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VfGH vom 14.10.1992, g8/92

VfGH vom 14.10.1992, g8/92

Sammlungsnummer

13227

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des im WohnungseigentumsG 1975 normierten Heizkostenaufteilungsschlüssels bei Feststellung des Verbrauchs jedes einzelnen Benützers einer zentralen Wärmeversorgungsanlage durch Meßgeräte

Spruch

In § 19 Abs 1 Z 1 des Wohnungseigentumsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 417, in der Fassung des § 56 Z 2 des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981, wird der mit der Wortfolge "ist der Verbrauch ..."

beginnende und der Wortfolge "... ihrer Anteile zu tragen" endende zweite Halbsatz als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Oberste Gerichtshof beantragt die Aufhebung des mit der Wortfolge "ist der Verbrauch ..." beginnenden zweiten Halbsatzes des § 19 Abs 1 Z 1 Wohnungseigentumsgesetz 1975, BGBl. 417 (WEG), in der Fassung des § 56 Z 2 Mietrechtsgesetz, BGBl. 520/1981. Er hat über Rekurse der Antragstellerin und eines Antragsgegners gegen einen Beschluß des Kreisgerichtes Wels zu entscheiden, worin über Rekurs der Antragstellerin in einem Verfahren auf Neufestsetzung des Heizkostenverteilungsschlüssels ein Beschluß des Bezirksgerichtes Wels aufgehoben wird, weil eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage notwendig sei. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wird zur Klärung der Rechtsfragen zugelassen, unter welchen ganz konkreten Voraussetzungen der Anteil am Gesamtverbrauch (noch) als feststellbar gilt, welche Komponenten hiebei einzufließen und welche außer Betracht zu bleiben haben und welche Fehlerquote (plus/minus) noch tolerierbar ist. Der Oberste Gerichtshof meint, bei Entscheidung dieser Frage den zweiten Halbsatz des § 19 Abs 1 Z 1 WEG anwenden zu müssen.

1. Die angefochtene Gesetzesstelle steht unter der Rubrik "Aufwendungen" in folgendem Zusammenhang:

"(1) Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen. Ein hievon abweichender Verteilungsschlüssel kann vereinbart werden:

1. von der Mehrheit der Miteigentümer hinsichtlich der Aufwendungen für Anlagen, die nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen, wie etwa für einen Personenaufzug oder eine Zentralheizung (zentrale Wärmeversorgungsanlage), nach dem Verhältnis ihrer unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit; ist der Verbrauch oder der Anteil am Gesamtverbrauch jedes einzelnen Benützers einer zentralen Wärmeversorgungsanlage durch besondere Vorrichtungen (Geräte) feststellbar, so sind von den Miteigentümern, die die Anlage benützen, 60 v.H. der durch den Betrieb der Anlage auflaufenden Kosten des Verbrauchs nach Maßgabe des durch die besonderen Vorrichtungen (Geräte) festgestellten Verbrauchs oder Anteils am Gesamtverbrauch, der Restbetrag der Verbrauchskosten und die sonstigen Kosten des Betriebes aber nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen; ..."

2. Gegen den zweiten Halbsatz der Z 1 trägt der Oberste Gerichtshof dieselben Bedenken vor, die den Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G43/91 vom zur Aufhebung des zweiten Satzes in § 14 Abs 1 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, BGBl. 139/1979, in der Fassung des § 55 Z 2 des Mietrechtsgesetzes bestimmt haben. Der Oberste Gerichtshof weist darauf hin, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung der aufgehobenen Norm (inhaltlich) entspricht, im Zuge einer gleich motivierten und auch gleich gestalteten Festlegung der Verteilungsgrundsätze für Heizkosten in Miet-, Genossenschafts- und Eigentumswohnungen in das WEG aufgenommen worden ist und (ausweislich der Erläuterungen in 268 BlgNR, 15.GP, 14) sowohl in § 14 Abs 1 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz als auch in § 24 Abs 1 Mietrechtsgesetz und § 19 Abs 1 WEG zu "analogen" Regelungen führen sollte.

3. Die Bundesregierung hat im Hinblick auf das Erkenntnis G43/91 von einer Äußerung in der Sache abgesehen und für den Fall der Aufhebung die Bestimmung einer Frist von einem Jahr beantragt.

II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Der zweite Halbsatz in § 19 Abs 1 Z 1 WEG idF BGBl. 520/1982 verstößt gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.

Es ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß der antragstellende Gerichtshof die angegriffene Bestimmung, gegen die sich die vorgetragenen Bedenken richten, bei Erledigung der Rekurse anzuwenden hätte.

Die angegriffene Bestimmung entspricht in der Tat (mit den aus dem andersartigen Anwendungsbereich folgenden Unterschieden) nahezu wörtlich jener Vorschrift, die der Verfassungsgerichtshof in der bereits mehrfach genannten Entscheidung G43/91 als verfassungswidrig erkannt hat. Den zutreffenden Hinweisen des Obersten Gerichtshofes ist nichts hinzuzufügen.

Die angegriffene Bestimmung ist daher als gleichheitswidrig aufzuheben.

Bei der Fristsetzung im Sinne des Art 140 Abs 5 B-VG ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Verfassungswidrigkeit auch der vorliegenden Bestimmung seit dem Erkenntnis G43/91 offenkundig und dem Gesetzgeber das allfällige Bedürfnis nach einer Ersatzregelung seit dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Erkenntnisses bekannt ist.

Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art 140 Abs 5, der Ausschluß des Wiederinkrafttretens früherer Bestimmungen auf Art 140 Abs 6 B-VG.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).