Abs 2 40 vH der Pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen 8000 S übersteigt, höchstens jedoch mit 50 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14000 S übersteigt. An die Stelle der Beträge von 8000 S und 14000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachten Beträge.
(2) Ist Abs 1 auf einen Anspruch auf Witwen(Witwer)pension anzuwenden, so ruhen 40 vH der Witwen(Witwer)pension mit 25 vH des Betrages, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von 14000 S übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag des Erwerbseinkommens. An die Stelle des Betrages von 14000 S tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , der unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachte Betrag.
(3) Als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs 1 gilt bei einer gleichzeitig ausgeübten
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a) | unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt; | |||||||||
b) | selbständigen Erwerbstätigkeit der auf den Kalendermonat entfallende Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit. | |||||||||
Hinsichtlich der Ermittlung des Erwerbseinkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb ist § 292 Abs 5 und 7 entsprechend anzuwenden. Als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs 1 gelten auch die im § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes, BGBl. Nr. 273/1972, bezeichneten Bezüge. |
(4) Hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf eine Beihilfe nach den besonderen Vorschriften über den Familienlastenausgleich, sind vom Erwerbseinkommen für jedes Kind, für das Anspruch auf eine Beihilfe besteht, 1585 S im voraus abzusetzen. An die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres der unter Bedachtnahme auf § 108i mit der jeweiligen Aufwertungszahl (§108a Abs 1) vervielfachte Betrag.
(5) Gebührt im Anschluß an einen Entgeltbezug Krankengeld aus der Krankenversicherung oder wird aus dieser Versicherung Anstaltspflege gewährt, so ruht für die Dauer des Anspruches auf Krankengeld oder der Gewährung von Anstaltspflege der Pensionsanspruch in der bisherigen Höhe weiter; hiebei ist die Verwirkung (§88 Abs 1) oder Versagung (§142 Abs 1) des Krankengeldanspruches dem Krankengeldanspruch gleichzuhalten. Der Gewährung von Anstaltspflege ist die Unterbringung des Versicherten in einem Genesungs-, Erholungs- oder Kurheim oder einer Sonderkrankenanstalt und der Ersatz der Verpflegskosten gemäß § 131 oder § 150 gleichzustellen.
(6) Waren die Voraussetzungen für die Anwendung der Abs 1 bzw. 2 nicht während eines ganzen Kalenderjahres gegeben, weil
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a) | der Pensionsberechtigte nicht während des ganzen Jahres Anspruch auf Pension hatte oder | |||||||||
b) | er nicht ständig erwerbstätig war oder | |||||||||
c) | der Pensionsberechtigte während der Zeit, in der er Anspruch auf Pension hatte, ein Erwerbseinkommen (Abs3) erzielte, das in den einzelnen Kalendermonaten nicht gleich hoch war, | |||||||||
kann er beim leistungszuständigen Versicherungsträger bis 31. März des folgenden Kalenderjahres beantragen, daß die Bestimmungen der Abs 1 bzw. 2 für das vorangegangene Kalenderjahr oder den Teil desselben, für den ein Pensionsanspruch bestand, neuerlich angewendet werden, in den Fällen der litb und c, sofern das erzielte Erwerbseinkommen während des ganzen Kalenderjahres das Zwölffache des nach § 5 Abs 2 litc jeweils in Betracht kommenden Monatseinkommens im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat; als monatlich erzieltes Erwerbseinkommen ist dabei das im Durchschnitt auf die Monate, in denen Pensionsanspruch bestand, entfallende Erwerbseinkommen anzunehmen. Eine solche neuerliche Feststellung kann jederzeit auch von Amts wegen erfolgen. Ergibt sich daraus ein Mehrbetrag gegenüber dem zur Auszahlung gelangten monatlichen Pensionsbetrag, ist der Mehrbetrag dem Pensionsberechtigten zu erstatten. |
(7) Wird neben mehreren Pensionsansprüchen Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt, ist zunächst Abs 1 auf Pensionsansprüche aus eigener Pensionsversicherung anzuwenden. Dabei sind diese Pensionsansprüche zu einer Einheit zusammenzufassen. Der Ruhensbetrag ist auf diese Pensionsansprüche nach deren Höhe aufzuteilen. Besteht auch Anspruch auf Witwen(Witwer)pension, sind alle Pensionsansprüche zu einer Einheit zusammenzufassen und um den Ruhensbetrag nach Abs 1 zu vermindern. Danach ist Abs 2 anzuwenden."
III. 1. In sämtlichen Anträgen machen der Oberste
Gerichtshof sowie die Oberlandesgerichte Wien, Graz und Linz die Verfassungswidrigkeit des (gesamten) § 94 ASVG wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot geltend und begehren die Gesetzesaufhebung sowie gegebenenfalls den Ausspruch, daß die Regelung in den jeweils genannten früheren Fassungen verfassungswidrig war.
2. Die Bundesregierung hat zu den Anträgen keine Äußerung erstattet und hat sich auch zu den ihr übersendeten (im folgenden erwähnten) statistischen Unterlagen nicht geäußert. Von der Entsendung eines Vertreters zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof hat die Bundesregierung ebenfalls abgesehen.
3. Aufgrund einer Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu bestimmten Tatsachenbehauptungen in den gestellten Gesetzesprüfungsanträgen statistische Unterlagen übermittelt, die auf Angaben der Träger der Pensionsversicherung beruhen oder von diesen selbst erstellt wurden.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat beschlossen, die Verfahren über die vorliegenden Anträge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
IV. Die Gesetzesprüfungsanträge sind - da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind - zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof hält sich nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht für berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Antrag auf Gesetzesprüfung im Sinne des Art 140 B-VG darf daher nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig ist, daß das antragstellende Gericht das angefochtene Gesetz (die angefochtene Gesetzesstelle) anzuwenden hätte (vgl. zB VfSlg. 10296/1984). Davon kann in den vorliegenden Fällen aber nicht die Rede sein.
Der Oberste Gerichtshof und die anderen antragstellenden Gerichte gehen offensichtlich von der Annahme aus, daß § 94 ASVG in der von ihnen jeweils anzuwendenden, auf einer bestimmten ASVG-Novelle beruhenden Fassung eine nicht trennbare Einheit bildet. Dieser Ansicht pflichtet der Verfassungsgerichtshof bei und verweist diesbezüglich auf sein Vorgehen im Gesetzesprüfungsfall VfSlg. 11665/1988, der die Verfassungsmäßigkeit des (dem § 94 ASVG nachgebildeten) § 40a des Pensionsgesetzes 1965 betraf (wobei allerdings in den vorliegenden Gesetzesprüfungssachen im Hinblick auf die sprachliche Fassung des § 94 ASVG eine Trennung dieser Gesetzesvorschrift nach Maßgabe persönlicher Geltungsbereiche - zB Bezieher einer Witwen(Witwer)pension - nicht in Betracht kommt).
V. Der Verfassungsgerichtshof hat sohin in die Behandlung der vom Obersten Gerichtshof folgendermaßen dargelegten (und von den antragstellenden Oberlandesgerichten geteilten) Bedenken einzutreten:
"Erstmals tauchte im österreichischen Sozialversicherungsrecht das Ruhen von Renten wegen Bezugs von Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit im Angestelltenversicherungsgesetz BGBl 1926/388 auf. Dessen Ruhensbestimmungen wurden auch vom gewerblichen Sozialversicherungsgesetz BGBl 1935/107 übernommen. In seinem § 59 Abs 4 hieß es, daß der Anspruch auf Invaliditäts(Alters)Rente aus der Pensionsversicherung für die Zeit ruht, für die aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmung oder aufgrund der das Dienstverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber regelnden Vorschriften volles Entgelt (Abfertigung) gebührt und gesichert ist. Im § 255 Abs 3 hieß es, daß, wenn ein Invaliditätsrentenempfänger bei Fortdauer seiner Berufsunfähigkeit in eine neue angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung eintritt, für je 10 S des S 80 monatlich überschreitenden Gehaltes 3 % der Rente ruhen.
Das im Jahr 1945 rezipierte Sozialversicherungsrecht des Deutschen Reiches kannte dagegen keinen dem § 94 ASVG entsprechenden Ruhensgrund. Die RVO sah in den §§1273 ff nur Ruhensbestimmungen für die Fälle vor, daß eine Invalidenrente mit einer Versehrtenrente aus der Unfallversicherung oder mehrere Renten aus der Invalidenversicherung zusammentreffen. Das Zusammentreffen einer Rente mit Ruhe-(Versorgungs)Genüssen führte ebensowenig zu einem auch nur teilweisen Ruhen, wie jenes einer Rente mit Erwerbseinkommen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sah erstmals der § 9 der Regierungsvorlage zu einem Sozialversicherungsanpassungsgesetz vor, daß Personen vom Bezug der mit der gleichen Vorlage vorgesehenen Ernährungszulage ausgeschlossen sind, die aufgrund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses Anspruch auf Entgelt besitzen oder die selbständig erwerbstätig sind. Im Ausschuß wurde diese Bestimmung bezüglich der Dienstnehmer etwas gemildert. Der § 9 Abs 1 Z 1 sprach in der später beschlossenen Fassung von Personen, die aufgrund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses Anspruch auf Entgelt besitzen, das die Höhe der im einzelnen Fall in Betracht kommenden Ernährungszulage zumindest erreicht. Diese Bestimmung wurde im § 6 Abs 1 Rentenbemessungsgesetz neu gefaßt (BGBl 1954/151). In dem diesbezüglichen Initiativantrag, der in diesem Punkte unverändert beschlossen wurde, hieß es: 'Von den nach § 1 bemessenen Rentenansprüchen aus einer Rentenversicherung ruht der Betrag, auf den der Berechtigte als Entgelt aufgrund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses Anspruch hat, höchstens jedoch bei einer Versichertenrente S 239 und bei einer Hinterbliebenenrente S 147 monatlich'. Das Ruhen im Höchstausmaß trat ohne Rücksicht auf die Höhe des erzielten Einkommens ein, wenn der Anspruchsberechtigte selbständig erwerbstätig war.
Die Stammfassung des ASVG BGBl 1955/189 sah Ruhensbestimmungen (in bestimmten festgelegten Grenzen) vor bei Zusammentreffen eines Rentenanspruches aus der Pensionsversicherung mit anderen Rentenansprüchen aus der Pensionsversicherung (§91) mit einem Rentenanspruch aus der Unfallversicherung (§92) mit einem Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs)Genuß aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis (§93) und mit Entgelt aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (§94). In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (599 BlgNR 7.GP) wird dabei unter anderem zu § 93 ausgeführt, dieser Regelung liege der Gedanke zugrunde, daß der Teil der nebeneinander gebührenden Versicherungs- und Versorgungsleistungen, der unabhängig von der Länge der Versicherungszeit bzw der Dienstzeit bemessen sei, nur einmal, und zwar mit dem höchsten der zusammentreffenden Grundbeträge gewährt werden sollte. Dadurch solle verhindert werden, daß ein solcher Dienstnehmer mit Rücksicht darauf, daß er verschiedenen Versorgungs- oder Versicherungseinrichtungen angehört habe, besser fahre, als wenn er nur einer dieser Einrichtungen zugehörig gewesen wäre. Im § 94 sei das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit überhaupt als Ruhensgrund ausgeschaltet worden, weil die richtige Erfassung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit außerordentlich großen Schwierigkeiten begegne und die aufgewendete Verwaltungsarbeit mit dem erzielten Effekt kaum in Einklang stehen würde. Bei unselbständigem Erwerbseinkommen sei ein Ruhen über den Grundbetrag hinaus nicht vorgesehen, Waisenrenten seien vom Ruhen überhaupt ausgenommen, weil hier offenbar nur kleine Verdienste in Betracht kommen könnten.
Durch die 8.ASVG-Nov BGBl 1960/294, erfolgte eine Milderung der Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG durch Anhebung der vom Ruhen nicht erfaßten Grenzbeträge und eine Besserstellung familienerhaltender Rentner, die §§91 bis 93 wurden ersatzlos aufgehoben. Im Initiativantrag (334 BlgNR 9.GP) wird betont, daß durch die Hinaufsetzung der Höchstbeitragsgrundlage die für weite Kreise der Versicherten derzeit bestehende Unterversicherung in der Pensionsversicherung beseitigt und der dem ASVG innewohnende Grundsatz, die Renten möglichst an den letzten Arbeitsverdienst des Versicherten vor seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben heranzuführen, auch für die Zukunft beibehalten werde. Der Aufhebung der Ruhensbestimmungen der §§91, 92 und 93 komme besondere Bedeutung zu. Diese Bestimmungen hätten seit dem Inkrafttreten des ASVG starke Unzufriedenheit bei den davon betroffenen Rentnern ausgelöst, insbesondere jene des § 93, die zur Zeit vom Verfassungsgerichtshof auch einer Prüfung im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen werde.
§ 93 ASVG idF der 3.Nov wurde in der Folge mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom (VfSlg 3836/1960) als verfassungswidrig aufgehoben.
Mit der 9.ASVG-Nov BGBl 1962/13, erfolgte die Einbeziehung auch der Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit. Im Hinblick darauf, daß im GSPVG und im LZVG Ruhensbestimmungen nicht nur für den Fall des Zusammentreffens eines Rentenanspruches aus diesen Versicherungen mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, sondern auch für den Fall des Zusammentreffens mit Entgelt aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen sei, erscheine es notwendig, auch im ASVG einen Ruhenstatbestand für den Fall des Zusammentreffens eines Rentenanspruchs aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG mit einem Einkommen aus einer ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit zu schaffen. Dadurch werde auch den aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 94 ASVG in der geltenden Fassung Rechnung getragen (Initiativantrag 517 BlgNR 9.GP).
Durch das Pensionsanpassungsgesetz BGBl 1965/96 (Dynamisierung der Ruhensgrenzen), die 21.ASVG-Nov BGBl 1968/6 und die 25.ASVG-Nov BGBl 1970/385 erfuhren die Ruhensbestimmungen weitere Milderungen. In der 25.Nov entfiel das Ruhen des Grundbetrages, sobald der Pensionist das 65. Lebensjahr vollendet und mindestens 540 Versicherungsmonate erworben hatte. Dies galt auch für Witwenpensionen.
Die 39.ASVG-Nov BGBl 1983/590 brachte erstmals spürbare Verschärfungen der Ruhensbestimmungen. Die Ruhensgrenzbeträge wurden mit Ausnahme der Witwen(Witwer)Pensionen herabgesetzt. Die Befreiungsbestimmung für über 65-jährige Pensionsbezieher mit mindestens 540 Beitragsmonaten fiel wieder weg. Ruhensfähig war aber nach wie vor nur der Grundbetrag der Pension, während die Steigerungsbeträge unabhängig von der Höhe des Arbeitsverdienstes in jedem Fall ungekürzt gebührten. Bezüglich der Witwen(Witwer)Pensionen sowie der Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-, Knappschaftsvoll-)Pensionen, sofern das Erwerbseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt wird, zu deren Ausübung der Versicherte durch Maßnahmen der Rehabilitation befähigt wurde oder aufgrund derer der Versicherte während des Anspruchs auf diese Pension, ohne daß ihm Maßnahmen der Rehabilitation gewährt worden sind, mindestens 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben hat, wurden höhere Grenzbeträge festgesetzt und damit günstigere Ruhensbestimmungen geschaffen. Ziel der Neuregelung war nach dem Ausschußbericht (80 BlgNR 16.GP) vor allem die Sicherung der Arbeitsplätze und eine Entlastung des Bundeshaushaltes. Es sollte den Bestrebungen, neben dem Bezug einer eigenen Pension noch eine einträglichere Nebenbeschäftigung oder die frühere Berufstätigkeit auszuüben, entgegengewirkt werden. Die günstigere Regelung bei den Witwen(Witwer)Pensionen und den Invaliditätspensionen wurde damit begründet, daß es sich bei diesen Versicherten um Personen handle, die dem Kreis der Behinderten angehören, die durch Maßnahmen der Rehabilitation oder durch ihre eigene, vom Gesetzgeber auch anerkannte Initiative in die Lage versetzt werden, wieder in das Berufsleben einzutreten. Die Gemeinschaft habe ein besonderes Interesse, daß diese Personen einen ihnen angemessenen Platz im beruflichen und gesellschaftlichen Leben möglichst dauernd einnehmen. Es wäre daher verfehlt, ihrem Streben nach Aktivität, das anders zu werten sei, als das eines Nichtbehinderten, durch die Anwendbarkeit der verschärften Ruhensbestimmungen entgegenzuwirken.
Die einschneidendste Verschärfung erfolgte durch die
40. ASVG-Nov BGBl 1984/484. Das bisherige Pensionsberechnungssystem:
Grundbetrag, Grundbetragszuschlag und progressive Steigerungsbeträge wurde durch ein neues System ersetzt, das in der Kombination von linearen Steigerungsbeträgen sowie von Zurechnungszuschlägen und von Kinderzuschlägen für weibliche Versicherte besteht. Wird neben einem Pensionsanspruch aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Knappschaftspension und Knappschaftssold sowie Waisenpension noch Erwerbseinkommen erzielt, so ruhen grundsätzlich 40 % der Pension mit dem Betrag, um den das im Monat gebührende Erwerbseinkommen S 3.200 (1988 S 3.694) übersteigt, höchstens jedoch mit dem Betrag, um den die Summe aus Pension zuzüglich Hilflosenzuschuß und Erwerbseinkommen im Monat den Betrag von S 7.000 (1988 S 8.079) übersteigt. Die günstigere Regelung für Witwen-(Witwer-) und Invaliditätspensionen wurde beibehalten und noch dadurch ergänzt, daß die Voraussetzung des Vorliegens von 36 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung entfällt, sofern der Versicherte Beitragsmonate der Pflichtversicherung erwirbt und ihm in dieser Zeit ein Freibetrag aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 65 v.H. nach § 106 des Einkommensteuergesetzes 1972 BGBl Nr. 440 gebührt. Die Neuregelung, die bei Ermittlung des Ruhensbetrages von der Bruttopension ausgeht, die anstelle des früheren Grundbetrages trat, brachte für einen Großteil der Pensionsbezieher mit gleichzeitigem Erwerbseinkommen eine empfindliche Verschärfung. Durch die 41.ASVG-Nov BGBl 1986/111 wurden auch die in § 23 Abs 1 des Bezügegesetzes angeführten Bezüge in die Ruhensbestimmungen einbezogen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen VfSlg 3836/1960 und 5241/1966 ausgesprochen, daß der Gesetzgeber durchaus im Rahmen des Kompetenztatbestandes gemäß Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG 'Sozialversicherungswesen' bleibe, wenn er gewisse Rentenbeträge, auf die ansonsten ein Anspruch besteht, wegen anderweitiger Einkünfte des Versicherten zum Ruhen bringt. Der Gesetzgeber könne also grundsätzlich Ruhensbestimmungen normieren, die grundsätzliche Differenzierung zwischen Rentenberechtigten, die über ein gewisses Einkommen verfügen und anderen, die ein solches anderweitiges Einkommen nicht haben, sei nicht als gleichheitswidrig anzusehen. Es komme aber auf die konkrete Verwirklichung an. Andererseits könne aber auch das Fehlen von Ruhensbestimmungen nicht als mit dem Wesen der Sozialversicherung unvereinbar bezeichnet werden.
Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß eine neuerliche Überprüfung der Verfassungsgemäßheit der Ruhensbestimmungen im ASVG deshalb erforderlich ist, weil sich seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom VfSlg 5241/1966, in welchem § 94 ASVG in der damaligen Fassung nicht als gleichheitswidrig erkannt wurde, sich einerseits die Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG (und jene der anderen Sozialversicherungsgesetze), wie sich aus der eingangs dargelegten Entwicklung ergibt, bedingt durch die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und budgetären Erfordernisse grundlegend geändert haben und andererseits diese Bestimmungen einer Überprüfung im Lichte des Erkenntnisses vom G184-194, 200/87, über die Verfassungsmäßigkeit des § 40 a Pensionsgesetz bedürfen.
Das Erkenntnis vom baut entscheidend darauf auf, daß die Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen sei, daß die Angehörigen der einzelnen Sozialversicherungsgemeinschaften eine Riskengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe, weshalb Sozialversicherungspensionen überwiegend als Versorgungsrenten zu charakterisieren seien. Geschlossen wird dies daraus, daß in allen Sozialversicherungsgesetzen die Aufgabe der versicherten Tätigkeit Voraussetzung für die Alterspension ist, sozialpolitische Erwägungen der Behandlung der Ersatzzeiten als Versicherungszeiten zugrundelagen und auch die Aufwertungsfaktoren und die Pensionsdynamik sowie der erhebliche Bundeszuschuß dafür sprächen, daß die Pensionen Versorgungscharakter hätten.
Hier ist zunächst darauf zu verweisen, daß der Gesetzgeber, was die Aufgabe der versicherten Tätigkeit anlangt, nicht konsequent ist. Das Nichtbestehen einer Pflichtversicherung am Stichtag ist zwar Voraussetzung für die Gewährung einer Alterspension. Eine schon am nächsten Tag aufgenommene versicherungspflichtige Beschäftigung führt aber im Regelfall nur zum teilweisen Ruhen der Pension. Auch werden nunmehr gerade jene Pensionen im Rahmen der Ruhensbestimmungen günstiger behandelt, bei denen der Versorgungsgedanke besonders stark ausgeprägt ist, wie etwa Witwen- und Witwerpensionen, aber auch Invaliditätspensionen, bei denen die Beitragsleistung der Versicherten naturgemäß weit geringer ist als jene der Alterspensionisten. Soweit letztere 540 Versicherungsmonate erreicht haben, führt eine weitere aktive Tätigkeit zwar zu keiner Steigerung ihrer Pension, streben sie jedoch eine solche an, dann gelten für sie die schärferen Ruhensbestimmungen des § 94 Abs 1 ASVG, wenn sie nach dem Stichtag wieder eine Erwerbstätigkeit ausüben. Es ist auch bemerkenswert, daß durch die dargelegte Entwicklung des Pensionsrechtes zweifellos in den letzten Jahren eine Verschiebung in der Richtung eines weitaus stärkeren Hervortretens von versicherungsrechtlichen Elementen eingetreten ist. Besonders der Wegfall des Grundbetrages und Grundbetragszuschlages und die neue Pensionsberechnung in Form von linearen Steigerungsbeträgen wirken in dieser Richtung. Auf derselben Linie liegt die wesentliche Einschränkung der Anrechnung von Studienzeiten für die Bemessung der Leistung. Auch wird der Kreis der Personen, die in den Genuß der Ersatzzeitenregelung gelangen, mit fortschreitender Zeit immer kleiner; es seien hier etwa die Ersatzzeiten für Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft oder Zeiten der Beschäftigung als Arbeiter vor dem beispielsweise genannt.
Unter diesen Voraussetzungen bestehen aber erhebliche Bedenken gegen die sachliche Rechtfertigung der Ruhensbestimmungen in ihrer bestehenden Form. Wenn der Gesetzgeber bestimmten ASVG-Pensionisten, nämlich jenen, die ein Erwerbseinkommen beziehen, einen Teil ihrer Pensionen ruhend stellt, sie also gegenüber Pensionisten ohne gleichzeitiges Erwerbseinkommen schlechter stellt, so muß dieser Eingriff in die bestehende Rechtsposition sachlich zu rechtfertigen sein. Die Ruhensbestimmungen erfuhren im wesentlichen durch die 39. und 40. ASVG-Nov ihre heutige Ausprägung. Der Gesetzgeber hat - wie dargestellt - diese Regelung damit begründet, daß sie einerseits der Sicherung der Arbeitsplätze dienen und andererseits eine Entlastung des Bundeshaushaltes bewirken sollte (80 BlgNR 16.GP). Es kann bezweifelt werden, daß diese Ziele durch die bestehenden Ruhensbestimmungen auch nur annähernd erreicht werden.
Nach der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zuletzt für das Jahr 1986 verlautbarten Statistik betrug die Zahl der gemäß § 94 ASVG ruhenden Pensionen
21.807. Hievon waren nur 4.021 Alterspensionen, dagegen 15.797 Witwen- und Witwerpensionen und 1989 Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Statistisches Handbuch für die Republik Österreich 1988, 171). Es zeigt sich also, daß bei der weit überwiegenden Zahl jener Pensionen das Ruhen wegen Erwerbstätigkeit besonders häufig vorkommt, bei denen die Aufgabe der Erwebstätigkeit schon begrifflich keine Voraussetzung des Eintrittes des Versicherungsfalles ist. Da es sich bei den aus diesem Grunde ruhenden Witwen(Witwer)Pensionen naturgemäß in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle um solche handelt, wo die Empfänger der Leistung schon bisher (neben ihren verstorbenen Ehegatten) berufstätig waren, können durch die Ruhensbestimmungen kaum Arbeitsplätze freigemacht werden. Bei diesen bleibt es daher bei der Budgetentlastung, die der Gesetzgeber aber durch die für solche Pensionen weit günstigere Regelung des § 94 Abs 2 ASVG selbst wieder teilweise zunichte gemacht hat. Die Zahl der ruhenden Alterspensionen ist dagegen in Anbetracht der Zahl von 352.484 Arbeiter-, 243.052 Angestellten- und 9.036 Bergarbeiterpensionisten aus dem Versicherungsfall des Alters (im Jahr 1986, die Zahlen für 1987 sind noch höher) eine geradezu verschwindend geringe (Statistisches Handbuch 1988, 171). Unter diesen Umständen kann das Ruhen der Alterspensionen weder eine nennenswerte Entlastung des Bundeshaushaltes noch die Sicherung von Arbeitsplätzen bewirken. Es muß hier - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom zu § 40 a Pensionsgesetz dargetan hat - berücksichtigt werden, daß den geringen Budgeteinsparungen in Form des aliquot auf diese Pensionen entfallenden Bundeszuschusses erhebliche Mehrausgaben für den Vollzug der Ruhensbestimmungen und Mindereinnahmen zufolge des Kaufkraftverlustes dieser versicherten Gruppe sowie der Entfall der Sozialversicherungsbeiträge gegenüber stehen. Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind sicher nicht so erheblich, um damit die Ruhensbestimmungen rechtfertigen zu können. Hier muß berücksichtigt werden, daß Pensionisten häufig Beschäftigungen ausüben, die von anderen Arbeitskräften nicht ohne weiteres übernommen werden können, wie etwa besonders qualifizierte Angestellte, die im Ruhestand als Konsulenten weiter tätig sind. Soweit Pensionisten eine selbständige Tätigkeit ausüben, nehmen sie überhaupt niemanden einen Arbeitsplatz weg, sondern schaffen vielmehr häufig durch ihre Tätigkeit sogar zusätzliche Arbeitsplätze. Auch darf nicht übersehen werden, daß die Ruhensbestimmungen häufig dazu führen, daß der Pensionist in nicht gemeldete Erwerbstätigkeiten ausweicht, was nicht nur schwer kontrollierbar ist, sondern auch zu einem weiteren Entfall von Einnahmen des Staates führt. Es ist daher insgesamt äußerst zweifelhaft, ob die derzeitigen Ruhensbestimmungen geeignet sind, die vom Gesetzgeber erwarteten Ziele zu erreichen. Wäre dies jedoch nicht der Fall, dann könnten sie sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 2 StGG als auch möglicherweise wegen ihrer die freie Erwerbstätigkeit einschränkenden Wirkung gegen Art 6, allenfalls auch gegen Art 5 StGG verstoßen.
Dazu kommt noch, daß die Ruhensbestimmungen in ihrer vollen Härte gerade die Alterspensionisten treffen, bei denen der Versicherungsgedanke weit stärker ausgeprägt ist als bei den durch § 94 Abs 2 ASVG begünstigten Gruppen. Auch diese Regelung ist daher unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit verfassungsrechtlich bedenklich. Aber auch die Unterscheidung innerhalb des § 94 Abs 2 litb ASVG in Pensionisten, die neben der Pension Erwerbseinkommen aus einer Erwerbstätigkeit beziehen, zu deren Ausübung sie durch Maßnahmen der Rehabilitation befähigt wurden und solche, bei denen dies nicht der Fall war, ist bedenklich. Es ist nicht ohne weiters einzusehen, warum invalide Pensionisten, die aus eigener Kraft die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß schaffen, schlechter gestellt werden als solche, denen dies mit Hilfe der den Sozialversicherungsträger kostenmäßig belastenden Rehabilitation gelungen ist. Schließlich muß in diesem Zusammenhang aber auch auf die Übergangsbestimmung des ArtIV Abs 3 der 40.ASVG-Nov verwiesen werden, wonach die durch diese Novelle eingetretene entscheidende Verschärfung der Ruhensbestimmungen für jene Pensionisten, deren Pension im Dezember 1984 geruht hat, solange nicht gilt, solange das zum Ruhen führende Erwerbseinkommen aufgrund ein und derselben Erwerbstätigkeit weiterhin erzielt wird. Damit werden einerseits jene Pensionisten schlechter behandelt, die - wie dies etwa bei den Witwen und Witwern häufig der Fall ist - nach der neuen Regelung zum Ruhen führende Tätigkeiten schon vor dem Anfall der Pension ausgeübt haben, andererseits jene Pensionisten, die ihren bisherigen Arbeitsplatz ohne eigenes Verschulden verloren haben und sich daher einen neuen Arbeitsplatz suchen mußten.
Schließlich erscheinen die Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG aber auch im Hinblick auf die inzwischen erfolgte Aufhebung des § 40 a Pensionsgesetz verfassungsmäßig bedenklich.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom G184-194, 200/87 die Verfassungsmäßigkeit des § 40 a Pensionsgesetz unter anderem im Hinblick auf den nicht erreichten Regelungszweck, wonach sich Pensionisten einer Berufstätigkeit enthalten sollen, damit vorhandene Arbeitsplätze für Arbeitsuchende frei werden, die Entlastung des Bundeshaushaltes und daß auch Bundespensionisten einen Akt der Solidarität zur Arbeitsproblematik 'ungeachtet allfälliger Unterschiede im Tatsächlichen zwischen Beamtenpensionen und Pensionen nach dem ASVG' leisten sollen, verneint, und daher eine gleichheitsrechtliche Beurteilung durch Vergleich der Lage von ASVG-Pensionisten und Bundespensionisten nicht vorgenommen. Tomandl hat in seiner Kritik dieses Erkenntnisses (ZAS 1988, 181) dargetan, daß zwischen der Alterssicherung der Beamten und jener der privaten Arbeitnehmer, sieht man von der unterschiedlichen Konstruktion ab, im Tatsächlichen eine weitgehende Übereinstimmung besteht. Beide Pensionsarten sollen eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahekommende Versorgung sichern, weisen also im Tatsächlichen insoweit keine wesentlichen Unterschiede auf. Es sei nicht verkannt, daß Beamte einem Sonderrecht unterstehen, in ein besonderes Gewaltverhältnis zum Dienstgeber treten, der die Pensionsleistung zu erbringen hat und Verpflichtungen übernehmen, die über die Pflichten eines privaten Dienstnehmers hinausgehen und die zum Teil auch für die Zeit der Pensionierung gelten. Die Ansicht, der Ruhegenuß des öffentlich Bediensteten sei seinem Wesen nach kein Versicherungsanspruch, der auf solidarischen Leistungen einer entsprechend großen Riskengemeinschaft beruht, es handle sich dabei vielmehr um ausschließliche Dienstgeberleistungen, die der Staat als Dienstgeber dem Beamten erbringe, damit sei der Widmungszweck der Zuwendungen des Bundes an die Pensionsversicherung und an die Ruhegenüsse der pensionierten Beamten ein völlig verschiedener (VfSlg 3389/1958; Korinek in ÖJZ 1965, 113), kann nach den Veränderungen und der Entwicklung in den letzten 20 Jahren in dieser Form nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Der Eigenbeitrag der Beamten zur Alterssicherung wurde vom Gesetzgeber, der damit eine immer stärkere Angleichung an den Arbeitnehmerbeitrag in der Pensionsversicherung anstrebte, sukzessive soweit angehoben, daß er nun nur mehr geringfügig unter jenem der Arbeitnehmer im privaten Bereich liegt. Auch der Beamte trägt also in nahezu gleicher Weise selbst zu seiner Alterssicherung bei. Andererseits ist der Staat gezwungen, auch zu den Pensionsversicherungen einen jährlich größer werdenden Beitrag zu leisten, um die Pensionen sicherzustellen, so daß auch hier nicht mehr von einer reinen Riskengemeinschaft der Angehörigen der einzelnen Sozialversicherungsgemeinschaften zur Erfüllung der Ansprüche der Einzelnen gesprochen werden kann. Eine Abgrenzung, in welchem Umfang der Staat Leistungen als Dienstgeber erbringt und in welchem darüber hinausgehenden Ausmaß - ebenso wie bei der Pensionsversicherung - Zuschüsse zur Erfüllung der Versorgungsaufgaben erforderlich sind, ist mangels getrennter Ausweisung nicht möglich. Wie eng die Pensionssysteme tatsächlich verknüpft sind, ergibt sich aus den Bestimmungen des Abschnittes VII des ASVG über die Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis und das Ausscheiden aus einem solchen (§§308 f). Es bleibt dem Dienstnehmer überlassen, die Zeiten zu bestimmen, die ihm der Dienstgeber als Ruhegenußvordienstzeiten anrechnet (Gehrmann-Rudolf-Teschner-Fürböck ASVG 35.ErgLfg 1488). Der Versicherungsträger hat für bestimmte angerechnete Dienstzeiten bei Eintritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis einen Überweisungsbetrag zu leisten. Hinsichtlich solcher 'übernommener Beitragszeiten' aus einem anderen Versicherungssystem kann wohl nicht davon gesprochen werden, daß der dadurch erworbene Teil des Ruhegenußanspruches Entgelt für dem Dienstgeber Staat geleistete Dienste sei.
Nach § 11 des Pensionsgesetzes erlischt der Anspruch auf Ruhegenuß durch Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, Verzicht, Austritt, Ablösung, Verhängung der Disziplinarstrafe des Verlustes aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche und durch Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe. Auch der Ruhestandsbeamte unterliegt nach den Bestimmungen der §§153 und 154 der Dienstpragmatik der Disziplinarbehandlung. Daß ähnliches mit dem Zweck der Sozialversicherung unvereinbar wäre, hat der Verfassungsgerichtshof als einen der hauptsächlichsten Unterschiede im Tatsächlichen zwischen Sozialversicherungspensionen und Beamtenruhegenüssen bezeichnet. Tomandl (aaO 188) hat darauf verwiesen, daß aufgrund disziplinärer oder strafgerichtlicher Verurteilung der Anspruch auf die Beamtenpension verlorengehen kann, sich die Pension dann aber in den niedereren Unterhaltsbetrag gemäß § 50 Pensionsgesetz umwandelt, so daß die wirtschaftliche Existenz jedenfalls gesichert ist. Vielmehr noch zeigt sich die vom Gesetzgeber gewollte Gleichbehandlung aller Versicherungszeiten unter Abbau von Unterschieden im Tatsachenbereich in der Bestimmung des § 311 ASVG. Ist ein Dienstnehmer aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne daß aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)Genuß erwachsen ist, so hat der Dienstgeber dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten. Für die Leistung des Überweisungsbetrages ist es gleichgültig, aus welchem Grund beim Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis kein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)Genuß angefallen ist. Der Überweisungsbetrag ist daher auch zu leisten, wenn aus disziplinären Gründen kein Ruhe(Versorgungs)Genuß anfiel. Ebenso sind im Überweisungsbetrag auch Zeiten zu berücksichtigen, die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis aus disziplinären Gründen für den Ruhe(Versorgungs)Genußanspruch nicht angerechnet wurden (Gehrmann-Rudolf-Teschner-Fürböck, ASVG, 35.ErgLfg, 1505). All dies könnte dafür sprechen, daß die Unterschiede zwischen Beamtenpensionen und Sozialversicherungspensionen in höherem Maße nur in der rechtlichen Konstruktion liegen, nicht aber so wesentlich im Tatsächlichen, daß die nunmehrige Regelung, wonach bei Zusammentreffen einer Pension mit Erwerbseinkommen Sozialversicherungspensionen Ruhensvorschriften unterworfen werden, während Beamtenpensionen keinerlei Schmälerung erfahren, dem Gleichheitsgebot der Verfassung nicht gerecht wird."
VI. Die Gesetzesprüfungsanträge sind gerechtfertigt.
1. Der Oberste Gerichtshof stellt die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Ruhensbestimmungen in Sozialversicherungsgesetzen nicht in Frage, insbesondere nicht die tragenden Gedanken des Erkenntnisses VfSlg. 5241/1966, mit welchem der Verfassungsgerichtshof einem Antrag der Salzburger Landesregierung auf Aufhebung (ua.) des § 94 ASVG idF des Pensionsanpassungsgesetzes, BGBl. 96/1965, als verfassungswidrig keine Folge gegeben hat. Auch der Verfassungsgerichtshof findet aus der Sicht der vorliegenden - § 94 ASVG in den Fassungen späterer Novellen betreffenden - Gesetzesprüfungsfälle keinen Anlaß, sich mit den in der bezogenen Entscheidung zum Ausdruck kommenden Rechtsansichten neuerlich auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für die - im wesentlichen folgendermaßen begründete - Ansicht, daß eine Ruhensbestimmung der gegebenen Art unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes im grundsätzlichen verfassungsrechtlich unbedenklich ist:
"In diesen Bestimmungen (nämlich: § 253 Abs 1 und § 270 ASVG) hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß die Alterspension unter der Voraussetzung gewährt wird, daß der (die) Versicherte nach Erreichung des Versicherungsfalles des Alters aus der Pflichtversicherung ausscheidet ... Aus der für ausreichend angesehenen Höhe der Rente leitete das Gesetz das Recht ab, vom Versicherten durch diese Regelung zu verlangen, daß er nicht jüngeren Arbeitskräften durch weiteres Verbleiben in seiner pensionsversicherungspflichtigen Beschäftigung einen Arbeitsplatz wegnimmt. ...
Die Bestimmung des § 94 ASVG. über den Einfluß eines Erwerbseinkommens neben einer Pension steht damit im Einklang mit der vom Gesetzgeber bereits in den §§253, 270 und 276 ASVG. getroffenen prinzipiellen Entscheidung. ...
Den Pensionsvorschriften des ASVG., des GSPVG. und des LZVG. liegt die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde, daß Pensionsleistungen nur gebühren, wenn die die Pensionsversicherungspflicht begründende Tätigkeit aufgegeben oder - beim Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit - vorübergehend oder dauernd nicht ausgeübt werden kann. ...
Gegen die Grundthese des Gesetzes bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es sei allerdings bemerkt, daß dies nicht bedeutet, daß andere Lösungen verfassungsrechtlich bedenklich sein müßten. ...
...
Da die Ruhensbestimmungen nur Modifikationen eines als verfassungsrechtlich unbedenklich befundenen Grundgedankens sind, so sind sie für sich betrachtet grundsätzlich ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich.
...
Es ist daher nur zu prüfen, ob der Gesetzgeber bei der Durchführung der im grundsätzlichen verfassungsrechtlich unbedenklichen Ruhensvorschriften gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hat."
Es bedeutete jedoch ein Fehlverständnis des eben auszugsweise wiedergegebenen Erkenntnisses, wenn man ihm eine gleichsam abschließende Beurteilung der verfassungsrechtlichen Problematik entnehmen wollte. Denn abgesehen davon, daß diese Entscheidung selbst die konkrete Ausgestaltung der Ruhensbestimmungen als (mit)maßgeblich ansieht, können ihre Darlegungen im Hinblick auf die ständige Judikatur, daß sich der Gerichtshof im Antragsverfahren auf Gesetzesprüfung auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (zB VfSlg. 5636/1967, S. 673, und 9911/1983, S. 674, mit weiteren Judikaturhinweisen), nur als Antworten auf jene verfassungsrechtlichen Fragestellungen aufgefaßt werden, die sich aus dem Vorbringen der damals einschreitenden Landesregierung ergaben. Dies bedeutet, daß der Verfassungsgerichtshof, wenn er sich mit den inhaltlich grundlegend neuen Argumentationslinien des antragstellenden Obersten Gerichtshofs befaßt, trotz des Festhaltens an den prinzipiellen Aussagen seiner bisherigen Rechtsprechung zu einem von dieser abweichenden Ergebnis gelangen kann. Im gegebenen Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß sich der Verfassungsgerichtshof im Rahmen dieses Gesetzesprüfungsverfahrens ausschließlich mit der angefochtenen Ruhensbestimmung des § 94 ASVG (welche die Pensionen der geminderten Arbeitsfähigkeit, die Alterspensionen und die Witwen(Witwer)pensionen betrifft) zu befassen hatte; nicht aber hatte er auf die verwandten Rechtseinrichtungen im § 253a Abs 2 und § 253b Abs 2 ASVG einzugehen, welche sich auf die vorzeitigen Alterspensionen bei Arbeitslosigkeit sowie bei langer Versicherungsdauer beziehen und regelmäßig den Wegfall dieser Pensionen im Fall vorsehen, daß der Versicherte eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt.
2. Der Oberste Gerichtshof verweist (unter Bezugnahme auf das Statistische Jahrbuch für die Republik Österreich) auf die Verteilung der von den Ruhensbestimmungen betroffenen Pensionen auf die einzelnen Pensionsarten und das dabei zu findende Schwergewicht bei den Witwen(Witwer)pensionen sowie auf die besondere, von der Regelung der Alterspension abweichende Rechtslage im Bereich der Witwen(Witwer)pension. Die in diesem Zusammenhang vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken sind gerechtfertigt:
Der Verfassungsgerichtshof hat (vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales) eine statistische Übersicht über die Zahl und Gliederung der von den Ruhensbestimmungen im § 94 ASVG betroffenen Pensionen beigeschafft, welche für den (nach der Fällung des Erkenntnisses VfSlg. 5241/1966 liegenden) Zeitraum 1967 bis 1988 folgendes Bild bietet:
Geht man vom prozentuellen Anteil der Witwen(Witwer)pensionen an der Gesamtzahl der betroffenen Pensionen in den letzten vier bezogenen Jahren aus (71,2 %, 72,4 %, 72,8 %, 72,5 %) und nimmt man der besseren Übersicht wegen eine gröbere, zu Bruchzahlen führende Rundung vor, so wird deutlich, daß nahezu drei Viertel der Ruhensfälle auf Witwen(Witwer)pensionen (und bloß das restliche Viertel auf Eigenpensionen) entfallen. Dem Obersten Gerichtshof ist im Ergebnis beizupflichten, wenn er dartut, daß gerade für diese den Hauptanwendungsfall des § 94 ASVG bildende Gruppe von Pensionsbeziehern das im Erkenntnis VfSlg. 5241/1966 zur sachlichen Rechtfertigung des Ruhens der Pension hauptsächliche Argument nach dessen Voraussetzungen nicht zutreffen kann: Es ist nämlich bei abgeleiteten Pensionen begrifflich ausgeschlossen, die für das Ruhen der Pension maßgeblichen Bestimmungen als Modifikation des nur für Eigenpensionen relevanten Grundgedankens des Gesetzes anzusehen, daß Pensionsleistungen nur gebühren, wenn die die Pensionsversicherungspflicht begründende Tätigkeit aufgegeben wird (oder nicht ausgeübt werden kann). Mit dieser Argumentation des antragstellenden Obersten Gerichtshofs, welcher der Verfassungsgerichtshof beipflichtet, ist aber der sachlichen Rechtfertigung für das Ruhen von Witwen(Witwer)pensionen unter dem Blickwinkel des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes der Boden entzogen, und es bleibt festzuhalten, daß sich auch eine andere sachliche Begründung für das Ruhen dieser Pensionen wegen einer Erwerbstätigkeit der Witwe (des Witwers) nicht findet:
Als (weitere) Ziele des Gesetzgebers bei der Schaffung von Ruhensbestimmungen wurden stets auch solche der Arbeitsmarktpolitik ins Treffen geführt. So sei etwa auf die Erläuterungen des (zwar eine Novellierung des Pensionsgesetzes 1965 durch Einfügung von (in der Folge mit dem Erkenntnis VfSlg. 11665/1988 als verfassungswidrig aufgehobenen) Ruhensbestimmungen betreffenden) Initiativantrags Nr. 84/A, II-1171 BlgNR 16.GP hingewiesen (- die im eben angeführten Erkenntnis (S. 360 ff.) im wesentlichen Teil wiedergegeben sind -) und aus ihnen folgendes hervorgehoben:
"Die Pensionen des weitaus überwiegenden Teiles der Pensionisten sind durch das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geregelt. Das ASVG ist - von einzelnen seiner Bestimmungen abgesehen - mit in Kraft getreten und enthält seit diesem Zeitpunkt im § 94 Ruhensbestimmungen. Schon seit damals nehmen daher Pensionisten, die neben ihrer Pension ein Erwerbseinkommen beziehen, das einen bestimmten Betrag übersteigt, eine Kürzung ihrer Pension in Kauf. Diese Regelung bezweckt einerseits, daß Pensionisten, sofern ihr Erwerbseinkommen ein gewisses Ausmaß übersteigt, entweder sich einer umfangreicheren Berufstätigkeit neben der Pension enthalten, wodurch vorhandene Arbeitsplätze für Arbeitssuchende frei werden. Andererseits wird durch das Ruhen eines Teiles der Pension im Falle umfangreicherer Beschäftigungen der Haushalt der Pensionsversicherungsträger und damit mittelbar auch jener des Bundes entlastet. Dadurch werden aber auch Mittel frei, die für die Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet werden können. ..."
Zu diesen beiden Aspekten arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung - einerseits unmittelbare Entlastung des Arbeitsmarktes, andererseits Besserung der Arbeitsmarktlage durch Schaffung von Arbeitsplätzen unter Verwendung eingesparter finanzieller Mittel - ist grundsätzlich festzuhalten, daß diese Zielsetzungen zwar in der jeweiligen Wirkung isoliert betrachtet werden können, bei der rechtlichen Wertung jedoch nicht etwa als gleichsam gleichwertige Alternativen nebeneinander gestellt werden dürfen: Aus den wiedergegebenen Erläuterungen ist abzuleiten, daß die vorrangige arbeitsmarktpolitische Zielsetzung in der Abstandnahme des Pensionsbeziehers von einer Erwerbstätigkeit nach dem Anfall der Pension besteht, was zu einer Besserung der Situation am Arbeitsmarkt führen soll. Die Einsparung finanzieller Mittel, welche zur Arbeitsplatzschaffung eingesetzt werden können, ist dagegen bloß ein sekundärer Effekt, welcher daraus resultiert, daß der Pensionist entgegen der vom Gesetz angedrohten finanziellen Sanktion eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und deswegen einen Teil der ihm gebührenden Pension nicht erhält. Aus diesem Zusammenhang der beiden Aspekte arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung folgt (bei gebotener Durchschnittsbetrachtung), daß das Eintreten einer Einsparung im Haushalt des Pensionsversicherungsträgers und - in weiterer Folge - im Bundeshaushalt nur dort zur sachlichen Rechtfertigung einer Ruhensbestimmung herangezogen werden kann, wo das Absehen von einer Erwerbstätigkeit durch den Pensionsbezieher arbeitsmarktpolitisch wirksam und ihm zumutbar ist. Die gegenteilige Auffassung, welche das Ziel der budgetären Einsparung (insbesondere im Hinblick auf den Beitrag des Bundes in der Pensionsversicherung) als gleichrangig ansieht, führte zu einem mit dem Gleichheitsgebot unvereinbaren Ergebnis (und damit - wie vorwegnehmend bemerkt sei - zu einer weiteren Gleichheitswidrigkeit). Es wäre nämlich sachlich nicht begründbar, weshalb bloß das aus einer Erwerbstätigkeit resultierende Einkommen ein teilweises Ruhen der hier ausschließlich in Rede stehenden Witwen(Witwer)Pension bewirken sollte, nicht aber im wirtschaftlichen Effekt gleichzuhaltende andere Einkünfte (deren Einbeziehung sich jedoch - zB bei Einkünften aus vom Pensionisten zurückgelegten Ersparnissen - aufgrund anderer Erwägungen als verfassungswidrig erweisen könnte).
Mit Recht verneint nun der Oberste Gerichtshof die arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit der Ruhensbestimmungen bei Witwen(Witwer)pensionen mit dem unmittelbar einsichtigen und offenkundig auch aus der Erfahrung seiner Rechtsprechung bestätigten Argument, daß es sich bei den wegen einer Erwerbstätigkeit ruhenden Witwen(Witwer)pensionen naturgemäß in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle um solche handelt, in denen die Empfänger der Leistung schon bisher (neben ihren verstorbenen Ehegatten) berufstätig waren. Bei einer solchen Lage bewirken die Ruhensbestimmungen wohl kaum das Freiwerden von Arbeitsplätzen und es ist dem Pensionsberechtigten im Hinblick sowohl auf die Beibehaltung seines Lebensstandards als auch die Wahrung seiner Anwartschaft auf eine Eigenpension regelmäßig unzumutbar, die - häufig schon durch lange Zeit vor der Verwitwung ausgeübte - Erwerbstätigkeit plötzlich aufzugeben. (So hat etwa die Vertreterin der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof den Ruhensbestimmungen bei Bezieherinnen einer Witwenpension die Wirkung beigemessen, "den Verbleib in der Anwartschaft für die Eigenpension zu festigen".)
Die eben angestellten Erwägungen treffen umso mehr in solchen Fällen zu, in denen schon vor dem Tod des Ehegatten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (wozu lediglich illustrativ auf zwei dem Obersten Gerichtshof Anlaß zur Antragstellung bietende Rechtssachen hingewiesen sei; nach der Sachlage in der einen ist die Bezieherin einer Witwenpension als Landwirtin und in der anderen der Bezieher einer Witwerpension als Rechtsanwalt berufstätig (G 205/90 bzw. G34,35/90)).
3. Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß die Ruhensbestimmungen des § 94 ASVG als eine einheitliche, auf den gesamten Arbeitsmarkt bezogene Rechtseinrichtung gesehen und gewertet werden müssen. Erweisen sie sich - wie eben dargetan wurde - in bezug auf die nahezu drei Viertel der Ruhensfälle ausmachenden Fälle des Ruhens der Witwen(Witwer)pension als mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar, so ist schon daraus zwingend die Gleichheitswidrigkeit der Gesamtregelung abzuleiten. Es erschiene demnach an sich als entbehrlich, auf die Rechtslage bei den weiteren Pensionistengruppen (allenfalls zum Vergleich auch auf außerhalb des § 94 ASVG geregelte Fälle) überhaupt einzugehen. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich jedoch veranlaßt, seine Rechtsmeinung zur Verdeutlichung umfassender darzulegen, und bemerkt daher zu den (insgesamt bloß etwas mehr als ein Viertel bildenden) Ruhensfällen im Bereich der Alterspension sowie im Bereich der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit noch folgendes:
4. Aufgrund der (vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beigeschafften) statistischen Unterlagen läßt sich nachstehende Übersicht über die Ruhensfälle gemäß § 94 ASVG bei Alterspensionen und deren Aufgliederung auf die Pensionsversicherungsträger erstellen:
VersA d. VersA d.
österr. österr.
PVAng PVAr Bergbaues Eisenbahnen gesamt
1984 2788 1371 5 6 4170
1985 2760 1388 8 4 4160
1986 2720 1289 10 2 4021
1987 2661 1123 9 5 3798
1988 2670 1095 8 6 3779
In Ansehung dieses Zahlenmaterials betont der Verfassungsgerichtshof zunächst, daß er in seiner bisherigen Rechtsprechung weder auf den Anteil der vom Ruhen betroffenen Alterspensionen an der Gesamtzahl der Ruhensfälle (zB in den oben bezogenen Jahren: 19,4 %, 19,1 %, 18,4 %, 17,5 %, 17,5 %) noch auf besondere Umstände Bedacht genommen hat, welche die mit den Ruhensbestimmungen (mit)verfolgte arbeitsmarktpolitische Zielsetzung betrafen; hiezu bestand insbesondere im Hinblick auf das Antragsvorbringen in dem zum Erkenntnis VfSlg. 5241/1966 führenden Gesetzesprüfungsverfahren auch kein Anlaß. Beim Ruhen von Alterspensionen ist zwar die im eben zitierten Erkenntnis dargelegte primäre sachliche Rechtfertigung für diese legislative Maßnahme gegeben; das Ruhendstellen eines Pensionsteiles kann nämlich hier als eine Modifikation des - im eben bezogenen Erkenntnis verfassungsrechtlich nicht beanstandeten - Grundgedankens aufgefaßt werden, daß der Pensionsanspruch vom Aufgeben der bisherigen Erwerbstätigkeit abhängen soll. Die zu dieser Voraussetzung des Pensionsanfalls hinzutretenden Ruhensbestimmungen entfalten jedoch weitergehende Wirkungen. Sie sollen verhindern, daß der Pensionist Nebentätigkeiten ausübt, die einer Fortsetzung der bisherigen Erwerbstätigkeit nicht gleichkommen, ja vielfach schon neben der bisherigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wurden. Mit Recht führt dazu der Oberste Gerichtshof an, daß die arbeitsmarktpolitische Effektivität (einschließlich der Ersparnis im Haushalt der Pensionsversicherungsträger und - in weiterer Folge - im Bundeshaushalt) als gering angesehen werden muß. Dies fällt besonders ins Gewicht, weil einerseits (entsprechend dem gewonnenen Teilergebnis) das Ruhen von Witwen(Witwer)pensionen bei der weiteren Beurteilung außer Betracht zu bleiben hat und andererseits der relative Anteil ruhender Alterspensionen an der Gesamtzahl dieser Pensionen gering ist (zB im Jahr 1988: 3779 Ruhensfälle zu 310.765 Alterspensionen insgesamt, d.s. rund 1,2 %); hingegen kann - mangels diesbezüglicher empirischer Erhebungen - aus dem niedrigen Hundertsatz der tatsächlich ruhenden Alterspensionen umgekehrt nicht auf eine besondere arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit der Ruhensvorschriften geschlossen werden. In Anlehnung an die arbeitsmarktpolitische Wertung von Ruhensbestimmungen im hg. Erkenntnis VfSlg. 11665/1988 weist der Oberste Gerichtshof zutreffend darauf hin, daß Pensionisten (nach dem Aufgeben ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit) häufig Beschäftigungen ausüben, die von anderen Arbeitskräften nicht ohne weiters übernommen werden können, und führt als Beispiel besonders qualifizierte Angestellte an, die im Ruhestand als Konsulenten weiter tätig sind. Neben diesem vom Obersten Gerichtshof ausdrücklich genannten Fall sind aber auch Beschäftigungen zu erwähnen, die dem Arbeitsumfang nach (etwa weil sie im Vergleich zur Normalarbeitszeit kürzere Zeiten in Anspruch nehmen) als typische Nebentätigkeiten gelten (zB Nachtportier, Stundenbuchhalter, Billeteur, Halbtagskräfte beim Botendienst). Die vom Verfassungsgerichtshof gleichfalls geteilte Auffassung des Obersten Gerichtshofs, daß Pensionisten dann, wenn sie eine selbständige Tätigkeit ausüben, überhaupt niemandem einen Arbeitsplatz wegnehmen (sondern daß diese Pensionisten vielmehr häufig durch ihre Tätigkeit sogar zusätzliche Arbeitsplätze schaffen), wird auch in ihrer quantitativen Bedeutung durch die beigeschafften statistischen Unterlagen erhärtet. Diese Unterlagen zeigen nämlich, daß (grob gerundet) im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (- auf die rund zwei Drittel der Ruhensfälle bei Beziehern von Alterspensionen entfallen -) das Ruhen von Alterspensionen etwa zur Hälfte auf das Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Pensionisten zurückzuführen und daß daher die Erwerbstätigkeit ohne wesentliche Relevanz für den Arbeitsmarkt ist:
Ruhen der Alterspension
wegen Einkommen aus
unselbständiger selbständiger
Erwerbstätigkeit Erwerbstätigkeit insgesamt
1984 1513 1275 2788
1985 1461 1299 2760
1986 1406 1311 2717*)
1987 1318 1343 2661
1988 1288 1382 2670
*) (Es besteht eine - im gegebenen Zusammenhang nicht aufklärungsbedürftige - Differenz von 3 Ruhensfällen zur vorhergehenden Übersicht)
Im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (- auf die rund ein Drittel der Ruhensfälle bei Beziehern von Alterspensionen entfallen -) machen die auf eine selbständige Erwerbstätigkeit zurückzuführenden Ruhensfälle anteilsmäßig zwar weniger aus, belaufen sich in den nachangeführten Jahren jedoch immerhin auf (ebenfalls grob gerundet) etwa ein Fünftel bis ein Viertel der gesamten Ruhensfälle dieser Anstalt:
Ruhen der Alterspension
wegen Einkommen aus
unselbständiger u
unselbständiger selbständiger selbständiger Er-
Erwerbstätigkeit Erwerbstätigkeit werbstätigkeit insgesamt
1984 1064 307 1371
1985 1040 298 1338*)
1986 1000 288 1 1289
1987 851 271 1 1123
1988 842 251 2 1095
*) (Es besteht eine - im gegebenen Zusammenhang nicht aufklärungsbedürftige - Differenz von 50 Ruhensfällen zur vorletzten Übersicht)
Auch bezüglich des sekundären arbeitsmarktpolitischen Ziels, nämlich der Einsparung im Haushalt der Pensionsversicherungsträger und - mittelbar - im Bundeshaushalt, pflichtet der Verfassungsgerichtshof den vom Obersten Gerichtshof - gleichfalls in Anlehnung an das hg. Erkenntnis VfSlg. 11665/1988 - vorgebrachten Argumenten bei. Es trifft zu, daß der Vollzug von Ruhensbestimmungen erhebliche Mehrausgaben bedingt (- die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schätzt ihre diesbezüglichen Ausgaben für 1987 mit (mindestens) 15 Mio. S, für 1988 mit (mindestens) 15,5 Mio. S und für 1989 mit (mindestens) 16 Mio. S -) und daß den Einsparungen ein Kaufkraftverlust dieser Versichertengruppe sowie der Entfall von Sozialversicherungsbeiträgen und von Abgaben (zB von Einkommensteuer) gegenüberstehen. Dem Obersten Gerichtshof ist ferner darin zuzustimmen, daß Ruhensvorschriften häufig zu einem Ausweichen des Pensionisten in nichtgemeldete Erwerbstätigkeit führen, was nicht nur schwer kontrollierbar ist, sondern auch einen weiteren Entfall von Einnahmen des Staates bedingt. Schließlich ist die oben bezüglich der Witwen(Witwer)pensionen näher begründete Überlegung, das Eintreten einer Haushaltsersparnis könne nur dort zur sachlichen Rechtfertigung einer Ruhensbestimmung herangezogen werden, wo das Absehen von einer Erwerbstätigkeit durch den Pensionsbezieher arbeitsmarktpolitisch wirksam und ihm zumutbar ist, auch im hier gegebenen Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung.
Zusammenfassend gelangt der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht, daß das eben erörterte Antragsvorbringen des Obersten Gerichtshofs unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes die Verfassungswidrigkeit der Ruhensbestimmungen auch für den Bereich der Alterspensionen dartut. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei allerdings betont, daß sich aus dem vorliegenden Erkenntnis nichts gegen das in der Vorjudikatur (VfSlg. 5241/1966) hervorgehobene Erfordernis ergibt, als Voraussetzung für den Anfall der Alterspension die die Pensionsversicherungspflicht begründende bisherige Erwerbstätigkeit aufzugeben. Im übrigen ist beim Verfassungsgerichtshof zu G18/90 ein Gesetzesprüfungsverfahren anhängig, in dem diese Frage zu beantworten sein wird.
5. Was die Ruhensfälle bei Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension, Knappschaftsvollpension) anlangt, steht bereits aufgrund des Ergebnisses der bezüglich der Witwen(Witwer)pensionen und der Alterspensionen angestellten Erwägungen fest, daß die Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit als der gleichsam verbliebene Rest die Rechtseinrichtung der Ruhensbestimmungen nicht tragen können, und zwar weder im Hinblick auf die Relation zur Gesamtzahl der ruhenden Pensionen (1984 bis 1988: 9,9 %, 9,7 %, 9,1 %, 9,7 %, 9,9 %) noch in Ansehung des Verhältnisses zur Zahl der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit insgesamt (1984 bis 1988: 1,1 %, 1,0 %, 0,9 %, 1,0 %, 1,0 %). Es ist daher entbehrlich, auf die Auswirkungen der Ruhensbestimmungen auf die Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit einzugehen, insbesondere darauf, ob und inwieweit die bezüglich des Ruhens von Alterspensionen angestellten Überlegungen sinngemäß auch für das Ruhen von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zutreffen.
6. Die Anträge des Obersten Gerichtshofs sowie der Oberlandesgerichte Wien, Graz und Linz erweisen sich mithin als gerechtfertigt, die in Prüfung gezogene Regelung ist mit dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot unvereinbar. Bei diesem Ergebnis mußte auf das weitere Antragsvorbringen nicht mehr eingegangen werden.
VII. 1. § 94 ASVG in der geltenden Fassung der 49. Novelle, BGBl. 294/1990, war sohin als verfassungswidrig aufzuheben. Weiters war auszusprechen, daß diese Gesetzesvorschrift in den Fassungen von der 31. Novelle, BGBl. 775/1974, bis zur 48. Novelle, BGBl. 642/1989, (d.s. außer den eben genannten Novellen die 33. Novelle, BGBl. 684/1978, die 36. Novelle, BGBl. 282/1981, die 37. Novelle, BGBl. 588/1981, die 39. Novelle, BGBl. 590/1983, die 40. Novelle, BGBl. 484/1984, sowie die 41. Novelle, BGBl. 111/1986) verfassungswidrig war.
2. Die übrigen Entscheidungen stützen sich auf Art 140 Abs 4, 5, 6 und 7 B-VG.
Eine Einbeziehung des beim Verfassungsgerichtshof zu G284/90 protokollierten Antrages des Oberlandesgerichtes Linz (12 Rs 144/90; Ruhen einer Alterspension ab bis ;
Überbezug im Mai 1990) auf Aufhebung des § 94 ASVG in der Fassung der 48. Novelle war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen (Einlangen des Antrages am ;
Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den ) nicht mehr möglich. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch beschlossen, von der ihm gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und (mit dem zweiten Absatz des Abschnittes I des Spruches) die Anlaßfallwirkung auch für diese beim Oberlandesgericht Linz anhängige Rechtssache herbeizuführen (vgl. zB VfSlg. 11455/1987). Damit erübrigt sich eine weitere Erledigung dieses Gesetzesprüfungsantrages des Oberlandesgerichtes Linz.
Die Setzung einer kurzen Frist für das Außerkrafttreten der geprüften Gesetzesvorschrift erfolgte mit Rücksicht auf die infolge der bereinigten Rechtslage notwendige administrative Umstellung.