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VfGH vom 27.06.1984, G75/83

VfGH vom 27.06.1984, G75/83

Sammlungsnummer

10084

Leitsatz

BDG 1979; keine Gleichheitswidrigkeit der Wendung "2 und" in § 116 Abs 2 und der hiedurch bewirkten unterschiedlichen Regelung der Wiederaufnahme des Verfahrens im Vergleich mit anderen Disziplinarrechten

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Erk. der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom wurde über den derzeit als Oberpolizeirat iR in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund stehenden Mag. F K gemäß § 93 Abs 1 litd Dienstpragmatik die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit einem um 5 vH geminderten Ruhegenuß verhängt.

Mag. F K brachte am 16. Feber 1982 bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein, in dem er behauptete, Grundlagen für neue Beweismittel und Tatsachen erbringen zu können.

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres wies diesen Antrag mit Beschluß vom mit der Begründung zurück, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag des Beschuldigten gemäß § 116 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) nur innerhalb der Frist von zehn Jahren ab rechtskräftiger Beendigung des Disziplinarverfahrens zulässig sei.

Der dagegen vom Antragsteller erhobenen Berufung gab die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt nicht Folge; sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß auch keine Veranlassung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs 3 iVm. § 69 Abs 1 lita AVG 1950 bestehe.

1.1.2. Gegen den Berufungsbescheid ergriff Mag. F K Beschwerde an den VwGH.

1.2.1.1. Der VwGH stellte in diesem Beschwerdeverfahren in der Folge gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, der VfGH möge die Wendung "2 und" in § 116 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz, BGBl. 333/1979 (BDG 1979), als verfassungswidrig aufheben.

1.2.1.2. Begründend brachte der VwGH ua. wörtlich vor:

"... Der VwGH geht davon aus, daß über die Wiederaufnahme eines Disziplinarverfahrens, welches nach den mit außer Kraft getretenen Bestimmungen der Dienstpragmatik (vgl. § 130 Abs 2 Z 2 und § 144 Abs 1 Z 2 BDG, BGBl. 329/1977) abgeschlossen wurde, von den im BDG 1979 vorgesehenen Disziplinarbehörden und nach den in dem genannten Bundesgesetz enthaltenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen, insbesondere also nach § 105 und § 116 BDG 1979, zu entscheiden ist.

Der VwGH hat somit bei seiner Entscheidung über die vorliegende Beschwerde, soweit sich diese gegen die im Instanzenzug ausgesprochene Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages (gemeint wohl: Wiederaufnahmeantrages) richtet, § 116 Abs 2 BDG 1979 iVm. § 69 Abs 2 AVG 1950 anzuwenden. Bemerkt sei, daß in diesem Zusammenhang, was das verwaltungsgerichtliche Verfahren anlangt, auch auf § 35 Abs 1 VwGG 1965 Bedacht zu nehmen ist ...

In dem mit 'Disziplinarverfahren' überschriebenen Abschnitt des BDG 1979 bestimmt zunächst § 105, daß, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, auf das Disziplinarverfahren das AVG 1950 mit Ausnahme der im einzelnen angeführten Paragraphen anzuwenden ist.

Der mit 'Außerordentliche Rechtsmittel' überschriebene § 116 lautet in seinem Absatz 2:

'(2) § 69 Abs 2 und 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß die mit drei Jahren festgesetzten Fristen im Disziplinarverfahren zehn Jahre betragen.'

Diese Bestimmung über die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Disziplinarverfahrens gilt grundsätzlich für alle Beamte, also für alle Bedienstete, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen (vgl. § 1 Abs 1 BDG 1979). Nicht erfaßt vom Anwendungsbereich dieser Regelung sind die allgemein vom Geltungsbereich des BDG 1979 ausgenommenen Richter (vgl. § 1 Abs 2 dieses Bundesgesetzes).

Von den zahlreichen disziplinarrechtlichen Bestimmungen, die sich an verschiedenen Stellen im BDG 1979 finden, sind in dem hier gegebenen Zusammenhang noch folgende Regelungen von Bedeutung:

Im 1. Abschnitt (Beamte der Allgemeinen Verwaltung) des Besonderen Teiles des BDG 1979 findet sich der mit 'Besondere Bestimmungen für Beamte, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind' überschriebene § 139. Nach dieser Regelung sind die §§91 bis 135 auf die im § 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. 151/1956 (HDG) idF BGBl. 369/1975, angeführten Beamten, die nach § 11 Wehrgesetz zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind, nicht anzuwenden.

Im 2. Abschnitt (Beamte in handwerklicher Verwendung) des Besonderen Teiles des erwähnten Bundesgesetzes bestimmt der mit 'Disziplinarrecht' und 'Besondere Bestimmungen für Beamte, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind' überschriebene § 142 ebenfalls, daß die §§91 bis 135 auf die im § 1 HDG idF BGBl. 369/1975 angeführten Beamten, die nach § 11 Wehrgesetz zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind, nicht anzuwenden sind.

§151 BDG 1979 im 4. Abschnitt (Berufsoffiziere und zeitverpflichtete Soldaten) des Besonderen Teiles schließlich bestimmt, daß die §§91 bis 135 auf die im § 1 HDG idF BGBl. 369/1975 angeführten Berufsoffiziere und zeitverpflichteten Soldaten nicht anzuwenden sind.

Für die Richter und für die oben angeführten, vom Geltungsbereich der disziplinarrechtlichen Bestimmungen des BDG 1979 ausgenommenen, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Heeresangehörigen gelten die im Richterdienstgesetz, BGBl. 305/1961 (RDG), bzw. die im HDG vorgesehenen disziplinarrechtlichen Bestimmungen. Sowohl im RDG als auch im HDG ist vorgesehen, daß der zu einer Disziplinarstrafe rechtskräftig verurteilte Richter bzw. Heeresangehörige oder seine gesetzlichen Erben die Wiederaufnahme des Verfahrens auch nach vollzogener Strafe verlangen können, wenn sie neue Tatsachen oder Beweismittel beibringen, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet sind, den Freispruch oder die Verhängung einer Ordnungsstrafe oder einer milderen Disziplinarstrafe (bzw. im HDG statt der Entlassung die Verhängung einer milderen Disziplinarstrafe) zu begründen. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist in keinem der beiden Bundesgesetze an eine Frist gebunden. Im einzelnen wird auf die §§151 ff RDG und auf die §§61 ff HDG, insbesondere aber auf § 151 RDG und auf § 61 Abs 2 HDG, hingewiesen.

Der 116 Abs 2 BDG 1979 stimmt wörtlich überein mit § 76 Abs 2 BDG, BGBl. 329/1977. Diese Bestimmung ist iVm § 65 BDG 1977 mit an die Stelle der die Wiederaufnahme des Verfahrens regelnden §§137 bis 142 Dienstpragmatik getreten. Die außer Kraft getretenen Bestimmungen der Dienstpragmatik haben so wie die oben angeführten Regelungen im RDG und im HDG die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens auf Antrag des Beamten ohne Befristung vorgesehen. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des BDG 1977 (500 der Beilagen, XIV. GP) wird zu § 76 lediglich darauf hingewiesen, daß grundsätzlich für die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Bestimmungen der §§69 bis 72 AVG 1950 unter Erstreckung der Frist auf zehn Jahre wie im Dienstrechtsverfahrensgesetz gelten.

Die im § 76 Abs 2 BDG 1977 angeordnete und dann mit § 116 Abs 2 BDG 1979 beibehaltene Angleichung an eine Bestimmung des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, nämlich an dessen § 14 Abs 4, ist unter dem Gesichtswinkel des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn man davon ausgeht, daß auch die disziplinarrechtlichen Bestimmungen im BDG zum Dienstrecht gehören und für das gesamte Dienstrecht im materiellen Sinn eben das Dienstrechtsverfahrensgesetz als Verfahrensnorm Geltung haben soll.

Mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht im Einklang scheint es aber zu stehen, daß § 116 Abs 2 BDG 1979 iVm § 69 Abs 2 AVG 1950 eine Frist von zehn Jahren vorsieht, dagegen die für Richter und für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Heeresangehörigen geltenden Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens eine objektive Frist nicht normieren. Die Schaffung eines eigenen, von den disziplinarrechtlichen Bestimmungen des BDG 1979 verschiedenen Disziplinarrechtes für Heeresangehörige (soweit dazu öffentlich-rechtliche Bedienstete zählen) und für Richter kann noch nicht als unter dem Gesichtswinkel des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich angesehen werden (vgl. dazu den ). Die Geltung inhaltlich verschieden gestalteter Bundesgesetze auf diesem Bereich allein bildet aber noch keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Disziplinarverfahrens für die davon betroffenen öffentlich-rechtlichen Bundesbediensteten an jeweils unterschiedliche Voraussetzungen zu knüpfen. Auch sonst vermag der VfGH keinen Grund für die aufgezeigte Unterscheidung zu erkennen."

1.2.2.1. Die Bundesregierung erstattete hiezu eine Äußerung und begehrte darin - der Sache nach - die Abweisung des Antrages des VwGH.

1.2.2.2. In diesem Schriftsatz legte die Bundesregierung ua. dar:

"... Die in Prüfung gezogenen Regelung wurde deshalb eingefügt, um eine Angleichung der für die Wiederaufnahme im Disziplinarverfahren geltenden Frist des BDG an das DVG zu erreichen (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des BDG 1977, 500 d. Blg., XIV. GP). Nach Ansicht des VwGH ist die angefochtene Fristregelung jedoch unbeschadet der Tatsache verfassungsrechtlich bedenklich, daß auch § 14 Abs 4 DVG für die Wiederaufnahme ebenfalls eine Frist von zehn Jahren vorsieht.

Absolute Verjährungsfristen finden sich - ausverwaltungsökonomischen Gründen - inverschiedenen verfahrensrechtlichen Vorschriften. Das Institut der Verjährungsfrist ist ein geradezu typisches Rechtsinstitut des Verfahrensrechts. So betrachtet ist es durchaus denkbar, daß verschiedene gesetzliche Regelungen, deren Gegenstand Fristenregelungen im Verwaltungsverfahrensrecht sind, verglichen werden können. Der VfGH hat nun aber, beispielsweise in VfSlg. 6854/1972 - ausgesprochen, keine verfassungsrechtliche Bestimmung gebiete, daß Rechtsformen im Bereich der ganzen Rechtsordnung nur einheitlich verwendet werden dürften. So ist beispielsweise das Steuerrecht nicht an Ordnungssrukturen des Zivilrechts gebunden (VfSlg. 4379/1963, 4753/1964). Derselbe Grundgedanke dürfte auch der ständigen Rechtsprechung zugrundeliegen, wonach länderweiseverschiedene Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes zulässig sind (VfSlg. 7038/1973, 7374/1974). Wie der VfGH ferner ausgesprochen hat, kann - ohne den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen - auch innerhalb eines Regelungssystems von dem einmal gewählten Ordnungssystem abgewichen werden (VfSlg. 5481/1967, 6471/1971).

Hält man sich diese Rechtsprechung des VfGH vor Augen, so liegt die Auffassung nahe, daß die Regelung verfahrensrechtlicher Institute in verschiedenen Verfahrensgesetzen untereinander durchaus nicht vergleichbar sind. Es gäbe auch kein hinreichendes Abgrenzungskriterium dafür, hinsichtliche welcher Rechtsinstitute alle denkbaren Verfahrensordnungen identisch sein müßten und hinsichtlich welcher dies nicht der Fall zu sein bräuchte. Allein aus dem Umstand, daß es dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebot nicht widerstreitet, mehrere dienstrechtliche Verfahrensregelungen nebeneinander in Wirksamkeit zu setzen, ergibt sich notwendigerweise, daß diese Regelungen auch unterschiedliche Inhalte haben können.

Es ist durchaus möglich, daß unterschiedliche Regelungen für sich betrachtet sachlich und damit dem Gleichheitssatz entsprechend sind und daher infolge der Gleichwertigkeit der Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht wechselseitig als einfachgesetzlicher Maßstab für die Beurteilung der Sachlichkeit der jeweils anderen Regelung dienen können. Bei für sich allein betrachtet mit dem Gleichheitsgrundsatz übereinstimmenden, aber unterschiedlichen Regelungen läßt sich somit kein Kriterium dafür finden, weshalb die eine Regelung der anderen vorgezogen werden sollte.

In Wahrheit zieht im vorliegenden Fall der VwGH bei seinen Bedenken nicht den verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz als Regelungsmaßstab heran, sondern andere dienstrechtliche einfachgesetzliche Vorschriften.

In Übereinstimmung mit der erwähnten Rechtsprechung des VfGH, wonach einheitliche Rechtsnormen für den Bereich der ganzen Rechtsordnung durch den Gleichheitsgrundsatz nicht gefordert werden, ist die Bundesregierung der Auffassung, es handle sich im vorliegenden Fall um einen Tatbestand, den der VfGH bei dieser Judikatur im Auge hatte; dies nicht zuletzt deshalb, weil ein in der Rechtsordnung übergeordneter Vergleichsmaßstab nicht gefunden werden kann. Deshalb vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die in Prüfung gezogenen Worte nicht mit anderen ähnlichen Regelungen in anderen Dienstrechtsgesetzen verglichen werden können und daß die dem VfGH zur Entscheidung vorgelegte Rechtsfrage außerhalb des Anwendungsbereiches des Gleichheitsgrundsatzes liegt.

Die dargestellte Judikatur des VfGH (die der Gerichtshof im übrigen im Hinblick auf das Dienstrecht insoweit konkretisiert hat, als die Schaffung eines eigenen, von den disziplinarrechtlichen Bestimmungen des BDG 1979 verschiedenen Disziplinarrechts für Heeresangehörige und für Richter als nicht dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend angesehen wurde, vgl. den Beschluß vom , B178/82) steht nach Auffassung der Bundesregierung mit grundsätzlicheren Aussagen des VfGH in seiner Judikatur im Zusammenhang, wonach sich die Verpflichtung des Gesetzgebers, Gleiches gleich zu behandeln, in vollem Umfang nur auf die Relation der Normen zu den von ihnen erfaßten tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb eines und desselben Rechtsinstitutes bezieht. Damit stellt sich die Frage, welchen Umfang man einem solchen Rechtsinstitut zumißt. Nun bestehen Anhaltspunkte in der Judikatur des VfGH, die darauf hindeuten, daß es sich dann nicht mehr um ein und dasselbe Rechtsinstitut handelt, wenn unterschiedliche Gesetze vorliegen, die an denselben Sachverhalt unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. Nach Auffassung des VfGH ist es nämlich dem Gesetzgeber nicht verwehrt, bei der Regelung verschiedener Verwaltungsmaterien an denselben Sachverhalt verschiedene Rechtsfolgen zu knüpfen; es muß nur die jeweils getroffene Regelung für sich betrachtet sachlich gerechtfertigt sein (VfSlg. 5165/1965, 5318/1966, 5727/1968 und 6733/1972).

Auf die vom VwGH behauptete Differenzierung disziplinarrechtlicher Verfahrensnormen bezogen bedeutet dieser Gedanke, daß lediglich zu prüfen ist, ob die von § 116 Abs 2 vorgenommene Befristung im Rahmen des BDG eine unsachliche Regelung darstellt. Nicht aber kann diese Regelung deshalb als unsachlich erachtet werden, weil in anderen gesetzlichen Regelungen (im vorliegenden Zusammenhang in den Regelungen des RDG und des HDG) dasselbe Problem in anderer Weise geregelt ist.

Dahingehend, daß die Regelung des BDG 1979 für sich betrachtet im vorliegenden Zusammenhang unsachlich differenziere und daher dem Gleichheitsgebot widerstreite, hat aber auch der VfGH in seinem Antrag keine Bedenken vorgebracht.

Eine sachliche Rechtfertigung der im § 116 Abs 2 BDG enthaltenen Frist im Rahmen des BDG ergibt sich schon daraus, daß eine absolute Verjährungsfrist mit den Bedürfnissen der Verwaltungsökonomie gerechtfertigt werden kann; der VfGH erkennt in ständiger Judikatur als ausreichende sachliche Rechtfertigung einer Regelung den Umstand an, daß die Regelung eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung mit sich bringt (vgl. zuletzt VfSlg. 5798/1968, 6840/1972, 8421/1978). Ähnliche Überlegungen gelten nach Auffassung des VfGH insbesondere auch für Vereinfachungen im Verfahrensrecht (vgl. zu diesen Gedanken VfSlg. 8696/1979).

Im vorliegenden Zusammenhang ist noch darauf zu verweisen, daß mit der in Prüfung gezogenen Regelung des BDG 1979 der Gesetzgeber offensichtlich ein neues Regelungssystem wählte, also von den zuvor geltenden (und in den weiterbestehenden Dienstrechtsverfahrensnormen noch weitergeltenden) Regelungen offensichtlich bewußt abwich. Nun steht nach der ständigen Judikatur des VfGH, wie bereits oben ausgeführt werden konnte, ein Abweichen des Gesetzgebers von einem einmal gewählten Ordnungssystem und die damit verbundene Einführung eines neuen Ordnungssystems nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch.

Schließlich ist nach Auffassung der Bundesregierung den Argumenten des VwGH entgegenzuhalten, daß der VfGH ... ausgeführt hat, daß die Regelung von Fristen selbst dann, wenn diese zu Härtefällen führen, allein noch nicht unsachlich ist. Bei Regelung einer Frist ist es auch nach Auffassung des VfGH nicht möglich, in allen Fällen Härten auszuschließen. Die Bemessung der Frist wäre nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie jeglicher sachlicher Erfahrung entgegenstehen würde. Dies kann aber im vorliegenden Zusammenhang nicht behauptet werden.

Im vorliegenden Zusammenhang kann nämlich als Rechtfertigung für die vom Gesetz vorgesehene 10-Jahres-Frist nicht nur der rechtspolitische Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber ohne Zweifel zukommt, angeführt werden; es ist auch darauf zu verweisen, daß es durchaus auf einer sachlichen Durchschnittsbetrachtung beruht, wenn man annimmt, daß üblicherweise im Disziplinarverfahren nach zehn Jahren keine neuen Tatsachen und Beweise mehr hervorkommen, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machen ..."

2. Über den Antrag des VwGH wurde erwogen:

2.1. Zur Frage der Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrages:

2.1.1. Zunächst sei vorausgeschickt, daß der VfGH nicht berechtigt ist, durch seine Entscheidung über die Präjudizialität den VwGH an eine bestimmte Gesetzesauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH darf daher ein Antrag des VwGH iS des Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß das - angefochtene - Gesetz eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (vgl. zB VfSlg. 4318/1962, 4644/1964, 5357/1966, 7999/1977, 8136/1977, 9284/1981, 9811/1983).

2.1.2. Im vorliegenden Fall kann nun keinesfalls mit Grund gesagt werden, daß der VwGH die Präjudizialitätsfrage denkunmöglich beantwortet habe.

2.1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Gesetzesprüfungsantrag zulässig.

2.2. Zur Sache selbst:

2.2.1. Der Antrag des VwGH ist unbegründet.

Zwar geht es an der Sache vorbei, wenn die Argumentation der Bundesregierung in der Verhandlung vor dem VfGH darin gipfelt, daß der Antrag des VwGH in erster Linie deshalb verfehlt sei, weil die behauptete Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesnorm nur aus (gleichfalls) einfachgesetzlichen Vorschriften hergeleitet werde. Denn das antragstellende Gericht will ja gerade an Hand dieses Vergleichs einfachgesetzlicher Bestimmungen beweisen, daß der Bundesgesetzgeber Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt habe. Doch muß der Regierung im Ergebnis aus folgenden Überlegungen beigepflichtet werden:

Der VfGH vertritt - in diesem Punkt in Übereinstimmung mit dem VwGH - die Auffassung, daß das Gleichheitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG den Bundesgesetzgeber nicht zur Schaffung eines inhaltlich übereinstimmenden Disziplinarrechts für alle öffentlich-rechtlich Bediensteten, mit anderen Worten: zur Vereinheitlichung des Disziplinarrechts etwa für Richter (RDG), Heeresangehörige (HDG) und Bedienstete unter dem Regime des BDG zwingt. Vielmehr steht es dem - hier innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums handelnden - Normsetzer offen, sich in den gedachten Bereichen für durchaus eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die den Erfordernissen und Besonderheiten unterschiedlicher Gruppen des Bundespersonals adäquat Rechnung tragen, sofern nur die strittigen Disziplinargesetze in sich - dh. jeweils für sich betrachtet - gleichheitsgemäß gestaltet sind (vgl. zB VfSlg. 9965/1984). In Vergleich zueinander sind diese (Disziplinar-)Regelungen unter dem Aspekt des Art 7 Abs 1 B-VG bloß insoweit zu bringen, als dem Gesetzgeber - in bestimmten Fragen - aus ganz besonderen Gründen auszuschließende Abweichungen (exzeptionellen Gewichts) verwehrt bleiben. Der VwGH wendet nun weder ein, daß die bekämpfte Gesetzesvorschrift im Verhältnis zu anderen - dieselbe Personengruppe erfassenden - Bestimmungen des BDG 1979 gleichheitswidrig sei, noch macht er dem Bundesgesetzgeber eine sich aus speziellen Erwägungen verbietende Sonderregelung zum Vorwurf: Seine Bedenken gegen die Wendung "2 und" in § 116 Abs 2 BDG 1979 sind ausschließlich darin begründet, daß dort die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Disziplinarverfahrens an andere Voraussetzungen als im RDG und im HDG geknüpft wird. Damit kann jedoch - legt man die einleitend entwickelte Rechtsmeinung zugrunde - die Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Teiles des § 116 Abs 2 BDG 1979 keinesfalls dargetan werden. Denn die Argumentation des VwGH, unbedenklich - im Blick auf Art 7 Abs 1 B-VG - sei zwar die Geltung inhaltlich verschiedener (Sonder-)Disziplinargesetze, nicht aber die Statuierung verschiedener Wiederaufnahmevoraussetzungen, krankt schon deshalb an einem unauflösbaren Widerspruch, weil sie - da nicht gesagt wird und auch nicht zu ersehen ist, weshalb gerade die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme (wie etwa - angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persöhnlichen Freiheit - die Institution der Haftanrechnung im VStG 1950, StGB und FinStrG; s. VfSlg. 8017/1977) übereinstimmend normiert sein müsse - auf jede in diesen Gesetzen different geregelte Frage zutrifft, dh. letzten Endes zwangsläufig zu einem einheitlichen Bundesdisziplinarrecht und damit aber auch zur Aufgabe der - an sich richtigen - Ausgangsposition des antragstellenden Gerichtes über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eigenständiger Disziplinargesetze für verschiedenartige Bundesdienstzweige überhaupt führt.

2.2.2. Aus diesen Erwägungen konnte dem Antrag des VwGH kein Erfolg beschieden sein.