VfGH vom 02.12.2014, G74/2014 ua
Leitsatz
Aufhebung einer Bestimmung des AlVG über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS und von Vorlageanträgen mangels Erforderlichkeit einer vom VwGVG abweichenden Regelung
Spruch
I. § 56 Abs 3 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl Nr 609, in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes – Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl I Nr 71/2013, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren
1. Mit den vorliegenden, auf Art 140 Abs 1 B VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht, § 56 Abs 3 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl 609, idF BGBl I 71/2013, als verfassungswidrig aufzuheben.
Diesen Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
Beim antragstellenden Bundesverwaltungsgericht sind Beschwerden anhängig, die sich gegen Bescheide des Arbeitsmarktservice richten, mit denen der Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe für bestimmte Zeiträume widerrufen wurde. Im Fall des Widerrufs des Arbeitslosengeldes wurde der betroffene Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Betrages in der Höhe von € 1.571,53 verpflichtet.
Die jeweiligen Beschwerden enthalten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Mit den Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörden wurde den Beschwerden nicht bzw. nur teilweise stattgegeben. Den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde nicht stattgegeben bzw. war die Behörde im Falle der teilweisen Stattgabe der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung der Ansicht, dass sich eine Entscheidung über den Antrag erübrige.
Die Beschwerdeführer beantragten jeweils die Vorlage der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht. In ihren Vorlageanträgen stellten sie wiederum Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es jeweils zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, in den in Hinblick auf die Bedenken gleichlautenden Anträgen wie folgt dar:
"IV. Bedenken
1. Zusammenfassung
Das Bundesverwaltungsgericht hält die Regelung des § 56 Abs 3 AIVG zum Einen für bedenklich, weil der Bundesgesetzgeber damit die ihm durch Art 136 B VG gezogenen Grenzen überschritten hat (Punkt IV.2.). Zum Anderen hat das Bundesverwaltungsgericht das Bedenken, dass die konkrete Ausgestaltung der Abweichung vom VwGVG [Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I 33/2013] gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip der Bundesverfassung verstößt, weil sie das verfassungsrechtliche Gebot eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes verletzt (Punkt IV.3.).
2. Verstoß gegen Art 136 Abs 2 B VG
2.1. Wirkung von Beschwerden nach dem VwGVG
2.1.1. Das VwGVG folgt dem Konzept, dass sowohl eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gem. Art 130 Abs 1 Z 1 B VG grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat (§13 Abs 1 VwGVG) als auch einem rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Vorlageantrag diese Wirkung zukommt (§15 Abs 2 VwGVG). Darüber hinaus trifft der Gesetzgeber bei der im VwGVG geregelten Konstruktion des einstweiligen Rechtsschutzes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Reihe von Vorkehrungen, mit denen er sicherstellt, dass die Frage des einstweiligen Rechtsschutzes (hier: der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde) vom Rechtsschutzsuchenden möglichst schnell an das Verwaltungsgericht herangetragen werden kann. So verlangt das VwGVG dann, wenn die Verwaltungsbehörde im konkreten Rechtsfall die aufschiebende Wirkung im 'Vorverfahren' (2. Abschnitt des VwGVG) ausschließen möchte, dass ein solcher Ausspruch 'tunlichst schon in den über die Hauptsache absprechenden Bescheid aufzunehmen ist' (§13 Abs 2 VwGVG). Ergänzt wird diese Regelung durch die Anordnung in § 13 Abs 5 VwGVG: Danach muss die belangte Behörde Beschwerden gegen Bescheide, mit denen sie die aufschiebende Wirkung bescheidmäßig aberkannt hat (§13 Abs 2 VwGVG) unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorlegen (das Gleiche gilt für den auf sogenannte Weisungs- und Verhaltensbeschwerden bezogenen Fall der bescheidmäßigen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 13 Abs 3 VwGVG). Das Verwaltungsgericht hat über eine solche Beschwerde 'unverzüglich' zu entscheiden und der Behörde die Akten danach zurückzustellen, damit diese Gelegenheit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat (vgl. § 13 Abs 5 letzter Satz VwGVG). Daraus folgt, dass die Frage der aufschiebenden Wirkung nach dem Konzept des VwGVG möglichst schnell, und zwar tunlichst schon vor der Beschwerdevorlage in der Hauptsache dem Verwaltungsgericht zugänglich gemacht werden soll und von diesem ehestmöglich entschieden werden soll. Die Literatur beschreibt den vom Gesetzgeber intendierten Vorgang als ein beim Verwaltungsgericht abzuführendes 'Eilverfahren' (vgl. Eder/Martschin/Schmid , Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG, K 17; Schulev-Steindl , Einstweiliger Rechtsschutz; in: Fischer/Pabel/Raschauer [Hrsg.] Verwaltungsgerichtsbarkeit [2014] Rz 27).
Für die nach dem 'Vorverfahren' liegende Phase ab Vorlage der Beschwerde in der Hauptsache, die Phase des 'Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht' (3. Abschnitt des VwGVG), trifft das VwGVG Regelungen, die sicherstellen, dass das Verwaltungsgericht zur 'Abänderung oder Aufhebung' von bisher getroffenen (verwaltungsbehördlichen oder verwaltungsgerichtlichen) Entscheidungen über die aufschiebende Wirkung angerufen werden bzw. entscheiden kann (§22 Abs 3 VwGVG).
2.1.2. Bei Bescheidbeschwerden (Art130 Abs 1 Z 1 B VG) ermöglicht § 22 (Abs3) VwGVG dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Abänderung und Aufhebung einer solchen - bereits vorhandenen - Entscheidung über die aufschiebende Wirkung. Nicht vorgesehen ist für Bescheidbeschwerden die Möglichkeit des Verwaltungsgerichts, bei Fehlen einer vorhergehenden Entscheidung über die aufschiebende Wirkung (zB bei diesbezüglicher Säumnis der Behörde) seinerseits erstmals – originär – eine Entscheidung über die Suspensivwirkung des Rechtsmittels zu erzeugen: Die Aufschiebungsentscheidung des Verwaltungsgerichts setzt voraus, dass vorher eine Aufschiebungsentscheidung der Verwaltungsbehörde ergangen ist. Eine von vorhergehenden Ereignissen unabhängige Möglichkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung räumt das Gesetz dem Verwaltungsgericht nur bei Maßnahmenbeschwerden (§22 Abs 1 VwGVG) sowie bei Weisungs- und Verhaltensbeschwerden ein (§22 Abs 1 iVm § 53 VwGVG; vgl. in diesem Sinn auch für Weisungsbeschwerden ausdrücklich Schulev-Steindl , aaO, Rn 45).
Dieses Regelungskonzept, nach dem der Gesetzgeber auf eine eigene, vom Vorhandensein vorhergehender Entscheidungen unabhängigen Zuerkennungsbefugnis des Verwaltungsgerichts im Fall von Bescheidbeschwerden verzichtet, ist bei einer auf die Systematik des VwGVG isolierten Betrachtung auch durchaus konsequent und lässt sich insofern auch als vom Gesetzgeber (des VwGVG) gewollt qualifizieren. Eine andere Auslegung würde im Widerspruch zu § 13 Abs 1 VwGVG bzw. zu § 15 Abs 2 VwGVG stehen.
Von diesem im VwGVG vorgesehenen Regelungskonzept weicht die angefochtene Regelung grundlegend ab.
2.2. Erforderlichkeit iSd. Art 136 Abs 2 B VG
2.2.1. Nach Art 10 Abs 1 Z 1 B VG liegt die Zuständigkeit zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten der 'Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Ausnahme der Organisation der Verwaltungsgerichte der Länder' beim Bund. Diese 'umfasst neben der Erlassung näherer Regelungen über die Organisation, die Zuständigkeit und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes auch die Erlassung entsprechender Regelungen betreffend die Verwaltungsgerichte' (so in Bezug auf die Neufassung des Art 10 Abs 1 Z 1 B VG die Erläuterungen zur RV zur Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, RV 1618 BlgNR 24. GP, 6). Nach Art 136 Abs 2 erster Satz B VG wird '[d]as Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen ... durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt'. Als Ausnahme davon sieht der dritte Satz des Art 136 Abs 2 B VG vor, dass '[d]urch Bundes- oder Landesgesetz … Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden [können], wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind oder soweit das im ersten Satz genannte besondere Bundesgesetz dazu ermächtigt'.
2.2.2. Die verfassungsgesetzliche Vorschrift, wonach '[d]as Verfahren der Verwaltungsgerichte ... durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt [wird]', hat der Bundesgesetzgeber durch Erlassung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 33/2013 (in der Fassung BGBI. I 122/2013) ausgeführt (vgl. dazu auch § 1 VwGVG sowie die sowohl im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage als auch in deren besonderen Teil zu § 1 leg. cit. enthaltene Bezugnahme auf Art 136 Abs 2 B VG, RV 2009 BlgNR 24. GP, 2 und 3; weiters Faber , Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art 136 Rz 10). Dieses Gesetz ist am in Kraft getreten.
2.2.3. Von dieser 'einheitlichen Regelung' durch das mit dem VwGVG erlassene 'einheitliche Bundesgesetz' sind abweichende Regelungen in Bundes- oder Landesgesetzen nicht schlechthin unzulässig. Art 136 Abs 2 dritter Satz ermächtigt zu solchen abweichenden Regelungen allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie 'zur Regelung des Gegenstandes erforderlich' sind oder 'soweit das im ersten Satz genannte besondere Bundesgesetz dazu ermächtigt'.
2.2.4. ln Bezug auf jene gesetzlichen Vorschriften in einfachen Bundes- oder Landesgesetzen, die Regelungen für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten treffen und bereits vor dem kundgemacht worden sind, trifft § 58 Abs 2 VwGVG die folgende Anordnung:
'Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des lnkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.'
Eine Anordnung gleichen Inhalts trifft § 58 Abs 3 VwGVG für Regelungen, die bereits zum Zeitpunkt des lnkrafttretens des § 3 samt Überschrift, des § 13 Abs 4 sowie des § 15 Abs 2 erster Satz VwGVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr 122/2013 kundgemacht waren (ebenfalls ).
2.2.5. Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass § 58 Abs 2 und 3 VwGVG als 'Ermächtigung' im Sinne des dritten Satzes des Art 136 Abs 2 B VG gedeutet werden können. Dies scheitert schon daran, dass eine an einen Gesetzgeber gerichtete Ermächtigung gewöhnlicherweise auf den zukünftigen Gebrauch und nicht auf bereits in der Vergangenheit gesetzte Akte gerichtet ist. Dass der Verfassungsgesetzgeber dem einfachen Gesetzgeber in Art 136 Abs 2 B VG auch die Möglichkeit zur Einräumung rückwirkender 'Ermächtigungen' verschaffen wollte, ist im Zweifel nicht anzunehmen.
Bei richtiger Auslegung handelt es sich bei § 58 Abs 2 und 3 VwGVG um Regelungen, die klarstellen sollen, dass das VwGVG den (bereits kundgemachten) abweichenden Regelungen, die unmittelbar auf die verfassungsrechtliche Grundlage zur Erlassung abweichender Verfahrensvorschriften gestützt wurden, nicht materiell derogiert. Die Frage, ob der jeweilige Gesetzgeber bei Erlassung der abweichenden Regelungen die Grenzen der Erforderlichkeit nach Art 136 Abs 2 B VG eingehalten hat, bleibt von § 58 Abs 2 und 3 VwGVG dagegen unberührt (vgl. in diesem Sinn auch G. Hesse , Das Bescheid- und Säumnisbeschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz: Anforderungen und Spielräume für das Verwaltungsprozessrecht, in Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 289 [293], sowie E. Grois , Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, AnwBI. 2013, 426 [FN 25]).
2.2.6. Eine an den Bundes- und die Landesgesetzgeber erteilte 'Ermächtigung' zur Erlassung von Bestimmungen, die von den im VwGVG normierten Regeln über den provisorischen Rechtsschutz (§§13, 22 VwGVG) abweichen, kann nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere auch nicht darin erblickt werden, dass § 15 Abs 2 Z 2 VwGVG auch auf den Fall Bezug nimmt, dass eine Beschwerde 'von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte'. Es handelt sich bei dieser Bezugnahme lediglich um eine tatbestandsmäßige Anknüpfung an existierende abweichende Regelungen, keinesfalls aber um eine Ermächtigung an den Gesetzgeber zur Erlassung solcher Regelungen (vgl. auch den AB 2382 BlgNR 24. GP, 2).
2.2.7. Vor diesem Hintergrund hängt die Beantwortung der Frage, ob die mit § 56 Abs 3 AIVG einhergehenden Abweichungen von den Regelungen des VwGVG verfassungsrechtlich zulässig sind, davon ab, ob diese Abweichungen 'zur Regelung des Gegenstandes erforderlich' sind.
Dies ist nicht der Fall:
Die parlamentarischen Materialien erklären den Bedarf nach dieser Regelung zunächst einleitend mit der Bemerkung, dass '[d]ie geltende Regelung, dass Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben, sondern diese lediglich im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung unter bestimmten gesetzlich genannten Voraussetzungen zuerkannt werden kann, beibehalten werden [soll]' (RV 2193 BlgNR 24. GP, 17). Schon diese Prämisse ist unzutreffend, weil es nach der bisherigen Regelung nicht der Behörde erster Instanz zukam, die aufschiebende Wirkung im Ausnahmefall zuzuerkennen (und dies außerdem auch nicht im Rahmen einer [gemeint wohl:] Berufungsvorentscheidung), sondern der Rechtsmittelinstanz (vgl. § 56 Abs 2 AIVG idF BGBI. I Nr 179/1999). Bereits aus diesem Grund vermögen die Erläuterungen nicht darzutun, warum zur Regelung des Gegenstandes eine (insofern im Vergleich zur bisherigen Abweichung vom AVG völlig neuartige) Abweichung vom VwGVG dahingehend erforderlich ist, dass die Entscheidung im Provisorialverfahren erst (und nur) im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gefällt wird, und dass sie (bei Nichtzuerkennung) im Ergebnis ex lege von der Rechtsschutzinstanz unangreifbar bleibt. Nicht zielführend sind die Ausführungen der Materialien auch insofern, als sie die Erforderlichkeit abweichender Regelungen in weiterer Folge damit begründen, dass '[d]ie Erfahrung zeig[e], dass es in vielen Fällen, in denen es zu Übergenüssen und Rückforderungen kommt, äußerst schwierig und aufwendig [sei], auch nur einen Bruchteil der zu Unrecht gewährten Entgelte wieder hereinzubringen' und feststellen, dass es 'einen beträchtlichen Aufwand bedeuten und zu Lasten einer raschen Entscheidung gehen' würde, wenn 'die aufschiebende Wirkung jeweils im Einzelfall ausgeschlossen werden [müsste]'. Diese Ausführungen sind zum Beleg der 'Erforderlichkeit' einerseits nicht zielführend, weil das vorgebrachte Argument der schwierigen Einbringlichkeit von Übergenüssen und Rückforderungen im Arbeitslosenversicherungsrecht unabhängig davon besteht, ob der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt oder nicht. Die vorgesehene Abweichung vom VwGVG vermag nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts an diesem Umstand nichts zu ändern. Auch kann nicht gesehen werden, weshalb es – anders als in anderen Verwaltungsrechtsmaterien – speziell im Arbeitslosenversicherungsrecht einen beträchtlichen Aufwand bedeutet, die Frage der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde im Einzelfall zu beurteilen. Andererseits hätte dem Anliegen, das der Gesetzgeber den Ausführungen in den Materialien zufolge verfolgen wollte, auf verschiedene andere Weise ebenso gut Rechnung getragen werden können, ohne in derart gravierendem Ausmaß von der Rechtsschutzkonzeption des VwGVG abzuweichen. Um nur einen von vielen vorstellbaren Regelungsansätzen zu nennen, wäre es beispielsweise denkbar gewesen, eine gesetzliche Fiktion vorzusehen, wonach der Bescheid in der Hauptsache ex lege auch als Bescheid über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gilt. Auf diese Weise wäre einerseits dem in den Erläuterungen genannten Aspekt der Verwaltungsökonomie Rechnung getragen, gleichzeitig aber das Konzept des VwGVG beibehalten worden, wonach eine solche – den Rechtsschutzsuchenden beschwerende – Auswirkung nicht ex lege eintritt, sondern in einen Bescheid gekleidet und damit einer Beschwerde zugänglich wird, die 'unverzüglich' (also noch vor Erlassung einer allfälligen Beschwerdevorentscheidung) dem Verwaltungsgericht vorzulegen ist (§13 Abs 5 VwGVG) und von diesem abgeändert oder aufgehoben (§22 Abs 3 VwGVG) werden kann.
2.2.8. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt daher die Meinung, dass die angefochtene Bestimmung gegen die aus Art 136 Abs 2 B VG resultierenden Grenzen für die Normierung einer vom VwGVG abweichenden Regelung über die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Bescheidbeschwerdeverfahren verstößt (vgl. auch J. Keul , Keine aufschiebende Wirkung für Arbeitslose? – Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 56 Abs 3 AIVG idF BGBl I 2013/71, RdA 2014, 77).
3. Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip
3.1. Zudem hegt das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung dieser Abweichung das Bedenken, dass die Regelung des § 56 Abs 3 AIVG dem rechtsstaatlichen Grundprinzip der Bundesverfassung widerspricht, zu mal das Bundesverwaltungsgericht keine Möglichkeit hat, der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag im Einzelfall die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3.2. Nach der (mit VfSlg 11.196/1986 beginnenden) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verbietet es die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber, administrativen Rechtsmitteln generell die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, weil damit der Rechtsschutzsuchende generell einseitig mit den negativen Folgen einer allenfalls rechtswidrigen Entscheidung belastet wird, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist.
Der einfache Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung von Rechtsmitteln hinsichtlich der Suspensivwirkung des Rechtsmittels verpflichtet, eine Abwägung zu treffen, bei der neben den Interessen des Rechtsschutzsuchenden und dem Zweck und Inhalt der Regelung auch die Interessen Dritter und das öffentliche Interesse zu berücksichtigen sind. Dabei hat er zwischen diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, 'wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist' (so ausdrücklich VfSlg 11.196/1986).
3.3. Für verfassungswidrig erkannte der Verfassungsgerichtshof Regelungen über den gänzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung etwa dann, wenn diese im Einzelfall keinerlei Ausgleich zwischen dem Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit einerseits und der in Frage kommenden sonstigen Interessen, insbesondere jenen des Rechtsschutzsuchenden, andererseits ermöglichten (zB VfSlg 11.196/1986 [§154 BAO]; 12.683/1991 [§61 Abs 1 Z 2 ASGG]; 14.374/1995 [§27 Abs 3 FrG 1992]; 14.671/1996 [NÖ LAO]; 15.511/1999 [§56 Abs 2 AIVG]; 16.460/2002 [§78 GewO]; [§12a Abs 1 AsylG]). Für verfassungswidrig wurden aber auch solche Regelungen erkannt, die zwar Mechanismen zum Ausgleich mit andersgerichteten Interessen – wie die Möglichkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung – vorsahen, deren Anforderungen jedoch zu streng ausgestaltet waren, um die Auswirkungen des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung für die relevanten Konstellationen angemessen auszugleichen (zB VfSlg 13.003/1992 und 13.305/1992 [§412 ASVG] sowie die auf die Stundungsmöglichkeit bezogenen Aussagen in VfSlg 11.196/1986).
Speziell für den Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes traf der Verfassungsgerichtshof im Zuge der Aufhebung einer Vorgängerregelung der angefochtenen Bestimmung, die den generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vorsah, die folgende Feststellung (VfSlg 15.511/1999):
'Selbst wenn im Bereich des Leistungsverfahrens der Arbeitslosenversicherung die von Verfassungs wegen gebotene Abwägung der Interessen besonders schwierig und der Gesetzgeber gehalten sein mag, der Behörde genauere Maßstäbe an die Hand zu geben als sonst, verbietet sich auch hier ein genereller Ausschluß der Gewährung einer aufschiebenden Wirkung. Gewiß gibt es – worauf die Bundesregierung in ihrem Fristsetzungsantrag auch hinweist – gerade in diesem Bereich eine Vielfalt von Fallkonstellationen: Einer aufschiebenden Wirkung sind nämlich nicht nur Rechtsmittel gegen Bescheide zugänglich, die eine gewährte oder zuerkannte Leistung einstellen, kürzen oder widerrufen oder die Verpflichtung zum Rückersatz zu Unrecht empfangener Leistungen aussprechen. Wie die Aufschiebungspraxis des Verfassungsgerichtshofes zeigt (zB ), kommt auch die Abweisung von Anträgen auf Gewährung von Leistungen in Betracht, soweit nämlich Bindungswirkungen in anderen Zusammenhängen wie zB im Ausländerbeschäftigungs- oder im Aufenthaltsrecht eintreten. ln diesem eingeschränkten Sinn sind schließlich auch Bescheide in jenen Fällen der Aufschiebung ihrer Wirkung fähig, in denen nach formloser Einstellung der Leistung erst nachträglich durch Bescheid über deren Rechtmäßigkeit abgesprochen oder der Leistungswerber auf die Möglichkeit verwiesen wird, darüber einen Bescheid zu erwirken. Daneben gibt es freilich auch Entscheidungen, die ihrer Natur nach einer aufschiebenden Wirkung nicht zugänglich sind (wie etwa die Verweigerung der Streckung von Kontrollterminen).
Unterschiedliche Interessenlagen können daher insbesondere im Arbeitslosenversicherungsrecht in Ansehung der Voraussetzungen für die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung auch unterschiedliche Regelungen (wie etwa bei der Aberkennung von Leistungen) rechtfertigen. Da aber ein ausnahmsloser Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen Bescheide in Leistungssachen ohne Eröffnung einer anderen Möglichkeit zur Gewährung des erforderlichen Rechtsschutzes mit dem der Bundesverfassung immanenten rechtsstaatlichen Prinzip, namentlich mit dem Rechtsschutzsystem, nicht vereinbart werden kann, ist § 56 Abs 2 AIVG als verfassungswidrig aufzuheben.'
Vor dem Hintergrund dieser Feststellung geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass jene Judikatur, die zu Bereichen ergangen ist, für die der Verfassungsgerichtshof angesichts der Besonderheit des Regelungsgegenstands den generellen Ausschluss (sogar der Möglichkeit der ausnahmsweisen Zuerkennung) der aufschiebenden Wirkung als verfassungskonform betrachtet hat, auf den Bereich des AIVG nicht übertragbar ist (vgl. zu dieser Judikatur, die darauf abstellte, dass Baueinstellungen sich von den der bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Konstellationen darin unterscheiden würden, dass sie den vom potentiell rechtswidrigen Bescheid Betroffenen nicht 'zu einem aktiven Handeln', zur 'Zahlung eines Geldbetrags' zwingen oder 'ihm eine bisher erbrachte Leistung aberkennen' würden, VfSlg 17.346/2004 [Stmk. BauG] und ua [Tiroler Bauordnung 2001]).
3.4. Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Schaffung des nach der Rechtsprechung zur Herstellung einer adäquaten Effizienz des Rechtsschutzes geforderten Ausgleichs der Interessen aus folgenden Gründen nicht hinreichend nachgekommen ist:
3.4.1 . Im Unterschied zu einer Reihe materiengesetzlicher Sonderbestimmungen betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde (siehe für den Bereich der Bundesgesetzgebung vor allem § 78 Abs 3 und § 84 Abs 3 Eisenbahngesetz 1957, § 44a Abs 1 Postmarktgesetz, § 35 Abs 3 und 4 MBG, § 55 Abs 6 und 7 Wehrgesetz, § 121a Abs 1 TKG 2003, § 15a Abs 1a Devisengesetz 2004, § 11a Wettbewerbsgesetz, §§16-18 BFA-VG, § 22 Abs 2 FMABG, § 20f Abs 4 AuslBG,§ 2a Abs 4 ZOG, § 9 Abs 3 GVG-B 2005, § 41 Abs 3 und 4 HDG 2001 bzw. § 42 Abs 4 und 5 HDG 2014, § 39 Abs 1 KommAustria-G, § 7 Abs 1 a NationalbankG, § 10 Abs 3 Sanktionengesetz 2001) fehlt es im Fall von § 56 Abs 3 AIVG an einer Regelung, die eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht selbst ermöglicht. Da sich bei Bescheidbeschwerden – wie oben ausgeführt wurde – eine solche Möglichkeit nach dem Wortlaut und der erkennbaren Gesetzesintention auch aus dem VwGVG nicht ableiten lässt, fehlt es somit an einen effektiven Rechtsschutz insofern, als das Verwaltungsgericht bei (sei es rechtswidrigerer oder rechtskonformer) Unterlassung einer dahingehenden Entscheidung der Behörde über keine gesetzliche Grundlage verfügt, um selbst über die aufschiebende Wirkung zu entscheiden. Die behördliche Unterlassung einer Entscheidung über die aufschiebende Wirkung kann im Bereich des AIVG geradezu der Normalfall werden, weil es der Behörde frei steht, ob sie eine Beschwerdevorentscheidung trifft und weil das AIVG einen Abspruch über die aufschiebende Wirkung ausschließlich 'im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung' vorsieht. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Behörde angesichts der beschriebenen Rechtsschutzlücke (verfassungskonform) gezwungen wäre, ihr Ermessen dahin gehend zu üben, dass sie im Fall eines Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stets eine Beschwerdevorentscheidung trifft, ist damit (schon deswegen) nichts gewonnen, weil die Wahlentscheidung zwischen der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und der Abstandnahme davon nicht vom Verwaltungsgericht nachprüfbar ist und eine solche Vorgangsweise daher im Rechtsschutzweg nicht erzwingbar ist.
3.4.2. Zudem widerspricht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dem rechtsstaatlichen Grundprinzip, dass nach der angefochtenen Bestimmung für die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, auch über die Frage, ob die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos erscheint, zu entscheiden hat (§56 Abs 3 Z 2 AIVG). Dies umso mehr, als, wie bereits aufgezeigt, diese Entscheidung keiner weiteren verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.
3.5. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt daher die Auffassung, dass die angefochtene Regelung den zur Gewährleistung der gebotenen Effizienz des Rechtsschutzes notwendigen Ausgleich der Interessen vermissen lässt und dadurch wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Prinzip verfassungswidrig ist.
3.6. Im Vergleich zu den bisher als verfassungswidrig erkannten Fällen fehlender oder mangelhafter Effizienz des Rechtsschutzes weist diese Verfassungswidrigkeit zudem eine neuartige Qualität auf:
Die bisherige Judikatur zur Frage der Zulässigkeit des generellen Auschlusses der aufschiebenden Wirkung erging noch im Kontext von Regelungen, die den Ausschluss (oder die Einschränkung) der aufschiebenden Wirkung beim administrativen Rechtsschutz regelten, dabei aber das System der aufschiebenden Wirkung bei der nachprüfenden Verwaltungs- bzw. verfassungsgerichtlichen Kontrolle (§85 VfGG, § 30 VwGG) unberührt ließen.
Demgegenüber stellt sich die angefochtene Bestimmung des AIVG als eine Sonderbestimmung zum VwGVG dar und greift insofern in das hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung verwaltungsgerichtlicher Beschwerden bislang bestehende Gleichgewicht zwischen Verwaltung und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle ein. Die Funktion des Instituts der gerichtlichen Zuerkennung aufschiebender Wirkung bei verwaltungsgerichtlichen Beschwerden (nach § 30 VwGG) ist seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 weitgehend auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten übergegangen, zumal die einstufige verwaltungsgerichtliche Kontrolle durch ein Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit auf 'Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung' (Art133 Abs 4 B VG) eingeschränkter Revision ersetzt wurde: ln jenem Umfang, in dem der Verwaltungsgerichtshof 'entlastet' wurde, ist die Funktion des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – und mit dieser: des provisorischen Rechtsschutzes nach § 30 VwGG – auf die Verwaltungsgerichte verlagert worden. Der mit der angefochtenen Norm bewirkte Eingriff in die Effizienz des Rechtsschutzes wirkt daher materiell wie ein Eingriff in das (bisher in allein § 30 VwGG verankerte) verwaltungsgerichtliche Provisorialverfahren. Ein solcher Eingriff war bislang nicht Gegenstand der zum Rechtsstaatsprinzip ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Dass der Verfassungsgesetzgeber im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform die Effizienz des (verwaltungsgerichtlichen) Rechtsschutzes vermindern wollte, ist nicht anzunehmen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein, gehen doch die parlamentarischen Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 von einem 'Ausbau des Rechtsschutzsystems', von einem 'verstärkten Bürgerservice' und einer 'Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes' aus (RV 1618 und AB 1771 BlgNR 24. GP, jeweils Seite 1). Vor diesem Hintergrund nimmt das Bundesverwaltungsgericht an, dass Regelungen, mit denen die Möglichkeit der individuellen Zuerkennung aufschiebender Wirkung durch das Verwaltungsgericht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden oder Regelungen, mit denen die Herrschaft über das Provisorialverfahren unter Ausschluss einer effektiven Kontrollmöglichkeit durch das Verwaltungsgericht in die Hand der belangten Behörde gelegt wird, ein besonderes Gewicht haben und einer besonderen Rechtfertigung bedürfen, um den Anforderungen des rechtsstaatlichen Prinzips genügen zu können.
4. Schlussfolgerung; Aufhebungsumfang
Aus den vorgetragenen Bedenken ergibt sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Verfassungswidrigkeit des § 56 Abs 3 AIVG in der im Spruch genannten Fassung zur Gänze. Dieser Aufhebungsumfang ist geeignet, um die dargelegte Verfassungswidrigkeit zu bereinigen, weil es nach Aufhebung der in diesem Umfang angefochtenen Bestimmung zur Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen des VwGVG käme. Die Möglichkeit eines geringeren Aufhebungsumfangs ist nicht ersichtlich."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip:
1.1. Das Bundesverwaltungsgericht hegt zum einen das Bedenken, dass § 56 Abs 3 AlVG dem rechtsstaatlichen Prinzip widerspreche, weil lediglich die Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung, nicht aber das Verwaltungsgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen könne. Es widerspreche zum anderen auch dem rechtsstaatlichen Prinzip, dass jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen habe, für die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch die Frage zu beurteilen habe, ob die Beschwerde von vornherein aussichtslos erscheine.
1.2. Die Bundesregierung geht von folgender Rechtslage aus:
1.2.1. Gemäß § 56 Abs 3 erster Satz AlVG hat eine Beschwerde gegen einen Bescheid einer Geschäftsstelle – im Unterschied zur ex lege bestehenden aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs 1 VwGVG – keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 56 Abs 3 zweiter Satz AlVG kann die Behörde (arg.: 'im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung') der Beschwerde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen aufschiebende Wirkung zuerkennen. In diesem Fall hat ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag gemäß § 15 Abs 2 Z 2 VwGVG aufschiebende Wirkung. Dass § 56 Abs 3 erster Satz AlVG auch die aufschiebende Wirkung von Vorlageanträgen ausschließt, kann – schon rein sprachlich – nicht so gedeutet werden, dass bei Stellung eines Vorlageantrages die durch die Behörde zuerkannte aufschiebende Wirkung umgehend wieder gesetzlich aberkannt würde. Tatsächlich kommt der ausdrücklichen Erwähnung der Vorlageanträge in § 56 Abs 3 erster Satz AlVG überhaupt keine eigenständige Bedeutung zu. Sie versteht sich offenbar nur als Verstärkung der Anordnung, dass einer Beschwerde, sofern ihr keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, in keinem Stadium des Verfahrens – also weder im Vorverfahren noch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – die aufschiebende Wirkung zukommt.
1.2.2. Eine der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist, dass 'der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gestellt wird' (§56 Abs 3 Z 1 AlVG). Daraus folgt, dass einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung einerseits nur auf Antrag zuzuerkennen ist, dass andererseits aber auch ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung besteht, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, die belangte Behörde also die aufschiebende Wirkung bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zuzuerkennen hat (siehe , zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 56 Abs 2 AlVG idF BGBl I Nr 179/1999).
1.2.3. Über einen solchen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat die Behörde mit (verfahrensrechtlichem) Bescheid zu entscheiden. Das ergibt sich aus einer systematischen Interpretation:
Auch das VwGVG sieht vor, dass die Aberkennung – wenn einer Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt – bzw. die Zuerkennung – wenn einer Beschwerde von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt – durch Bescheid erfolgt und dass gegen einen solchen (verfahrensrechtlichen) Bescheid eine gesonderte Beschwerde zulässig ist (vgl. § 13 Abs 4 und 5 VwGVG). Dies entspricht auch der Rechtslage nach AVG; der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG hat durch Bescheid zu erfolgen ( Hengstschläger/Leeb , AVG § 64 Rz 36 mwN). In vergleichbarer Weise hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss VfSlg 14.195/1995 einen Individualantrag auf Prüfung einer gesetzlichen Bestimmung, wonach eine Berufung keine aufschiebende Wirkung hatte, als unzulässig zurückgewiesen, da es dem Antragsteller zumutbar sei, bei der Behörde einen – gesetzlich nicht vorgesehenen – Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu stellen, über den die Behörde mit Bescheid zu entscheiden habe.
1.2.4. Die Geschäftsstelle hat daher über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen einen von ihr erlassenen Bescheid mit (verfahrensrechtlichem) Bescheid abzusprechen, gegen den der Antragsteller eine gesonderte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben kann. Dass einer solchen Beschwerde selbst keine aufschiebende Wirkung zukommt, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der aufschiebenden Wirkung (vgl. ausdrücklich § 13 Abs 5 VwGVG). Das Bundesverwaltungsgericht kann bzw. hat über eine Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen wird, in der Sache selbst zu entscheiden und kann diesen Bescheid auch dahin abändern, dass es die aufschiebende Wirkung zuerkennt.
Die Bundesregierung merkt an, dass die geltende Rechtslage damit eben jenen Rechtsschutz gewährt, den das Bundesverwaltungsgericht in seinen Anträgen (Pkt. IV.2.2.7.) als weniger gravierende Abweichung vom VwGVG selbst vorschlägt.
[1.2.5.] Zusammengefasst kann daher der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stellen, über den die Behörde mit Bescheid abzusprechen hat; gegen diesen Bescheid kann der Beschwerdeführer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben, das im Rahmen seiner Entscheidung der Beschwerde in der Hauptsache die aufschiebende Wirkung zuerkennen kann. Diese Zuständigkeit kommt dem Bundesverwaltungsgericht freilich nicht von Amts wegen zu. Dies ist in den vom antragstellenden Gericht (Anträge Pkt. IV.3.4.1.) zitierten besonderen Regelungen über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Übrigen nicht anders; auch in diesen Fällen kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung nur auf Antrag der Partei zuerkennen.
[1.2.6.] Sollte das antragstellende Gericht aber tatsächlich der Auffassung sein, das Bundesverwaltungsgericht müsse auf Grund des rechtsstaatlichen Prinzips in der Lage sein, die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen, hält dem die Bundesregierung entgegen, dass das Verwaltungsgericht auch nach dem VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht von Amts wegen, sondern lediglich auf Antrag zuerkennen kann (vgl. zur Bescheid- und Weisungsbeschwerde § 22 Abs 3 VwGVG, zur Maßnahmenbeschwerde § 22 Abs 1 VwGVG). Dass in einem Verfahren, das die Verwaltungsgerichte nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Beschwerdeführers führen dürfen (vgl. Art 132 B VG), auch der provisorische Rechtsschutz – sofern er nicht von Gesetzes wegen besteht – antragsgebunden ist, erscheint aber im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip unbedenklich.
[1.2.7.] Die Bundesregierung weist auch darauf hin, dass die Rechtslage hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstelle nach § 56 Abs 3 AlVG ihrer Struktur nach der Rechtslage hinsichtlich von Beschwerden gegen Weisungen gemäß Art 81a Abs 4 B VG (Art130 Abs 1 Z 4 B VG) und von Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (Art130 Abs 2 Z 1 B VG) entspricht. Auch solche Beschwerden haben von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, doch kann ihnen die aufschiebende Wirkung von der Behörde zuerkannt werden (§13 Abs 3 VwGVG). Gegen einen solchen Bescheid kann gesondert Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden (§13 Abs 5 VwGVG), das den angefochtenen Bescheid aufheben oder abändern kann.
Die Bundesregierung vermag nicht zu erkennen, warum eine solche Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstelle nach AlVG gegen das rechtsstaatliche Grundprinzip verstoßen sollte. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Zweifel an der Verfassungskonformität der insoweit vergleichbaren Regelung der aufschiebenden Wirkung des § 56 Abs 2 AlVG idF BGBl I Nr 179/1999 gehabt ().
[1.3.] Auch das Bedenken, dass gemäß § 56 Abs 3 Z 2 AlVG bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, auch die Frage zu beurteilen hat, ob die Beschwerde von vornherein aussichtslos erscheint, begründet keinen Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip.
Zum einen unterliegt auch diese Beurteilung der Geschäftsstelle der nachprüfenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Zum anderen ist eine verfahrensrechtliche Konstellation, in der eben jenes Gericht, das in einer Sache bereits entschieden hat, die Erfolgsaussichten der weiteren Rechtsverfolgung als Voraussetzung der Bewilligung von Verfahrenshilfe selbst beurteilt, auch dem Zivilprozessrecht nicht fremd. Gemäß § 65 Abs 2 ZPO hat über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe stets das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden, auch wenn sich die Notwendigkeit hierzu erst im Verfahren vor einer höheren Instanz ergibt. Dabei hat es ua. zu beurteilen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint (§63 Abs 1 ZPO).
Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass auch in dieser Hinsicht kein Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip vorliegt.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art 136 Abs 2 B VG:
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hegt auch das Bedenken, dass § 56 Abs 3 AlVG von den Regelungen des VwGVG betreffend die aufschiebende Wirkung abweiche, ohne dass dies zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sei, weshalb diese Bestimmung in Widerspruch zu Art 136 Abs 2 B VG stehe.
2.2. Gemäß Art 136 Abs 2 erster Satz B VG wird das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt. Als solches Verfahrensgesetz wurde das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, erlassen. Gemäß Art 136 Abs 2 letzter Satz B VG können durch Bundes- oder Landesgesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind oder soweit das im ersten Satz genannte besondere Bundesgesetz dazu ermächtigt. Der erste Tatbestand orientiert sich an Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz B VG (RV 1618 BlgNR 24. GP 19). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind abweichende Regelungen von den Verwaltungsverfahrensgesetzen nur dann iSd. Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz B VG 'erforderlich', wenn sie zur Regelung des Gegenstandes 'unerlässlich' sind (VfSlg 17.340/2004). Dieser Maßstab ist auch auf den ersten Tatbestand des Art 136 Abs 2 dritter Satz B VG anwendbar.
Nach Ansicht der Bundesregierung entspricht § 56 Abs 3 AlVG diesen verfassungsgesetzlichen Anforderungen:
2.3. Die Bundesregierung weist zunächst auf Folgendes hin: Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde 'aufschiebende Wirkung', d.h. der angefochtene Bescheid entfaltet die von ihm intendierten Rechtswirkungen nicht. Die aufschiebende Wirkung der Bescheidbeschwerde hat allerdings nicht schlechthin zur Folge, dass einem Beschwerdeführer ihn begünstigende Rechtspositionen (vorläufig) eingeräumt sind: Weist die Behörde einen Antrag auf Zuerkennung einer bestimmten Leistung mit Bescheid ab, so erwirbt eine Person, die gegen diesen Bescheid Beschwerde erhebt, keinen Anspruch auf (vorläufigen) Bezug dieser Leistung und zwar unabhängig davon, ob die Beschwerde aufschiebende Wirkung hat oder nicht. Wenn § 56 Abs 3 AlVG – abweichend von § 13 Abs 1 VwGVG – anordnet, dass die Beschwerde beim Verwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung hat, so ist diese Abweichung in jenen Fällen praktisch bedeutungslos, in welchen die Behörde einen Leistungsanspruch (etwa gemäß den §§7, 8, 9, 11 und 12 AlVG) verneint (siehe auch Pfeil , AlVG³ §§56, 57 Anm. 4.3.). Auswirkungen auf die Rechtsposition von Beschwerdeführern hat der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere in jenen Fällen, in denen die angefochtene Entscheidung sich nachteilig auf einen laufenden Leistungsbezug auswirkt oder zum Rückersatz zu Unrecht empfangener Leistungen verpflichtet (vgl. dazu VfSlg 15.511/1999), wie dies auch in den Anlassfällen der Fall war.
2.4. Vor diesem Hintergrund trifft die angefochtene Regelung nach Auffassung der Bundesregierung einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Versicherten an dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung einerseits und den öffentlichen Interessen und den Interessen der Versichertengemeinschaft andererseits:
2.4.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass – im Unterschied zu der mit dem Erkenntnis VfSlg 15.511/1999 aufgehobenen Bestimmung – § 56 Abs 3 AlVG keinen absoluten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden vorsieht, sondern die aufschiebende Wirkung im Einzelfall zuerkannt werden kann.
2.4.2. Der grundsätzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung berücksichtigt erstens den Umstand, dass sich die Einbringung unberechtigt empfangener Leistungen in der Vollziehung des Arbeitslosenversicherungsrechts erfahrungsgemäß als besonders schwierig und aufwendig erweist und auch nur zu einem geringen Teil erfolgreich ist. Dass sich die Einbringung unberechtigt empfangener Leistungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die wegen Arbeitslosigkeit häufig ungünstige finanzielle Lage der Betroffenen im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten als schwieriger und weniger erfolgreich gestaltet, liegt auf der Hand. Es besteht aber sowohl ein öffentliches Interesse als auch ein Interesse der Versichertengemeinschaft an der Abwendung eines finanziellen Schadens der Arbeitslosenversicherung und der Verfügbarkeit hinreichender Mittel zur Erfüllung der Aufgaben gemäß § 1 Abs 2 AMPFG (vgl. RV 2193 BlgNR 24. GP 12; vgl. auch ).
Zwar wird die Einbringung von Rückforderungen dadurch erleichtert, dass diese teilweise auf den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung aufgerechnet werden können (§25 Abs 4 AlVG), jedoch befinden sich die betroffenen Personen in jenem Zeitpunkt, in dem das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Rückforderung erlässt, häufig nicht mehr im Leistungsbezug, sodass diese Möglichkeit ins Leere läuft.
2.4.3. Die Abweichung vom AVG [gemeint wohl: VwGVG] erscheint zweitens im Hinblick auf den besonders hohen Verfahrens- und Beschwerdeanfall im Arbeitslosenversicherungsrecht auch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung als unerlässlich. So hat der Verfassungsgerichtshof zum generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in bestimmten Fällen des Asylverfahrens ausgesprochen, dass 'gesetzliche Maßnahmen, die von den Bestimmungen des AVG abweichen, aber die Vielzahl von Asylverfahren […] berücksichtigen, dazu geeignet sind, der Beschleunigung des Verfahrens zu dienen, 'erforderlich' iSd Art 11 Abs 2 B VG sind' (VfSlg 17.340/2004, Pkt. 4.7.1.).
Auch im Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechts besteht ein besonders hoher Verfahrens- und Beschwerdeanfall: In den Jahren 2007 bis 2013 wurden jährlich zwischen 343 000 und 421 000 erstinstanzliche Bescheide erlassen (2007: 344 771 Bescheide; 2008: 343 889 Bescheide; 2009: 384 120 Bescheide; 2010: 421 702 Bescheide; 2011: 400 313 Bescheide; 2012: 377 032 Bescheide; 2013: 392 595; Jänner bis August 2014: 252 646 Bescheide). Müsste die Behörde in jedem Einzelfall unter Prüfung der in § 13 Abs 2 VwGVG vorgesehenen Abwägungskriterien eine – tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmende – Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung treffen, würde dies eine wesentliche Verzögerung der Verfahrensbehandlung bedeuten, was insgesamt zum Nachteil der Versichertengemeinschaft gehen würde.
2.4.4. Auf eine allfällige finanzielle Notlage der Betroffenen nimmt das Arbeitslosenversicherungsrecht auch insoweit Bedacht, dass bei einer Verpflichtung zur Rückzahlung von unberechtigt empfangenen Leistungen eine Stundung oder Ratenzahlung bewilligt werden kann, wobei Rückforderungen gestundet und Raten bewilligt werden können (§25 Abs 5 AlVG). Diesbezügliche Anträge werden vom Arbeitsmarktservice im Rahmen der einzuhaltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen positiv erledigt.
2.5. Die Bundesregierung vertritt daher die Ansicht, dass § 56 Abs 3 AlVG zur Regelung dieses Gegenstandes im Sinn von Art 136 Abs 2 B VG erforderlich ist.
3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass § 56 Abs 3 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl Nr 609/1977, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 71/2013, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl 609, idF BGBl I 71/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):
"§25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, daß die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.
(2)-(3) […]
(4) Rückforderungen, die gemäß Abs 1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben muß; sie vermindern den Anspruch auf die zu erbringenden Leistungen, auch wenn er gepfändet ist. Die regionalen Geschäftsstellen können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.
(5)-(8) […]
[…]
Entscheidung
§56. (1) Über Ansprüche auf Leistungen entscheidet die regionale Geschäftsstelle. Über die Anerkennung von Maßnahmen gemäß § 18 Abs 6 entscheidet die Landesgeschäftsstelle.
(2) Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.
(3) Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle und Vorlageanträge haben keine aufschiebende Wirkung. Im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung kann die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn
1. der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gestellt wird,
2. die Beschwerde nicht von vornherein aussichtlos erscheint und
3. keine begründeten Zweifel an der Einbringlichkeit allfälliger Rückforderungen bestehen.
(4) Das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter steht für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu. Die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BGBl I Nr 10/2013)."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013, idF BGBl I 122/2013, lauten wie folgt:
"Aufschiebende Wirkung
§13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B VG hat aufschiebende Wirkung.
(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
(3) Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 4 und Abs 2 Z 1 B VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.
(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Beschwerdevorentscheidung
§14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 4 B VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§9 Abs 1 Z 3), und ein Begehren (§9 Abs 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
[…]
Inkrafttreten
§58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.
(3) § 3 samt Überschrift, § 13 Abs 4 und § 15 Abs 2 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 treten mit in Kraft. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung, insbesondere dem Bestehen eines untrennbaren Zusammenhangs zwischen dem ersten und dem zweiten Satz des § 56 Abs 3 AlVG, zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Das antragstellende Verwaltungsgericht macht zunächst geltend, dass die Regelung des § 56 Abs 3 AlVG gegen Art 136 Abs 2 B VG verstoße.
2.2.1. Nach Art 136 Abs 2 dritter Satz B VG können durch Bundes- oder Landesgesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind oder soweit das in Art 136 Abs 2 erster Satz B VG genannte Bundesgesetz, das das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen einheitlich regelt (das VwGVG), dazu ermächtigt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis zu G83/2014 ua. vom ausgesprochen hat, kann § 58 Abs 2 und 3 VwGVG kein Regelungsgehalt dahingehend entnommen werden, dass durch diese Bestimmungen alle vor Inkrafttreten des VwGVG kundgemachten verwaltungsgerichtsverfahrensrechtlichen Regelungen von vorneherein vom Kodifikationsgebot des Art 136 Abs 2 B VG ausgenommen und insoweit von der Prüfung am Erforderlichkeitsmaßstab dieser Verfassungsbestimmung freigestellt sein sollen.
2.2.2. Die angefochtene Bestimmung weicht von den in den §§13 und 15 VwGVG getroffenen Regelungen ab, die grundsätzlich die aufschiebende Wirkung von Beschwerden vorsehen. Es ist daher zu prüfen, ob § 56 Abs 3 AlVG "zur Regelung des Gegenstandes" iSd Art 136 Abs 2 B VG erforderlich ist.
2.2.3. In den Erläuterungen zur RV der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 1618 BlgNR 24. GP, 18 f., heißt es wörtlich:
"Nach dem vorgeschlagenen Art 136 Abs 1 ist die Zuständigkeit zur Regelung der Organisation der Verwaltungsgerichte zwischen Bund (Verwaltungsgerichte des Bundes und Verwaltungsgerichtshof) und Ländern (Verwaltungsgerichte der Länder) geteilt […].
Demgegenüber soll das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen) nach dem vorgeschlagenen Art 136 Abs 2 durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt werden können; in Anlehnung an Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz B VG soll es jedoch möglich sein, abweichende Regelungen zu treffen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind."
Nach dem in diesem Zitat deutlich werdenden Willen des Verfassungsgesetzgebers und dem Wortlaut des Art 136 Abs 2 B VG entspricht das Kriterium, dass durch Bundes- oder Landesgesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind, jenem des Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz B VG (vgl. Lienbacher , Agrarrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, in: FS Raschauer, 2013, 351 [362 f.]; Lukan , Die Abweichung von einheitlichen Verfahrensvorschriften im verwaltungsbehördlichen Verfahren und im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, ZfV 2014, 12 [23]). Vom VwGVG abweichende Regelungen – wie die angefochtene (siehe 2.2.2 ) – dürfen daher nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" sind (vgl. zu Art 11 Abs 2 B VG die Rechtsprechung beginnend mit VfSlg 8945/1980).
2.2.4. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich im Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 mit der Frage zu befassen, inwieweit abweichende Regelungen betreffend die aufschiebende Wirkung erforderlich iSd Art 11 Abs 2 B VG sind. Unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg 13.831/1994, 13.834/1994 und 13.838/1994, in denen der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf Art 11 Abs 2 B VG ausgesprochen hatte, dass das Verfahren zur Gewährung von Asyl Besonderheiten aufweist, die Abweichungen von den Bestimmungen des (damals maßgeblichen) AVG erforderlich machen können, befand der Verfassungsgerichtshof solche Abweichungen nur dann als "erforderlich", wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" sind. Der Verfassungsgerichtshof ging in diesem Sinne davon aus, dass gesetzliche Maßnahmen, die von den Bestimmungen des AVG abweichen, aber die Vielzahl von Asylverfahren berücksichtigten und der Beschleunigung der Verfahren dienen können, "erforderlich" iSd Art 11 Abs 2 B VG sind; dies jedoch nur insofern, als sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen (VfSlg 17.340/2004).
2.2.5. Diese Überlegungen können auf die Bestimmung des § 56 Abs 3 AlVG übertragen werden:
2.2.5.1. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass im Arbeitslosenversicherungsrecht zweifellos eine besonders große Zahl von Verfahren und Beschwerden von den zuständigen Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht zu bewältigen ist.
Ebenso anerkennt der Verfassungsgerichtshof, dass mit dem in der angefochtenen Bestimmung grundsätzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen begegnet werden soll (siehe dazu die Ausführungen in der Äußerung der Bundesregierung oben I.3 ). In den Erläuterungen zur RV des Verwaltungsgerichts-Anpassungsgesetzes – Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2193 BlgNR 24. GP, 12, wird in diesem Sinn ausgeführt, dass es einen beträchtlichen Aufwand bedeuten und zu Lasten einer raschen Entscheidung gehen würde, wenn die aufschiebende Wirkung in arbeitslosenversicherungsrechtlichen Verfahren jeweils im Einzelfall ausgeschlossen werden müsste. Insoweit kann ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Verfahrensbeschleunigung dienen.
2.2.5.2. Im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung kann die aufschiebende Wirkung in arbeitslosenversicherungsrechtlichen Verfahren zuerkannt werden, wenn die in den Ziffern 1 bis 3 des § 56 Abs 3 AlVG vorgesehenen Voraussetzungen kumulativ vorliegen (siehe auch die Erläut. zur RV des Verwaltungsgerichts-Anpassungsgesetzes – Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2193 BlgNR 24. GP, 12; Pfeil , Arbeitslosenversicherungsrecht³, 15. Erg.-Lfg. 2014, §§56, 57, Anm. 4.3.). Neben der Wahrung der Frist zur Stellung des Antrags auf aufschiebende Wirkung (Z1) haben auch die Erfolgsaussichten (Z2) und die Prognose über die Einbringlichkeit allfälliger Rückforderungen (Z3) unabdingbar in die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einzufließen. Dies lässt erkennen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Bestimmung das Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides besonders stark gewichtet hat (vgl. wiederum die Erläut. zur RV des Verwaltungsgerichts-Anpassungsgesetzes – Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2193 BlgNR 24. GP, 12; Pfeil , aaO).
2.2.5.3. Trotz dieser für sich genommen erheblichen Gesichtspunkte entspricht die Regelung nicht dem Kriterium der Erforderlichkeit iSd Art 136 Abs 2 B VG, weil sie dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit widerspricht, als sie dem Interesse des einzelnen Versicherten, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist (siehe nur VfSlg 15.511/1999 und die dort angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes), nicht hinreichend Rechnung trägt.
Insbesondere lässt es die angefochtene Bestimmung nicht zu, die berührten öffentlichen Interessen (zB das oben genannte Interesse der Versichertengemeinschaft) mit den Interessen von Verfahrensparteien abzuwägen (siehe zur Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips im Rahmen der Zuerkennung aufschiebender Wirkung zB schon VfSlg 13.003/1992, 13.306/1992).
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hängt überdies nach dem Wortlaut der angefochtenen Bestimmung davon ab, dass die Behörde eine Beschwerdevorentscheidung (§14 VwGVG) erlässt. Nach § 14 Abs 1 VwGVG steht es der Behörde in Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B VG (Bescheidbeschwerden) frei, eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen. Den Parteien des Verwaltungsverfahrens steht ein subjektives Recht auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht zu (so zur Berufungsvorentscheidung nach dem AVG VwSlg. 17.265 A/2007; siehe auch Grabenwarter/Fister , Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, 221). Sieht die Behörde aber von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab, so bleibt der Versicherte auch bei offensichtlichen Fehlern im behördlichen Verfahren mit den negativen Folgen derselben belastet, bis eine endgültige Erledigung seines Rechtsschutzgesuchs vorliegt.
IV. Ergebnis
1. § 56 Abs 3 AlVG ist daher wegen Verstoßes gegen Art 136 Abs 2 dritter Satz B VG als verfassungswidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren in den Anträgen dargelegten Bedenken.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.
3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art 140 Abs 7 zweiter Satz B VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2014:G74.2014