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VfGH vom 24.11.2014, G79/2014

VfGH vom 24.11.2014, G79/2014

Leitsatz

Abweisung weiterer Individualanträge von Gemeinden auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG betreffend Gemeindefusionen; keine Unsachlichkeit der bekämpften Vereinigungen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art 140 Abs 1 B VG begehrt die antragstellende Gemeinde Sulmeck-Greith, § 3 Abs 2 Z 3 Steiermärkisches Gemeindestrukturreformgesetz – StGsrG, LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), als verfassungswidrig aufzuheben. Begründend wird dazu – auszugsweise – Folgendes ausgeführt:

"Warum die angedachte Gebietsänderung nicht dem Sachlichkeitsgebot entspricht:

[…] Zur geographischen Lage bzw zu den – angeblich – bestehenden Siedlungsverfechtungen:

[…] Richtig ist zwar, dass die genannten Gemeinden aneinander grenzen. Von angeblich bereits bestehenden Siedlungsverflechtungen — wie in den Erläuterungen zum Gesetz angeführt – kann jedoch nicht die Rede sein.

Einleitend ist festzuhalten, dass die ASt erstmalig bereits im Jahr 1969 aus drei Gemeinden zusammengelegt wurde, wobei sich das Zusammenwachsen der Bevölkerung aus verschiedenen Gemeinden als sehr langwierig erwiesen hat. Erst nach Jahrzehnten konnte aus vier Pfarren, vier Postleitzahl-Gebieten, vier Volksschulsprengeln, sechzehn Vereinen und durch eine Volksschulsprengeländerung eine Gemeindeeinheit erreicht werden.

Hinsichtlich der angeblichen Siedlungsverflechtungen ist festzuhalten, dass die ASt und die Gemeinde St. Martin im Sulmtal lediglich wenige Kilometer (zu etwa 30 %) aneinandergrenzen. Diese 30 % müssen aber insofern hinterfragt werden, da diese aneinander grenzenden Flächen der beiden Gemeinden als Hochwassergebiet ausgewiesen sind. Solcherart ist schon jetzt und wird auch in Hinkunft durch die Fusion das Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl der Einwohner der ASt zur neuen Fusionsgemeinde St. Martin im Sulmtal nicht vorhanden (sein).

[…] Die ASt besteht aus insgesamt sechs Katastralgemeinden, wovon drei in der Ebene, im Sulmtal […] und die drei anderen auf der Höhe, St. Ulrich im Greith […] gelegen sind. Im nördlichen Gemeindegebiet liegt westlich die KG Dietmannsdorf im Sulmtal und südöstlich die KG Gasselsdorf. Im Norden des Gemeindegebiets der ASt liegt die KG Graschach, im Süden schließt sich die KG Kopreinigg an, in der sich auch die Ortschaft St. Ulrich im Greith befindet. Der südlichste Teil des Gemeindegebietes wird von den Katastralgemeinden Pitschgauegg im Westen und Tombach im Osten gebildet.

Tatsächliche Verflechtungen der ASt mit der Gemeinde St. Martin im Sulmtal gibt es lediglich mit der KG Dietmannsdorf (direkt angrenzend an St. Martin im Sulmtal).

[…] Die von der berufenen Regierung in das Treffen geführte – angebliche – Siedlungsverflechtung zwischen den beiden Gemeinden trifft großteils also nicht zu; die ASt verfügt ferner über ausreichend eigene infrastrukturelle Versorgungseinrichtungen:

[… (Es folgt eine Aufzählung diverser Infrastruktureinrichtungen.)]

Weiters ist festzuhalten, dass der Bereich St. Ulrich im Greith, welcher die Katastralgemeinden Kopreinigg, Tombach und Pitschgauegg umfasst und in welchem ca. die Hälfte der Bevölkerung der ASt lebt, der zentrale Punkt in Hinsicht auf das Vereinsleben und der Kultur der ASt ist. Es befindet sich hier das über die Grenzen für seine Kunst und Kultur bekannte 'Greith-Haus', ein saniertes Schulhaus, ein neues Musikheim und die Kirche mit Pfarrheim. Bei der Vereinsstruktur gibt es keine Gemeinsamkeiten bzw Verflechtungen mit der Gemeinde St. Martin im Sulmtal.

Entgegen den erläuternden Bemerkungen der berufenen Regierung zum StGsrG ist die ASt auch funktionell nicht nach St. Martin im Sulmtal orientiert. Hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen und privaten Gütern und Dienstleistungen sowie der ärztlichen Versorgung bestehen nur geringste Verflechtungen mit der Gemeinde St. Martin im Sulmtal mit der im Sulmtal angrenzenden KG Dietmannsdorf (241 Einwohner). Demgegenüber ist die KG Graschach (141 Einwohner) hinsichtlich Schulsprengel, Pfarre, Güter- und ärztlicher Versorgung nach Gleinstätten verlagert. Die Einwohner der KG Gasselsdorf (322 Einwohner)[,] Kopreinigg (224 Einwohner), Tombach (342 Einwohner) und Pitschgauegg (109 Einwohner) nehmen den Kindergarten, die Volksschule und Pfarre in St. Ulrich in Anspruch. Die Güter- und ärztliche Versorgung wird großteils in den Gemeinden Pölfing-Brunn, Wies oder Oberhaag konsumiert.

Eine Zentrumsverlagerung nach St. Martin brächte daher für 80 % der Bevölkerung der ASt keine Vorteile. Durch die Zwangsfusion wird vielmehr sogar das Abwandern der Bevölkerung forciert. Nicht zuletzt verdoppelt sich durch die Fusion für den Großteil der Gemeindebürger die Wegstrecke zum neuen Gemeindezentrum und kann von einer Siedlungsverflechtung der beiden Fusionsgemeinden folglich nicht ausgegangen werden.

Auch im Bereich der Raumplanung gibt es keinerlei Siedlungsverflechtungen zwischen der ASt und St. Martin im Sulmtal. Die einzige Ortschaft, die mit St. Martin im Sulmtal in geografischer Verbindung steht, ist die KG Dietmannsdorf, welche aber im Hochwasserabflussgebiet liegt. Entgegen der Annahme der berufenen Regierung in ihren erläuternden Bemerkungen zum StGsrG werden raumordnungspolitische Probleme erst nach der Zusammenlegung kommen, da bei einer optimierten Raumplanung alles zentral zusammengezogen würde (keine Förderungen, wenn 3 km von Zentralort entfernt) und der sogenannte ländliche Raum damit keine Chance haben wird sich zu erweitern. Die optimierte Raumplanung wurde von der ASt bereits in der Form durchgeführt, dass mit April 2014 der neue Flächenwidmungsplan 5.0 in Rechtskraft getreten ist. Eine Abwanderung bzw eine Überalterung wird auch durch eine Zwangsfusion der beiden Gemeinden und einer optimierten Raumplanung nicht verhindert werden können.

[…] Solcherart können diese Faktoren auch nicht zur Begründung der gegenständlichen Fusion herangezogen werden. Die angedachte Fusion ist somit (auch) aus diesem Grund sachlich nicht gerechtfertigt.

[…]

[…] Zur finanziellen Lage:

[…] Gemeindehaushalt:

Die ASt ist bereits jetzt fähig ohne Zusammenlegung ihren finanziellen Pflichtaufgaben sowie ihren zusätzlichen Aufgaben nachzukommen. Solcherart ergibt sich aus den Rechnungsabschlüssen der Jahre 2010 bis 2013, dass die Einnahmen im Verhältnis zu den Ausgaben immer ungleich gestiegen sind. So konnte im Jahr 2013 sogar ein Überschuss von ca. EUR 323.000,00 erwirtschaftet werden.

[…] Verwaltungskosten:

Im Bereich der Verwaltungs- und Personalkosten sind durch die Fusion keine Kostenersparnisse zu erwarten. Durch die Zwangsfusionierung der beiden in Rede stehenden Gemeinden werden die bestehenden Gemeindeverwaltungen zusammengeführt werden. Da die derzeitigen Amtsräume der jetzigen Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal keine ausreichenden Möglichkeiten bieten, die Mitarbeiter der ASt bei einer Fusion in einer sinnvollen Neuorganisation unterzubringen, werden durch die Zwangsfusionierung vielmehr teure, unausweichliche Bauvorhaben notwendig, die hohe Kosten verursachen werden, welche wiederum von der Bevölkerung der fusionierten Gemeinden zu tragen sind. Auch hierin ist eine klare Verschlechterung für die Bürger beider jetzigen Einzelgemeinden zu erblicken. Eine sparsame Gemeindeführung ist dabei nicht zu erkennen und die Fusion daher auch aus diesem Gesichtspunkt abzulehnen. Die ASt ist vielmehr bereits jetzt und ohne Zusammenlegung fähig, ihren finanziellen Pflichten sowie ihren zusätzlichen Aufgaben nachzukommen.

Aus Sicht der ASt sind durch die Fusion auch für die Gemeinde St. Martin im Sulmtal keine Vorteile erkennbar. Diese hat sich lediglich aufgrund der in Aussicht gestellten Fusionsprämie für eine Fusion entschieden.

[…] Weitere Folgen der Zwangsfusion:

Für die Bevölkerung der ASt ergeben sich aufgrund der Zusammenlegung fast ausschließlich Nachteile und keinerlei Verbesserungen: Zu erwarten ist, dass nur der 'neue' Zentralraum gestärkt wird. Der Erhalt der bestehenden Infrastruktur kann aber nur durch die örtliche Selbstverwaltung sichergestellt werden. Da der parallele Betrieb von gering ausgelasteten identischen infrastrukturellen Einrichtungen höhere Kosten als der Betrieb einer Einrichtung verursacht, ist aufgrund der Zwangsfusion mit der Schließung der Volksschule und des Kindergartens in St. Ulrich zu rechnen. Aufgrund dieser Schließung würde in der Folge auch die gewachsene Vereinsstruktur der ASt langsam verloren gehen, da sich der schulische Schwerpunkt fortan nach St. Martin im Sulmtal verlagern würde und solcherart die Jugend aus St. Ulrich abgezogen wird. Es würde folglich die Individualität und Persönlichkeit des Ortes St. Ulrich verloren gehen und droht überhaupt der Ortskern von St. Ulrich auszusterben ('Beschleunigung der neuen Landflucht'). Die moralische Verpflichtung der Ehrenamtlichkeit wird für viele Aufgaben verloren gehen, deren Bewältigung fortan teuer erkauft werden müsste.

Anzuführen ist, dass die Kindergartenzahlen seit 2012 bis 2014 von 20 auf 23 angestiegen sind. Die Volksschule besuchten 2007 30 Schüler, nunmehr sind es 40.

Weiters ist zu befürchten, dass durch die geplante Fusion das kulturelle Leben im Gemeindegebiet der ASt beeinträchtigt wird; besonders auf dem kulturellen Sektor nämlich ist die ASt bemüht, sämtliche Facetten abzudecken. Die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal unterhält auch keine regelmäßige Gemeindezeitung, im Gegensatz dazu bietet die ASt ihrer Bevölkerung ein informatives periodisch wiederkehrendes Medium, welches von der Bevölkerung der ASt auch gerne in Anspruch genommen wird.

[…] Auch in diesem Bereich zeigt sich also, dass keine Notwendigkeit zur Fusion der ASt mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal besteht. Die Kosten der Fusionsabwicklung würden den prognostizierten (aber von der berufenen Regierung ohnehin nicht in Zahlen erfassten) – finanziellen – Nutzen übersteigen bzw zumindest aufwiegen; die angedachte Fusion ist somit auch diesbezüglich sachlich nicht gerechtfertigt.

[…]

[…] Zum Verlust der Bürgernähe und zum anhaltenden Widerstand der Bevölkerung:

[…] Durch die Fusion wird sich die Anzahl der Vertreter im Gemeinderat der ASt von derzeit 15 Gemeinderäte[n] auf 10 Gemeinderäte reduzieren. Dies bedeutet für die ASt somit einen deutlichen Verlust von Ansprechpersonen, welcher sich vor allem durch die Größe der neu entstehenden Gemeinde negativ auf die Bürgernähe der Gemeindevertretung auswirken wird. Nimmt man eine realistische Zahl an, verbleiben in der ASt 6 Vertreter für alle politischen Fraktionen, was solcherart eine klare Verschlechterung für die Einwohner der ASt darstellt.

[…] Bereits oben wurde erwähnt, dass der allgemein anhaltende Widerstand der Bevölkerung zumindest ein Indiz dafür ist, dass die Gemeindevereinigung unsachlich ist/war.

In [näher bezeichneten] Stellungnahme[n] der ASt an die Steiermärkische Landesregierung […], kommunizierte die ASt gegenüber der berufenen Regierung stets, dass ihrer Ansicht nach kein Bedarf nach einer Zusammenlegung besteht.

[… D]ie im Gemeindegebiet der ASt nach dem Steiermärkischen Volksrechtegesetz durchgeführte Volksabstimmung vom zur Frage

'Soll der Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Sulmeck-Greith vom zu Tagesordnungspunkt 4 a), welchem sich der Gemeinderat für ein Beharren auf das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht ausspricht und daher nicht bereit ist, eine Zusammenlegung mit einer anderen Gemeinde einzugehen, Geltung erlangen?'

[ergab] eine deutlich ablehnende Haltung der Bevölkerung der ASt hinsichtlich der Fusion mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal. Bei einer Wahlbeteiligung von 65,92 % stimmten 619 Bürger (das sind 80,38 %) dafür, dass die Eigenständigkeit der ASt beibehalten wird. Lediglich 142 Bürger (18,44 %) votierten für eine Zusammenlegung. Eine Zusammenlegung mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal wird daher – auch – von der Bevölkerung der ASt abgelehnt.

Selbst die an das Gemeindegebiet der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal angrenzende KG Dietmannsdorf hat offensichtlich wenig Bezug zu St. Martin im Sulmtal. Solcherart haben bei besagter Volksabstimmung rund 71 % der Bewohner der KG Dietmannsdorf gegen eine Fusionierung mit St. Martin im Sulmtal gestimmt.

Dieses eindeutige Ergebnis bei der Volksabstimmung unterstreicht nochmals, dass keinerlei Zugehörigkeitswunsch seitens der Gemeindebürger der ASt zu St. Martin im Sulmtal vorhanden ist. Der Gemeinderat der ASt hat sich trotz in Aussicht gestellter Fusionsprämien immer einstimmig für die Eigenständigkeit der Gemeinde entschieden.

[…] Seit Beginn des Steiermärkischen Strukturreformprozesses ist daher der allgemein anhaltende Widerstand der ASt bzw. der im Gemeindegebiet der ASt lebenden Bevölkerung dokumentiert. Es ist davon auszugehen, dass dieser Widerstand in der Bevölkerung auch nach dem anhalten wird, was ein Leben und ein Wirtschaften in der neuen Gemeinde zusehends und auf nicht überschaubare Zeit erschweren wird.

[…]

[…] Anmerkung: zum – von der berufenen Regierung – negierten 'Parteiengehör' und zur mangelhaften Begründung des Gesetzes:

[…] Eine konkrete, auf das spezielle Ansinnen der berufenen Regierung betreffend eine Zusammenlegung der ASt mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal bezogene (ausführliche) Begründung wurde der ASt nie übermittelt bzw zur Verfügung gestellt. Dies obwohl die ASt von der berufenen Regierung mehrfach eine entsprechende Informationsfreigabe forderte.

[…] Aufgabe der berufenen Regierung war und wäre es (im Sinne einer 'Bringschuld'), eine dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Prognose zu erstellen, mittels welcher die konkrete Fusion zu begründen ist. Bisher wurden der ASt keine Argumente bzw Prognosedaten, etwa im Sinne einer dem Stand [der] europäischen Rechtsprechung entsprechenden Machbarkeitsstudie mit mittelfristiger Planung, bekannt gegeben; dies wird auch nicht in den Erläuterungen zu dem vorliegenden StGsrG 'nachgeholt', wo – beinahe bei jeder Fusion gleichlautend – mit allgemeinen Stehsätzen versucht wird, die jeweilige Fusion zu rechtfertigen. Dies lässt den berechtigten Rückschluss zu, dass seitens der berufenen Regierung im Vorfeld der Entscheidung überhaupt keine fachlich fundierte Grundlagenforschung betrieben wurde und solcherart keine dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Prognosewerte ermittelt wurden, welche die im konkret[en] Fall angedachte Fusion tatsächlich (und nicht nur mit allgemeinen Stehsätzen umschrieben) begründen würden. Auch anhand der Karte der Glaubenseinrichtungen ist ersichtlich, dass die Pfarre St. Ulrich im Greith etwa von der berufenen Regierung im konkreten Fall falsch bzw. überhaupt nicht berücksichtigt wurde.

[…] Die von der berufenen Regierung im StGsrG festgelegte Zusammenlegung der ASt mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal wurde im Ergebnis weder im StGsrG noch in den diesbezüglichen Erläuterungen ordnungsgemäß begründet. Es wäre von der berufenen Regierung nämlich etwa (schriftlich) darzulegen, welche volkswirtschaftlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorteile sich konkret für die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden ergeben würden und warum eine Zusammenlegung mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal die einzig sinnhafte Form einer gesicherten kommunalen Entwicklung (ein Gemeindeverband iSd Art 116a B VG bzw iSd § 38 Stmk GemO wurde von der berufenen Regierung im Reformprozess überhaupt zur Gänze abgelehnt bzw negiert) sein kann.

[…] Auf Grund der von der berufenen Regierung vorgebrachten allgemein gehaltenen 'Stehsätze' kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Zusammenlegung Verbesserungen zu erwarten sind.

Eine Änderung der Gemeindestruktur muss, um sachlich gerechtfertigt zu sein, eine Verbesserung mit sich bringen […]. Diese Verbesserung ist sowohl für die ASt als auch für die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal und deren Einwohner aufgrund der vorstehenden Ausführungen weder in der Stärkung der finanziellen Leistungskraft noch in der Leistungsfähigkeit der Gemeinde gegeben. Die gemeinsamen Berührungspunkte der nunmehr vom Land Steiermark vorgesehenen Fusionsgemeinden weisen weder in den vorhandenen Strukturen in Bezug auf Verwaltung, Vereinsleben noch auf Lebensbeziehungen samt Verkehrsströmen auf überwiegenden Überhang hin.

Somit kann eindeutig festgestellt werden, dass eine bürgernahe und effiziente Betreuung der Gemeindebevölkerung der ASt bei Beibehaltung der Eigenständigkeit geboten und auch weiterhin sichergestellt werden kann, ohne die Eigenständigkeit sinnlos aufzugeben.

Auch aus diesem Grund ist die gegenständliche Fusion der ASt mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal sachlich nicht zu rechtfertigen.

[…]

[…] Zum gelinderen Mittel der Zusammenarbeit von Gemeinden, im Wege eines Gemeindeverbands anstelle einer Zwangsfusionierung:

[…] Zu dieser 'informationsverweigernden' und – wie dargelegt – auch nicht begründeten Haltung der berufenen Regierung kommt hinzu, dass – wie bereits erwähnt – freiwillige interkommunale Kooperationen (als mögliche Alternative zur Zwangsfusion) seitens der berufenen Regierung überhaupt nicht geprüft, ja sogar negiert wurden. Es muss daher die Frage bedauerlicherweise unbeantwortet bleiben, ob nicht etwa im jeweiligen Einzelfall ein Gemeindeverband als sparsamer, wirtschaftlicher und zweckmäßiger anzusehen wäre, als die nunmehr angedachte Zwangsfusion.

[…] Die Wahl des schärfsten Mittels (Auflösung der Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungseinheit) bei Vorliegen von gelinderen 'Mitteln' (der Zusammenarbeit) kann beim besten Willen nicht dem Sachlichkeitsgebot/dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Gemeindezusammenlegungen, welche nicht auf freiwilliger Basis, sondern vielmehr unter Zwang erfolgen, sind als nicht mehr zeitgemäß zu betrachten und entsprechen nach Ansicht der ASt nicht dem demokratischen Grundverständnis der Republik Österreich." (Zitat ohne die im Text enthaltenen Hervorhebungen)

2. Die Stmk. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zulässigkeit des Antrages bestritten und den im Antrag dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

"[…] Zur Begründung und den Schlussfolgerungen des Antrages:

[…]

[…] Die Antragstellerin führt in der Sachverhaltsdarstellung […] aus, dass die Gemeindestrukturreform als ausschließliche 'Gebietsreform' anzusehen sei, da sie nicht von reformerischer Qualität, sondern ausschließlich von einem quantitativ motivierten Bemühen getragen werde und großteils qualitative Vorteile nicht erkennen lasse.

Diese nicht weiter dargelegten Bedenken können bereits mit Hinweis auf die ausführlichen Darlegungen [in] der gegenständlichen Äußerung sowie auf die Erläuterungen zu § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG […] betreffend die Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal entkräftet werden.

Wie noch auszuführen sein wird, sind durch die Vereinigung der Antragstellerin mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal Vorteile durch die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur, die erzielbaren Kosteneinsparungen und die gemeinsame Gestaltung des Raumes zu erwarten. Weiters ist die Landesregierung der Ansicht, dass durch die Zusammenlegung der beiden Gemeindeverwaltungen eine professionelle Verwaltung mit der Möglichkeit der Spezialisierung von Bediensteten in den einzelnen Verwaltungsgebieten sowie eine vernünftige Vertretungsregelung der Gemeindebediensteten ermöglichen wird. Eine Ausweitung der Amts- und Sprechzeiten ist aufgrund der neuen Ressourcen möglich. Mit einer höheren Einwohnerzahl nehmen die Fallzahlen zu, sodass auch die Routine bei der Behandlung von Rechtsfällen steigt oder auch juristisch geschultes Personal eingestellt werden kann. Bereits die mit wirksam gewordene Zusammenlegung der Kleingemeinden Dietmannsdorf im Sulmtal, Gasselsdorf und Sankt Ulrich in Greith hat sich auf die Entwicklung der Gemeinde der Antragstellerin positiv ausgewirkt.

[…] Die Antragstellerin bringt […] vor, dass die gegenständliche Fusion dem aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs 1 B VG) abgeleiteten Sachlichkeitsgebot widerspreche. Die Sachlichkeit sei demnach dann zu bejahen, wenn die gesetzgeberische Entscheidung auf der begründeten Prognose einer Verbesserung der Gemeindestruktur und der Herausbildung eines leistungsfähigeren Kommunalwesens beruhe. Dies sei aber bei der Zusammenlegung mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal nicht der Fall.

Hinsichtlich der Entscheidung des Gesetzgebers bzgl. der zu Grunde liegenden Prognose kann auf die Darlegungen in den Erläuterungen zu § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG […] verwiesen werden.

[…] Die antragstellende Gemeinde führt […] unter anderem aus, dass eine Gemeindezusammenlegung nicht allein mit finanzausgleichsrechtlichen Gründen (sachlich) gerechtfertigt werden kann. Es sei nach der Rechtsprechung ein Indiz für die Unsachlichkeit der Zusammenlegung, wenn die durch die Zusammenlegung eingetretene Stärkung der Finanzkraft die durch die Vereinigung insgesamt eingetretenen Nachteile nicht annähernd aufzuwiegen vermögen.

Eine derartige Rechtfertigung hat der Gesetzgeber allerdings nicht als Grandlage genommen und den Erläuterungen zu § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG ist dies auch nicht zu entnehmen.

[…] Wenn die Antragstellerin [zum] Gemeindehaushalt darauf verweist, dass sie bereits jetzt in der Lage sei, ihren finanziellen Pflichtaufgaben sowie ihren zusätzlichen Aufgaben nachzukommen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin im Betrachtungszeitraum 2008 bis 2012 EUR 752.030,00 an Mitteln erhalten hat […].

Die Landesregierung hält [zu dem unter] Verwaltungskosten dargebrachten Vorbringen, wonach durch die Vereinigung teure, unausweichliche Bauvorhaben in den Amtsräumen der neuen Gemeinde notwendig werden würden, fest, dass die Gründe für einen Umbau im Antrag nicht näher erläutert werden. Selbst wenn Adaptierungsmaßnahmen der Gemeinderäumlichkeiten notwendig wären, können diese in einem Ausmaß von EUR 200.000,00 durch die Fusionsprämie gemäß § 21 FAG 2008 bedeckt werden. Durch eine Optimierung der Verwaltung in der neuen Gemeinde und durch deren Professionalisierung geht die Landesregierung weiters davon aus, dass ein jährliches langfristiges Einsparungspotential in der Höhe von mindestens EUR 33.000,00 möglich ist […]. Bei dieser Prognose sind mögliche Potentiale durch die gemeinsame Nutzung der bestehenden Infrastruktur nicht berücksichtigt.

Durch die Gemeindevereinigung wird die neue Gemeinde zudem auch die Voraussetzungen nach dem österreichischen Stabilitätspakt 2012 […] leichter erfüllen können.

[…] Die Antragstellerin bringt […] vor, dass es im Bereich der Raumplanung keinerlei Siedlungsverflechtungen zwischen der Antragstellerin und Sankt Martin im Sulmtal gebe. Die einzige Ortschaft, die mit St. Martin im Sulmtal in geografischer Verbindung stehe, sei die KG Dietmannsdorf, welche aber im Hochwasserabflussgebiet liege. Entgegen der Annahme des Landes in ihren erläuternden Bemerkungen zum StGsrG werden raumordnungspolitische Probleme erst nach der Zusammenlegung kommen, da bei einer optimierten Raumplanung alles zentral zusammengezogen würde (keine Förderungen, wenn 3 km von Zentralort entfernt) und der sogenannte ländliche Raum damit keine Chance haben würde, sich zu erweitern. Die optimierte Raumplanung sei von der Antragstellerin bereits in der Form durchgeführt worden, dass mit April 2014 der neue Flächenwidmungsplan 5.0 in Rechtskraft getreten ist. Eine Abwanderung bzw. eine Überalterung werde durch eine Zwangsfusion der beiden Gemeinden und eine[…] optimierte[…] Raumplanung nicht verhindert werden können.

Zu dieser Argumentation der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung der rechtswirksamen Örtlichen Entwicklungskonzepte und Flächenwidmungspläne der beiden Gemeinden Folgendes anzumerken:

 Die Antragstellerin und die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal grenzen im Bereich zwischen dem Leibenbach im Norden und der Schwarzen Sulm i[m] Süden, in topografisch ebener Lage, direkt aneinander. Die Baulandausweisungen bzw. Entwicklungspotentiale sind derzeit knapp 150 m voneinander getrennt. Die Hochwasserabflussgebiete der beiden o.a. Gewässer verhindern großflächige Weiterentwicklungen und wurden bei der Siedlungsentwicklung in beiden Örtlichen Entwicklungskonzepten bereits berücksichtigt. In den ggst. Bereichen sind somit Siedlungsverflechtungen gegeben, wie die Antragstellerin auch selbst in ihrem Vorbringen einräumt. Die KG Dietmannsdorf gehört auch zu jenen Ortsteilen im Gemeindegebiet der Antragstellerin, die auf Grund der Topographie infrastrukturell gut erschlossen sind. Die zunehmende Verflechtung des Siedlungsraumes (zT Baulandausweisungen direkt an der Gemeindegrenze) wird in unten angeführter Darstellung sichtbar […].

[… (graphische Darstellung)]

 Beide Gemeinden haben einen ähnlichen topografischen Aufbau: die relativ ebenen Flächen der Sulmtäler (Schwarze und Weiße Sulm) und die umgebenden hügeligen Bereiche (St. Ulrich, Pitschgauegg, Kopreinigg bzw. Hartwald). Diese topografische Struktur bewirkt in beiden Gemeinden eine starke Zersiedelung, welche sich an der Vielzahl von dezentralen Siedlungsansätzen in beiden Gemeinden im Örtlichen Entwicklungskonzept bzw. im Flächenwidmungsplan widerspiegelt. Charakteristische Siedlungsstruktur ist die Bebauung entlang von Straßen bzw. in Hang- und Riedellagen mit einem insgesamt dörflichen Charakter. Über diese Siedlungsansätze hinaus dominiert die landwirtschaftliche Nutzung.

Es wird von der Antragstellerin selbst im Örtlichen Entwicklungskonzept festgehalten, dass in fast allen Bereichen 'eine Zersplitterung auf Nachbargemeinden festgestellt wird, die sich aus der geschichtlichen Entwicklung, aber vor allem aus den topografischen Gegebenheiten ergibt' […].

 Infrastrukturell sind die beiden Gemeinden sehr gut miteinander verbunden. Die B 74 verbindet den Siedlungsbereich von Dietmannsdorf der Antragstellerin mit dem Hauptort von Sankt Martin im Sulmtal. Die GKB (Graz-Lieboch-Wies) quert in Teilbereichen beide Gemeindegebiete, sowohl durch Bus- als auch durch Bahnverbindungen. Weiters ist die Antragstellerin durch die L 605 sowie die L 654 an regionale und überregionale Verkehrsverbindungen angeschlossen.

 Die beiden Gemeindeämter von Sankt Martin im Sulmtal und der Antragstellerin liegen nur rund 3,7 km voneinander entfernt.

 Die Antragstellerin ist mit öffentlichen und privaten Gütern unterversorgt und daher funktionell nach Sankt Martin im Sulmtal orientiert. So profitiert bspw. der Ortsteil Dietmannsdorf auf Grund der Nahelage zum Siedlungsschwerpunkt von St. Martin im Sulmtal unmittelbar von den zahlreichen Infrastruktureinrichtungen der Nachbargemeinde […]. Vor allem die Siedlungsansätze in den Hügel- und Randlagen der Antragstellerin haben eine relativ schlechte Ausstattung an Nahversorgungseinrichtungen und sind stark von den Nachbargemeinden abhängig.

 Gemäß dem Erläuterungsbericht des ÖEK 5.0 der Antragstellerin besuchen Schülerinnen und Kinder der Orte Dietmannsdorf und Gasselsdorf auch die Volksschule bzw. den Kindergarten in St. Martin. Der Sprengel der Volksschule St. Martin im Sulmtal umfasst zum Teil auch das Gebiet der Antragstellerin […].

 Der Kirchensprengel für die beiden Siedlungsansätze befindet sich ebenfalls in Sankt Martin im Sulmtal […].

[…] Die Antragstellerin führt [weiters] aus, dass die funktionelle Verflechtung der beiden Gemeinden nicht zutreffe.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Antragstellerin, wie bereits in den Erläuterungen zum StGsrG ausgeführt, mit Gütern und Dienstleistungen stark unterversorgt ist und selbst Güter des täglichen Bedarfs nicht in der Gemeinde erhältlich sind.

[…]

[Zum] Punkt […] Gesundheitswesen und Sozialeinrichtungen führt die Antragstellerin weiters aus, dass den Bürgerinnen in der antragstellenden Gemeinde kein praktischer Arzt zur Verfügung steht. Die nächstgelegene gesundheitliche bzw. ärztliche Betreuung erfolgt über Sankt Martin im Sulmtal, Pölfing-Brunn, Wies und Gleinstätten […].

Die antragsstellende Gemeinde beschreibt im Örtlichen Entwicklungskonzept […], dass Kindergartenkinder trotz des vorhandenen Kindergartens in der eigenen Gemeinde auch den Kindergarten in St. Martin im Sulmtal besuchen und der Transport der Kinder zudem von der Antragstellerin unterstützt wird […].

Abschließend fuhrt die Antragstellerin aus, dass sich 'die Dienstleistungsbetriebe in der Hauptsache in St. Martin befinden' […].

Zudem liegt das Seniorenwohnheim der Antragstellerin direkt an der Gemeindegrenze zu Sankt Martin im Sulmtal. […]

[… (Abbildung aus Digitaler Atlas Steiermark, Basiskarten Bilder)]

Aus Sicht der Raumplanung sowie unter Berücksichtigung der Selbsteinschätzung der Antragstellerin ist demnach eine funktionelle Verflechtung zwischen St. Martin im Sulmtal und der Antragstellerin – entgegen dem Antragvorbringen – gegeben. Entsprechende raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen der neuen, größeren Gemeinde eröffnen die Möglichkeit einer besseren Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum, womit sich gerade in den zersplitterten Randbereichen mit einschränkend-begrenzenden Rahmenbedingungen für die Siedlungsentwicklung Vorteile ergeben.

Dies spricht für die Sachlichkeit der Vereinigung, da durch die gemeinsame und somit effizientere Nutzung des gemeinsamen Raumes und der vorhandenen Infrastruktur mittelfristig insgesamt Kosteneinsparungen, ein effizienter Einsatz der Budgetmittel und eine bessere Auslastung der Infrastruktur zu erwarten [sind].

[…] Die Antragstellerin führt an mehreren Stellen des Antrages aus, dass es nach erfolgter Vereinigung zu einer Landflucht kommen und dadurch das Abwandern der Bevölkerung forciert werde.

Dazu ist anzumerken, dass der Bevölkerungsstand der Antragstellerin bereits jetzt rückläufig ist (11,8 % von 1981 bis 2013). Am hatte die antragstellende Gemeinde 1332 Einwohnerinnen.

[Tabelle]

Die Antragstellerin führt im Antrag Bevölkerungszahlen der einzelnen Katastralgemeinden auf. Die sich durch Summierung dieser Zahlen ergebende Bevölkerungszahl weicht jedoch von den oben aufgelisteten offiziellen Bevölkerungszahlen von Statistik Austria ab und kann nicht nachvollzogen werden. Die Geburtenbilanz (Geburten minus Sterbefälle) ist in den letzten Jahren negativ; die Wanderungsbilanz (Zuzüge minus Wegzüge) ist schwankend, war aber zumeist ebenfalls negativ. Da zu erwarten ist, dass die Geburtenbilanz in Zukunft weiterhin negativ sein wird und für die Wanderungsbilanz von einer stagnierenden Entwicklung ausgegangen wird, kommt man bei der Bevölkerungsprognose für die Antragstellerin auf einen Rückgang der Bevölkerung bis 2030 auf 1.283 Einwohnerinnen.

[…] Die Pendlerstatistik der Registerzählung 2011 zeigt auch, dass die Antragstellerin 215 Erwerbseinpendlerlnnen und 542 Erwerbsauspendlerlnnen hatte, d.h. die Antragstellerin hatte einen negativen Pendlersaldo von 327, ist also eine Auspendlergemeinde. Die Pendlerverflechtungen der Antragstellerin bestehen hier vor allem mit Deutschlandsberg und Graz, rund ein Fünftel der Auspendlerlnnen pendelt nach Deutschlandsberg und rund ein Siebtel nach Graz, gefolgt von der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal als dritthäufigstes Auspendelziel.

[…] Wenn die Antragstellerin behauptet, es komme nach der Vereinigung zu einer 'Landflucht' oder einem noch verstärkten Bevölkerungsrückgang, so fehlt diesem Vorbringen im Antrag die Begründungssubstanz. Es wird z.B. nicht dargelegt, warum durch die Vereinigung die Volksschule oder der Kindergarten geschlossen werden sollen. Die Volkschule der Antragstellerin (St. Ulrich in Greith) besuchen derzeit 38 Schülerinnen; auf Grund der Prognose ändert sich diese Zahl bis zum Schuljahr 2019/20 nicht. Der Kindergarten wird von 20 Kindern besucht. Gründe für eine Schließung dieser Institutionen liegen nicht vor und wurden auch nicht vorgebracht. Auch die in diesem Antragsteil vorgestellte Gemeindezeitung der Antragstellerin, die es in dieser Form in der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal nicht gebe, bietet mit Hinweis auf die ausführliche Homepage der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal keinen Grund für die Unsachlichkeit der Vereinigung. Es wird der neue Gemeinderat zu entscheiden haben, in welcher Form die Bevölkerung informiert werden wird.

[Die] Antragstellerin [führt] aus, dass nach der Judikatur des VfGH der Meinung der betroffenen Bevölkerung wesentliche Bedeutung zukomme.

Hinsichtlich des anhaltenden Widerstandes der Bevölkerung argumentiert die Antragstellerin […], dass dieser zumindest ein Indiz für die Unsachlichkeit der Gemeindevereinigung sei. Die in der antragstellenden Gemeinde am durchgeführte Volksabstimmung habe eine deutlich ablehnende Haltung der Bevölkerung von Sulmeck-Greith hinsichtlich der Fusion mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal ergeben: Bei einer Wahlbeteiligung von 65,92 % hätten 80,38 % gegen und 18,44 % für eine Gemeindevereinigung mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal gestimmt.

In allen Phasen des Gemeindereformprozesses wurde Wert darauf gelegt, kommunale Interessen zu berücksichtigen, die Gemeinden einzubeziehen, und den Prozess möglichst transparent zu gestalten.

Nach der Judikatur des VfGH kommt dem Willen der Bevölkerung dann keine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn der Gesetzgeber auf Grund seiner Prognose erwarten konnte, dass sich – für die Kommunalstruktur als Komplex betrachtet – Vorteile ergeben […].

Die Ergebnisse der auf Ebene der Gemeinde durchgeführten Volksbefragungen/Volksabstimmungen sind – soweit sie der Aufsichtsbehörde mitgeteilt wurden – in jedem Einzelfall in die Abwägung aller Aspekte, die für und gegen die Gemeindevereinigung sprechen, mit eingeflossen. Sie waren aber bei den vom StGsrG betroffenen Gemeinden, mithin auch der Antragstellerin, letztlich nicht ausschlaggebend, da sich die zu treffende Entscheidung – dem Sachlichkeitsgebot entsprechend – nach den Zielen dieses Gesetzes, den Kriterien des Leitbildes und den öffentlichen Interessen im Sinne von § 6 GemO zu orientieren hatte und die Prognosen für die jeweiligen neuen Gemeinden – als Komplex betrachtet – positiv waren […].

Gemäß Art 72 L-VG hätten (ua) 80 Gemeinden die Möglichkeit gehabt, zu verlangen, dass der Beschluss des Landtages über das StGsrG einer Volksabstimmung unterzogen wird. Von diesem im Zusammenhang mit Landesgesetzen zentralen direktdemokratischen Instrument wurde kein Gebrauch gemacht.

[…] Die Antragstellerin moniert […], dass ihr eine konkrete, ausführliche Begründung durch die Landesregierung nie übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt worden sei. Nach der […] Ansicht der Antragstellerin sei es Aufgabe der Landesregierung (im Sinne einer Bringschuld), eine dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Prognose zu erstellen, mittels welcher die konkrete Fusion zu begründen ist. Die Antragstellerin wirft der Landesregierung vor, im Vorfeld der Entscheidung 'überhaupt keine fachlich fundierte Grundlagenforschung betrieben' zu haben.

Die Zusammenlegung der antragstellenden Gemeinde mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal sei weder im StGsrG noch in den Erläuterungen ordnungsgemäß begründet worden […]. Die Landesregierung hätte (schriftlich) darlegen müssen, welche volkswirtschaftlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorteile sich konkret für die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden ergeben. Insgesamt erhebt die Antragstellerin den Vorwurf einer 'informationsverweigernden' Haltung der Landesregierung.

Dieser Vorwurf wird anhand der Aktenlage […] zurückgewiesen.

Am hat in der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg ein Verhandlungsgespräch mit Vertreterinnen der Antragstellerin und der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal stattgefunden. Von Seiten des Landes wurde ein Koordinator eingesetzt, der mit der Antragstellerin in Kontakt trat. Mit Schreiben vom wurde die Antragstellerin eingeladen, eine Stellungnahme zur beabsichtigten Gemeindevereinigung mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal abzugeben. Die Antragstellerin ersuchte mit-Schreiben vom um Offenlegung der Kriterien und Analysen für den Fusionsvorschlag, welches mit Schreiben der Abteilung 7 vom beantwortet wurde. Ein weiterer Gesprächstermin zur Erörterung dieser Fragen wurde angeboten. Darüber hinaus wurden in insgesamt neun sogenannten 'Bürgermeisterbriefen' die Bürgermeisterinnen, somit auch der Bürgermeister der antragstellenden Gemeinde, von den beiden Gemeindereferenten der Landesregierung immer aktuell über die wesentlichen Schritte informiert […].

Der Vorwurf der Antragstellerin betreffend eine 'informationsverweigernde Haltung' seitens des Landes ist daher nicht berechtigt.

Der Gemeinderat der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal hat sich einstimmig zu dieser Vereinigung bekannt.

Zur 'fehlenden Grundlagenforschung' ist auszuführen, dass die Landesregierung im Rahmen der Vorschlags- und Verhandlungsphase unter Einbindung der Gemeinden sowie von Gemeinde- und Städtebund, entsprechende Grundlagen wie z.B. das Leitbild zur Gemeindestrukturreform erarbeitet hat. In dieses Leitbild sind die in Auftrag gegebenen Studien von ******** ******** ********************** *** – ******* *** ************ *** ******************** sowie von der *** **** **** […] eingeflossen. Dieses Leitbild wurde im Landtag Steiermark behandelt, veröffentlicht und jeder betroffenen Gemeinde, auch der Antragstellerin, umgehend zur Kenntnis gebracht.

[…] Zum Vorbringen der Antragstellerin [..], wonach ein Gemeindeverband iSd Art 116a B VG bzw. iSd § 38 GemO von der Landesregierung zur Gänze abgelehnt bzw. negiert worden sei und die Frage, ob ein Gemeindeverband als sparsamer, wirtschaftlicher und zweckmäßiger anzusehen wäre als die Zwangsfusion, unbeantwortet geblieben wäre, wird Folgendes ausgeführt:

Der Landesgesetzgeber hat die B VG-Novelle zur Stärkung der Rechte der Gemeinden […] umgesetzt. Hauptgesichtspunkt dieser Novelle ist der Entfall der Beschränkung auf die Besorgung einzelner Aufgaben durch Gemeindeverbände und die Ermöglichung des Abschlusses von Vereinbarungen der Gemeinden untereinander in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs.

Der Landtag hat sich mehrmals mit der Frage beschäftigt, ob freiwillige Gemeindekooperationen bzw. Gemeindeverbände genauso geeignet sind, die mit einer Gemeindereform verfolgten Ziele zu erreichen. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn mit den freiwilligen Gemeindekooperationen oder Gemeindeverbänden die dargestellten gleichen Vorteile erzielt werden können. Es wurde daher geprüft, ob die Reformziele auch in einem oder in mehreren Gemeindeverbänden genauso gut erreicht werden können.

Im Leitbild zur Gemeindestrukturreform wurden die Vor- und Nachteile von Gemeindevereinigungen und Verbandslösungen ausführlich dargestellt. Folgende Erwägungen sind letztlich gegen eine Verbandslösung ins Treffen zu führen:

[… (Es folgt ein Zitat der vier auf Seite neun der RV 2347/1 BlgLT [Stmk.] 16. GP, Pkt. i) angeführten Aufzählungszeichen.)]

[…]

Es ist daher festzuhalten, dass die neu geschaffene Möglichkeit der Bildung von Mehrzweckverbänden die umfassende Gemeindestrukturreform durch Gebietsänderungen nicht ersetzen kann, sondern nur ein ergänzendes Modell darstellt. Das zeigten auch die bisherigen Erfahrungen mit freiwilligen Verbänden und dem 'Regionext-Modell' zur Bildung von Kleinregionen, die mit der Novellierung (des § 38a GemO, LGBl Nr 92/2008) ermöglicht wurden. Obwohl sich viele Gemeinden zu Kleinregionen zusammenschlossen, blieben die erwünschten Effekte dieser Maßnahme weit hinter den Erwartungen zurück.

Auch das immer wieder artikulierte Bedürfnis der Gemeinden nach derartigen Verbänden fand keinen Niederschlag in etwaigen aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren. Seit der landesgesetzlichen Umsetzung der B VG-Novelle gibt es in der Steiermark keinen derartigen Mehrzweckverband. Der einzige bisher eingebrachte Antrag für einen Mehrzweckverband konnte bislang die formellen Voraussetzungen nach der GemO und des Stmk. GVOG nicht erfüllen. Auch die antragstellende Gemeinde hat keinen derartigen Antrag eingebracht.

[…] Zusammenfassend bringt die Antragstellerin […] vor, dass durch die Vereinigung der Antragstellerin mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal keine nachhaltigen Verbesserungen zu erwarten seien und dass die nicht ausreichend begründete Prognose nicht mit den notwendigen Zahlen und Fakten belegt sei. Die angedachte Gemeindezusammenlegung gehe an den 'Lebensrealitäten' der Bürgerinnen beider Gemeinden vorbei und entspreche somit nicht dem aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot.

Seitens der Steiermärkischen Landesregierung werden zu diesen geäußerten Bedenken die in den Erläuterungen […] sowie in der gegenständlichen Äußerung dargelegten Vorteile für die neue Gemeinde entgegengehalten.

Zu etwaigen Nachteilen von Strukturmaßnahmen folgt aus [der] Judikatur des Verfassungsgerichthofes […], dass die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von Strukturänderungsmaßnahmen jeder Art von einer Vielzahl von Umständen abhängig sei. So gut wie niemals werde eine Situation so beschaffen sein, dass ausnahmslos alle in Ansehung einer bestimmten Maßnahme erheblichen Umstände für diese Maßnahme sprechen, immer würden im Einzelfall auch Umstände vorliegen, an denen gemessen sie nicht erforderlich, ja vielleicht sogar unzweckmäßig sei. Auch jede Änderung der Gemeindestruktur bewirke deshalb – und zwar besonders für die unmittelbar davon Betroffenen – nicht nur Vorteile, es werde sich vielmehr manches überhaupt nicht und manches vielleicht sogar – oft freilich nur vorübergehend – zum Nachteil ändern. Das sei unvermeidlich und mache deshalb eine solche Maßnahme an sich noch nicht unsachlich.

[Die] Antragstellerin [bringt] vor, dass die weitere Eigenständigkeit sicherlich eher im öffentlichen Interesse gelegen ist als die von der Landesregierung in § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG angedachte Gebietsänderung.

Die Landesregierung ist nach den bisherigen Ausführungen der begründeten, gegenteiligen Ansicht." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

II. Rechtslage

3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

4. Die §§6, 8 und 11 Abs 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 – GemO, LGBl 115, idF LGBl 87/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"§6

Gebietsänderungen

(1) Gebietsänderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Grenzänderungen (§7), die Vereinigung von Gemeinden (§8), die Teilung einer Gemeinde (§9), die Neubildung und Aufteilung einer Gemeinde (§10).

(2) Gebietsänderungen nach Abs 1 dürfen nur aus Gründen der durch dieses Gesetz geregelten öffentlichen Interessen und unter Bedachtnahme auf die geografische Lage der Gemeinde erfolgen, wobei jedenfalls darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass die Gemeinden fähig sind, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Als öffentliche Interessen sind insbesondere wirtschaftliche, infrastrukturelle, raumordnungs- und verkehrspolitische, demografische oder finanzielle Gründe zu verstehen.

[…]

§8

Vereinigung

(1) Zwei oder mehrere angrenzende Gemeinden können sich auf Grund übereinstimmender Gemeinderatsbeschlüsse mit Genehmigung der Landesregierung zu einer neuen Gemeinde vereinigen.

(2) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach § 6 Abs 2 vorliegen. Die genehmigte Vereinigung ist im Landesgesetzblatt zu verlautbaren; die Genehmigung der Landesregierung ist auch für den Fall erforderlich, wenn zwischen Verlautbarung und Rechtswirksamkeit der Vereinigung eine Auf-hebung oder Abänderung der beschlossenen Maßnahme durch Gemeinderatsbeschluss oder eine dem Gemeinderatsbeschluss gleichzuhaltende Entscheidung erfolgt.

(3) Zur Vereinigung von zwei oder mehreren angrenzenden Gemeinden gegen den Willen einer beteiligten Gemeinde ist ein Gesetz erforderlich.

(4) Die Vereinigung hat den vollständigen Übergang der Rechte und Pflichten der betroffenen Gemeinden auf die neue Gemeinde zur Folge.

(5) Im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vereinigung in den bisherigen Gemeinden anhängige Verwaltungsverfahren sind zunächst vom gemäß § 11 Abs 1 eingesetzten Regierungskommissär und ab Angelobung des Bürgermeisters der neu geschaffenen Gemeinde von den ab diesem Zeitpunkt zuständigen Gemeindebehörden weiterzuführen.

(6) Die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vereinigung bestehenden öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnisse zu einer der bisherigen Gemeinden gelten als entsprechende Dienstverhältnisse zur neu geschaffenen Gemeinde.

§11

Gemeinsame Bestimmungen

(1) Für die gemäß §§8, 9 und 10 Abs 1 neu geschaffenen Gemeinden hat die Landesregierung binnen sechs Monaten nach den Bestimmungen der Gemeindewahlordnung Neuwahlen des Gemeinderates auszuschreiben. Bis zur Angelobung des neugewählten Bürgermeisters führt ein von der Landesregierung nach § 103 einzusetzender Regierungskommissär die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte. Zu seiner Beratung ist von der Aufsichtsbehörde über Vorschlag der beteiligten Gemeinden ein Beirat zu bestellen; jeder beteiligten Gemeinde steht das Vorschlagsrecht für ein Beiratsmitglied zu. Bei den übrigen Gebietsänderungen kann die Landesregierung den Gemeinderat auflösen und binnen sechs Monaten Neuwahlen ausschreiben, wenn die Gebietsänderung eine Änderung der Einwohnerzahl zur Folge hat, durch die eine Änderung der Anzahl der Gemeinderäte (§15 Abs 1) bewirkt wird, oder wenn der durch die Änderung verursachte Zu- oder Abgang an Einwohnern die bisher auf ein Gemeinderatsmandat entfallende Anzahl von Einwohnern erreicht. Bis zur Angelobung der neugewählten Gemeinderatsmitglieder und des neugewählten Bürgermeisters führen die bisherigen Gemeindeorgane die Geschäfte der Gemeinde weiter. […]"

5. Die §§1, 2, 3 und 7 des Steiermärkischen Gemeindestrukturreformgesetzes – StGsrG, LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), lauten – auszugsweise – wie folgt:

"§1

Ziele der Strukturreform

(1) Ziel der Reform der gemeindlichen Strukturen im Land Steiermark ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur sachgerechten und qualitätsvollen Erfüllung der eigenen und übertragenen Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung. Die Strukturreform soll wirtschaftliche und leistungsfähige Gemeinden schaffen, die dauerhaft in der Lage sind, ihre Angelegenheiten ohne Haushaltsabgang zu erfüllen. Die Leistungsfähigkeit der gemeindlichen Ebene soll gestärkt und langfristig gesichert werden, um insbesondere die gemeindliche Infrastruktur effizient zu nutzen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen im jeweiligen Gemeindegebiet abzudecken und der demografischen Entwicklung gerecht zu werden.

(2) Die Reform der gemeindlichen Strukturen soll auch entsprechende raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen ermöglichen, die eine bessere Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum und die wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten. Bestehende Siedlungsverflechtungen sollen sich in den verwaltungsmäßigen Strukturen der Gemeinden widerspiegeln. Daneben sollen auch die örtlichen Zusammenhänge, insbesondere naturräumliche und kulturelle Verhältnisse, wie auch historische Verbundenheiten sowie lokales Handeln für das Gemeinwohl und Ausüben von Ehrenämtern berücksichtigt werden.

§2

Umsetzung der Strukturreform

Die in § 1 genannten Ziele werden durch Vereinigung angrenzender Gemeinden (§8 Abs 3 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) und durch Aufteilung von Gemeinden auf angrenzende Gemeinden (§10 Abs 2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) unter Beachtung der in § 6 Abs 2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 geregelten öffentlichen Interessen erreicht.

§3

Vereinigung von Gemeinden eines politischen Bezirkes

[…]

(2) Im politischen Bezirk Deutschlandsberg werden folgende Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt:

[…]

3. die Gemeinden Sankt Martin im Sulmtal und Sulmeck-Greith zur Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal;

[…]

§7

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit in Kraft."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

Die antragstellende Gemeinde ist zur Antragstellung auf Grund des Art 140 Abs 1 Z 1 litc B VG legitimiert: Sie wird durch die bekämpfte, gesetzlich verfügte Gemeindevereinigung entsprechend ihrem Vorbringen schon deswegen nachteilig in ihrer Rechtssphäre berührt, weil sie durch die Vereinigung mit einer anderen Gemeinde ihre Rechtspersönlichkeit verliert. Die angefochtene Regelung greift auch unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde ein; ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes steht der antragstellenden Gemeinde nicht zur Verfügung (vgl. , V46/2014).

1.2. Der Antrag ist durch einen entsprechenden Beschluss des hiefür zuständigen Gemeinderates (vgl. , V46/2014) gedeckt: Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom den Beschluss gefasst, einen "Individualantrag auf Normenkontrolle gemäß Art 140 B VG betreffend das Gesetz über die Neugliederung der Gemeinden des Landes Steiermark (Steiermärkische[s] Gemeindestrukturreformgesetz – StGsrG[)]" an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, erweist sich der Antrag auf Aufhebung des § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes enthält die Bundesverfassung zwar eine Bestandsgarantie für die Gemeinde als Institution (vgl. insbesondere Art 116 Abs 1 B VG), sie garantiert der individuellen Gemeinde aber keineswegs ein Recht auf "ungestörte Existenz". Ein absolutes Recht auf Existenz kommt von Verfassungs wegen ausschließlich jenen juristischen Personen zu, die in Verfassungsnormen individuell und nicht bloß der Art nach bezeichnet sind. Maßnahmen, die bewirken, dass eine Gemeinde gegen ihren Willen als solche zu bestehen aufhört, sind weder durch die Vorschriften des B VG über den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde noch durch das verfassungsgesetzliche Verbot einer nicht im öffentlichen Interesse gelegenen Enteignung (Art5 StGG) ausgeschlossen (vgl. grundlegend VfSlg 6697/1972, 9373/1982). An dieser Rechtsauffassung hat auch die im Rang eines einfachen Bundesgesetzes stehende und durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllende Europäische Charta der lokalen Selbstverwaltung, BGBl 357/1988, nichts geändert, weil ein solcher Staatsvertrag keinen Maßstab für die Verfassungskonformität eines Gesetzes darstellt. Gemäß Art 115 Abs 2 B VG obliegt es dem Landesgesetzgeber, das Land in "Gemeinden" zu gliedern und die Gemeindegebiete festzusetzen sowie zu ändern. Insgesamt kommt dem Gesetzgeber dabei ein weitgehender rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. ähnlich VfSlg 9655/1983, 9668/1983, 9669/1983, 10.637/1985); er ist aber insbesondere an das – aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließende – Sachlichkeitsgebot gebunden. Der Verfassungsgerichtshof hat alleine die Frage zu beurteilen, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Gemeindegliederung für sich genommen sachlich ist. Dem entsprechend ist es nicht seine Aufgabe, zu untersuchen, ob alternative Festlegungen zweckmäßiger gewesen wären oder bessere Auswirkungen gehabt hätten (vgl. zB VfSlg 6697/1972, 9655/1983, 13.543/1993, wonach der Gleichheitsgrundsatz dem Verfassungsgerichtshof keine Handhabe gibt, über die Zweckmäßigkeit gesetzlicher Bestimmungen zu urteilen), hier etwa "freiwillige interkommunale Kooperationen […] als mögliche Alternative zur Zwangsfusion".

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , G44/2014, V46/2014, ausgesprochen hat, bestehen seitens des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Landesgesetzgeber in Verfolgung der sich schon aus § 6 Abs 2 Stmk. GemO, § 1 StGsrG sowie den Erläuterungen zum StGsrG ergebenden Ziele Gebietsänderungen bzw. Vereinigungen von Gemeinden vorsieht, sofern jede dieser Maßnahmen dem Sachlichkeitsgebot entspricht.

2.4. Bei der Untersuchung der Frage, ob das StGsrG verfassungsmäßig ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erlassung des Gesetzes betreffend die Vereinigung der Gemeinden an; dies deshalb, weil es sich dabei um eine einmalige Maßnahme handelt (vgl. zB VfSlg 8108/1977, 10.637/1985, 11.629/1988, 11.858/1988, 13.543/1993). Es ist dabei unter Bedachtnahme auf den Zeitpunkt der Erlassung des Gesetzes zu prüfen, ob sich das Gesetz im Lichte der zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden künftigen Entwicklung als sachlich und nachvollziehbar erweist. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der Gesetzgeber zu beurteilen, ob die Gemeindevereinigung insgesamt – also nicht bloß auf die Belange der einzelnen Gemeinde bezogen – eine Verbesserung der Gemeindestruktur erwarten lässt (vgl. VfSlg 9793/1983, 9819/1983, 10.637/1985, 11.372/1987, 13.543/1993).

2.5. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung weiters ausgeführt, dass die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von Strukturänderungsmaßnahmen jeder Art von einer Vielzahl von Umständen abhängig ist. So gut wie niemals ist eine Situation so beschaffen, dass ausnahmslos alle in Ansehung einer bestimmten Maßnahme erheblichen Umstände für diese Maßnahme sprechen. Der Umstand alleine, dass eine Änderung der Gemeindestruktur auch Nachteile bewirkt, macht eine solche Maßnahme aber noch nicht unsachlich (so schon VfSlg 10.637/1985, 11.372/1987, 11.629/1988, 11.858/1988).

2.6. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen erweist sich das Vorbringen der antragstellenden Gemeinde als unbegründet:

Die antragstellende Gemeinde bringt vor, dass eine Zentrumsverlagerung nach Sankt Martin im Sulmtal für 80 % der Bevölkerung keine Vorteile brächte; durch die "Zwangsfusion" werde vielmehr sogar das Abwandern der Bevölkerung forciert. Die Stmk. Landesregierung betont, dass die antragstellende Gemeinde eine negative Bevölkerungsprognose sowie einen negativen Pendlersaldo (die Auspendler übersteigen die Einpendler) aufweise; sie bestreitet die von der antragstellenden Gemeinde in diesem Zusammenhang vorgebrachte Beschleunigung der Abwanderung durch die Vereinigung, weil entsprechende raumordnungs- und verkehrspolitische Maßnahmen die Möglichkeit einer besseren Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum ermöglichten, womit sich gerade in den zersplitterten Randbereichen mit einschränkend-begrenzenden Rahmenbedingungen Vorteile ergeben würden.

Durch § 3 Abs 2 Z 3 StGsrG wird die antragstellenden Gemeinde Sulmeck-Greith mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal zur Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal vereinigt. Die antragstellende Gemeinde zählte mit 1.332 Einwohner und die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal 1.794 (Quelle Statistik Austria, Statistik des Bevölkerungsstandes vom ). Die Bevölkerungsprognose – der auch die antragstellende Gemeinde nicht widersprochen hat – geht von einer negativen Bevölkerungsentwicklung aus; in Anbetracht dieses Umstandes ist der Annahme des Landesgesetzgebers, dass die Vereinigung beider Gemeinden mittel- bis langfristig eine Erhaltung und Attraktivierung des Versorgungs- und Dienstleistungsangebotes, etwa durch eine effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur oder eine optimierte Raumplanung, bewirke (vgl. Erläut. zur RV 2347/1 BlgLT [Stmk.] 16. GP, 47) für den Verfassungsgerichtshof nachvollziehbar. Alleine aus der Bevölkerungszahl der antragstellenden Gemeinde ergibt sich daher keine Unsachlichkeit der getroffenen Regelung.

2.6.1. Die antragstellende Gemeinde Sulmeck-Greith grenzt an die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal. Die bekämpfte Vereinigung führt zu einem geschlossenen Gemeindegebiet. Beide Gemeinden sind im weststeirischen Riedelland gelegen und haben eine ähnliche topographische Lage (relativ ebene Flächen im Tal, umgeben von hügeligen Bereichen), die eine starke Zersiedelung bewirkt und demnach zu dezentralen Siedlungsansätzen führte. Die beiden Gemeinden sind sowohl durch die B 74 als auch durch Bus- und Bahnverbindungen miteinander verbunden und durch die L 605 sowie die L 654 an regionale und überregionale Verkehrsverbindungen angeschlossen.

2.6.1.1. Die antragstellende Gemeinde bringt vor, dass die Gemeindegebiete zwar aneinandergrenzen, Siedlungsverflechtungen jedoch nicht bestünden und die Flächen im Bereich der gemeinsamen Grenze Hochwasserabflussgebiet seien; lediglich im Bereich einer von sechs Katastralgemeinden, nämlich in der Katastralgemeinde Dietmannsdorf, lägen Siedlungsverflechtungen vor. Der Siedlungsbereich St. Ulrich im Greith, in dem ca. die Hälfte der Gemeindebevölkerung lebe und wo auch der zentrale Punkt für das kulturelle Leben der antragstellenden Gemeinde liege (etwa das "Greith-Haus"), weise demgegenüber keinerlei Verflechtungen mit Sankt Martin im Sulmtal auf. Weiteres sei ein Großteil der Bevölkerung der antragstellenden Gemeinde betreffend die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu anderen Orten hin ausgerichtet, weshalb eine Zentrumsverlagerung nach Sankt Martin im Sulmtal keine Vorteile brächte und eine Abwanderung der Bevölkerung bewirke.

2.6.1.2. Demgegenüber führt die Stmk. Landesregierung aus, dass beide Gemeinden infrastrukturell "sehr gut miteinander verbunden" sowie die Gemeindeämter der beiden Gemeinden rund 3,7 Kilometer voneinander entfernt seien, Siedlungsverflechtungen und aneinandergrenzende bzw. nur in geringer Entfernung zueinander liegende Baulandausweisungen bestünden.

2.6.1.3. Die antragstellende Gemeinde und die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal grenzen aneinander. Zur antragstellenden Gemeinde bringt die Stmk. Landesregierung zwar keine bestehenden Siedlungsverflechtungen vor, weist aber nachvollziehbar darauf hin, dass sich aus den raumplanerischen Planungsdokumenten Baulandausweisungen bzw. Entwicklungspotenziale an der Grenze zur Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal ergeben. Angesichts dieser Gegebenheiten, der starken Zersiedelung in beiden Gemeinden und des Umstandes, dass die Gemeindeämter lediglich 3,7 Kilometer voneinander entfernt liegen (vgl. VfSlg 11.629/1988) und eine gute verkehrstechnisch-infrastrukturelle Verbindung – auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – zwischen den Gemeinden gegeben ist, hält es der Verfassungsgerichtshof für vertretbar, wenn der Landesgesetzgeber davon ausgeht, dass die neue Gemeinde mit den Instrumenten der örtlichen Raumordnung eine bessere Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum erzielen kann, zumal bestehende Siedlungsverflechtungen zwischen den betroffenen Gemeinden nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keine zwingende Voraussetzung für die Sachlichkeit einer Gemeindevereinigung darstellen (vgl. VfSlg 9068/1981, 10.637/1985).

Insgesamt kann der Stmk. Landesregierung nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass mit der Vereinigung der beiden Gemeinden eine "bessere Nutzung der vorhandenen Fläche für den Siedlungsraum" gewährleistet werden kann.

2.6.2. Die antragstellende Gemeinde macht weiters geltend, dass sie über ausreichend eigene infrastrukturelle Versorgungseinrichtungen verfüge und von (sozialen oder wirtschaftlichen) Verflechtungen folglich nicht ausgegangen werden könne; auch seien einzelne Katastralgemeinden zu anderen Gemeinden hin orientiert. Die Stmk. Landesregierung betont demgegenüber die Unterversorgung der antragstellenden Gemeinde mit Gütern und Dienstleistungen; selbst Güter des täglichen Bedarfs seien in der Gemeinde nicht erhältlich. Die Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal sei das dritthäufigste Auspendelziel der Bevölkerung der antragstellenden Gemeinde, und zahlreiche Infrastruktureinrichtungen der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal würden bereits jetzt von der Bevölkerung der antragstellenden Gemeinde genutzt (etwa Kindergarten, Volksschule, praktischer Arzt oder Nahversorgungseinrichtung des täglichen Bedarfs).

Die Annahme der Stmk. Landesregierung, dass durch die von der antragstellenden Gemeinde angeführte Versorgungsinfrastruktur der Grundbedarf der Bevölkerung in Bezug auf die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs nicht gedeckt werden könne, ist plausibel. Die Stmk. Landesregierung konnte vor diesem Hintergrund vertretbar von weitreichenden funktionellen Verflechtungen der antragstellenden Gemeinden mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal ausgehen. Wenngleich die antragstellende Gemeinde in ihrem Antrag ausführt, dass die Infrastruktureinrichtungen in anderen Gemeinden genutzt würden, ergibt sich – wie die Stmk. Landesregierung hervorhebt – aus dem Örtlichen Entwicklungskonzept 5.0 der antragstellenden Gemeinde, dass sich "[d]ie Dienstleistungsbetriebe […] in der Hauptsache in St. Martin [befinden]" und die Versorgung mit Gütern des längerfristigen Bedarfs sowie die gesundheitliche bzw. ärztliche Betreuung (unter anderem) in der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal erfolgt. In der antragstellenden Gemeinde gibt es zwar eine Volksschule und einen Kindergarten, jedoch besuchen jedenfalls die Schüler und Kinder des Ortes Dietmannsdorf – wie die Gemeinde selbst anführt – die Volksschule bzw. den Kindergarten der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal. In dieses Bild vorhandener Verflechtungen der Bevölkerung fügt sich auch ein, dass Sankt Martin im Sulmtal an dritter Stelle der Auspendelziele der Bevölkerung der antragstellenden Gemeinde liegt (an erster und zweiter Stelle liegen Deutschlandsberg bzw. Graz, die beide nicht an das Gebiet der Gemeinde Sulmeck-Greith grenzen).

Der Stmk. Landesregierung kann vor dem Hintergrund der dargestellten Verflechtungen nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass "durch die gemeinsame und somit effizientere Nutzung des gemeinsamen Raumes und der vorhandenen Infrastruktur mittelfristig insgesamt Kosteneinsparungen, ein effizienter Einsatz der Budgetmittel und eine bessere Auslastung der Infrastruktur zu erwarten ist". Wenn die antragstellende Gemeinde vorbringt, dass Bewohner bestimmter Ortsteile hinsichtlich einzelner Dienstleistungen eher in Richtung anderer Gemeinden orientiert seien bzw. dass auch andere Gemeinden diese Versorgungsfunktion übernähmen, so ändert dies nichts an der vertretbaren Annahme funktioneller Verflechtungen mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die bekämpfte Gemeindevereinigung daher jedenfalls nicht als unsachlich.

2.6.3. Die antragstellende Gemeinde verweist auf ihre positive finanzielle Lage; so konnte ihren Angaben zufolge im Jahr 2013 ein Überschuss von ca. € 323.000,– erzielt werden. Durch eine Vereinigung der in Rede stehenden Gemeinden werde es unausweichlich zu neuen teuren Bauvorhaben kommen, um die Mitarbeiter der antragstellenden Gemeinde unterbringen zu können. Die Kosten der Fusionsabwicklung würden den prognostizierten finanziellen Nutzen übersteigen. Dem hält der Landesgesetzgeber entgegen, dass die antragstellende Gemeinde in den Jahren 2008 bis 2012 € 752.030,– an finanziellen Mitteln erhalten habe, durch die Optimierung der Verwaltung ein jährliches Einsparungspotenzial möglich sei und etwaige Bauvorhaben zum Teil durch eine Fusionsprämie (§21 FAG 2008) finanziert werden könnten.

Auch wenn die finanzielle Lage der antragstellenden Gemeinde nunmehr positiv ist, steht dies nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einer Gemeindevereinigung nicht entgegen, wenn dadurch ein (noch) leistungsfähigeres Kommunalwesen als bisher geschaffen wird (vgl. zB VfSlg 10.637/1985). Der Landesgesetzgeber geht in nachvollziehbarer Weise davon aus, dass Ziel der Gemeindevereinigung unter anderem die Schaffung von gemeinsamen Strukturen ist; diese neuen Strukturen ermöglichen (künftig) auch eine optimierte Nutzung der vorhandenen (gemeinsamen) Infrastruktureinrichtungen und können folglich zu Kosteneinsparungen führen (vgl. Erläut. zur RV 2347/1 BlgLT [Stmk.] 16. GP, 47). Der neuen Gemeinde kommt – wie sich aus den Erläuterungen zum StGsrG ergibt (vgl. RV 2347/1 BlgLT [Stmk.] 16. GP, 47) – durch die Gemeindevereinigung vor allem wegen der Verkleinerung der politischen Vertretung und der effizienteren Nutzung der Gemeindeverwaltung ein Einsparungspotential zu. Selbst wenn die von der antragstellenden Gemeinde behaupteten Fusionskosten tatsächlich anfallen würden, stehen diesen die langfristigen Kosteneinsparungen gegenüber. Wie sich die Freiwilligenarbeit bzw. ehrenamtliche Tätigkeit in der neuen Gemeinde entwickeln wird und ob tatsächlich – wie von der antragstellenden Gemeinde ausgeführt – eine Reduktion der diesbezüglichen Bereitschaft zu einer Kostensteigerung im Personalbereich führen wird, ist nicht abschätzbar und kann folglich ebenfalls nichts an der Plausibilität der Annahmen der Stmk. Landesregierung ändern. Es ist nicht unvertretbar anzunehmen, dass durch die Gemeindevereinigung zusätzlicher budgetärer Spielraum geschaffen wird, der zu einem leistungsfähigeren Gemeinwesen als dem bisherigen führen wird.

2.6.4. Soweit die antragstellende Gemeinde die Schließung des Kindergartens und der Volkschule sowie den Verlust gewachsener Vereinsstrukturen einhergehend mit der Beeinträchtigung des kulturellen Lebens der Gemeinde als Grund der Unsachlichkeit der Gemeindevereinigung ansieht, tritt die Stmk. Landesregierung dem Argument dadurch nachvollziehbar entgegen, dass darüber der Gemeinderat zu entscheiden habe und Gründe für eine Schließung des Kindergartens und der Volksschule weder vorlägen noch vorgebracht worden seien.

2.6.5. Zum Vorbringen, dass die Bevölkerung gegen diese Maßnahme eingestellt sei, genügt es, auf die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein anhaltender Widerstand der Bevölkerung allenfalls ein Indiz für die Unsachlichkeit sein kann, für sich alleine jedoch noch keine Unsachlichkeit zu begründen vermag (vgl. VfSlg 13.543/1993 mwN).

2.6.6. Die antragstellende Gemeinde vertritt die Auffassung, dass für die Zulässigkeit und Sachlichkeit einer Gemeindestrukturreform eine umfassende Grundlagenforschung und Begründung erforderlich sei, eine solche jedoch nicht vorgenommen worden sei.

Wie sich bereits aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ist dem StGsrG ein mehrjähriger Gemeindestrukturreformprozess vorangegangen, in dessen Rahmen die Grundlagen für die Veränderung der Gemeindestruktur in der Steiermark (u.a. durch wissenschaftliche Studien) ermittelt und die Gemeindevereinigungen in mehreren Phasen intensiv vorbereitet wurden; in der sogenannten Verhandlungsphase vom Februar 2012 bis September 2012 wurden die Vorstellungen des Landes und die Vorschläge der Gemeinden auch mit den betroffenen Gemeinden diskutiert und in der Entscheidungsphase vom Oktober 2012 bis Jänner 2013 die Ergebnisse und Stellungnahmen aus der Vorschlags- und Verhandlungsphase ebenfalls mit Gemeindevertretern besprochen. Deshalb ist auch das Vorbringen der antragstellenden Gemeinde, dass sie in den Reformprozess nicht eingebunden gewesen sei, nicht zutreffend: So fand beispielsweise am ein solches Verhandlungsgespräch mit Vertretern der antragstellenden Gemeinde, der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal und des Landes Steiermark statt, in welchem die konkrete Gemeindekonstellation diskutiert wurde.

Selbst wenn das StGsrG ohne vorangegangene Grundlagenforschung oder ohne Begründung erlassen worden wäre, begründete dies noch keine Unsachlichkeit des Gesetzes, solange die mit diesem Gesetz erfolgte Vereinigung der Gemeinden im Ergebnis sachlich gerechtfertigt ist (vgl. , V46/2014).

2.6.7. Wenn die antragstellende Gemeinde schließlich ausführt, dass freiwillige interkommunale Kooperationen als mögliche Alternative zur Zwangsfusion überhaupt nicht geprüft worden seien und somit unbeantwortet bliebe, ob ein Gemeindeverband als sparsamer, wirtschaftlicher und zweckmäßiger anzusehen wäre als die bekämpfte Vereinigung, ist auf Punkt 2.2. zu verweisen. Der Verfassungsgerichtshof hat alleine die Frage zu beurteilen, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Gemeindevereinigung – sohin die vorliegende Vereinigung der antragstellenden Gemeinde mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal – für sich genommen sachlich ist; die Zweckmäßigkeit allfälliger Alternativen ist dabei nicht zu bewerten.

2.7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Landesgesetzgeber begründet annehmen konnte, dass durch die Vereinigung der antragstellenden Gemeinde mit der Gemeinde Sankt Martin im Sulmtal insgesamt eine Verbesserung der Gemeindestruktur erwartet werden kann. Der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wurde nicht überschritten. Die von der antragstellenden Gemeinde vorgebrachten Bedenken haben sich nicht als zutreffend erwiesen.

IV. Ergebnis

6. Der Antrag ist daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:G79.2014