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VfGH vom 01.12.2011, G74/11

VfGH vom 01.12.2011, G74/11

Sammlungsnummer

19568

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des im Tierschutzgesetz normierten Verbotes der Haltung und Verwendung von Wildtieren in Zirkussen; kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit im Hinblick auf das öffentliche Interesse am Tierschutz; Ungleichbehandlung der Haltung von Wildtieren in Zoos sachlich gerechtfertigt; Zurückweisung des Individualantrags betreffend eine Tierhaltungsverordnung mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre des antragstellenden Zirkusunternehmens

Spruch

I. Der Antrag auf Aufhebung des Wortes "Zirkussen," in Absatz 1 des § 27 des Tierschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 118/2004, in der Fassung BGBl. I Nr. 80/2010, wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Aufhebung der "'Z 9 Großkatzen (Pantherini), alle Arten;', 'Z 10 Kleinkatzen (Felini), alle Arten mit Ausnahme der Wildkatze (Felis silvetris) und des Luchses (Lynx lynx);', 'Z 12 Großbären (Ursidae), alle Arten mit Ausnahme des Braunbären (Ursus arctos);', 'Z 21 Flusspferde (Hyppopotamide), alle Arten;', 'Z 22 Giraffen (Girafidei), alle Arten;' in § 9 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die

1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wirbeltiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II

Nr. 486/2004, in der Fassung BGBl. II Nr. 384/2007, insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als diese ein Verbot der Haltung von Wildtieren in Zirkussen aussprechen", wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin begehrt mit ihren auf Art 140 Abs 1 und Art 139 Abs 1 B-VG gestützten Individualanträgen, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. gemäß Art 140 Abs 1 B-VG in Verbindung mit § 64 Abs 1 VfGG den Wortlaut des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz 'Zirkussen,' als verfassungswidrig aufheben;

2. gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Wortfolgen der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die

1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wirbeltiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), BGBl. 486/2004 in § 9

'Z 9 Großkatzen (Pantherini), alle Arten;', 'Z 10 Kleinkatzen (Felini), alle Arten mit Ausnahme der Wildkatze (Felis silvetris) und des Luchses (Lynx lynx);', 'Z 12 Großbären (Ursidae), alle Arten mit Ausnahme des Braunbären (Ursus arctos);', 'Z 21 Flusspferde (Hyppopotamide), alle Arten;',

'Z 22 Giraffen (Girafidei), alle Arten;' insoweit als gesetzeswidrig aufzuheben, als diese ein Verbot der Haltung von Wildtieren in Zirkussen aussprechen."

2. Zur Antragslegitimation:

2.1. Zu ihrer Antragslegitimation hinsichtlich des Wortes "Zirkusse," in § 27 Abs 1 des Tierschutzgesetzes (TSchG), BGBl. I 118/2004, idF BGBl. I 80/2010, bringt die Antragstellerin insbesondere vor:

Der Eingriff in ihre Rechtssphäre sei unmittelbar, eindeutig bestimmt und aktuell. Als Betreiberin eines Zirkus, der regelmäßig Aufführungen in Österreich abhalte und in dem sie Wildtiere mitführe und als Teil des Programms zur Schau stelle, sei sie Normadressatin des nicht weiter konkretisierungsbedürftigen Verbots des § 27 Abs 1 TSchG, Wildtiere in Zirkussen zu halten. Von dieser Rechtsvorschrift sei sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich betroffen. Das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen beeinträchtige sie nämlich in ihren durch Art 5, 6 und 7 StGG 1867 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Es hindere sie aktuell und nicht bloß potentiell an der Durchführung von Zirkusaufführungen in Österreich anhand ihres Programms, welches ganz wesentlich aus Tiernummern bestehe. Die Antragstellerin habe sich in den vergangenen Jahren wiederholt um Gastspiele in Österreich beworben, doch seien ihr diese bisher unter Verweis auf § 27 Abs 1 TSchG verwehrt worden. Die nächste Tournee durch Österreich sei für das Jahr 2014 geplant. Die Vorlaufzeit für konkrete Planungen derartiger Tourneen betrage im Zirkusgewerbe zumindest zwei Jahre, weswegen es notwendig sei, bereits zum jetzigen Zeitpunkt damit zu beginnen.

Der Antragstellerin stehe auch kein zumutbarer Umweg offen. Begäbe sie sich mit ihrem aktuellen Tierbestand unter Missachtung des in § 27 Abs 1 TSchG normierten Wildtieraufführungsverbotes auf das Gebiet der Republik Österreich, beginge sie gemäß § 38 Abs 3 TSchG eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von bis zu 3750 Euro zu bestrafen wäre. Sie könne auch nicht darauf verwiesen werden, eine Bewilligung nach § 23 TSchG zu beantragen, weil diese nur dann zu erteilen sei, wenn der beantragten Tierhaltung kein Tierhaltungsverbot entgegenstehe.

§27 Abs 1 TSchG begründe jedoch gerade ein solches Verbot. Ein zumutbarer Umweg könne auch nicht in einem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gesehen werden. Die Länder Oberösterreich und Kärnten sowie die Städte Linz, Graz und Innsbruck hätten ihr bereits mitgeteilt, dass die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung nicht bestehe.

2.2. Zur Antragslegitimation hinsichtlich der Wortfolgen in § 9 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die 1. Tierhaltungsverordnung fallen, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), bringt die Antragstellerin vor:

Sie werde durch § 9 der 2. Tierhaltungsverordnung

unmittelbar in ihren Rechten verletzt. Als Zirkusunternehmen unterfalle sie der auf Basis des § 27 Abs 2 TSchG erlassenen Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über den Schutz, die Haltung und Mitwirkung von Tieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen (Tierschutz-Zirkusverordnung), BGBl. II 489/2004. Diese enthalte Regelungen hinsichtlich der Unterbringung, Haltung, Fütterung, Betreuung und Dressur der erlaubten Tierarten und verweise insoweit in § 2 Abs 1 auf die Geltung der Mindestanforderungen der ersten Tierhaltungsverordnung und der zweiten Tierhaltungsverordnung. Durch diesen Verweis gälte das Wildtierhaltungsverbot auch nach Aufhebung des Wortes "Zirkusse," auch für Zirkusse unter anderem in § 27 Abs 1 TSchG aufgrund des § 9 der 2. Tierhaltungsverordnung weiter. Die näher bezeichneten, die Haltung bestimmter (in ihrem Zirkus zum Einsatz kommender) Wildtierarten aus Gründen des Tierschutzes verbietenden Wortfolgen in § 9 der

2. Tierhaltungsverordnung würden allerdings nur insoweit als gesetzwidrig zur Aufhebung beantragt, "als diese ein Verbot der Haltung von Wildtieren in Zirkussen aussprechen."

2.3. Die Bundesregierung hält dem Individualantrag nach Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG entgegen:

"Die Antragslegitimation der Antragstellerin ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht gegeben. Entgegen der Ausführungen im Antrag steht der Antragstellerin ein anderer zumutbarer Weg zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle offen. [...]

Die Haltung und Mitwirkung von Tieren in Zirkussen bedarf gemäß § 27 Abs 3 TSchG einer behördlichen Bewilligung; dies gilt unabhängig von der Art der Tiere (Haustiere, Heimtiere oder Wildtiere). Die Bewilligung ist gemäß § 27 Abs 4 TSchG ua. nach Maßgabe des § 23 TSchG zu erteilen. Die Behörde hat Bewilligungen nur auf Antrag zu erteilen. Nach § 23 Z 2 TSchG ist eine Bewilligung zu erteilen, wenn der beantragten Haltung und Mitwirkung ein 'Tierhaltungsverbot', wie etwa in § 27 Abs 1 TSchG normiert, nicht entgegensteht. Die Bewilligung gilt für das gesamte Bundesgebiet.

Die Antragstellerin kann daher einen Antrag auf

Bewilligung der Haltung und Mitwirkung von (Wild-)Tieren stellen. Über diesen Antrag ist mit Bescheid zu entscheiden. Damit steht der Antragstellerin ein zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken gegen § 27 Abs 1 TSchG auf eine andere Weise als durch Individualantrag nach Art 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Eine bereits im Vorhinein vorliegende

Aussichtlosigkeit der Erlangung einer Bewilligung zur Haltung und Mitwirkung von Wildtieren schließt nicht die Zumutbarkeit des Umweges aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es nämlich für die Frage der Zumutbarkeit des Umwegs nicht darauf an, ob das Beschreiten dieses Weges für den Betroffenen in der Sache selbst wegen der bestehenden einfachgesetzlichen Regelung aussichtslos ist (zB VfSlg. 15.163/1998 mwN)."

Überdies sei der Antragsumfang zu eng gefasst, um die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen:

"§27 Abs 1 TSchG würde nach der beantragten Aufhebung wie folgt lauten: 'In Varietes und ähnlichen Einrichtungen dürfen keine Arten von Wildtieren gehalten oder zur Mitwirkung verwendet werden.' Nach den Begriffsbestimmungen des § 4 Z 11 und 12 TSchG sind sowohl Zirkusse als auch Varietes 'Einrichtungen', die sich lediglich nach der Art der Darbietungen von einander unterscheiden. Ein Zirkus ist eine Einrichtung mit Darbietungen, 'die unter anderem auf dem Gebiet der Reitkunst oder der Tierdressur liegen und akrobatische Vorführungen, ernste und komische Schaunummern, Pantomimen sowie Tanz- und Musiknummern einschließen können'; ein Variete ist eine Einrichtung mit Darbietungen, 'die im wesentlichen bloß auf Unterhaltung abzielt und bei der in abwechselnder Programmnummernfolge deklamatorische oder musikalische Vorträge, artistische Vorführungen, Schaunummern, kurze Possen, Singspiele, Burlesken oder Szenen veranstaltet werden'. Die in Zirkussen einerseits und Varietes andererseits gebotenen Darbietungen mögen zwar im Detail von einander zu unterscheiden sein; sie sind aber jedenfalls 'ähnlich'. Bei Aufhebung lediglich des Wortes 'Zirkussen,' wäre die Antragstellerin folglich als eine 'ähnliche Einrichtung' wie ein Variete weiterhin vom Verbot des § 27 Abs 1 TSchG erfasst.

[...]

Im Übrigen weist die Bundesregierung auf Folgendes hin: Die Antragstellerin bringt auch vor, § 27 Abs 1 TSchG verstoße gegen Art 56 AEUV und Art 16 der Dienstleistungsrichtlinie. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist Unionsrecht im Verfahren nach Art 140 B-VG kein Prüfungsmaßstab (; VfSlg. 16.771/2002). Bei einem solchen Vorbringen handelt es sich vielmehr um eine Frage der Zulässigkeit des Antrages. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 'kann ein Individualantrag nach Art 140 B-VG nur dann als zulässig angesehen werden, wenn feststeht, dass der Anwendbarkeit der bekämpften Norm nicht unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegensteht' (VfSlg. 15.771/2000, 18.298/2007).

Ein solcher Widerspruch mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht liegt allerdings nicht vor. Das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen ist mit Art 56 AEUV vereinbar, da es nicht zwischen in- und ausländischen Zirkussen unterscheidet, dem Tierschutz und damit der Verfolgung zwingender Gründe des Allgemeininteresses dient und zur Erreichung dieses angestrebten Zwecks auch geeignet und erforderlich ist [...] So hat die Europäische Kommission das gemäß Art 226 Abs 1 EUV (jetzt Art 258 AEUV) gegen die Republik Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4510 betreffend die Vereinbarkeit des Verbots der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen mit der Dienstleistungsfreiheit nach einer Stellungnahme der Republik Österreich, BKA-VV.05/4510/0002-V/A/8/2005, mit förmlichem Beschluss vom eingestellt. Die Bundesregierung erklärt diese Stellungnahme ausdrücklich zum Bestandteil dieser Äußerung (Beilage).

Nichts anderes gilt im Hinblick auf den behaupteten Verstoß gegen Art 16 Abs 1 der Dienstleistungsrichtlinie, da gemäß Art 16 Abs 1 der Dienstleistungsrichtlinie mitgliedstaatliche Maßnahmen, die die Dienstleistungsfreiheit beschränken, zulässig sind, wenn sie nicht diskriminierend, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin kann eine Maßnahme auch nach Art 16 Abs 1 der Dienstleistungsrichtlinie aus Gründen des Tierschutzes gerechtfertigt sein. Der Erwägungsgrund Nr. 41 der Dienstleistungsrichtlinie stellt klar, dass der Tierschutz unter den Begriff der 'öffentlichen Ordnung' im Sinne der Dienstleistungsrichtlinie fällt."

2.4. Der Bundesminister für Gesundheit hält dem Individualantrag nach Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG die mangelnde aktuelle Betroffenheit der Antragstellerin entgegen:

"Dem Antrag ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin keine Haltung von Wildtieren in Österreich beabsichtigt, sondern vielmehr mit diesen auf österreichischem Staatsgebiet im Rahmen eines Zirkusses auftreten will. § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2010, ist hierbei die lex specialis zu den allgemeinen Bestimmungen des TSchG hinsichtlich der Haltung von Wildtieren in Zirkussen. Während § 27 Abs 1 TSchG die Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen verbietet, ist in § 25 Abs 3 Z 2 TSchG eine Verordnungsermächtigung für das Verbot der Haltung bestimmter Wildtierarten normiert.[...]

Erst wenn § 27 TSchG im parallel laufenden Verfahren aufgehoben werden sollte, könnte die Antragstellerin aktuell und nicht bloß potentiell von der angefochtenen Verordnung betroffen sein, allerdings nur bezogen auf die Haltung von Wildtieren während eines allfälligen Aufenthaltes in Österreich; die Mitwirkung von Wildtieren in einem Zirkus ist darin nicht beinhaltet.

Zudem ist festzuhalten, dass das Abstellen auf bloß faktische, wirtschaftliche Reflexwirkungen keine Anfechtung erlaubt. Der VfGH hat vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. VfSlg. 8060/1977, 11.369/1987, 14.463/1996). Im konkreten Fall bringt die Antragstellerin lediglich Auswirkungen auf ihre ökonomische Situation vor; die Antragslegitimation wäre auch aus diesem Grunde zu verneinen."

3. In der Sache bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:

3.1. Zum Gesetz:

Das in § 27 Abs 1 TSchG normierte Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen verletze die der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung und verstoße gegen die Erwerbsausübungsfreiheit, den Gleichheitssatz und das Eigentumsrecht sowie gegen die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie), ABl. L 376 vom , und die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit:

"Zunächst hat der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zwischen Bund und Ländern verletzt. [...] Diesen Grundsatz hat der Bund mit dem Erlass des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz verletzt. Die Bestimmung des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz verhängt ein absolutes Verbot für die Durchführung von Zirkusveranstaltungen mit Wildtieren. Dieses Verbot steht im Widerspruch zu Regelungen des Veranstaltungsrechts der Länder. Diese Bestimmungen, die durch die Änderung in der Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Tierschutzes durch BGBl. 118/2004 und die Einführung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes nicht berührt wurden, sind nach wie vor in Kraft.

Beispielsweise sieht das Wiener Veranstaltungsgesetz, zuletzt geändert mit LGBI. 2006/64, das hier exemplarisch für andere landesrechtliche Vorschriften genannt werden soll, in § 9 Ziff. 3 vor, dass Zirkusveranstaltungen einer Konzession bedürfen. Dies bedeutet, dass Zirkusse grundsätzlich erlaubt sind, sofern dem Veranstalter eine behördliche Bewilligung gewährt wird. [...]

Dass der Wiener Landesgesetzgeber von der Erlaubtheit von Zirkusaufführungen, darunter Aufführungen von Wildtieren, ausgeht, belegt schließlich auch die Kundmachung des Landeshauptmanns von Wien betreffend eine Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG zur Verbesserung des Tierschutzes im allgemeinen und im besonderen im außerlandwirtschaftlichen Bereich, ausgegeben am , LGBI. 24/1999, (Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG), worauf in der Regierungsvorlage zur Erlassung des Tierschutzgesetzes Bezug genommen wird. Die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg und Wien, jeweils vertreten durch den Landeshauptmann, haben vor Erlassung des (Bundes-)Tierschutzgesetzes im Rahmen deren bestehenden Zuständigkeiten für den Bereich des Tierschutzes im Allgemeinen die Verpflichtungserklärung gegen Tierquälerei getroffen. In Art 1 Abs 2 der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG verpflichteten sich die Vertragsparteien, insbesondere für Zirkusse ein behördliches Verfahren mit der Möglichkeit der Vorschreibung von Beschränkungen, Bedingungen oder Auflagen im Interesse des Tierschutzes vorzusehen und für den Fall, dass auch durch Beschränkungen, Bedingungen oder Auflagen die Interessen des Tierschutzes nicht gewahrt werden können, die Haltung von Wildtieren zu untersagen. In Art 4 Abs 1 litb der Vereinbarung wurden Mindestanforderungen für die Haltung von Tieren in Zirkussen gemäß Anlage 6 dieser Vereinbarung festgelegt. Zudem beinhaltet Anlage 6 eine Verbotsliste für bestimmte Säugetiere (nicht etwa Löwen, Tiger, Elefanten). Für Rüsseltiere, Jaguare, Leoparden, Tiger, Löwen, Braunbären, Affen, Kamele, Zebras wurden lediglich Mindeststandards festgelegt.

Aus dieser Regelung wird deutlich, dass sich die Landesgesetzgeber des - an späterer Stelle noch näher auszuführenden - grundsätzlichen Konflikts zwischen den Interessen des Tierschutz einerseits und den in ihrer Erwerbsausübungsfreiheit betroffenen Zirkusunternehmen andererseits bewusst waren und einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen beabsichtigten. Das Festlegen von Mindeststandards entspricht grundsätzlich einer ausgewogenen Sichtweise in Abwägung dieser Interessen.

Einen solchen abgewogenen Ausgleich der

widerstreitenden Interessen hat der Bundesgesetzgeber aber im Zuge der Erlassung des (Bundes-) Tierschutzgesetzes gerade nicht vorgenommen. [...] Seit Inkrafttreten der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz besteht daher ein nicht aufzulösender Wertungswiderspruch zwischen landes- und bundesrechtlichen Vorschriften. ...

Darüber hinaus wird die Antragstellerin durch die Vorschrift des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz auch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt. [...]

Zwar wird der Antragstellerin der Betrieb eines Zirkusunternehmens nicht vollständig untersagt. Ihr wäre es beispielsweise möglich, lediglich akrobatische Darbietungen und Dressurnummern mit Heimtieren vorzuführen. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass es sich bei dem Programm der Antragstellerin um eine künstlerische und konzeptionelle Einheit handelt, aus der sich die Vorführungen mit Wildtieren nicht herausnehmen lassen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Antragstellerin um ein klassisches Zirkusunternehmen handelt, Wildtieraufführungen Hauptnummern darstellen und das Publikumsinteresse gerade an dieser Unterscheidbarkeit zu Varietes liegt. Diesen Erwerbszweig kann die Antragstellerin aufgrund des Wildtieraufführungsverbotes nicht mehr ausüben. Es handelt es sich daher um einen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit. [...]

Ein vollständiges Wildtieraufführungsverbot ist

jedoch bereits zum Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere weder geboten noch geeignet. Ein generelles Aufführungsverbot für Wildtiere wäre aus Tierschutzgründen nur dann geboten, wenn festgestellt werden könnte, dass die Haltung dieser Tierarten in Zirkussen grundsätzlich tierschutzrechtliche Probleme aufwirft. Die Regelung des § 27 Abs 1 Tierschutzgesetz ist jedoch weder adäquat noch kann sie im Übrigen sachlich gerechtfertigt werden.

Das generelle Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen stellt keinesfalls das mildeste Mittel dar, um den Schutz der Tiere sicherzustellen. Dieses Ziel kann ebenso wirkungsvoll durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden.

Beispiele für ebenso wirksame, aber weniger

einschneidende Maßnahmen finden sich zunächst in den landesrechtlichen Vorschriften. So sieht beispielsweise die Vereinbarung gemäß Art 15 a B-VG in Art 1 für die Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen ein behördliches Verfahren mit der Möglichkeit der Vorschreibung von Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen im Interesse des Tierschutzes vor. Lediglich für den Fall, dass auch durch Beschränkungen, Bedingungen oder Auflagen die Interessen des Tierschutzes nicht gewahrt werden können, ist die Haltung und Mitwirkung der Tiere zu untersagen. [...] Ein solches System von Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen in Form einer sorgfältigen Abwägung der Interessen wäre sachlich und stellte einen Ausgleich zwischen Tierschutzinteressen und Interessen von Erwerbsbetrieben an der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit durch das Aufführen von Wildtierprogrammen, aber auch Wildtierschauen, her. Durch derartige Regelungen wird die artgemäße und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere gleichermaßen gewährleistet und zugleich die gewerbliche Tätigkeit der klassischen Zirkusunternehmen weniger eingeschränkt. Denn obwohl diese Regelungen die Zirkusunternehmen ebenfalls in ihrer Erwerbsausübungsfreiheit einschränken, wird ihnen der Betrieb eines klassischen Zirkus nicht gänzlich unmöglich gemacht. [...] Demgegenüber steht ein generelles Verbot des Haltens und Mitwirkens von Wildtieren in Zirkussen in keinem Verhältnis zu den rechtfertigenden Gründen. [...]

Schließlich besteht auch ein unzweifelhaftes

öffentliches Interesse an Zirkusaufführungen mit Wildtieren. Dies verdeutlicht die bereits dargestellte Initiative des Europäischen Parlaments, den Zirkus mit Tiervorführungen ausdrücklich als Teil der Kultur Europas anzuerkennen. Diesen Bestrebungen läuft ein Wildtierverbot klar zuwider. [...]

Das Wildtieraufführungsverbot verletzt auch den durch Art 7 B-VG und Art 2 StGG gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz. [...] Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich das Verbot zur Haltung und Mitwirkung von Wildtieren lediglich auf Zirkusse, Varietes und ähnliche Einrichtungen, nicht aber auf andere Einrichtungen, wie etwa Zoos oder die Haltung von Tieren erstreckt. Diese verschiedenen Haltungseinrichtungen sind durchaus miteinander vergleichbar. Sowohl bei Zirkussen, als auch bei Zoos oder anderen gewerblichen Einrichtungen handelt es sich um gewerbliche Betriebe, in denen Wildtiere in menschlicher Obhut gehalten und zur Schau gestellt werden. Zudem unterscheiden sich die Haltungsbedingungen von Tieren in Zoos und Zirkussen oftmals nicht voneinander. So kann insbesondere die Haltung von Tieren in einem stationären Zirkus durchaus mit der der Tierhaltung in einem Zoo vergleichbar sein. Entsprechendes gilt für die Tierhaltung in der Filmindustrie. Ebenso wie im mobilen Zirkus werden hier Tiere in speziellen Transportwagen an unterschiedliche Orte transportiert.

Trotz dieser offensichtlichen Gemeinsamkeiten wird die Wildtierhaltung in Zirkussen vom Gesetzgeber anders geregelt als die Haltung dieser Tiere in anderen Einrichtungen. So normiert beispielsweise § 25 Abs 1 Tierschutzgesetz unter der Bedingung der Erfüllung von Mindestvoraussetzungen die Möglichkeit des Haltens von Wildtieren für bestimmte Einrichtungen, wobei gemäß Abs 2 Einrichtungen, die dem Tierversuchsgesetz unterliegen, Zoos, Tierheime und die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten nicht einmal der Anzeige nach Abs 1 bedürfen. Der Bundesgesetzgeber erlaubt daher einerseits vorbehaltlos die Haltung von Wildtieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten gemäß § 25 Abs 2 Ziff. 4 Tierschutzgesetz, verbietet andererseits jedoch Zirkussen gänzlich, diese Tiere zu halten und zu verwenden. [...]

Die angefochtene Gesetzesnorm des § 27 Abs 1

Tierschutzgesetz greift in das durch Art 5 StGG und Art 1 1. ZP EMRK geschützte Eigentumsrecht ein. Durch das Verbot des Haltens und des Aufführens von Wildtieren wird die Antragstellerin in ihrem Recht auf Eigentum beschränkt. Es ist der Antragstellerin nicht möglich, mit den in ihrem Eigentum stehenden Wildtieren, die einen Wert von über einer Million Euro repräsentieren, wobei der tatsächliche Wert der ausgebildeten Tiere diese Summe wohl noch um [das] Dreifache übersteigt, das Staatsgebiet der Republik Österreich zu betreten. [...]"

Schließlich bringt die Antragstellerin vor, dass das in § 27 Abs 1 TSchG normierte Verbot, in Zirkussen Wildtiere zu halten oder zur Mitwirkung zu verwenden, gegen Unionsrecht, insbesondere gegen Art 16 der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt) und gegen die in Art 56 AEUV garantierte Dienstleistungsfreiheit verstoße. Der Tierschutz falle nicht unter den Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art 16 Abs 1 litb Dienstleistungsrichtlinie. Selbst wenn man den Tierschutz vom Schutzgut der öffentlichen Ordnung erfasst ansehe, verstieße das Verbot deswegen gegen die Dienstleistungsrichtlinie, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werde. Aus diesem Grund könne die mit dem genannten Verbot einhergehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art 56 AEUV auch nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, gehe die Regelung doch über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich sei. Die Antragstellerin regt in diesem Zusammenhang an, diese Fragen dem Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen.

3.2. Zur Verordnung:

Das durch § 9 iVm Anlage 6 der

2. Tierhaltungsverordnung geregelte Verbot der Haltung von Wildtieren sei den gleichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken ausgesetzt wie das des § 27 Abs 1 TSchG. Die Regelung bedeute hinsichtlich der Verbote von Großkatzen, Kleinkatzen, Großbären, Flusspferden und Giraffen in Ziffer 9, 10, 12, 21 und 22 des § 9 der 2. Tierhaltungsverordnung einen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit, das Recht auf Eigentum, den Gleichheitsgrundsatz und die Dienstleistungsfreiheit. Diese Eingriffe seien nicht gerechtfertigt.

4. Die Bundesregierung tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und führt zur Verfassungskonformität des § 27 Abs 1 TSchG im Wesentlichen aus:

"Zu den Bedenken hinsichtlich des Berücksichtigungsprinzips:

Die Antragstellerin behauptet zunächst einen Verstoß gegen 'die der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht' und führt dazu im Wesentlichen aus, dass § 27 Abs 1 TSchG ein absolutes Verbot für die Durchführung von Zirkusveranstaltungen mit Wildtieren beinhalte und damit im Widerspruch zu Regelungen des Veranstaltungsrechts der Länder, die Zirkusveranstaltungen mit Wildtieren grundsätzlich erlaubten, stehe. [...]

Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes '[verbietet] es die der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft [...], die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen zu unterlaufen'

(VfSlg. 15.281/1998 mwN). Dieses sogenannte 'Berücksichtigungsgebot' greift allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur bei 'Zielkonflikten' im sachlichen Überschneidungsbereich durch vom Bund und von einem Land je im Rahmen der eigenen Gesetzgebungskompetenzen getroffener Regelungen (zB VfSlg. 15.552/1999 und 17.854/2006). Voraussetzung für die Anwendung des 'Berücksichtigungsgebotes' ist, wie der Verfassungsgerichtshof jüngst konkretisiert hat, 'eine [...] Überschneidung identer Regelungsbereiche und ein daraus sich ergebender Zielkonflikt' (, G7/11-17). Das ist im Hinblick auf das Veranstaltungsrecht der Länder und § 27 Abs 1 TSchG nicht erkennbar:

Mit Inkrafttreten des Kompetenztatbestandes des Art 11 Abs 1 Z 8 B-VG mit ist die Gesetzgebungskompetenz im 'Tierschutz', soweit sie den Ländern zugekommen ist, auf den Bund übergegangen. Für die Auslegung des Tierschutzkompetenztatbestandes ist im Sinne der Versteinerungstheorie im Wesentlichen auf das TSchG, das zugleich mit dem Kompetenztatbestand erlassen wurde und in Kraft trat, abzustellen (Irresberger/Obenaus/Eberhard, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2005, 6). Das TSchG verfolgt das in § 1 TSchG verankerte Ziel, 'das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen' und untersagt seit seinem Inkrafttreten in § 27 Abs 1 TSchG die Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen. Bei Regelungen über die Zulässigkeit der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen handelt es sich somit um eine Angelegenheit des Tierschutzes im Sinne des Art 11 Abs 1 Z 8 B-VG. Landesrechtliche Regelungen, etwa des Veranstaltungsrechts, über die Mitwirkung von Wildtieren bei Zirkusveranstaltungen, die tierschutzrechtliche Gesichtspunkte betreffen (vgl. etwa § 9 iVm. § 18 Abs 1 und 3 des Wiener Veranstaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 12/1971, der bei der Erteilung einer Konzession für einen Zirkus auf 'tierschutzrechtliche Rücksichten' abstellt), sind gemäß Art 151 Abs 30 B-VG mit außer Kraft getreten (vgl. RV 446 BIgNR 22. GP 4, wonach die außer Kraft tretenden Vorschriften [...] in der selben Weise abgegrenzt [sind] wie die neu geschaffene Gesetz[gebungs]kompetenz des Bundes').

Im Unterschied zu tierschutzrechtlichen Vorschriften '[ist] der Regelungsgegenstand veranstaltungsrechtlicher Vorschriften [...] typischerweise im Bereich der verwaltungspolizeilichen Gefahrenabwehr angesiedelt. Es geht darum, Gefährdungen und unzumutbare Beeinträchtigungen, die von der Veranstaltung selbst oder von der dafür notwendigen Ausstattung bzw. von den erforderlichen Veranstaltungsstätten ausgehen, für die Veranstalter und Veranstaltungsteilnehmer selbst oder auch für Dritte hintanzuhalten bzw. zu vermeiden' (Lienbacher, Veranstaltungsrecht, in: Holoubek/Potacs (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts2 I (2007) 274).

Entsprechend der sogenannten Gesichtspunktetheorie, wonach ein Lebenssachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten, die unterschiedlichen Kompetenztatbeständen zuzuordnen sind, geregelt werden kann, können Zirkusse seit von der Gesetzgebung des Bundes unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes (Art11 Abs 1 Z 8 B-VG), von der Gesetzgebung der Länder unter dem Gesichtspunkt des Veranstaltungswesens (Art15 Abs 1 B-VG) geregelt werden.

Ein 'identer Regelungsbereich', wie nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für die Anwendbarkeit des 'Berücksichtigungsgebotes' erforderlich, ist damit hinsichtlich des Veranstaltungsrechts einerseits und des Verbots der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen nach § 27 Abs 1 TSchG andererseits nicht gegeben. Auch zu einem 'Zielkonflikt' dieser beiden Regelungskreise, die zum einen der Gefahrenabwehr von Menschen, zum anderen dem Schutz von Tieren dienen, kann es somit nicht kommen.

Die hier einschlägige Rechtslage ist auch nicht mit jener vergleichbar, die dem Erkenntnis VfSlg. 18.096/2007 zu Grunde lag. Der Verfassungsgerichtshof erkannte eine Verletzung des Berücksichtigungsgebotes durch ein bundesrechtliches Verbot der Ausstellung von Singvögeln, das 'dem Willen des Landesgesetzgebers diametral entgegensteht', weil solche Veranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes nicht mehr stattfinden dürften. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei davon aus, dass die (oberösterreichische) Landesgesetzgebung durch die Ausnahme solcher Veranstaltungen vom Anwendungsbereich des Veranstaltungsgesetzes von deren grundsätzlicher Zulässigkeit ausgehe. Im Unterschied dazu sieht das - von der Antragstellerin herangezogene - Wiener Veranstaltungsgesetz eine Konzessionspflicht für Zirkusse vor (§9 leg. cit.). Eine solche Konzession darf gemäß § 18 Abs 1 leg.cit. ua. nur verliehen werden, wenn kein gesetzliches Hindernis besteht. Ein gesetzliches Hindernis besteht auch dann, wenn den im Abs 3 genannten Interessen durch Beschränkungen oder Aufträge nicht oder nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. § 18 Abs 3 leg.cit. sieht als ein solches Interesse 'tierschutzrechtliche Rücksichten' vor. Das Wiener Veranstaltungsgesetz ordnet (bzw. ordnete; vgl. Art 151 Abs 30 B-VG) also bei der Erteilung einer Bewilligung für Zirkusveranstaltungen die Berücksichtigung des Tierschutzes an, die auch zur Versagung einer Konzession führen kann. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass ein Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen, dessen Erlassung seit Sache der Bundesgesetzgebung ist, dem Willen des Wiener Veranstaltungsgesetzgebers 'diametral entgegensteht' oder das Wiener Veranstaltungsgesetz 'vollständig missachtet und gegenstandslos macht'. [...]

Zu den Bedenken im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit

Die Antragstellerin behauptet, durch § 27 Abs 1 TSchG auch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art 6 StGG verletzt zu sein. [...]

Nach Auffassung der Bundesregierung ist allerdings fraglich, ob § 27 Abs 1 TSchG überhaupt einen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG darstellt. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nur solche Maßnahmen, die die Erwerbstätigkeit unmittelbar betreffen, in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht eingreifen. Ist eine Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit hingegen bloß eine 'faktische Verhinderung' oder eine 'Nebenwirkung' einer Maßnahme, die andere Zwecke verfolgt, so liegt mangels Intentionalität gar kein Eingriff vor (zB VfSlg. 15.431/1999, 14.685/1996, 14.179/1995). § 27 Abs 1 TSchG untersagt nicht Zirkusse als solche, sondern aus Gründen des Tierschutzes lediglich das Halten und Mitwirken von Wildtieren bei derartigen Veranstaltungen. Soweit die Antragstellerin ausführt, dass ihr ein Betrieb ihres Unternehmens in Österreich durch dieses Verbot nicht möglich ist, 'weil es sich bei dem Programm der Antragstellerin um eine künstlerische und konzeptionelle Einheit handelt, aus der sich die Vorführung mit Wildtieren nicht herausnehmen lasse', stellt die Antragstellerin bloß auf eine faktische Verhinderung ihrer Erwerbstätigkeit auf Grund interner Unternehmensorganisation ab. Ein grundrechtsrelevanter Eingriff scheint somit gar nicht vorzuliegen.

Andernfalls wäre die angefochtene Bestimmung als Berufsausübungsschranke zu qualifizieren, die jedenfalls gerechtfertigt wäre. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind '[a]uch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, [...] auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, dass Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf behindern (vgl. etwa VfSlg. 18.150/2007 mwN).

Die angefochtene Bestimmung überschreitet diesen

(relativ) weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht:

Die Gesetzgebung verfolgt mit dem TSchG generell und mit dem Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen in § 27 Abs 1 TSchG im Besonderen das in § 1 TSchG verankerte Ziel, 'das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen'. Die Gesetzgebung verfolgt damit ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel (VfSlg. 17.731/2005, 18.150/2007).

Während domestizierte Tiere über Jahrtausende hinweg an den Hausstand des Menschen gewöhnt wurden und sich durch systematische Zuchtwahl auch in physiologischer Hinsicht verändert haben, haben Wildere diesen Prozess nicht durchlaufen und weisen daher eine geringere Anpassungsfähigkeit und eine niedrigere Leidensschwelle auf. Darauf nimmt auch § 13 TSchG Bezug, der die Grundsätze der Tierhaltung regelt. [...]

Da die Anpassungsfähigkeit von Wildtieren geringer ist als die von domestizierten Tieren, erscheint es sachgerecht und legitim, restriktivere Schutzbestimmungen für Wildtiere als für andere Tiere (etwa Haus- oder Heimtiere) vorzusehen.

Geeignet ist das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen zum Schutz der Wildtiere vor allem wegen der (a) Bedingungen, die für eine art- sowie tiergerechte Haltung von Wildtieren notwendig sind, der (b) häufigen Ortswechsel, den die Tiere bei Zirkussen ausgesetzt sind und der (c) Dressur der Wildtiere. [...]

Das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen ist also ein geeignetes Mittel zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Ziels eines ethisch motivierten Tierschutzes.

Dieses Verbot ist zur Zielerreichung auch

erforderlich. [...]

Der Tierschutzgesetzgeber konnte bei einer Durchschnittsbetrachtung zulässigerweise davon ausgehen, dass in Zirkussen die oben [...] dargestellten Anforderungen an die art- und tiergerechte Haltung von Wildtieren nicht gewährleistet werden können. Dies zeigt sich insb. an den exemplarisch dargestellten Anforderungen an die Haltung von Elefanten, Löwen und Nashörnern, etwa hinsichtlich der Außengehege, zumal Zirkusse regelmäßig ein Großteil (im Fall der Antragstellerin: acht Monate) des Jahres auf Tournee sind. Jene Belastungen, die sich in Folge häufiger Ortswechsel und der Dressur aus der Zirkustierhaltung ergeben, lassen sich durch die Vorschreibung von Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen nicht beseitigen. Geeignete Alternativen zum generellen Verbot des § 27 Abs 1 TSchG sind daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht erkennbar.

In ähnlicher Weise hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 17.731/2005 eine Verletzung der Erwerbsfreiheit durch das Verbot der Haltung und Ausstellung von Hunden und Katzen im Rahmen gewerblicher Tätigkeit in Zoofachgeschäften zum Zweck des Verkaufs ua. mit der Begründung verneint, dass in Zoofachgeschäften und solchen Einrichtungen 'eine artgerechte Tierhaltung, die offenkundig ein Anliegen des Gesetzgebers ist, nicht gewährleistet werden kann'. In VfSlg. 18.150/2007 hegte der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund unterschiedlicher Fachmeinungen keine Bedenken gegen die Erforderlichkeit eines allgemeinen Verwendungsverbots elektrisierender Dressurgeräte; dem Gesetzgeber sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen zu treten, wenn er bei einem solchen Widerspruch dem öffentlichen Interesse am Schutz der Tiere Vorrang einräume.

Schließlich bezweifelt die Antragstellerin, dass die angefochtene Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu den sie rechtfertigenden Gründen stehe.

Das TSchG sieht hinsichtlich der Haltung und Nutzung von Wildtieren ein abgestuftes System von Anzeigen, Bewilligungen und generellen Verboten vor (vgl. RV 446 BIgNR 22. GP 23): Für (alle) Wildtiere sind durch Verordnung Mindestanforderungen an die Haltung zu erlassen (§24 Abs 1 Z 2 TSchG). Wildtiere, die besondere Ansprüche an die Haltung stellen, dürfen nur nach einer Anzeige gehalten werden; diese Wildtiere sind durch Verordnung zu bezeichnen (§25 Abs 1 und 3 Z 1 TSchG). Ausgenommen von der Anzeigepflicht sind dem Tierversuchsgesetz unterliegende Einrichtungen, Zoos, Tierheime und die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten (§25 Abs 2 TSchG); ihre Zulässigkeit unterliegt anderen rechtlichen Vorschriften. Durch Verordnung ist die Haltung bestimmter Wildtierarten aus Gründen des Tierschutzes zu verbieten (§25 Abs 3 Z 2 TSchG). Nach den Gesetzesmaterialien sollen von diesem Verbot jene Wildtierarten erfasst werden, 'bei denen davon ausgegangen werden muss, dass die Anforderungen, die diese Tiere an Haltung und Pflege stellen, von herkömmlichen Tierhaltern auch bei bestem Willen nicht erfüllt werden können' (RV 446 BIgNR 22. GP 23). Schließlich sieht § 27 Abs 1 TSchG ein generelles Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen vor.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Anforderungen an die art- und tiergerechte Haltung von Wildtieren und deren besonderer Belastung durch häufige Ortswechsel und Dressuren erscheint es sachgerecht und nicht außer Verhältnis zur Erwerbsfreiheit, wenn der Tierschutzgesetzgeber innerhalb dieses abgestuften Systems ein (generelles) Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen vorsieht, zumal durch dieses Verbot die Veranstaltung eines Zirkusses nicht untersagt wird und Zirkussen auch ohne Mitwirkung von Wildtieren vielfältige Darbietungsmöglichkeiten offen stehen.

Die Antragstellerin versucht ihre Behauptung einer Verletzung des Art 6 StGG durch einen Vergleich mit Regelungen der - zwischen den Bundesländern geschlossenen - Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG zur Verbesserung des Tierschutzes im allgemeinen und im besonderen im außerlandwirtschaftlichen Bereich (zB Wiener LGBl. Nr. 24/1999) und des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes, LGBl. Nr. 39/1987, betreffend Haltungsverbote zu untermauern. Dazu ist anzumerken, dass die genannte Vereinbarung durch die Vertragsparteien gekündigt und am außer Kraft getreten ist und im genannten Gesetz die tierschutzrelevanten Bestimmungen durch die Novelle LGBl. Nr. 4/2005 aufgehoben wurden (der Titel dieses Gesetzes lautet seit dieser Novelle 'Wiener Tierhaltegesetz'). [...]

Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art7 B-VG und Art 2 StGG)

Die Antragstellerin behauptet auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass sich das Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren lediglich auf Zirkusse, Varietes und ähnliche Einrichtung[en] erstreckt, während der Gesetzgeber die Haltung dieser Tiere in anderen Einrichtungen gemäß § 25 Abs 1 TSchG unter der Bedingung der Erfüllung von Mindestvoraussetzungen erlaube. [...]

Zirkusse unterscheiden sich von allen anderen Formen der (Wild-)Tierhaltung durch zwei Merkmale, die, wie oben [...] bereits ausgeführt, in besonderem Maß geeignet sind, das Wohlergehen von Wildtieren zu beeinträchtigen:


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-
erstens handelt es sich um nicht-standortfeste Einrichtungen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig verschiedene Standorte beziehen;


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zweitens werden die Tiere im Rahmen spezifischer Darbietungen präsentiert, was eine Dressur, das heißt eine äußere Einwirkung auf die Tiere mit dem Ziel der Änderung ihres natürlichen Verhaltens, voraussetzt.

Die Beeinträchtigung des Wohlbefindens von Wildtieren in Zirkussen ist daher wesentlich größer als in den in § 25 TSchG und § 28 TSchG (Verwendung von Tieren bei sonstigen Veranstaltungen und Mitwirkung bei Film- und Fernsehaufführungen), weshalb die Unterscheidung zwischen § 25 und 28 TSchG einerseits und dem in § 27 Abs 1 TSchG normierten Verbot für Zirkusse andererseits sachlich gerechtfertigt ist.

Dies trifft im Besonderen auf die Haltung von

Wildtieren in Zoos zu, die sich wesentlich von jener in Zirkussen unterscheidet. Die Haltung von Löwen, Elefanten, Nashörnern und Zebras, mit welchen die Antragstellerin auf Tournee gehen will, ist Zoos der Kategorie A vorbehalten. Gemäß § 4 Abs 2 der Zoo-Verordnung, BGBl. II Nr. 491/2004 idF BGBl. II Nr. 30/2006, muss der verantwortliche Leiter eines solchen Zoos für den tiergartenbiologischen Bereich ein abgeschlossenes Studium der Zoologie der Studienrichtung Biologie oder Veterinärmedizin in Verbindung mit einer mehrjährigen praktischen Berufserfahrung vorweisen können. Die Anzahl der Betreuer (Tierpfleger mit Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Tierpfleger) hat im Verhältnis zum Tierbestand zu stehen (§4 Abs 2 der Zoo-Verordnung). Abs 4 leg.cit. normiert, dass Zoos der Kategorie A zumindest zu Forschungsaktivitäten zur Arterhaltung beitragen, sich am Austausch von Informationen über Arterhaltung und Aufzucht in Menschenobhut und an der Ausbildung in erhaltensspezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten beteiligen. Die Ziele eines Zirkusses sind nicht vergleichbar mit den hier dargestellten eines Zoos, da es im Zirkus um die Unterhaltung der Zuschauer durch aktives Mitwirken der Tiere und des ihnen dabei abverlangten, nicht-artspezifischen Verhaltens geht.

In Zoos ist es in der Regel möglich, die Gehege durch 'environmental enrichments' so zu gestalten, dass sie weitestmöglich den natürlichen Bedingungen entsprechen, um den Tieren arttypische Verhaltensweisen zu ermöglichen und ihre biologischen Bedürfnisse (zB tägliches Bad der Elefanten, Sandbäder, Strukturierung der Anlagen, Ausleben des Nahrungssuchverhaltens, Beutesimulator bei Raubkatzenfütterung etc.) zu erfüllen. Auch auf die Sozial-/Familienstrukturen kann in Zoos besser eingegangen werden (zB durch Einzelhaltung bei Einzelgängern). In Zirkussen kann der Wechsel von Sozialpartnern bzw. das Leben in Isolation oder in Kleingruppen eine Überforderung der Anpassungsfähigkeit darstellen. Dies kann negative Konsequenzen für das Verhalten, das Wohlbefinden und die Reproduktion haben. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Zirkusse häufig Tiere mit anderen Institutionen tauschen und sich diese Tatsache äußerst negativ auf das Sozialverhalten auswirkt, da hiermit häufig bestehende soziale Gruppenbindungen zerstört werden (lossa et. al., Are wild animals suited to travelling circus life? Animal Welfare 2009, 18: 129-140). Bei Elefanten konnte nachgewiesen werden, dass dieser Eingriff in das Sozialgefüge schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Reproduktion haben kann. Der Wechsel von Sozialpartnern bzw. das Leben in Isolation oder in Kleingruppen kann bei Zirkustieren eine Überforderung der Anpassungsfähigkeit darstellen. [...]

Zum Vorbringen der Antragstellerin, dass die Haltung von Tieren in einem 'stationären Zirkus' mit der der Tierhaltung in einem Zoo vergleichbar sei, ist anzumerken, dass der Wechsel der Spielstätten zum atypischen Erscheinungsbild eines Zirkusses zählt; auch die Antragstellerin befindet sich eigenen Angaben zufolge acht Monate des Jahres auf Tournee. Die Haltung von in § 9 der

2. Tierhaltungsverordnung genannten Tieren wäre jedenfalls aber nur dann zulässig, wenn es sich um einen Zoo iSd der Zoo-Verordnung handelt.

Dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die Verwendung von Wildtieren bei Film- und Fernsehaufnahmen jener bei Zirkussen vergleichbar ist, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Im Unterschied zur Verwendung von Wildtieren in Zirkussen, wo bei mehrere Monate dauernden Tourneen häufig Ortswechsel vorgenommen werden, erfolgt der Einsatz bei Filmaufnahmen an wenigen Drehorten in einem begrenztem Zeitraum. Die Verwendung von Wildtieren zu Filmaufnahmen gemäß § 28 Abs 1 TSchG bedarf einer Bewilligung nach § 23 TSchG. Die Erteilung der Bewilligung ist in der Regel an Auflagen hinsichtlich der Dauer des Einsatzes, der Unterbringung der Tiere, der Verpflegung etc. geknüpft. Stellt sich im Rahmen einer Kontrolle heraus, dass die Haltung nicht mehr den Bewilligungsvoraussetzungen entspricht, kann dies bis zum Entzug der Bewilligung führen. Die Gefahr einer Überforderung der Anpassungsfähigkeit bei Filmaufnahmen ist gering, da typischerweise keine häufigen Ortswechsel damit verbunden sind. Abgesehen von den kurzen Auftritten bei den Dreharbeiten, bei denen den Tieren auch Dressurnummern abverlangt werden können, kann bei diesen Tieren grundsätzlich von einer artgerechten Haltung ausgegangen werden, was bei einem Zirkus nicht der Fall ist. [...]"

Die Bedenken im Hinblick auf das Eigentumsrecht (Art5 StGG, Art 1 1. ZPMRK) erachtet die Bundesregierung im Wesentlichen aus den von ihr schon zur Erwerbsausübungsfreiheit dargelegten Gründen ebenfalls für nicht zutreffend.

4. Der Bundesminister für Gesundheit tritt den

inhaltlichen Bedenken der Antragstellerin gegen die genannten Bestimmungen der 2. Tierhaltungsverordnung mit im Wesentlichen gleichen Argumenten wie den von der Bundesregierung zum gesetzlichen Verbot vorgebrachten ebenfalls entgegen.

II. Zur Rechtslage

1. Die angefochtene Bestimmung des Tierschutzgesetzes, BGBl. I 118/2004, idF BGBl. I 80/2010, und ihr wesentliches Umfeld (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben) lauten:

"Zielsetzung

§1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf.

Förderung des Tierschutzes

§2. Bund, Länder und Gemeinden sind verpflichtet, das Verständnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Jugend für den Tierschutz zu wecken und zu vertiefen und haben nach Maßgabe budgetärer Möglichkeiten tierfreundliche Haltungssysteme, wissenschaftliche Tierschutzforschung sowie Anliegen des Tierschutzes zu fördern.

[...]

Begriffsbestimmungen

§4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Bundesgesetz jeweils folgende Bedeutung:

1. [...]

2. Haustiere: domestizierte Tiere der Gattungen Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd, jeweils mit Ausnahme exotischer Arten, sowie Großkamele, Kleinkamele, Wasserbüffel, Hauskaninchen, Haushunde, Hauskatzen, Hausgeflügel und domestizierte Fische;

3. Heimtiere: Tiere, die als Gefährten oder aus

Interesse am Tier im Haushalt gehalten werden, soweit es sich um Haustiere oder domestizierte Tiere der Ordnungen der Fleischfresser, Nagetiere, Hasenartige, Papageienvögel, Finkenvögel, Taubenvögel und der Klasse der Fische handelt;

4. Wildtiere: alle Tiere außer den Haus- und Heimtieren;

[...]

10. Zoos: dauerhafte Einrichtungen, in denen

Wildtiere zwecks Zurschaustellung während eines Zeitraums von mindestens sieben Tagen im Jahr gehalten werden, ausgenommen Zirkusse und Tierhandlungen;

11. Zirkus: eine Einrichtung mit Darbietungen, die unter anderem auf dem Gebiet der Reitkunst oder der Tierdressur liegen und akrobatische Vorführungen, ernste und komische Schaunummern, Pantomimen sowie Tanz- und Musiknummern einschließen können;

12. Variete: eine Einrichtung mit Darbietungen, die im wesentlichen bloß auf Unterhaltung abzielt und bei der in abwechselnder Programmnummernfolge deklamatorische oder musikalische Vorträge, artistische Vorführungen, Schaunummern, kurze Possen, Singspiele, Burlesken oder Szenen veranstaltet werden;

[...]

Bewilligungen

§23. Für Bewilligungen gelten, soweit nicht anderes bestimmt ist, die folgenden Bestimmungen:

1. Die Behörde hat Bewilligungen nur auf Antrag zu erteilen. Örtlich zuständig für die Bewilligung ist die Behörde, in deren Sprengel die bewilligungspflichtige Haltung, Mitwirkung oder Verwendung von Tieren stattfindet oder stattfinden soll.

2. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die

beantragte Tierhaltung den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen sowie dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht und kein Tierhaltungsverbot entgegensteht.

3. Bewilligungen können erforderlichenfalls befristet oder unter Auflagen oder unter Bedingungen erteilt werden.

4. Eine befristete Bewilligung ist auf Antrag des Bewilligungsinhabers zu verlängern, wenn der Antrag vor Ablauf der Frist eingebracht wird und die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung weiterhin gegeben sind.

Erforderlichenfalls sind die Bedingungen oder Auflagen (Z3) abzuändern.

5. Stellt die Behörde fest, dass die Tierhaltung

nicht mehr den Bewilligungsvoraussetzungen entspricht oder die vorgeschriebenen Auflagen oder Bedingungen nicht eingehalten werden, hat sie mit Bescheid die zur Erreichung des rechtmäßigen Zustandes notwendigen Maßnahmen vorzuschreiben und dem Bewilligungsinhaber den Entzug der Bewilligung anzudrohen. Kommt der Bewilligungsinhaber innerhalb der im Bescheid festgesetzten Frist den Vorschreibungen nicht nach, hat die Behörde die Bewilligung zu entziehen. Die betroffenen Tiere sind abzunehmen und solchen Vereinigungen, Institutionen oder Personen zu übergeben, die Gewähr für eine diesem Bundesgesetz entsprechende Haltung bieten.

[...]

Wildtiere

§25. (1) Wildtiere, die - etwa im Hinblick auf Klima, Ernährung, Bewegungsbedürfnis oder Sozialverhalten - besondere Ansprüche an die Haltung stellen, dürfen bei Erfüllung der vorgeschriebenen Voraussetzungen nur auf Grund einer binnen zwei Wochen vorzunehmenden Anzeige der Wildtierhaltung bei der Behörde gehalten werden. In Gehegen, in denen Schalenwild ausschließlich zur Fleischgewinnung gehalten wird, darf dieses bei Erfüllung der vorgeschriebenen Voraussetzungen ebenfalls nur auf Grund einer Anzeige der Wildtierhaltung bei der Behörde gehalten werden. Die Anzeige hat den Namen und die Anschrift des Halters, die Art und Höchstzahl der gehaltenen Tiere, den Ort der Haltung und weitere Angaben zu enthalten, die zur Beurteilung durch die Behörde erforderlich sind; das Nähere ist durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, in Bezug auf Gehege, in denen Schalenwild ausschließlich zur Fleischgewinnung gehalten wird, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, zu regeln.

(2) Einer Anzeige nach Abs 1 bedürfen nicht:

1. Einrichtungen, die dem Tierversuchsgesetz, BGBl. Nr. 501/1989, unterliegen;

2. Zoos;

3. Tierheime;

4. die Haltung von Tieren im Rahmen gewerblicher

Tätigkeiten.

(3) Der Bundesminister für Gesundheit hat durch

Verordnung unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung und die sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse

1. jene Wildtiere zu bezeichnen, die besondere

Anforderungen an die Haltung stellen und

2. die Haltung bestimmter Wildtierarten aus Gründen des Tierschutzes zu verbieten. Ein solches Verbot gilt nicht für Zoos, die über eine Bewilligung gemäß § 26 verfügen, sowie für wissenschaftliche Einrichtungen, die ihre Wildtierhaltung gemäß Abs 1 angezeigt haben.

(4) Für die Haltung von Wildtieren, die keine

besonderen Anforderungen an Haltung und Pflege stellen, in gewerbsmäßig betriebenen Einrichtungen gilt Abs 1 entsprechend.

(5) Die Haltung von Pelztieren zur Pelzgewinnung ist verboten.

Haltung von Tieren in Zoos

§26. (1) Die Haltung von Tieren in Zoos bedarf einer Bewilligung nach § 23.

(2) Nähere Bestimmungen über Mindestanforderungen für Zoos in Bezug auf die Ausstattung, Betreuung von Tieren, Betriebsführung, über die von den mit der Tierhaltung beschäftigten Personen nachzuweisende Ausbildung sowie über von Zoos, mit Ausnahme von Einrichtungen, in denen keine bedeutende Anzahl von Tieren oder Arten zur Schau gestellt werden und die nicht für den Schutz wildlebender Tiere oder die Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutend sind, zu erbringende Leistungen (Arterhaltung, Aufklärung der Öffentlichkeit, wissenschaftliche Forschung) hat der Bundesminister für Gesundheit unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung und die sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Ansprüche der gehaltenen Tierarten durch Verordnung festzulegen.

[...]

Haltung von Tieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen

§27. (1) In Zirkussen, Varietes und ähnlichen

Einrichtungen dürfen keine Arten von Wildtieren gehalten oder zur Mitwirkung verwendet werden.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit hat unter

Bedachtnahme auf die Zielsetzung und die sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch Verordnung die Voraussetzungen und Mindestanforderungen für die Haltung und die Mitwirkung von Tieren in Zirkussen und ähnlichen Einrichtungen sowie für die erforderliche Sachkunde der Betreuungspersonen näher zu regeln.

(3) Die Haltung und Mitwirkung von Tieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen, insbesondere auch die Erhöhung der Zahl der Tiere oder die Haltung anderer als der bewilligten Tiere, bedarf einer behördlichen Bewilligung. Die Bewilligung gilt für das gesamte Bundesgebiet. Die Zuständigkeit für Maßnahmen nach § 23 Z 5 richtet sich nach dem jeweiligen Standort.

(4) Die Bewilligung ist nach Maßgabe des § 23 und nur dann zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass

1. die Haltung der Tiere den Anforderungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Verordnungen entspricht,

2. eine ausreichende tierärztliche Betreuung

sichergestellt ist und

3. der Bewilligungswerber nachweislich über ein

geeignetes Winterquartier verfügt, das den Anforderungen an die Tierhaltung im Sinne dieses Gesetzes entspricht. Ausländische Unternehmer haben eine vergleichbare Bestätigung ihres Heimatlandes beizubringen.

(5) Der Wechsel des Standortes ist der Behörde des nächsten Standortes rechtzeitig, jedenfalls aber vor Bezug des neuen Standortes, anzuzeigen. In der Anzeige sind neben dem Standort auch die Art und die Zeit einer Veranstaltung und die dabei gehaltenen Tiere anzugeben. Die Bewilligung ist der Anzeige im Original oder in Kopie anzuschließen.

(6) [...]

Strafbestimmungen

§38. (1) Wer

1. einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt [...]

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15.000 Euro zu bestrafen.

(2) In schweren Fällen der Tierquälerei ist eine Strafe von mindestens 2.000 Euro zu verhängen.

(3) Wer außer in den Fällen der Abs 1 und 2 gegen §§5, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7.500 Euro zu bestrafen.

(4) [...]

(5) Der Versuch ist strafbar.

(6) [...]"

2. Die relevanten Bestimmungen der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über den Schutz, die Haltung und Mitwirkung von Tieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen (Tierschutz-Zirkusverordnung), BGBl. II 489/2004, lauten:

"Geltungsbereich, Begriffsbestimmungen

§1. (1) Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen für die Haltung und Mitwirkung von Tieren in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen sowie die erforderliche Sachkunde der Betreuungspersonen.

(2) Im Sinne dieser Verordnung sind

1. 'ähnliche Einrichtungen' Einrichtungen, die

vergleichbare Darbietungen wie Zirkusse oder Varietes präsentieren, zB solche der Musik und darstellenden Kunst;

2. 'Dressur' die Arbeit mit einem Tier, bei der das Tier auf anerzogene Schlüsselreize mit einem spezifischen Verhalten reagiert.

Mindestanforderungen an die Haltung

§2. (1) Für die Haltung von Tieren in Zirkussen,

Varietes und ähnlichen Einrichtungen gelten die Mindestanforderungen der


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 485/2004 und
2.
Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 486/2004.

(2) Die Tiere sind so unterzubringen und zu

versorgen, dass

1. ihre Sicherheit und Gesundheit sowie die Sicherheit und Gesundheit des Betreuungspersonals und der Besucher gewährleistet ist und

2. keine haltungsbedingten Erkrankungen oder Verhaltensstörungen auftreten.

(3) Jedem Tier ist eine den Bedürfnissen seiner Art angemessene Innenanlage und, sofern dies in der 1. oder 2. Tierhaltungsverordnung vorgesehen ist, auch eine Außenanlage zur Verfügung zu stellen. Ist eine Außenanlage erforderlich, so ist den Tieren täglich die Möglichkeit zur freien Bewegung in der Außenanlage zu geben.

(4) Mit allen Tieren, die in Zirkussen, Varietes und ähnlichen Einrichtungen zur Mitwirkung verwendet werden, muss regelmäßig der Art der Darbietung entsprechend gearbeitet werden.

(5) An den Tagen, an welchen mit den Tieren

gearbeitet wird, hat nach Möglichkeit der Aufenthalt in der Außenanlage, soweit dieser in der 1. oder 2. Tierhaltungsverordnung vorgesehen ist, mindestens sechs Stunden, an anderen Tagen mindestens acht Stunden zu betragen."

3. Die relevanten Bestimmungen der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die

1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wildtiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II 486/2004, idF BGBl. II 384/2007, samt wesentlichem Umfeld (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben) lauten:

"Geltungsbereich und Zielsetzung

§1. (1) In der vorliegenden Verordnung werden Mindestanforderungen für Wirbeltiere, die zur Haltung in menschlicher Obhut geeignet sind, festgelegt sowie solche Wildtiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und solche Wildtierarten, deren Haltung aus Tierschutzgründen verboten ist, bezeichnet.

(2) Diese Verordnung gilt für die Haltung von

Wirbeltieren, die nicht unter die 1. Tierhaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 485/2004, fallen.

(3) Grundlegendes Ziel ist es, Tieren in Menschenobhut ein Maximum an artspezifischen Verhaltensweisen nicht nur zu ermöglichen, sondern ein Maximum an artspezifischen Verhaltensweisen auch gezielt zu fördern.

[...]

Verbot der Haltung bestimmter Wildtiere

§9. Außerhalb von Zoos, die über eine Bewilligung

gemäß § 26 Abs 1 des Tierschutzgesetzes verfügen, sowie von wissenschaftlichen Einrichtungen, die ihre Wildtierhaltung gemäß § 25 Abs 1 des Tierschutzgesetzes anzeigen, ist die Haltung folgender Wildtiere verboten:

1. Kloakentiere (Monotremata), alle Arten;

2. Riesengleiter (Dermoptera), alle Arten;

3. Menschenaffen (Pongidae);

4. Nebengelenktiere (Xenarthra), alle Arten;

5. Schuppentiere (Pholidota), alle Arten;

6. Schleichkatzen (Viverridae), alle Arten;

7. Hyänen (Hyaenidae), alle Arten;

8. Hundeartige Raubtiere (Canidae), alle Arten mit Ausnahme von Wolf (Canis lupus), Fuchs (Vulpes vulpes), Marderhund (Nyctereutes procyonoides) und Goldschakal (Canis aureus);

9. Großkatzen (Pantherini), alle Arten;

10. Kleinkatzen (Felini), alle Arten mit Ausnahme der Wildkatze (Felis silvestris) und des Luchses (Lynx lynx);

11. Gepard (Acinonyx jubatus);

12. Großbären (Ursidae), alle Arten mit Ausnahme des Braunbären (Ursus arctos);

13. Katzenbär (Ailurus fulgens);

14. Bambusbär (Ailuropoda melanoleuca);

15. Robben (Pinnipedia), alle Arten;

16. Wale (Cetacea), alle Arten;

17. Röhrchenzähner (Tubulidentata), alle Arten;

18. Seekühe (Sirenia), alle Arten;

19. Nashörner (Rhinocerotidae), alle Arten;

20. Tapire (Tapiridae), alle Arten;

21. Flusspferde (Hippopotamidae), alle Arten;

22. Giraffen (Giraffidae), alle Arten;

23. Rüsseltiere (Proboscidea), alle Arten."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen:

1.1. Gemäß Art 139 und Art 140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit bzw. Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz bzw. die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz bzw. die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw. ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 140 Abs 1 und Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).

Der Verfassungsgerichtshof hat seit den Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 16.332/2001).

1.2. Die Antragstellerin betreibt ein Zirkusunternehmen. Im Rahmen des von diesem Zirkus veranstalteten Programms spielen Darbietungen, an denen Wildtiere im Sinne des § 27 Abs 1 TSchG beteiligt sind, eine wesentliche Rolle. Die Antragstellerin plant eine Tournee durch Österreich, mithin ihr Zirkusprogramm einschließlich der darin enthaltenen Darbietungen mit Wildtieren an verschiedenen Orten in Österreich aufzuführen. Diese Umstände sind im Verfahren unbestritten geblieben, und auch der Verfassungsgerichtshof hat keinen Grund, diese in Zweifel zu ziehen.

§27 Abs 1 TSchG normiert ein - durch § 38 Abs 3 TSchG verwaltungsstrafbewehrtes - Verbot, in Zirkussen in Österreich Wildtiere zu halten oder zur Mitwirkung zu verwenden. Dieses Verbot hindert die Antragstellerin daran, ihr - in Deutschland zulässiges - Zirkusprogramm in vollem Umfang, also einschließlich der Nummern mit Wildtieren, darzubieten und die Wildtiere im Rahmen ihres Zirkusunternehmens bei der Tournee durch Österreich mitzuführen. Dieses Verbot trifft die Antragstellerin somit unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre (vgl. etwa VfSlg. 11.853/1988, 12.379/1990, 18.096/2007).

Der Antragstellerin steht auch kein anderer

zumutbarer Weg zur Verfügung, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es einem Normunterworfenen, mithin auch der Antragstellerin nicht zumutbar ist, ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren zu provozieren und in diesem die Rechtswidrigkeit der Verbotsnorm einzuwenden (vgl. etwa VfSlg. 14.260/1995, 18.096/2007). Auch § 27 Abs 3 TSchG, der unter anderem die Haltung und Mitwirkung von "Tieren" in Zirkussen der Bewilligungspflicht unterwirft, stellt für die Antragstellerin kein zumutbares Verfahren dar, das Verbot der Haltung und Verwendung von "Wildtieren" in Zirkussen in § 27 Abs 1 TSchG letztlich an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bezieht sich das Bewilligungsverfahren des § 27 Abs 3 TSchG doch - wovon auch die Bundesregierung ausgeht - nur auf von Wildtieren verschiedene Tiere. Die Bewilligung der Haltung und Mitwirkung von "Wildtieren" kann daher von vorneherein nicht Gegenstand eines Bewilligungsverfahrens nach § 27 Abs 3 TSchG sein, womit das eben unmittelbar wirkende Verbot des § 27 Abs 1 TSchG von der Behörde im Verfahren nach § 27 Abs 3 TSchG auch nicht zu vollziehen ist. In dieser Konstellation, in der bezüglich Wildtieren die Voraussetzungen für ein Verfahren gemäß dem § 27 Abs 3 TSchG überhaupt nicht gegeben sind (vgl. VfSlg. 8396/1978), stellt dieses Verfahren keinen Weg zur Bekämpfung des Verbots des § 27 Abs 1 TSchG dar.

Der Umfang der von der Antragstellerin zur Aufhebung beantragten Bestimmungen ist auch nicht zu eng gefasst, um im Fall der Aufhebung die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Denn angesichts der Unterscheidung des TSchG zwischen "Zirkus" und "Variete" (§4 Z 11 und 12 TSchG) wäre es vor dem Hintergrund eines das Wort "Zirkussen," in § 27 Abs 1 TSchG aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ausgeschlossen, die dann bereinigte Rechtslage dahingehend zu verstehen, dass die Haltung und Verwendung von Wildtieren in Zirkussen deswegen aufgrund dieser bereinigten Rechtslage verboten sein soll, weil Zirkusse "ähnliche Einrichtungen" wie Varietes darstellen.

Der Antrag ist schließlich auch nicht im Hinblick auf den auch vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Anwendungsvorrang des Unionsrechts unzulässig. Dies wäre dann der Fall, wenn der bekämpften Norm unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegenstünde, weil in diesem Fall auszuschließen wäre, dass der Antragsteller durch die bekämpfte Norm iSd Art 140 Abs 1 B-VG in seinen Rechten verletzt sein könnte (vgl. VfSlg. 15.771/2000, 18.298/2007). Angesichts des 41. Erwägungsgrundes zur Dienstleistungsrichtlinie und im Hinblick auf das von der Bundesregierung vorgelegte, in einem Verfahren nach (jetzt) Art 258 AEUV ergangene Schreiben der Europäischen Kommission betreffend die Vereinbarkeit des Verbots der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen mit der Dienstleistungsfreiheit hat der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken, dass dem hier gegenständlichen Verbot des § 27 Abs 1 TSchG unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegenstünde.

Der Antrag, das Wort "Zirkussen," in § 27 Abs 1 TSchG als verfassungswidrig aufzuheben, erweist sich daher als zulässig.

1.3. Der Antrag, näher bezeichnete Bestimmungen der

2. Tierhaltungsverordnung als gesetzwidrig aufzuheben, ist hingegen schon aus folgenden Erwägungen unzulässig:

Gemäß Art 139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 139 Abs 1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

Für die Antragstellerin als Zirkusunternehmen gilt zunächst die aufgrund des § 27 Abs 2 TSchG ergangene Tierschutz-Zirkusverordnung. Die 2. Tierhaltungsverordnung bezeichnet demgegenüber aufgrund der §§24 Abs 1 Z 2 und 25 Abs 3 TSchG allgemein die Wildtierarten, deren Haltung - außerhalb von Zoos sowie bestimmter wissenschaftlicher Einrichtungen - aus Tierschutzgründen verboten ist. Im Regelungssystem des TSchG und der auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen gilt also für Zirkusse in § 27 Abs 1 TSchG ein spezielles, aber alle Wildtiere umfassendes Verbot der Haltung und Verwendung, während allgemein zum einen die Haltung der in § 9 der

2. Tierhaltungsverordnung genannten speziellen Wildtierarten (zB Großkatzen, Rüsseltiere, etc.) verboten ist und zum anderen die von § 8 der genannten Verordnung erfassten Wildtierarten (zB Vögel, Reptilien, etc.) nur nach vorheriger Anzeige gehalten werden dürfen.

Für Zirkusse und damit für die Antragstellerin kommt die 2. Tierhaltungsverordnung daher nur insoweit zum Tragen, als § 2 Abs 1 der Tierschutz-Zirkusverordnung unter anderem für die Haltung von Tieren in Zirkussen auf die Mindestanforderungen der 2. Tierhaltungsverordnung verweist. Im geltenden System des Tierschutzrechts erfasst dieser Verweis insbesondere die ebenfalls in der

2. Tierhaltungsverordnung geregelten Mindestanforderungen für Wirbeltiere, die zur Haltung in menschlicher Obhut geeignet sind.

Wegen des geltenden speziellen, aber umfassenden

Verbots der Haltung von Wildtieren in Zirkussen gemäß § 27 Abs 1 TSchG umfasst der Verweis des § 2 Abs 1 der Tierschutz-Zirkusverordnung aber das Verbot der Haltung bestimmter Wildtiere in § 9 der 2. Tierhaltungsverordnung von vorneherein nicht. Dieses zählt nicht zu den Mindestanforderungen der Haltung von Tieren in Zirkussen, die § 2 Abs 1 der Tierschutz-Zirkusverordnung regelt.

Es ist daher ausgeschlossen, dass das Verbot der Haltung bestimmter Wildtiere des § 9 der

2. Tierhaltungsverordnung in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar eingreift. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

2. In der Sache:

Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, dass er sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003) und sohin ausschließlich zu beurteilen hat, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.1.1. Die Antragstellerin sieht in dem in § 27 Abs 1 TSchG normierten Verbot, in einem Zirkus Wildtiere zu halten und zur Mitwirkung bei den Darbietungen zu verwenden, zuvorderst eine Verletzung ihres durch Art 6 StGG gewährleisteten Grundrechts auf Erwerbsausübungsfreiheit. Das Verbot sei weder erforderlich noch notwendig. Im Rahmen eines individuellen Genehmigungsverfahrens könne, wie auch die Rechtslage nach einzelnen Landesgesetzen vor Inkrafttreten des umfassenden bundesgesetzlichen Verbots gezeigt habe, den Interessen des Tierschutzes ebenso wirksam, aber die Erwerbsausübung der Antragstellerin weniger beschneidend Rechnung getragen werden. Auch stehe ein umfassendes Verbot des Haltens und Mitwirkens von Wildtieren in Zirkussen insgesamt in keinem Verhältnis zu den ein solches Verbot allenfalls rechtfertigenden Gründen, bestehe doch auch ein unzweifelhaftes öffentliches Interesse an Zirkusaufführungen mit Wildtieren.

2.1.2. Da der Staatsbürgervorbehalt des Art 6 StGG wie jener des Gleichheitsgrundsatzes nach Art 7 Abs 1 B-VG im Anwendungsbereich des Unionsrechts keine Anwendung findet, kann sich die Antragstellerin auf die in Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit berufen, weil sich deren Schutz auch auf Unionsbürger mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit bzw. juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland erstreckt (siehe, Verfahren nach Art 144 B-VG betreffend, VfSlg. 19.077/2010, 19.118/2010; nichts anderes gilt für Verfahren nach Art 140 Abs 1 B-VG).

2.1.3. Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art 6 StGG (s. zB VfSlg. 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen aufgrund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, dass Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (siehe etwa VfSlg. 13.704/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.024/2000 und 16.734/2002).

§27 Abs 1 TSchG ordnet an, dass unter anderem in Zirkussen keine Arten von Wildtieren gehalten oder zur Mitwirkung verwendet werden dürfen. Als "Wildtiere" erfasst das TSchG dabei ausweislich der Begriffsbestimmungen in § 4 dieses Gesetzes "alle Tiere außer den Haus- und Heimtieren" (§4 Z 4 TSchG), wobei "Haustiere" (§4 Z 2 TSchG) und "Heimtiere" (§4 Z 3 TSchG) jeweils gesetzlich näher definiert werden. Das in § 27 Abs 1 TSchG normierte Verbot bewirkt, dass ein Zirkus wie der der Antragstellerin, der Darbietungen mit Wildtieren wie Elefanten, Löwen, einem Nashorn, Lamas und Zebras in seinem Programm präsentiert, daran gehindert ist, dieses Programm in Österreich in der vorgesehenen Art und Weise zu zeigen. Damit wird der Antragstellerin zwar nicht ihre Zirkustätigkeit schlechthin untersagt, weil eine Reihe von Darbietungen im Programm, die ohne Wildtiere auskommen, diesbezüglich ohne Einschränkung gezeigt werden können. Der Antragstellerin werden aber bestimmte Vorgaben gemacht, wie sie ihre zu Erwerbszwecken erfolgende Zirkustätigkeit gestalten darf, nämlich nur ohne die Verwendung von Wildtieren. Damit sieht § 27 Abs 1 TSchG eine Regelung der Erwerbsausübung durch die Antragstellerin vor und greift insoweit in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.

2.1.4. Das Verbot, in Zirkussen Wildtiere zu halten und zu verwenden und der damit bewirkte Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit der Antragstellerin dient einem öffentlichen Interesse, nämlich dem "Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf" heraus (§1 TSchG). Dies hat der Verfassungsgerichtshof schon mehrfach festgehalten (VfSlg. 15.394/1998, 17.731/2005, 18.150/2007). Auch die Antragstellerin bezweifelt dies nicht, hält aber das absolute Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen insbesondere gegenüber einem System, das ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und demzufolge individuelle Genehmigungsverfahren für die Haltung und Verwendung von Wildtieren in einem bestimmten Zirkus vorsieht, für unverhältnismäßig, insbesondere nicht zur Erreichung des Ziels der Regelung für erforderlich.

Der Gesetzgeber hält, wie die Bundesregierung

ausführt, das absolute Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen aus folgenden Gründen für notwendig:

Zirkusse könnten typischerweise aufgrund ihrer besonderen Tätigkeitsbedingungen (insbesondere häufige Ortswechsel und die damit einhergehenden Anforderungen an die für die Tiere zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten) eine artgerechte Haltung der Wildtiere, wie sie in der

2. Tierhaltungsverordnung näher konkretisiert ist, nicht gewährleisten. So müsse für einen Löwen neben einem in bestimmter Art und Weise gestalteten Innengehege auch ein ganzjähriger Zugang zu einem Außengehege ermöglicht werden, das mindestens 500 m² (plus 10 % zusätzliche Fläche für jedes weitere erwachsene Tier) aufweisen müsse, wobei Löwen in Rudeln gehalten werden müssen. Nashörner müssten zumindest paarweise gehalten und neben einer Innenanlage über eine ganzjährig zugängliche Außenanlage von mindestens 1.000 m² verfügen, Elefanten über eine Außenanlage im Mindestmaß von 3.000 m² für drei erwachsene Elefantenkühe bzw. 700 m² für einen erwachsenen Bullen. Weiters versetze der für Zirkusse wie auch den der Antragstellerin typische häufige Ortswechsel die Tiere wegen der Unterbringung in Transportfahrzeugen und der Notwendigkeit, sich in den neuen Umgebungen wieder einzugewöhnen, in eine sie stark beeinträchtigende Stresssituation. Schließlich würden den Wildtieren im Rahmen der Darbietungen in Zirkussen nicht nur Körperhaltungen und Bewegungsabläufe andressiert, die arttypisch sind, sondern insbesondere auch solche, die nicht dem natürlichen Verhaltensrepertoire von Wildtieren entsprechen wie etwa der Kopfstand eines Elefanten.

Berufsausübungsregeln wie das hier zu beurteilende Verbot der Haltung und Mitwirkung von Wildtieren in Zirkussen müssen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein. Dabei steht dem Gesetzgeber, weil durch eine solche die Ausübung der Erwerbstätigkeit regelnde Vorschrift weniger gravierend in die Erwerbsfreiheit eingegriffen wird als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern, ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits festgehalten hat, ist in den letzten Jahrzehnten insoweit ein Wertewandel eingetreten, als sich nach heutiger Auffassung im Tierschutz ein weithin anerkanntes und bedeutsames öffentliches Interesse verkörpert (VfSlg. 15.394/1998). Zwar verkennt der Verfassungsgerichtshof nicht, dass auch der langen Tradition der Erwerbs- und Lebensform des Zirkusses (einschließlich historisch immer damit verbunden gewesener Darbietungen mit bestimmten Wildtieren) Gewicht zukommt. Angesichts des dem Gesetzgeber hier zukommenden größeren Gestaltungsspielraums kann der Verfassungsgerichtshof ihm aber unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel nicht entgegentreten, wenn er heute die Verwendung von Wildtieren in Zirkussen und damit für diese Tiere verbundene Beeinträchtigungen und Belastungen zum Zwecke der Zerstreuung und Belustigung von Menschen nicht mehr hinnehmen will, die früher als nicht zu beanstanden oder nicht von Bedeutung angesehen wurden.

Es ist daher unter dem von der Antragstellerin

geltend gemachten Gesichtspunkt ihrer Erwerbsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf die dargelegten Haltungsbedingungen für Wildtiere und die Belastungen, denen sie durch die einem Zirkus eigenen hohen Maß an Mobilität ausgesetzt sind, ein generelles Verbot der Haltung und Verwendung von Wildtieren in Zirkussen für erforderlich erachtet. Wie ein Verbot der Haltung bzw. Ausstellung von Hunden und Katzen in Zoofachgeschäften zum Zweck des Verkaufs (VfSlg. 17.731/2005) oder ein generelles Verbot der Verwendung elektrisierender Dressurgeräte (VfSlg. 18.150/2007) erweist sich also auch das Verbot des § 27 Abs 1 TSchG bei der im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit gebotenen Gesamtabwägung als verhältnismäßig.

2.2.1. Die Antragstellerin sieht sich auch im Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 Abs 1 B-VG, dessen Schutz sich auch auf Unionsbürger mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit bzw. juristischer Personen mit Sitz im Union-Ausland erstreckt (siehe dazu bereits oben Punkt 2.1.2.), verletzt, weil sich das Verbot des § 27 Abs 1 TSchG lediglich auf Zirkusse, Varietes und ähnliche Einrichtungen, nicht aber auf andere Einrichtungen wie insbesondere Zoos erstrecke, obwohl diese Einrichtungen im Hinblick auf die Haltung von Wildtieren durchaus miteinander vergleichbar seien.

2.2.2. Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (siehe etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten:

Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung überzeugend darlegt, unterscheidet sich die Haltung von Wildtieren in Zoos wesentlich von jener in Zirkussen. So können an Zoos den Bedürfnissen von Wildtieren entsprechende Anforderungen hinsichtlich der Haltungsbedingungen der Tiere gestellt und durchgesetzt werden. Auch unterscheidet sich die Verwendung von Wildtieren in einem Zirkus, wo es um die Mitwirkung der Tiere bei Dressurakten geht, im Hinblick auf die Zielsetzung des TSchG wesentlich von derjenigen in einem Zoo. Eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Gleichem und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt daher nicht vor.

2.3. Aus den unter Punkt 2.1. und 2.2. dargelegten Gründen kann der Verfassungsgerichtshof auch nicht finden, dass das Verbot des § 27 Abs 1 TSchG für die Antragstellerin eine nicht im öffentlichen Interesse liegende oder unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung darstellt (dazu, dass Art 5 StGG bzw. Art 1 1. ZP EMRK vom Gesetzgeber verfügten Eigentumsbeschränkungen nicht entgegenstehen, soweit diese Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig ist, siehe zB VfSlg. 15.367/1998, 15.577/1999, 15.753/2000 oder 17.071/2003).

2.4.1. Die Antragstellerin sieht schließlich durch § 27 Abs 1 TSchG die verfassungsrechtliche Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zwischen Bund und Ländern verletzt, weil der Bundesgesetzgeber mit diesem absoluten Verbot der Haltung und Verwendung von Wildtieren in Zirkussen die Interessen der Landesgesetzgeber bei der Regelung des Veranstaltungswesens in keiner Weise berücksichtigt habe.

2.4.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 8831/1980 dargetan hat, wohnt der Bundesverfassung eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht inne. Diese verbietet dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen (VfSlg. 10.292/1984). Der Verfassungsgerichtshof vermag mit der Bundesregierung nicht zu erkennen, dass dem Bundesgesetzgeber wegen der mit § 27 Abs 1 TSchG erfolgten Wahrnehmung seiner ihm nach Art 11 Abs 1 Z 8 B-VG zukommenden Zuständigkeit ein Verstoß gegen dieses Verbot vorzuwerfen ist. Das bundesgesetzliche Verbot, Wildtiere in Zirkussen zu halten und zu verwenden, hindert den Landesgesetzgeber nicht, die Tätigkeit von Zirkussen unter veranstaltungsrechtlichen Gesichtspunkten zu regeln. Auch unterläuft der Bundesgesetzgeber (anders als im Fall VfSlg. 18.096/2007) hier keine entgegenstehende Regelungsintention des Landesgesetzgebers.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Der Antrag auf Aufhebung des Wortes "Zirkussen," in Abs 1 des § 27 TSchG erweist sich sohin als unbegründet und ist abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.