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VfGH vom 15.12.2004, g79/04

VfGH vom 15.12.2004, g79/04

Sammlungsnummer

17422

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes betreffend die Selbstbewirtschaftung als grundlegende Genehmigungsvoraussetzung für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke; Inländerdiskriminierung infolge strengerer Voraussetzungen bei rein innerstaatlichen Sachverhalten als bei Sachverhalten mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug

Spruch

I. Im Gesetz vom über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996), LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999 werden § 6 Abs 1 litb und c, im Abs 2 die Wortfolge "im Sinne des Abs 1 litb", Abs 3 und Abs 7 als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

II. Im Übrigen wird § 6 Abs 2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Die Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der Wortfolge "im Sinne des § 6 Abs 2" im ersten und letzten Satz des § 5 Abs 2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 werden eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B2149/00, B805/01 und B170/02 auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerden gegen Bescheide der Landes-Grundverkehrskommission anhängig, denen folgende Sachverhalte zugrunde liegen:

1.1. Zu B2149/00

Mit Kaufvertrag vom 28.9./ verkaufte JB seinen Hälfteanteil an einem näher bezeichneten landwirtschaftlichen Grundstück mit einer Gesamtfläche von 4,4264 ha an die Beschwerdeführerin. Dieser Kaufvertrag steht im Zusammenhang mit einem Darlehen über S 2,500.000,-, das der mittlerweile verstorbene Gatte der Beschwerdeführerin JB gewährt hatte, und dient insbesondere der Tilgung dieser Darlehens- und Zinsforderung. Die zweite Hälfte des Grundstückes steht im Miteigentum von zwei weiteren Personen. Das gesamte Grundstück, das über keine Hofstelle verfügt, ist verpachtet.

Die bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eingerichtete Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke versagte dem Rechtserwerb die Genehmigung im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine Selbstbewirtschaftung durch die Beschwerdeführerin nicht gegeben sei. Die Landes-Grundverkehrskommission wies die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, es könne keine positive Selbstbewirtschaftungsprognose getroffen werden.

Weiters fände Europarecht auf den vorliegenden "rein internen Sachverhalt" ohne erkennbaren Bezug zum Gemeinschaftsrecht keine Anwendung.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

1.2. Zu B805/01

Mit Kaufvertrag vom 5.4./ verkaufte JS eine näher bezeichnete Liegenschaft bestehend aus einem Waldgrundstück im Ausmaß von 40,065 ha an die beschwerdeführende Gesellschaft.

Die bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eingerichtete Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke erteilte diesem Rechtsgeschäft mit Bescheid vom die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft als amtsbekannter und bedeutender holzverarbeitender Betrieb mit Firmenstandorten in W und St J die Selbstbewirtschaftung im Rahmen der nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässigen Holznutzung garantiere.

Gegen diesen Bescheid erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung und brachte vor, dass bereits mit Kaufvertrag vom 12. Feber 1997 dasselbe Waldgrundstück von der beschwerdeführenden Gesellschaft gemeinsam mit FE erworben worden sei. Diesem Rechtserwerb sei die grundverkehrsbehördliche Genehmigung rechtskräftig versagt worden. Der Verfassungsgerichtshof habe die an ihn erhobene Beschwerde abgewiesen, da bei FE bereits Großgrundbesitz anzunehmen sei. Es sei nicht einsichtig, dass dieses Argument nicht mehr gelte, wenn die beschwerdeführende Gesellschaft, die in der "geschäftlichen Verfügungsmacht" des FE stehe, nunmehr als Käuferin auftrete. Auch sei die geforderte Selbstbewirtschaftung im Hinblick auf die im Eigentum des Geschäftsführers FE stehenden land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen und erheblichen Firmenbeteiligungen nicht gesichert.

In ihrer Gegenäußerung trat die beschwerdeführende Gesellschaft mit näherer Begründung der Berufung entgegen.

Die Landes-Grundverkehrsbehörde gab der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge. Sie begründete dies damit, dass nach den Angaben der beschwerdeführenden Gesellschaft ausschließlich eine Privatstiftung, deren drei Vorstände weisungsfrei seien, über die EH-Beteiligungsgesellschaft mbH und damit über die beschwerdeführende Gesellschaft wirtschaftlich verfügungsberechtigt sei. Beim Erwerb eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes durch eine juristische Person müsse sichergestellt sein, dass jene Personen zur Selbstbewirtschaftung willens und fähig sind, welche die juristische Person wirtschaftlich dominieren. Hinsichtlich der Vorstände sei aber nicht einmal behauptet worden, dass sie die Selbstbewirtschaftung der Waldflächen aufnehmen würden; vielmehr sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die beiden Geschäftsführer M und FE die Selbstbewirtschaftung beaufsichtigten und ein Dienstnehmer der beschwerdeführenden Gesellschaft unter Zuhilfenahme von qualifiziertem Personal die Waldparzellen bewirtschaften werde. Die Selbstbewirtschaftung durch die beschwerdeführende Gesellschaft sei daher nicht gewährleistet.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

1.3. Zu B170/02

Mit Übergabsvertrag vom übergab TA vier Grundstücke in S und ihren Hälfteanteil an zwei Grundstücken in M an ihren Sohn HR; die Übergeberin behielt sich das Fruchtnießungsrecht an einer Liegenschaft in S vor. Der Übernehmer verpflichtete sich, eine monatliche Leibrente an seine Mutter zu bezahlen.

Die Vorsitzende der bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke stellte mit Bescheid fest, dass der Grunderwerb an der Liegenschaft in M gemäß § 5 Abs 1 litc Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.

Gegen diese Entscheidung erhob der Landesgrundverkehrsreferent fristgerecht Berufung und brachte vor, dass TA nicht ihren gesamten land- und forstwirtschaftlichen Besitz an ihren Sohn übertragen habe, da sie noch Eigentümerin zweier land- bzw. forstwirtschaftlicher Grundstücke in S sei. Er beantragte daher den Bescheid der Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission wegen Unzuständigkeit zu beheben. Der angefochtene Bescheid wurde durch Berufungsvorentscheidung ersatzlos aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren versagte die Bezirks-Grundverkehrskommission dem Erwerb der Liegenschaft in M die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Dies mit der wesentlichen Begründung, dass der Erwerber kein Landwirt im Sinne des Grundverkehrsgesetzes sei, er keine landwirtschaftlichen Flächen besitze und mit einer Selbstbewirtschaftung nicht zu rechnen sei. § 5 Abs 1 litd TGVG 1996 könne nicht zur Anwendung gelangen, da nicht alle land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke ungeteilt an eine Person übergeben worden seien. Unter "alle Grundstücke" im Sinne der Bestimmung seien nicht nur die in einem bestimmen Gebiet einer Gemeinde liegenden, sondern alle dem Tiroler Grundverkehrsgesetz unterliegenden Grundstücke zu verstehen.

TA und HR erhoben gegen diesen Bescheid Berufung und führten im Wesentlichen aus, dass kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft und dem land- bzw. forstwirtschaftlichen Besitz der TA in S bestehe und dass eine einheitliche Bewirtschaftung der Liegenschaft in M und jener in S nicht möglich sei. Auch eine Eigenbewirtschaftung durch den Erwerber sei nicht möglich.

Die Landes-Grundverkehrskommission wies die Berufung als unbegründet ab. Das Ermittlungsverfahren sei auf Berufungsebene ergänzt und dabei festgestellt worden, dass der Erwerber weder ein Wirtschaftsgebäude, noch Geräte oder Maschinen für die Bewirtschaftung besitze. Die Flächen seien derzeit an einen Landwirt in M verpachtet, der diese mähe. Da vom Berufungswerber selbst eingestanden werde, dass eine Selbstbewirtschaftung durch ihn nicht möglich sei, erübrige sich eine Prognoseentscheidung.

Aus dem Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 lita TGVG 1996 sei nichts gewonnen, da für eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung alle Voraussetzungen des § 6 Abs 1 leg.cit. erfüllt sein müssten.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

2. Bei Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs 1 litb und c und Abs 7 TGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999 entstanden. Weiters ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass § 6 Abs 2 TGVG 1996 in untrennbarem Zusammenhang mit § 6 Abs 1 litb TGVG 1996 steht und die Wortfolge "im Sinne des § 6 Abs 2" im ersten und letzten Satz in § 5 Abs 2 TGVG 1996 mit § 6 Abs 2 TGVG 1996 sowie § 6 Abs 3 TGVG 1996 mit § 6 Abs 1 litc TGVG 1996. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der vorgenannten Bestimmungen eingeleitet.

3. Die Rechtslage gemäß TGVG 1996 stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich

§ 1.(1) Dieses Gesetz gilt für den Erwerb von Rechten

a) an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

b) an Baugrundstücken und

c) an sonstigen Grundstücken, wenn der Rechtserwerber Ausländer ist.

(2) ...

Begriffsbestimmungen

§ 2.(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

(3) Baugrundstücke sind:

a) Grundstücke, die mit Gebäuden, mit Ausnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden, bebaut sind;

b) unbebaute Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan als Bauland, als Vorbehaltsfläche oder als Sonderfläche, ausgenommen Sonderflächen für Schipisten, für Hofstellen, für landwirtschaftliche Intensivtierhaltung, für Austraghäuser und für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude, gewidmet sind.

...

(4) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke mit anderen Gebäuden als land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden gelten als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, wenn das gesamte Grundstück Gegenstand eines Rechtserwerbes ist. Ist nur das Gebäude Gegenstand eines Rechtserwerbes, so gilt dieses als Baugrundstück.

(5) - (6) ...

Gleichbehandlung von Personen und Gesellschaften

aus EU- bzw. EWR-Staaten

§ 3.(1) Natürliche Personen, die Staatsangehörige eines EUbzw. EWR-Staates sind, sind für den Geltungsbereich dieses Gesetzes österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

(2) Gesellschaften im Sinne des Art 48 des EG-Vertrages und des Art 34 des EWR-Abkommens aus EU- bzw. EWR-Staaten sind in Ausübung

a) der Niederlassungsfreiheit nach Art 43 des EG Vertrages bzw. nach Art 31 des EWR-Abkommens,

b) des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art 49 des EG-Vertrages bzw. nach Art 36 des EWR-Abkommens,

c) der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 56 des EG Vertrages bzw. nach Art 40 des EWR-Abkommens, für den Geltungsbereich dieses Gesetzes den entsprechenden österreichischen Gesellschaften gleichgestellt.

[§3 TGVG 1996 steht idF LGBl. 75/1999 in Geltung.]

2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

Genehmigungspflicht

§4. (1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

b) - h) ...

(2) ...

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

§5. (1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach § 4:

a) - e) ...

(2) Der Genehmigung nach § 4 bedarf es weiters nicht beim Erwerb eines Bestandrechtes im Sinne des § 4 Abs 1 litd und f, wenn die Bestanddauer nicht mehr als fünf Jahre beträgt und der Erwerber in der Anzeige des Rechtsgeschäftes nach § 23 Abs 1 schriftlich erklärt, daß er die in Bestand zu nehmenden land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke im Sinne des § 6 Abs 2 selbst bewirtschaften und in dem in Bestand zu nehmenden landwirtschaftlichen Wohngebäude seinen Hauptwohnsitz nehmen wird. Für die Berechnung der Bestanddauer sind die in einem tatsächlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden Bestandzeiten verschiedener Verträge zwischen den selben Vertragsparteien oder zwischen einer Vertragspartei und einem mit der anderen früheren Vertragspartei im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen zusammenzurechnen. Die Feststellung nach § 24 Abs 1, daß das angezeigte Rechtsgeschäft nicht der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedarf, ist nach vorheriger schriftlicher Androhung zu widerrufen, wenn der Erwerber entgegen seiner Erklärung die in Bestand genommenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke nicht im Sinne des § 6 Abs 2 selbst bewirtschaftet oder in dem in Bestand genommenen landwirtschaftlichen Wohngebäude nicht seinen Hauptwohnsitz genommen hat.

Genehmigungsvoraussetzungen

§6. (1) Die Genehmigung nach § 4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

(2) Selbstbewirtschaftung im Sinne des Abs 1 litb liegt nur dann vor, wenn der land- oder forstwirtschaftliche Betrieb durch den Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird.

(3) Die fachlichen Kenntnisse im Sinne des Abs 1 litc sind durch die Ausbildung zum entsprechenden Facharbeiter im Sinne des 3. Abschnittes des Tiroler Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes, LGBl. Nr. 97/1991, in der jeweils geltenden Fassung oder durch eine entsprechende gleichwertige Praxis nachzuweisen.

(4) Die Genehmigung für den Erwerb des Eigentums an einem landwirtschaftlichen Betrieb in seiner wesentlichen Substanz darf überdies nur erteilt werden, wenn der Erwerber auf diesem Betrieb seinen Hauptwohnsitz nimmt, es sei denn, er hat bereits in vertretbarer Entfernung vom neu erworbenen Betrieb seinen Hauptwohnsitz.

(5) Die Genehmigung für den Erwerb des Eigentums an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück auf Grund eines Kaufvertrages darf entgegen den Bestimmungen des Abs 1 lita, b und c und des § 7 erteilt werden, wenn der Verkauf auf Grund von Umständen, die ohne grobes Verschulden des Verkäufers eingetreten sind, insbesondere auf Grund von Elementarereignissen, zur Vermeidung des gänzlichen Verfalls eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes notwendig ist.

(6) Rechtserwerbe durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, sind zu genehmigen, es sei denn, die letztwillige Zuwendung ist in der Absicht erfolgt, die Genehmigungsvoraussetzungen für Rechtserwerbe durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu umgehen.

(7) Rechtserwerbe an forstwirtschaftlichen Grundstücken sind insoweit abweichend von den Voraussetzungen nach Abs 1 litb zu genehmigen, als die Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgen muss. Weiters entfällt für die Genehmigung von Rechtserwerben an forstwirtschaftlichen Grundstücken die Voraussetzung nach Abs 1 litc.

(8) Rechtserwerbe durch eine Gemeinde sind zu genehmigen, wenn der Rechtserwerb unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben benötigt wird.

(9) Rechtserwerbe durch Personen, die land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke an eine Gemeinde zur Erfüllung von Aufgaben im Sinne des Abs 8 veräußert haben, sind zu genehmigen, wenn der Rechtserwerb in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Veräußerung steht und die zu erwerbenden Ersatzgrundstücke in einem angemessenen Verhältnis zu den veräußerten Grundstücken stehen.

[§6 TGVG 1996 steht idF LGBl. 75/1999 in Geltung.]

Besondere Versagungsgründe

§7. (1) Unter Berücksichtigung der Interessen nach § 6 Abs 1 lita ist die Genehmigung nach § 4 insbesondere zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß

a) Grundstücke einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder der ihrer Beschaffenheit entsprechenden land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, es sei denn, daß Grundstücke zur Erfüllung von Aufgaben in einem öffentlichen Interesse, das jenes nach § 6 Abs 1 lita überwiegt, benötigt werden;

b) unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen, die Arrondierung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gestört oder die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung von Grundstücken verhindert oder zumindest erheblich erschwert wird, es sei denn, daß der Rechtserwerb der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben im Sinne der lita dient;

c) eine der Verbesserung der Agrarstruktur dienende und für einen Dritten dringend notwendige Arrondierung eines land- oder forstwirtschaftlichen Besitzes vereitelt wird;

d) die durch ein Agrarverfahren erzielte günstige Agrarstruktur gestört wird, es sei denn, daß der Rechtserwerb der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben im Sinne der lita dient;

e) Grundstücke zur Bildung oder Vergrößerung von Großbesitz erworben werden;

f) Grundstücke zur Bildung oder Vergrößerung von Eigenjagdgebieten erworben werden;

g) der Preis für das zu erwerbende Recht den Verkehrswert um mehr als 30 v. H. übersteigt;

h) Grundstücke einer Verwendung zugeführt werden, die offensichtlich im Widerspruch zu einem überörtlichen Raumordnungsprogramm, zum örtlichen Raumordnungskonzept, zum Flächenwidmungsplan oder sonst zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht.

(2) Die Genehmigung für die Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken ist insbesondere zu versagen, wenn dem geplanten Vorhaben erhebliche landeskulturelle Bedenken entgegenstehen, insbesondere wenn unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen würden.

[§7 Abs 2 TGVG 1996 erhielt seine Fassung durch LGBl. 75/1999.]

Auflagen

§8. (1) Zur Sicherung der Voraussetzungen nach § 6 Abs 1 und 4 kann die Genehmigung nach § 4 mit Auflagen erteilt werden. ..."

4. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bewogen, wie folgt dar:

"...

... Der Verfassungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger im Verhältnis zu Ausländern am Gleichheitssatz zu messen ist und daher einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (vgl. VfSlg. 13084/1992, 14863/1997, 14963/1997).

Diesen Gedanken hat der Verfassungsgerichtshof - unter Hinweis auf die 'doppelte Bindung' des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht - auch auf die so genannte 'Inländerdiskriminierung' übertragen (VfSlg. 14863/1997, 14963/1997, 15683/1999). Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte im Verhältnis zu Sachverhalten mit Gemeinschaftsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen (in diesem Sinn insb. auch Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht2, [2001], 82 ff; Holoubek, 'Inländerdiskriminierung' im Wirtschaftsrecht, in:

Aicher/Holoubek/Korinek [Hrsg.], Gemeinschaftsrecht und Wirtschaftsrecht [2000], 159 ff; Baumgartner, EU-Mitgliedschaft und Grundrechtsschutz, 1997, 208 ff).

Die bisherige Judikatur bezog sich jeweils auf Fälle, in denen bereits die österreichischen Normen zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und solchen mit Gemeinschaftsbezug differenzierten.

... Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich eine solche Differenzierung erst aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ergibt (vgl. Knobl, Inländerdiskriminierung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in Rill-FS [1995], 293 [318];

Kucsko-Stadlmayer, Der Vorrang des EU-Rechts vor österreichischem Recht, ecolex 1995, 338 [344]; Lienbacher, Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Zugang zu Wohnmöglichkeiten, wobl 1998, 321 [331];

Schneider, Die 'Konle'-Entscheidung des EuGH und ihre Auswirkungen auf das österreichische Grundverkehrsrecht, ZfV 2000, 16 [25]).

... Verstößt eine gesetzliche Bestimmung des nationalen Rechts gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, dann wird sie in Fällen mit Gemeinschaftsbezug verdrängt. Die nationalen Normen sind dann so zu lesen, als ob die verdrängte Bestimmung nicht vorhanden wäre; es ist also der gemeinschaftsrechtskonforme nationale Regelungstorso anzuwenden. In allen anderen Fällen ist die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden.

Vergleicht man nun die nationale Norm mit dem (durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes entstandenen) nationalen Regelungstorso, so ist nun zu prüfen, ob dabei nicht Sachverhalte ohne Gemeinschaftsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug diskriminiert werden ( ua.).

... Die Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 über den Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken sind mit den Bestimmungen des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes 1993 LGBl. 61 idF LGBl. 85/1997, das der Entscheidung Ospelt zugrundelag, vergleichbar. Auch im Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 ist für den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unter anderem die Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber Voraussetzung für die Genehmigung des Rechtsgeschäftes, abgesehen von Ausnahmen, die in den vorliegenden Fällen nicht gegeben sind.

... In den den Beschwerden zugrunde liegenden Fällen ist die Ungleichbehandlung von Inländern im Verkehr mit land- bzw. forstwirtschaftlichen Grundstücken ohne gemeinschaftsrechtlichen Bezug nicht unmittelbar aus der nationalen Norm ersichtlich. Die Ungleichbehandlung wird erst durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes sichtbar.

Der EuGH sprach im Urteil Ospelt aus, dass es die Art 57 bis 60 EG verbieten, die Genehmigung des Erwerbes landwirtschaftlicher Grundstücke in jedem Fall zu versagen, wenn der Erwerber diese nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und im Betrieb seinen Wohnsitz hat. Der EuGH hat damit klargestellt, dass in Fällen, in denen - wie im Fall Ospelt - ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug besteht, aufgrund des Anwendungsvorranges die Bestimmungen, die für die konstitutive Genehmigung des Rechtsgeschäftes in jedem Fall die Selbstbewirtschaftung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes (und die Residenzpflicht) des Erwerbers voraussetzen, nicht anzuwenden sind.

... Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig mit der belangten Behörde davon aus, dass sämtliche Voraussetzungen des § 6 Abs 1 TGVG 1996 beim Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken vorliegen müssen, damit das Rechtsgeschäft die konstitutive grundverkehrsbehördliche Genehmigung erhält; sohin hat der Rechtserwerb den grundverkehrsrechtlichen Interessen der (Generalklausel) lita zu entsprechen, der Rechtserwerber hat das Grundstück im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes selbst zu bewirtschaften (litb) und über die hiezu nötigen Fachkenntnisse zu verfügen (litc) sowie zu erklären, dass durch den Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll (litd); für den Erwerb forstwirtschaftlicher Grundstücke entfallende zwar gemäß § 6 Abs 7 TGVG 1996 die Voraussetzungen nach § 6 Abs 1 litb und c; der Erwerber hat aber das forstwirtschaftliche Grundstück ebenfalls selbst zu bewirtschaften, um die konstitutive grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu erhalten.

Dies dürfte aber beim Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken mit rein innerstaatlichem Sachverhalt dazu führen, dass selbst dann, wenn der Erwerber erklärt, dass die fachgemäße Bewirtschaftung durch einen Dritten (wie in dem zu B2149/00 und B170/02 protokollierten Verfahren) gesichert ist und auch der Veräußerer das landwirtschaftliche Grundstück nicht selbst bewirtschaftet hat, in jedem Fall die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen ist; auch beim Erwerb von forstwirtschaftlichen Grundstücken dürfte mangels Selbstbewirtschaftung bei gesicherter Bewirtschaftung durch einen Dritten die Genehmigung in jedem Fall zu versagen sein. Dies unabhängig davon, ob der Erwerber eine natürliche Person oder eine Gesellschaft ist.

Besteht aber beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug, dürfte aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts jedenfalls wegen mangelnder Selbstbewirtschaftung bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (bei landwirtschaftlichen Grundstücken auch mangels Residenz) die Genehmigung des Erwerbs nicht versagt werden. Dies dürfte dazu führen, dass bei Sachverhalten ohne Gemeinschaftsbezug (wie sie in den vorliegenden Beschwerden gegeben sind) beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zur Erlangung der konstitutiven grundverkehrsbehördlichen Genehmigung strengere Voraussetzungen erfüllt werden müssen, und daher in vielen Fällen, im Gegensatz zu Sachverhalten bei denen ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug besteht, der Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke auf Grund der in Prüfung gezogenen Bestimmungen überhaupt nicht möglich sein dürfte (s Fuith, 'Der österreichische Grundverkehr in der Europäischen Union', ZUV 2 96, 12 [16]).

... Der Verfassungsgerichtshof vermag für die Ungleichbehandlung rein interner innerstaatlicher Grundverkehrsgeschäfte mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken gegenüber solchen mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen. Er hegt daher das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verstoßen.

... Der EuGH hat im Fall Ospelt Rz 53 zum Ausdruck gebracht, dass § 5 Abs 1 lita VGVG 1993 den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von restriktiven Voraussetzungen abhängig macht, die nicht in jedem Fall in Hinblick auf die Ziele dieses Gesetzes erforderlich sind. Sofern das (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz unter Heranziehung dieser Bestimmung von den nationalen Stellen dahingehend ausgelegt würde, dass andere Personen als Landwirte unabhängig von Selbstbewirtschaftung und Residenzpflicht (s Ospelt Rz 48 bis 52) die vorherige Genehmigung erteilt werden kann, wenn sie die erforderlichen Garantien hinsichtlich der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Grundstücke abgeben, dann wird der freie Kapitalverkehr nicht über das hinaus beschränkt, was zur Erreichung seiner Ziele notwendig ist.

Es wird daher auch zu bedenken sein, ob § 6 Abs 1 und Abs 2 TGVG 1996, die eine dem § 5 Abs 1 lita VGVG 1993 vergleichbare Bestimmung enthalten, einer solchen Auslegung überhaupt zugänglich sind."

5. Die Tiroler Landesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufheben.

Zunächst verweist sie auf das Urteil des EuGH im Fall Ospelt und hier insbesondere auf die Ausführungen, wann davon ausgegangen werden könne, dass der freie Kapitalverkehr nicht über das hinaus beschränkt werde, was zur Erreichung der Ziele der grundverkehrsgesetzlichen Bestimmungen erforderlich sei.

Weiters führt sie wörtlich aus (Hervorhebungen im Original):

"Lässt die die Selbstbewirtschaftung anordnende grundverkehrsgesetzliche Regelung aber Platz für die vom EuGH angedeutete gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung, so kommt es in Fällen mit Gemeinschaftsbezug nicht zu einer Verdrängung des nationalen Rechts durch vorrangig anzuwendendes Gemeinschaftsrecht. Tatsächlich enthalten sowohl § 5 Abs 1 des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes als auch § 6 Abs 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 derartige Regelungsspielräume. Mit der erstgenannten Bestimmung wird der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke ausdrücklich auch ohne Erfüllung der Selbstbewirtschaftungs- und Residenzpflicht für zulässig erklärt, wenn er 'der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht'. Die letztgenannte Bestimmung ermöglicht eine derartige Auslegung dadurch, dass nur grundsätzlich gewährleistet sein muss, dass die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden.

Da die angeführten gesetzlichen Tatbestände keine Differenzierung zwischen Konstellationen mit bzw. ohne Gemeinschaftsbezug enthalten, muss der von ihnen offen gelassene Spielraum von den Grundverkehrsbehörden in verfassungskonformer Weise auch im Hinblick auf rein interne Sachverhalte genützt werden, sodass eine Inländerdiskriminierung jedenfalls vermieden wird.

...

Die Genehmigungsvoraussetzung des § 6 Abs 1 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 stellt im Gegensatz zur Generalklausel nach lita leg. cit. (Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes, Vermeidung nachteiliger Besitzstrukturen), die als generelle Formulierung der Ziele des landwirtschaftlichen Grundverkehrs anzusehen ist, nur die detaillierte Regelung eines Aspektes zur Erreichung dieser Ziele dar, der grundsätzlich, d.h. im Regelfall, jedoch nicht in jedem Fall verwirklicht sein muss. Aus der Verwendung des Wortes 'grundsätzlich' kann nämlich abgeleitet werden, dass es Ausnahmen von der Vorschrift gibt, dass die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke vom Erwerber selbst (bei landwirtschaftlichen Grundstücken im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes) bewirtschaftet werden müssen. Somit scheint eine Auslegung des Gesetzes, wonach in Fällen wie jenem, der dem zitierten Urteil des EuGH zugrunde lag (wo also der Erwerber gewährleistet, dass sich an den bisherigen Verhältnissen einer ordentlichen Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen im Rahmen von Pachtverträgen nichts ändert, sodass der Erwerb den in der lita leg. cit. angeführten Zielen nicht zuwiderläuft und wo auch keine besonderen Versagungsgründe nach § 7 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 vorliegen), ungeachtet der nach wie vor fehlenden Selbstbewirtschaftung eine Genehmigung erteilt werden kann, ohne Weiteres möglich, und zwar sowohl bei Sachverhalten mit Gemeinschaftsbezug also auch bei rein internen Sachverhalten.

Nach § 6 Abs 1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 muss ein Rechtserwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügen. Diese Genehmigungsvoraussetzung ist allerdings, wie sich schon aus dem systematischen Zusammenhang mit der litb leg. cit. ergibt, nicht anwendbar, wenn für den jeweiligen Rechtserwerb ausnahmsweise auch keine Selbstbewirtschaftung erforderlich ist. Wenn also in besonderen Fällen ausnahmsweise eine Genehmigung erteilt wird, ohne dass der Rechtserwerber die Selbstbewirtschaftung gewährleisten muss, dann sind auch die fachlichen Kenntnisse durch den Rechtserwerber nicht nachzuweisen. Jede andere Interpretation würde außerdem zum Ergebnis führen, dass der Nachweis der fachlichen Kenntnisse reinen Selbstzweck hätte.

Die Begriffsbestimmung des § 6 Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 ('Selbstbewirtschaftung im Sinne des Abs 1 litb liegt nur dann vor, wenn der land- oder forstwirtschaftliche Betrieb durch den Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird.') könnte ebenso wie die darauf Bezug nehmenden Wortfolgen in § 5 Abs 2 wohl nur in Verbindung mit einem verfassungswidrigen § 6 Abs 1 litb einen verfassungswidrigen Inhalt haben. Da die Tiroler Landesregierung jedoch von der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung und damit von der Verfassungskonformität der zuletzt genannten Bestimmung ausgeht, braucht nicht näher auf die Frage einer allfälligen Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 eingegangen zu werden. Mutatis mutandis gilt dies auch für § 6 Abs 3 über den Nachweis der fachlichen Kenntnisse i.V.m. Abs 1 litc leg. cit.

§ 6 Abs 7 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 normiert lediglich eine Abweichung des Genehmigungserfordernisses nach Abs 1 litb dahingehend, dass die Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber eines forstwirtschaftlichen Grundstückes nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgen muss und die Voraussetzung nach Abs 1 litc entfällt, weshalb sich gegen diese Bestimmung im gegebenen Zusammenhang ebenfalls nur dann verfassungswidrige Bedenken richten würden, wenn man von der Verfassungswidrigkeit des Abs 1 litb ausginge."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Präjudizialität:

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11.506/1987).

Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11.455/1987).

1.1. Unter anderem wurden die angefochtenen Bescheide zu B2149/00 und zu B170/02 auf § 6 Abs 1 litb TGVG 1996 und wurde der zu B805/01 auf § 6 Abs 1 und Abs 7 TGVG 1996 gestützt. Auch der Verfassungsgerichtshof hätte diese Bestimmungen im jeweiligen Beschwerdeverfahren anzuwenden. Sie sind daher präjudiziell.

§ 6 Abs 1 litc und die Wortfolge "im Sinne des Abs 1 litb" in § 6 Abs 2 TGVG 1996 stehen mit § 6 Abs 1 litb TGVG 1996 sowie § 6 Abs 3 TGVG 1996 mit § 6 Abs 1 litc TGVG 1996 in untrennbarem Zusammenhang. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren insoweit zulässig.

1.2. In § 6 Abs 2 TGVG 1996 genügt es die Wortfolge "im Sinne des Abs 1 litb" aufzuheben, um den untrennbaren Zusammenhang mit § 6 Abs 1 litb TGVG 1996 und die sich daraus ergebende Verfassungswidrigkeit zu beseitigen; dem verbleibenden Inhalt des § 6 Abs 2 TGVG 1996 kommt für nicht präjudizielle Bestimmungen noch Bedeutung zu, so dass er in diesem Umfang nicht aufzuheben war.

1.3. Hinsichtlich der in Prüfung gezogenen Wortfolge "im Sinne des § 6 Abs 2" in § 5 Abs 2 erster und letzter Satz TGVG 1996 hält der Verfassungsgerichtshof seine vorläufige Annahme, dass § 6 Abs 2 TGVG 1996 damit in untrennbarem Zusammenhang steht, nicht aufrecht.

§5 Abs 2 TGVG 1996 ist in den dem Prüfungsbeschluss zugrunde liegenden Fällen auch nicht präjudiziell. Die Gesetzesprüfungsverfahren waren daher hinsichtlich der Wortfolge "im Sinne des § 6 Abs 2" in § 5 Abs 2 erster und letzter Satz TGVG 1996 einzustellen.

2. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes trifft zu.

2.1. Aus der Systematik und dem klaren Wortlaut des § 6 Abs 1 lita bis d TGVG 1996 ergibt sich zunächst, dass dessen Voraussetzungen für die Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung kumulativ vorzuliegen haben. Die EB zu § 6 TGVG 1993 (§6 TGVG 1996 ist wortgleich) führen aus:

"Die beiden grundlegenden Voraussetzungen für die Genehmigung von Rechtserwerben an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nach Abs 1 lita und b entsprechen der geltenden Rechtslage (vgl. § 4 Abs 1 und § 6 Z. 1 des Grundverkehrsgesetzes 1983). Neben dem Erfordernis, dass der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht, wird das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung der erworbenen Grundstücke durch den Rechtserwerber als weitere grundlegende Genehmigungsvoraussetzung festgelegt. Dadurch, dass die beiden Erfordernisse gleichrangig nebeneinander gestellt werden, soll dem Grundsatz der Selbstbewirtschaftung - wie bereits im Allgemeinen Teil der Erläuternden Bemerkungen ausgeführt - noch mehr Gewicht verliehen werden."

2.2. Die Tiroler Landesregierung tritt der Annahme auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 lita bis d TGVG 1996 kumulativ vorliegen müssen. Sie ist aber der Meinung, dass die Formulierung des § 6 Abs 1 litb, der entgegen der generellen Formulierung der Ziele des landwirtschaftlichen Grundverkehrs in der Generalklausel des § 6 Abs 1 lita, nur die detaillierte Regelungen eines Aspektes zur Erreichung dieses Zieles darstelle, nämlich die Gewährleistung, dass die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet würden. Das Wort "grundsätzlich" bedeute "im Regelfall", jedoch "nicht in jedem Fall" und sei durchaus verfassungskonform (aber auch europarechtskonform) so auslegbar, dass eine "Inländerdiskriminierung" vermieden werde. Eine verfassungskonforme Interpretation in diesem Sinne habe zur Folge, dass auch die übrigen in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht verfassungswidrig wären.

2.3. Aus den folgenden Erwägungen kann sich der Verfassungsgerichtshof der angesprochenen Interpretation des Wortes "grundsätzlich" nicht anschließen:

Abgesehen davon, dass der Landesgesetzgeber, wie aus dem zuvor wiedergegebenen Teil der EB hervorgeht, die Selbstbewirtschaftung als grundlegende Genehmigungsvoraussetzung versteht, wäre durch das Wort "grundsätzlich" in § 6 Abs 1 litb TGVG 1996, würde man ihm hier die Bedeutung "im Regelfall", jedoch "nicht in jedem Fall" beimessen, das Verwaltungshandeln nicht hinreichend bestimmt. Es läge dann nämlich im freien Ermessen der Grundverkehrsbehörde vom Gebot der Selbstbewirtschaftung Ausnahmen zu gewähren; dies verstieße aber gegen das verfassungsgesetzliche Determinierungsgebot.

Es ist Sache des Gesetzgebers, jene Voraussetzungen zu umschreiben, bei deren Erfüllung er auch bei fehlender Selbstbewirtschaftung die weitere land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks als gewährleistet erachtet.

2.4. Das im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken, dass bei rein innerstaatlichen Sachverhalten bei Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zur Erlangung der konstitutiven grundverkehrsbehördlichen Genehmigung strengere Voraussetzungen erfüllt werden müssen, als bei Sachverhalten mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug (aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts) trifft zu. Der Verfassungsgerichtshof vermag dafür keine sachliche Rechtfertigung zu finden; eine solche wurde von der Tiroler Landesregierung auch nicht behauptet.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen waren daher als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Setzung einer Frist war erforderlich, um dem Tiroler Landesgesetzgeber die Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zu ermöglichen.

4. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz

B-VG.

5. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und aus § 64 Abs 2 VfGG.

6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.