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VfGH vom 14.03.1984, G77/83

VfGH vom 14.03.1984, G77/83

Sammlungsnummer

9995

Leitsatz

Pensionsgesetz 1965; Gleichheitswidrigkeit des § 19 Abs 4 (Regelung des Versorgungsbezuges für die frühere Ehefrau) mangels Anpassung - nach mehr als fünf Jahren - an die Änderung des Ehescheidungsrechtes bezüglich der Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten

Spruch

§19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, idF der Bundesgesetze BGBl. 280/1978 und 104/1979 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1985 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu B472/82 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die von der früheren Ehefrau eines am 10. Feber 1982 verstorbenen Bundesbeamten des Ruhestandes (die Ehe war mit Urteil vom nach § 49 EheG aus dem Verschulden des Ehemannes geschieden worden) erhoben wurde. Der Beschwerdesache liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde:

Mit Bescheid vom stellte das Bundesrechenamt unter Bezugnahme auf § 19 Abs 1, 2 und 4 erster Satz iVm. § 14 Abs 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, (zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 558/1980; im folgenden: PensionsG 1965) fest, daß der Bf. Versorgnungsbezug in einem betragsmäßig angeführten Ausmaß (nämlich entsprechend ihrem zuletzt gegebenen Unterhaltsanspruch auf 35 vH des Nettoeinkommens des früheren Ehemannes) gebühre. Gegen diesen Bescheid ergriff die Bf. Berufung wegen des Ausmaßes des Versorgungsbezugs; dieser gebühre ihr - ohne die erwähnte Beschränkung auf den zuletzt gegebenen Unterhaltsanspruch - in der Höhe eines Witwenversorgungsgenusses. Der Bundesminister für Finanzen wies dieses Rechtsmittel jedoch mit Bescheid vom mangels der in lita des zweiten Satzes im § 19 Abs 4 PensionsG 1965 festgelegten Voraussetzung ab, daß das Scheidungsurteil einen Ausspruch nach (der mit also erst nach dem hier maßgebenden Urteil in Kraft getretenen Bestimmung des) § 61 Abs 3 EheG enthält.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs 4 PensionsG 1965 ein, der folgendermaßen lautet:

"(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänungszulage und die Hilfslosenzulage - darf die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die die frühere Ehefrau gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn

a) das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 Ehegesetz enthält,

b) die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und

c) die frühere Ehefrau im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat.

Die unter litc genannte Voraussetzung entfällt, wenn

aa) die frühere Ehefrau seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder

bb) aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahlkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt der früheren Ehefrau angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern."

Der VfGH ging vorläufig davon aus, daß der Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er die eben wiedergegebene Gesetzesstelle bei seiner Entscheidung anzuwenden hätte. Seine Bedenken legte der Gerichtshof wie folgt dar:

"a) Mit Erk. vom , G82/77 (VfSlg. 8339/1978), befand der VfGH über die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. 54, idF der 3. Gehaltsgesetznov., BGBl. 297/1959, (im folgenden kurz: GG), der im wesentlichen besagte, daß der Beamte einen hundertsatzmäßig bestimmten monatlichen Pensionsbeitrag sowie einen solchen von jeder Sonderzahlung zu entrichten habe. Gegen diese Bestimmung bestanden unter dem Blickpunkt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes im wesentlichen folgende Bedenken: Bei der in § 22 Abs 1 GG festgelegten Verpflichtung zur Leistung eines Pensionsbeitrages werde nicht zwischen männlichen und weiblichen Beamten unterschieden. Auch bei der Regelung der Ansprüche auf Ruhegenußbezüge der Beamten im Pensionsgesetz 1965 sei ebenfalls nicht nach männlichen und weiblichen Beamten differenziert; das gleiche gelte für die Regelung der Anspruche auf Versorgungsbezüge der Kinder (Waisen) eines verstorbenen Beamten. Dem gegenüber sehe § 14 PensionsG 1965 vor, daß wohl die Witwe nach einem männlichen Bundesbeamten, nicht aber der Witwer nach einem weiblichen Bundesbeamten, einen Anspruch auf Versorgunggenuß habe. Unter Zugrundelegung dieser - auf ihre Verfassungsmäßigkeit allein schon mangels Präjudizialität nicht zu überprüfenden - Regelung bestehe gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 1 GG das Bedenken, daß die darin vorgesehene Belastung der männlichen und weiblichen Beamten mit gleich hohen Pensionsbeiträgen angesichts der Verschiedenheit der Regelung über die Ansprüche auf Versorgungsgenüsse der Witwe nach einem männlichen Beamten und des Witwers nach einem weiblichen Beamten nicht mit dem Gleichheitsgebot vereinbar scheine; es gehe um die Frage, ob in Ansehung der Versorgung ihrer Hinterbliebenen - verfassungsgemäß oder verfassungswidrig - unterschiedlich behandelte Dienstnehmergruppen in Ansehung der Heranziehung zur Pensionsbeitragsleistung gleichbehandelt werden dürften.

Der VfGH sprach mit seinem in Rede stehenden Erk. aus, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesvorschrift nicht verfassungswidrig war, und nahm dabei den näher begründeten Standpunkt ein, daß zwischen der Regelung des § 22 Abs 1 GG über die Verpflichtung zur Leistung des Pensionsbeitrages und der Regelung über die pensionsrechtlichen Ansprüche der Beamten und ihrer Hinterbliebenen, im besonderen auch der Regelung des § 14 Pensionsgesetz 1965 über die Ansprüche der Ehegatten von verstorbenen Beamten auf Versorgungsgenüsse, kein unmittelbarer Zusmmenhang bestehe; die gegen § 22 Abs 1 GG geäußerten Bedenken richteten sich sohin nicht gegen diese Gesetzesstelle, sondern gegen § 14 Pensionsgesetz 1965, der nicht Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens sei.

b) Geht man von diesen im Gesetzesprüfungsverfahren G82/77 dem § 14 Pensionsgesetz 1965 zugeordneten verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes aus, so findet sich zumindest kein unmittelbar einsichtiges Argument gegen die Annahme, die im § 19 des Pensionsgesetzes 1965 enthaltene Differenzierung, daß zwar der früheren Ehefrau, nicht aber - bei sonst völlig gleichen Verhältnissen - dem früheren Ehemann ein Versorgungsgenuß zukommt, begegne grundsätzlich denselben Bedenken wie die durch § 14 leg. cit. bewirkte Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern nach Bundesbeamten.

Aufgrund der eben dargestellten Überlegungen hält es der VfGH für geboten, die hier anscheinend präjudizielle Bestimmung im § 19 PensionsG 1965 auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, wobei in diesem Zusammenhang noch auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs verwiesen sei, daß die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht davon abhängt, ob die Umstände, die sie verfassungswidrig machen, bei der Anwendung der Norm im Anlaßfall eine Rolle gespielt haben (zB VfSlg. 8806/1980 S 315)."

II. 1. Ferner ist beim VfGH zu B404/83 das Verfahren über eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die von der früheren Ehefrau eines am verstorbenen Bundesbeamten des Ruhestandes erhoben wurde. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde:

Die Ehe war mit Urteil vom nach § 55 EheG geschieden worden; in einem vor der Urteilsfällung abgeschlossenen Vergleich hatte sich der Ehegatte zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages in Höhe von 400 S ab verpflichtet. Mit Bescheid vom 26. Jänner 983 stellte die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. anläßlich eines Antrages der Bf. (die einen Versorgungsgenuß in Höhe von zumindest 8 vH des vom geschiedenen Ehegatten zuletzt bezogenen Ruhegenusses begehrt hatte) unter Berufung auf § 19 PensionsG 1965 fest, daß der ihr gebührende Versorgungsgenuß für Jänner 1983 400 S und ab 1. Feber 1983 monatlich 417,70 S betrage. Die gegen diesen Bescheid ergriffene Berufung wies der Bundesminister für Verkehr mit Bescheid vom "gemäß § 19 Abs 4 des Pensionsgesetzes 1965" ab.

2. Der VfGH nahm auch diese Beschwerdesache zum Anlaß, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs 4 PensionsG 1965 einzuleiten; er nahm vorläufig an, daß der Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er § 19 Abs 4 leg. cit. bei seiner Entscheidung anzuwenden hätte und verwies im übrigen auf die zum Beschwerdefall B472/82 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken.

III. Die Bundesregierung erstattete in den Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen, in denen sie einerseits die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle bestreitet und andererseits deren Verfassungsmäßigkeit verteidigt; sie begehrt die Einstellung des Prüfungsverfahrens und - hilfsweise - den Ausspruch, daß § 19 Abs 4 PensionsG 1965 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

IV. Entgegen den Einwänden der Bundesregierung sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben und es erweisen sich die Bedenken des VfGH im Ergebnis als berechtigt.

1. a) Die Bundesregierung verneint die vom VfGH vorläufig angenommene Präjudizialität des § 19 Abs 4 PensionsG 1965 mit folgender (auf die Anlaßbeschwerdesache B472/82 abgestellter) Argumentation:

"Der zweite Satz des § 19 Abs 4 PG 1965 beinhaltet eine Ausnahmebestimmung und wurde mit ArtXXI des Gesetzes betreffend Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. Nr. 280/1978, eingeführt, und zwar mit Wirksamkeit vom . Mit demselben Gesetz - auch mit demselben Wirksamkeitsbeginn - wurde die Unterhaltsregelung durch Schaffung der Bestimmungen der §§61 Abs 3 und 69 Abs 2 des Ehegesetzes geändert. (Danach richtet sich der Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung nach § 94 ABGB). Ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 des Ehegesetzes kann jedoch nur für jene Scheidungsurteile von rechtlichem Gewicht sein, die nach dem ergangen sind. Dies hat auch der VwGH in seinen Erk. vom , Z 09/2685/80, und , Z 81/09/0134-5, ausgeführt. Damit kann aber auch die in Rede stehende Ausnahmebestimmung bei Vorliegen der im Gesetz normierten Voraussetzungen nur in jenen Fällen angewendet werden, in denen die Scheidung nach dem erfolgt ist. Die Ehe der Bf. ist aber bereits im Jahre 1969 geschieden worden, also lange vor dem Inkrafttreten der erwähnten Bestimmung. Das Scheidungsurteil kann daher keinen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG enthalten, die Bestimmung des § 19 Abs 4 zweiter Satz PensionsG 1965 kann daher im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen. Auch der VfGH hat somit im Fall B diese Bestimmung - aber nur diese legt die Bf. ihrer Beschwerde zugrunde - nicht anzuwenden. (Bei der Bemessung des Versorgungsgenusses der Bf. wurde entsprechend der Regelung des ersten Satzes des Abs 4 des § 19 PensionsG 1965 die Unterhaltsleistung herangezogen, auf die sie im Zeitpunkt des Todes ihres früheren Ehemannes Anspruch hatte. Die Bf. begehrt jedoch einen Versorgungsgenuß nach dem zweiten Satz des Abs 4 des § 19 PG 1965 im Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses und ist der Meinung, daß durch die Regelung der lita des Abs. des § 19 PG 1965 eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen jenen früheren Ehefrauen vorgenommen wird, deren Ehe nach § 55 des Ehegesetzes und jenen, deren Ehe wegen Verschuldens des Ehemannes - etwa wie im Fall der Bf. nach § 49 des Ehegesetzes - geschieden worden ist.) Damit ist nach Ansicht der Bundesregierung eine Präjudizialität nicht gegeben. Abgesehen von diesen Ausführungen darf, was die Frage der Präjudizialität betrifft, auch jene Judikatur des VfGH nicht außer acht gelassen werden, die besagt, daß der Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Verfassungswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmung derart abzugrenzen sei, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt (Slg. Nr. 7976/1974). Daher ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, daß, wenn der VfGH zur Ansicht gelangt, daß Präjudizialität gegeben ist, lediglich die Bestimmung des § 19 Abs 4 zweiter Satz lita PG 1965 ('das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 Ehegesetz enthält') präjudiziell ist. Nach Auffassung der Bundesregierung dürfte sich daher die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nur auf diese Bestimmung des § 19 Abs 4 PG 1965 beziehen."

b) Der VfGH vermag diesem Einwand der Bundesregierung jedoch nicht beizupflichten.

Geht man mit der Bundesregierung davon aus, daß sich der erste und zweite Satz im § 19 Abs 4 PensionsG 1965 zueinander wie Regel und Ausnahme verhalten (einerseits Bezugsbeschränkung auf die bestandene Unterhaltsleistung, andererseits Anhebung des Bezuges auf die Höhe der Witwenversorgung), so geht es im Fall B472/82 insbesondere um die Frage, ob der vorliegende Sachverhalt der die Regel normierenden Vorschrift zu unterstellen ist, woraus jedenfalls die Präjudizialität des ersten Satzes folgt. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung ist aber auch die Anwendbarkeit des zweiten (sowie des ihm folgenden letzten Satzes) iS des Art 140 Abs 1 B-VG zu bejahen, weil - vom präjudiziellen ersten Satz her gesehen - der zweite Satz sowohl inhaltlich als auch gesetzestechnisch (nämlich wegen seiner Einleitung mit den auf den Inhalt des ersten Satzes bezughabenden Worten "dies gilt jedoch nicht") mit dem ersten Satz untrennbar verknüpft ist; ein isolierter Bestand des zweiten Satzes im Falle einer gedachten Aufhebung des ersten als vefassungswidrig führte im Hinblick auf diese Verknüpfung zu einer nicht zureichend umschriebenen Rechtsregel.

Der VfGH ist sohin der Auffassung, daß § 19 Abs 4 PensionsG 1965 aus der Sicht des Beschwerdefalles B472/82 präjudiziell ist. Da das gleiche entsprechend für den Beschwerdefall B404/83 zutrifft und auch im übrigen die Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. a) Die Bundesregierung hält den verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen,

"daß die vom VfGH aufgezeigte Differenzierung zwischen früherer Ehefrau und früherem Ehemann nach Ansicht der Bundesregierung sehr wohl sachlich gerechtfertigt erscheint. Auch besteht zweifellos ein Unterschied zwischen einem Witwer und einem früheren Ehemann. Im Normalfall hat der Witwer bis zum Ableben der Ehegattin mit dieser im gemeinsamen Haushalt gelebt. Es hat eine Lebens- und vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden. Anders bei einem früheren Ehemann. Jedenfalls nach Scheidung der Ehe ist in der Regel die Lebens-, aber auch die Wirtschaftsgemeinschaft erloschen.

Lediglich in Einzelfällen ist der geschiedene Ehemann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, seiner früheren Ehefrau Unterhalt zu leisten. Darauf nimmt das PG 1965 auch Bedacht. Fälle, in denen die geschiedene Ehefrau verpflichtet ist, ihrem früheren Ehemann Unterhalt zu leisten, dürften in der Praxis eher selten vorkommen. Noch seltener sind wohl Fälle, in denen zugunsten des früheren Ehemannes ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 des Ehegesetzes in das Scheidungsurteil aufgenommen wird. Vor Prüfung, ob die verschiedenartige Behandlung der früheren Ehefrau und des früheren Ehemannes im Pensionsgesetz 1965, insbesondere auch der allenfalls im vorliegenden Verfahren präjudiziellen Vorschrift der lita des Abs 4 des § 19 PG 1965, dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, sollte daher vom VfGH Zahlenmaterial darüber erhoben werden, in wie vielen Fällen eine geschiedene Frau ihrem früheren Ehemann gegenüber unterhaltspflichtig ist und in wie vielen Fällen bei einer Scheidung der Ehe nach § 55 des Ehegesetzes bisher zugungsten des früheren Ehemannes ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 des Ehegesetzes in das Scheidungsurteil aufgenommen worden ist.

Nach Ansicht der Bundesregierung wird es sich um eine derartig geringe Anzahl handeln, sofern es überhaupt Anlaßfälle gibt, daß es sich hiebei zweifellos um atypische, bloß ausnahmsweise Härtefälle handelt. Diese können jedoch ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vernachlässigt werden, wie der VfGH selbst ausgesprochen hat (VfSlg. 7012/1973, 8352/1978).

Sollte jedoch wider Erwarten einmal ein Fall der besprochenen Art eintreten, dann besteht immer noch die Möglichkeit, im Bereich des Bundes - im Gegensatz zum Anwendungsbereich des ASVG - für diesen früheren Ehemann einen ao. Versorgungsbezug beim Herrn Bundespräsidenten zu erwirken."

b) Auch diese Einwände der Bundesregierung in der Sache hält der VfGH für nicht stichhältig.

Entgegen der Meinung der Bundesregierung ist hier die Häufigkeit der Fälle, in denen das auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG lautende Urteil einen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zugunsten des Ehemannes enthält, nicht von Belang. Es kommt nämlich auf den gesamten Inhalt des - Regel und Ausnahme umfassenden - § 19 Abs 4 PensionsG 1965 an, der - ohne Rücksicht auf die Höhe eines Versorgungsbezuges - infolge der Beschränkung seines persönlichen Geltungsbereiches auf die frühere Ehefrau eines verstorbenen Beamten einen Versorgungsbezug früherer Ehemänner einer verstorbenen Beamtin ausschließt. Hiezu ist nun im einzelnen folgendes festzuhalten:

Nach der bis zum Inkrafttreten des BG über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechtes, BGBl. 280/1978, mit bestandenen Gesetzeslage war die Unterhaltspflicht der geschiedenen Frau sowohl im Fall der Scheidung wegen Verschuldens als auch in dem der Scheidung aus anderen Gründen gegenüber der des geschiedenen Mannes wesentlich eingeschränkt (s. insbesondere §§66 und 69 EheG aF). Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. 280/1978 besteht diese nach dem Geschlecht getroffene Differenzierung nicht mehr (s. insbesondere §§66 und 69 EheG nF). Daß diese Änderung der Gesetzeslage nicht bloß für erstrittene Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten, sondern in der Regel auch für vertraglich vereinbarte maßgebend ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der Gesetzgeber des Pensionsrechtes für Beamte, der grundsätlich den Entfall eines Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau infolge des Todes ihres früheren Ehemannes als Versorgungsfall anerkennt, ist nun keineswegs gehalten, der erwähnten Änderung der zivilrechtlichen Regelung sogleich Rechnung zu tragen. Er hat aber, wenn er rechtspolitisch auf der Linie der Versorgung solcher Fälle bleibt, seine Regelung den geänderten Verhältnissen allmählich anzupassen. Soweit nämlich - wie der VfGH in anderem Zusammenhang schon ausgesprochen hat (VfSlg. 8871/1980 S 592) - Änderungen im Bereich eines Rechtsgebietes die für ein anderes Rechtsgebiet maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern, ist bei Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung dieses anderen Rechtsgebietes auf die so geschaffenen Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Der VfGH hält dafür, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt dieser Gesetzesprüfung, also nach mehr als fünf Jahren seit dem Inkrafttreten des BG BGBl. 280/1978, die Anpassungspflicht des Pensionsgesetzgebers bereits entstanden ist. Es mag sein, daß die (statistisch wohl nicht feststellbaren) Fälle eines gedachten analogen Versorgungsanspruchs eines früheren Ehemannes einer verstorbenen Beamtin nicht sehr zahlreich sind. Doch geht es nicht an, solche Fälle als vom Regelfall abweichende Härtefälle zu werten, die ein Gesetz nicht gleichheitswidrig machen; es muß hier vielmehr - einem vom VfGH schon ausgesprochenen Grundgedanken folgend (s. gleichfalls das bereits zitierte Erk. VfSlg. 8871/1980 S 593) - auch das Gewicht des eintretenden Rechtsnachteils berücksichtigt werden.

Der VfGH gelangt aus den dargelegten Erwägungen zum Ergebnis, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot widerspricht. Sie ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gestzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art 140 Abs 6 B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.