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VfGH vom 21.06.2001, g74/01

VfGH vom 21.06.2001, g74/01

Sammlungsnummer

16222

Leitsatz

Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch das im öffentlichen Interesse am Konsumentenschutz und Gesundheitsschutz liegende und somit auch sachlich gerechtfertigte Verbot des Versandhandels mit Verzehrprodukten; Gefahr der häufigen Umgehung behördlicher Kontrollen von Lebensmitteln im Versandhandel; keine Gleichheitswidrigkeit durch Nichterlassung einer in der Gewerbeordnung vorgesehenen Verordnung betreffend die allfällige Erweiterung der dem Versandhandelsverbot unterliegenden Warensegmente

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Obersten Gerichtshof ist zu 4 Ob 312/00m ein Revisionsrekursverfahren in einer Wettbewerbsangelegenheit anhängig, welches den Obersten Gerichtshof veranlaßt, unter Berufung auf Art 89 Abs 2 und Art 140 Abs 1 B-VG die Aufhebung des Wortes "Verzehrprodukten," in § 50 Abs 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997, als verfassungswidrig zu beantragen.

§ 50 Abs 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 lautet (angefochtenes Wort hervorgehoben):

"(2) Der Versandhandel mit Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Verzehrprodukten, Waffen und Munition sowie pyrotechnischen Artikeln an Letztverbraucher ist unzulässig. Dieses Verbot gilt auch für den Absatz von aus eigener Erzeugung stammenden Waren oder von zugekauften Waren (§33 Z 6) in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher."

Der Oberste Gerichtshof legt dar, daß die Beklagte im Versandhandel unter anderem das als Verzehrprodukt angemeldete Produkt "die blau-rote Energie" (versehen mit dem Hinweis "blau für die Seele" und "rot für den Körper") vertreibe. Mit einem im Instanzenzug insofern bestätigten Beschluß wurde der beklagten Partei zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen aufgetragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, "Verzehrprodukte, insbesondere sogenannte 'Blau-Rote Energie', an Letztverbraucher im Wege des Versandhandels abzugeben". Das Produkt "die blau-rote Energie" sei ein Verzehrprodukt im Sinne des § 3 LMG 1975 und dürfe daher gemäß § 50 Abs 2 GewO 1994 nicht im Versandhandel vertrieben werden. Dagegen richtet sich der nunmehr beim Obersten Gerichtshof anhängige Revisionsrekurs der beklagten Partei.

Der Oberste Gerichtshof habe bei seiner Entscheidung § 50 Abs 2 GewO 1994 anzuwenden, hege jedoch das Bedenken, daß diese Bestimmung, soweit damit ein Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte statuiert werde, gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und den Gleichheitssatz verstoße:

Dieses Verbot sei durch die Gewerbeordnungsnovelle BGBl. I 63/1997 in das Gesetz aufgenommen worden; die Materialien enthielten keine Begründung hiefür, sodaß nur vermutet werden könne, daß durch das Verbot Schlankheitsmittel vom Versandhandel ausgenommen werden sollten (s. Kinscher, GewO10, Anm. 1 zu § 50).

Die sachliche Rechtfertigung des Versandhandelsverbots für Verzehrprodukte erscheine aus folgenden Gründen zweifelhaft:

"Verzehrprodukte sind nach § 3 LMG 1975 Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein. Der Begriff des 'Verzehrprodukts' wurde erstmals im Lebensmittelgesetz 1975 verwendet; Ziel des Gesetzgebers war es, Stoffe, die bisher rechtlich in einer 'grauen Zone' waren, ohne überdehnte Interpretation des Lebensmittelbegriffs dem Lebensmittelgesetz zu unterstellen. Damit sollte alles, was nicht eindeutig Lebensmittel ist und nicht nach den strengen Regelungen für Arzneimittel verlangt, als Verzehrprodukt den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes unterliegen (Barfuß/Smolka/Onder, Österreichisches Lebensmittelrecht² Komm zu § 3).

Das Lebensmittelgesetz macht das Inverkehrbringen von Verzehrprodukten von einer vorangehenden Anmeldung, die zu einer Prüfung von Produkt und Aufmachung führt, abhängig: Nach § 18 Abs 1 LMG ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (derzeit: Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) in Verkehr zu bringen. Der Bundesminister hat das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht. Wer § 18 Abs 1 LMG und/oder den nach § 18 Abs 2 LMG getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung (§74 Abs 4 Z 4, Abs 5 Z 3 LMG).

§18 LMG stellt damit sicher, dass Waren, die als Verzehrprodukte in Verkehr gebracht werden, von der Lebensmittelbehörde auf ihre Eigenschaft als Verzehrprodukt wie auch auf die Übereinstimmung von Beschaffenheit und Aufmachung mit den einschlägigen Bestimmungen überprüft werden können. Durch die Strafbestimmungen soll erreicht werden, dass Waren nicht ohne Überprüfung durch die Behörde und entgegen einer Untersagung als Verzehrprodukte in Verkehr gebracht werden (VwGH, Erkenntnis vom , Zl. 98/10/0053).

Waren können demnach nur dann als Verzehrprodukt in Verkehr gebracht werden, wenn sie, auch was ihre Aufmachung betrifft, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Verstöße gegen diese Bestimmungen machen nicht nur strafbar; sie können von Mitbewerbern auch zum Anlass genommen werden, eine Klage wegen Verstoßes gegen § 1 UWG einzubringen und ein Vertriebsverbot zu erwirken (zum sittenwidrigen Handeln im Sinne des § 1 UWG durch Gesetzesverstoß s SZ 56/2 = EvBl 1983/49 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1996, 118 - Gleitschirmschule uva).

Damit ist gewährleistet, dass die auf dem Markt befindlichen Verzehrprodukte den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Das gilt für eine Werbung mit verbotenen gesundheitsbezogenen oder sonst irreführenden Angaben ebenso wie für Produkte, die gesundheitsschädlich sind. Anders als bei Giften, Waffen, Munition und pyrotechnischen Artikeln ist bei Verzehrprodukten auch nicht zu befürchten, dass sie im Wege des Versandhandels in die Hände von Personen (vor allem von Kindern und Jugendlichen) gelangen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie damit sich selbst oder anderen Schaden zufügen. Verzehrprodukte sind auch nicht Arzneimitteln und Heilbehelfen vergleichbar, deren sachgemäße Verwendung regelmäßig eine fachkundige Beratung voraussetzt.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass - wie die Beklagte geltend macht - 'dubiose' Produkte nur unter dem Schutz der Anonymität im Wege des Versandhandels und nicht auch in einem Geschäft gekauft werden. Auch der Verkauf in Geschäften ist durch die Selbstbedienung weitgehend anonymisiert, so dass das Versandhandelsverbot keineswegs dazu geeignet ist, bestimmte Produkte vom Markt verschwinden zu lassen. Das beweist die Tatsache, dass Schlankheitsmittel trotz des Versandhandelsverbots erhältlich sind und dass für sie auch massiv geworben wird.

Die Beklagte verweist darauf, dass diätetische Lebensmittel (§17 LMG), kosmetische Mittel (§5 LMG) und Gebrauchsgegenstände im Sinne des § 6 litf LMG keiner vergleichbaren Vertriebsbeschränkung unterliegen und dass der zuständige Bundesminister bei Medizinprodukten bisher nicht von der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs 1 MPG Gebrauch gemacht hat. Sie leitet daraus ab, dass eine sachlich weder gerechtfertigte noch begründbare Differenzierung vorliege, welche den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei gleicher Tatsachengrundlage unsachlich überschreite und damit den Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Art 7 B-VG verletze."

2. Die Bundesregierung erstattete zu dem Gesetzesprüfungsantrag eine Äußerung mit dem Begehren, die angefochtene Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Im einzelnen legte die Bundesregierung folgendes dar:

"Zunächst ist festzuhalten, dass sich die unterschiedliche Behandlung von Verzehrprodukten und Lebensmitteln aus dem Charakter der beiden Produktgruppen ergibt. Verzehrprodukte stellen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine so genannte Restgröße dar; sie sind weder Lebensmittel noch Arzneimittel. Gemäß der Legaldefinition des § 3 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975, BGBl. Nr. 86/1975, sind Verzehrprodukte 'Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein'. Aufgrund der Nähe dieser Produkte zu den Arzneimitteln im Sinne des § 1 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 657/1996, hat der Gesetzgeber eine besondere Kontrolle für erforderlich erachtet. Daher gibt es für diese Produkte auch - im Gegensatz zu 'gewöhnlichen Lebensmitteln' - ein Anmeldeverfahren (§18 LMG 1975).

...

Dass das vorliegend zu prüfende Verbot im öffentlichen Interesse steht, konzediert selbst das antragstellende Gericht. Dies steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der das 'Ziel des Konsumentenschutzes ... unzweifelhaft im öffentlichen Interesse' gelegen sah (s. VfSlg. 14.611/1996, vgl. ferner VfSlg. 11.853/1988, 12.379/1990 und 13.704/1994). Konsumentenschutzpolitische Überlegungen standen jedoch offenkundig auch bei Erlassung des vorliegend zu prüfenden Verbots im Vordergrund. Die Ausdehnung des Verbotes des Versandhandels auf Verzehrprodukte, wie zB Schlankheitsmittel, erfolgte durch den ersten Abschnitt, Artikel I Z 28 der Gewerbeordnungsnovelle 1997, BGBl. Nr. 63/1997. Die Materialien führen hiezu aus, dass diese Maßnahme vor allem dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung insoweit dient, als der Vertrieb derartiger Produkte im Versandhandel die behördliche Kontrolle nicht unwesentlich erschwert (vgl. RV 644 BlgNR XX.GP 38; in RV 575 BlgNR XX.GP und AB 761 BlgNR XX.GP finden sich zu dieser Regelung keine Ausführungen). Dass die Verfolgung gesundheitspolitischer Zielsetzungen im öffentliche Interesse liegt, steht jedoch außer Zweifel.

Das Verbot des Versandhandels mit Verzehrprodukten war aber auch geboten, da der Vertrieb von so genannten 'Wundermitteln' (vor allem Schlankheitsmittel, wie etwa Fettreduktionskapseln) fast ausschließlich im Versandhandel erfolgt. Die Kontrolle in Form der Probenziehung oder Beschlagnahme durch die Lebensmittelaufsichtsorgane hat sich jedoch im Versandhandel als nahezu unmöglich erwiesen, da in diesem Bereich hauptsächlich 'Postfachfirmen' tätig sind.

Das antragstellende Gericht stellt auch die Eignung des Verbots, das vom Gesetzgeber angestrebte konsumentenschutz- und gesundheitspolitische Ziel zu erreichen, nicht prinzipiell in Frage. Dem rechtspolitischen Anliegen des Gesetzgebers könnte nur dann entgegengetreten werden, wenn die Eignung von vornherein auszuschließen ist (vgl. VfSlg. 13.725/1994). Das Vorbringen des Obersten Gerichtshofes geht dahin, das Versandhandelsverbot sei keineswegs geeignet, 'bestimmte Produkte vom Markt verschwinden zu lassen'. Dies beweise die Tatsache, 'dass Schlankheitsmittel trotz des Versandverbotes erhältlich sind und dass für sie auch massiv geworben' werde. Dies vermag aber nicht die Untauglichkeit des Versandhandelsverbotes darzutun. Wie bereits ausgeführt, erfolgt nämlich - mag es auch den anonymen Verkauf in Selbstbedienungsläden geben - der Vertrieb der in Rede stehenden Waren hauptsächlich im Versandhandel. Ziel des zu prüfenden Verbotes ist nämlich keineswegs eine marktbereinigende Wirkung, sondern die Ermöglichung einer effizienten Kontrolle durch die Lebensmittelbehörde im Hinblick auf eine von Verzehrprodukten möglicherweise ausgehende Gesundheitsgefährdung und Täuschung. Die grundsätzliche Tauglichkeit des Versandhandelsverbotes im Hinblick darauf wird vom Obersten Gerichtshof auch nicht angezweifelt; die im Antrag behauptete Tatsache, das gesetzgeberische Anliegen sei ohnehin bereits aufgrund der Bestimmungen des Lebensmittelrechts gewährleistet, vermag jedoch ebenso wenig an der grundsätzlichen Tauglichkeit zu ändern (vgl. mutatis mutandis VfSlg. 15.509/1999). Nur der Vollständigkeit halber sei auch angemerkt, dass das hier zu prüfende Versandhandelsverbot erst seit dem Jahr 1997 (BGBl. I Nr. 63) besteht.

Das Hauptbedenken des vorliegenden Antrages des Obersten Gerichtshofes ist, dass das Versandhandelsverbot als überschießend anzusehen sei. Der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit ist jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nicht begründet. Zum einen bezweckt das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte den Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung und Täuschung. Es ist die Nähe der Verzehrprodukte (zB Vitamin- und Mineralstoffkapseln) zu den Arzneimitteln, die eine besondere Kontrolle dieser Produkte erforderlich macht. Im Gegensatz zu 'gewöhnlichen' Lebensmitteln werden Verzehrprodukte überdies meist mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben. Die gesetzliche Verpflichtung zur Anmeldung gemäß '18 LMG 1975 sowie zur Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben gemäß § 9 Abs 3 leg.cit. wird speziell im Versandhandel umgangen. Sogenannte 'Wundermittel' werden fast ausschließlich über diese Vertriebsform in Verkehr gebracht; verwiesen sei in diesem Zusammenhang etwa auf Zeitungsinserate, in welchen eine Telefonnummer für die Bestellung angegeben wird. Für derartige Produkte ist letztlich weder eine Einstufung als Verzehrprodukt noch eine Zulassung der - zumeist besonders massiven - gesundheitsbezogenen Angaben jemals möglich. Vor diesem Hintergrund erscheinen die mit dem getroffenen Verbot verbundenen Erschwernisse nicht als Überreaktion des Gesetzgebers, sondern durch die gewichtigen rechtfertigenden Gründe auch verhältnismäßig.

Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Art 7 B-VG sieht der Oberste Gerichtshof darin, dass diätetische Lebensmittel (§17 LMG 1975), kosmetische Mittel (§5 LMG 1975) und Gebrauchsgegenstände (§6 LMG 1975) keiner vergleichbaren Vertriebsbeschränkung unterliegen.

Diesem Bedenken ist zu erwidern, dass es zulässig ist, wenn der Gesetzgeber Verbote nur in Bereichen statuiert, in denen er mit guten Gründen die Gefährdung von Konsumenteninteressen befürchtet oder in denen sich in der Praxis konsumentenpolitisch negativ zu bewertende Erscheinungen gezeigt haben, und der Gesetzgeber gleichzeitig durch eine Verordnungsermächtigung den Verwaltungsorganen die Möglichkeit gibt, beim Auftreten gleichartiger Gefährdungen das Verbot auch auf andere Bereiche zu erstrecken (s. VfSlg. 11.853/1988).

Gerade die (Umgehungs-)Praxis ließ es bei Verzehrprodukten erforderlich erscheinen, ein Verbot des Versandhandels zu statuieren. Auf § 50 Abs 3 GewO 1994, der eine entsprechende Verordnungsermächtigung enthält, sei hier hingewiesen.

Auch die allfällige Existenz weiterer oder anderer Methoden, die es zur Zielerreichung geben mag, bewirkt nicht die Gleichheitswidrigkeit des vorliegend zu prüfenden Versandhandelsverbotes (vgl. VfSlg. 11.369/1987).

Zu den vom Obersten Gerichtshof angesprochenen diätetischen Lebensmitteln ist festzuhalten, dass diese Lebensmittel besonderer Beschaffenheit für bestimmte Verbrauchergruppen darstellen und in diesem Zusammenhang offensichtlich eine Hemmschwelle besteht, derartige Produkte in 'dubioser' Zusammensetzung und mit massiven irreführenden Werbeanpreisungen im Versandhandel anzubieten. Auch bei kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen haben sich konsumentenschutzpolitische Maßnahmen dieser Art bislang nicht als erforderlich erwiesen. Damit erscheint ausgeschlossen, dass Gleiches ungleich behandelt wird."

3. Die Parteien des Anlaßverfahrens erstatteten gleichfalls Äußerungen. Die beklagte Partei tritt den Bedenken des Obersten Gerichtshofes bei und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des zur Prüfung gestellten Wortes. Die klagende Partei hält das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte aus ähnlichen Gründen wie die Bundesregierung für verfassungskonform.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrundeliegende Antrag des Obersten Gerichtshofes ist, da ihm Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, zulässig.

2. Der Antrag ist aber nicht begründet:

a) Das durch die angefochtene Regelung normierte Verbot, Verzehrprodukte in Form des Versandhandels an Letztverbraucher abzugeben, greift als Erwerbsausübungsbeschränkung in den Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Erwerbsfreiheit gemäß Art 6 StGG ein.

Eine gesetzliche Regelung, die eine Erwerbsbetätigung beschränkt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. statt vieler etwa VfSlg. 15.103/1998, 15.509/1999). Auch gesetzliche Regelungen, die (bloß) die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen demnach durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Die Ausübungsregeln müssen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein. Es steht dem Gesetzgeber ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (s. VfSlg. 13.725/1994, 14.259/1995, 15.509/1999).

b) Gemäß § 3 LMG 1975 sind Verzehrprodukte "Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein". Verzehrprodukte unterliegen gemäß § 9 LMG 1975 einem Verbot gesundheitsbezogener Angaben beim Inverkehrbringen und bedürfen der vorhergehenden Anmeldung beim zuständigen Bundesminister, der gemäß § 18 LMG 1975 das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid zu untersagen hat, wenn sie den Vorschriften des LMG 1975 oder seiner Verordnungen nicht entspricht. Der Gesetzgeber geht sohin davon aus, daß Verzehrprodukte, wie zB Schlankheitsmittel, bevor sie in Verkehr gebracht, also Gegenstand entsprechender Handelsgeschäfte werden, einer gehörigen behördlichen Kontrolle unterliegen.

Das Verbot des Versandhandels mit Verzehrprodukten in § 50 Abs 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 soll laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 644 BlgNR XX. GP, 39) "dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung (dienen), da der Vertrieb derartiger Produkte im Versandhandel die behördliche Kontrolle erschwert".

Unter Versandhandel wird eine Vertriebsform des Einzelhandels verstanden, bei der das Anbieten der Waren nicht in Ladengeschäften, sondern schriftlich mittels Katalogen oder Prospekten erfolgt und die schriftlich bestellten Waren den Letztverbrauchern als Käufern im Versandwege zugestellt werden (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO 1998, § 50 Rz 25). Wie die Verordnungsermächtigung des § 50 Abs 3 GewO 1994 zeigt, der zufolge auch für weitere Waren der Versandhandel an Letztverbraucher ausgeschlossen werden kann, sind für ein für bestimmte Waren geltendes Versandhandelsverbot Gründe der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit oder des Konsumentenschutzes, des Jugendschutzes oder auch die besondere Gefahr einer Irreführung oder Benachteiligung der Bevölkerung maßgeblich. Das Versandhandelsverbot beruht sohin auf der Überlegung des Gesetzgebers, daß durch diese Vertriebsform bei bestimmten Waren besondere Gefahren auftreten oder schwerer als beim Vertrieb sonstiger Waren bekämpft werden können.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 11.853/1988 ausgeführt hat, ist es verfassungsrechtlich zulässig, "Ziele des Konsumentenschutzes mit Hilfe von Vorschriften des Gewerberechts zu verfolgen", sodaß "die Wahrnehmung konsumentenpolitischer Erwägungen bei der gewerberechtlichen Regelung der Ausübung von Handelsgewerben im öffentlichen Interesse liegt".

Die zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage begründen das gewerberechtliche Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte schlüssig mit "dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung", also mit konsumentenschutz- und gesundheitspolitischen Erwägungen.

Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, daß auch das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte im öffentlichen Interesse liegt.

c) Zu prüfen bleibt, ob das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte auch geeignet und adäquat ist, den Zielen des Konsumentenschutzes und des Gesundheitsschutzes gerecht zu werden oder ob der Gesetzgeber mit diesem Verbot unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingegriffen hat. Dabei ist freilich zu beachten, daß bei einer Regelung der Erwerbsausübung, wie es das Versandhandelsverbot darstellt, dem Gesetzgeber bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offensteht als bei Regelungen, die den Erwerbsantritt beschränken (s. oben a)).

Dem Obersten Gerichtshof ist - wie in seinem Antrag ausgeführt - zuzugestehen, daß die Beobachtung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften zwar an sich sicherstellen würde, daß "Verzehrprodukte den gesetzlichen Vorschriften entsprechen". Gleichwohl hält der Verfassungsgerichtshof das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte geeignet und auch erforderlich, um eine Umgehung der behördlichen Kontrolle von Verzehrprodukten hintanzuhalten. Denn gerade die Vertriebsform des Versandhandels kann dazu benutzt werden, bedenkliche Produkte zu vertreiben. Im Versandhandel aufgrund von Katalogen oder Prospekten ist von vornherein nicht die gleiche Gewähr für eine lebensmittelrechtlich korrekte Beschaffenheit des Verkaufsproduktes gegeben wie im sonstigen Einzelhandel. Wenn, wie die Bundesregierung nicht unbegründet behauptet, der Vertrieb sogenannter "Wundermittel" (vor allem Schlankheitsmittel), "fast ausschließlich im Versandhandel erfolgt" und sich dabei eine Kontrolle durch die Lebensmittelaufsichtsorgane als nahezu unmöglich erwiesen hat, ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er im Interesse der Konsumenten und ihrer Gesundheit ein Verbot des Versandhandels mit Verzehrprodukten aussprach.

An der Verhältnismäßigkeit des Versandhandelsverbots für Verzehrprodukte vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß "dubiose Produkte (nicht) nur unter dem Schutz der Anonymität im Wege des Versandhandels", sondern auch "in Geschäften ... durch ... Selbstbedienung weitgehend anonymisiert" verkauft werden, "sodaß das Versandhandelsverbot keineswegs dazu geeignet ist, bestimmte Produkte vom Markt verschwinden zu lassen". Dieser vom Obersten Gerichtshof zur mangelnden Eignung zur Erreichung der damit angestrebten konsumentenschutzpolitischen Ziele vorgetragene Einwand gegen das Versandhandelsverbot vermag nicht zu überzeugen. Der Umstand, daß Verzehrprodukte auch anders als durch Versandhandel in Verkehr gebracht werden, widerspricht der Annahme nicht, daß speziell lebensmittelrechtlich bedenkliche Verzehrprodukte gerade auf diese Weise vertrieben werden und dabei die lebensmittelrechtlich gebotene Aufsicht und Kontrolle weitgehend versagt. Dabei ist zu beachten, daß die besondere Nähe zahlreicher Verzehrprodukte zu den Arzneimitteln eine gehörige Kontrolle gerade dieser Produkte gebietet, die nicht selten mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben und dann über den Versandhandel in Verkehr gebracht werden, ohne daß mangels Anmeldung eine Einstufung als Verzehrprodukt oder eine behördliche Zulassung gesundheitsbezogener Angaben erfolgt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß das angefochtene Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte im Sinne des Art 6 StGG auch geeignet und adäquat ist, den öffentlichen Interessen des Konsumentenschutzes und des Gesundheitsschutzes zu dienen, weil die für Verzehrprodukte besonders notwendige lebensmittelrechtliche Kontrolle und Aufsicht bei deren Vertrieb im Versandhandel nicht nur nicht hinreichend gewährleistet erscheint, sondern erfahrungsgemäß häufig umgangen wird.

d) Der Oberste Gerichtshof äußert schließlich das Bedenken, daß das Versandhandelsverbot für Verzehrprodukte in § 50 Abs 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 "den Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Art 7 B-VG" verletze, weil "bei gleicher Tatsachengrundlage" "diätetische Lebensmittel (§17 LMG), kosmetische Mittel (§5 LMG) und Gebrauchsgegenstände im Sinne des § 6 litf LMG keiner vergleichbaren Vertriebsbeschränkung unterliegen und ... bei Medizinprodukten bisher nicht von der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs 1 MPG Gebrauch gemacht" wurde.

Daß es an sich sachlich gerechtfertigt ist, im Hinblick auf die für Verzehrprodukte besonders wichtigen behördlichen Kontrollmaßnahmen ein Versandhandelsverbot gesetzlich zu statuieren, ergibt sich bereits aus den voranstehenden Überlegungen. In VfSlg. 11.853/1988 hat der Verfassungsgerichtshof ferner ausgesprochen, daß der Gesetzgeber nicht gehindert ist, das Verbot einer bestimmten Vertriebsform nur für Warenbereiche festzulegen, "in denen er mit guten Gründen die Gefährdung von Konsumenteninteressen befürchtet

oder in denen sich in der Praxis ... konsumentenpolitisch negativ zu

bewertende Erscheinungen ... gezeigt haben ..., und (er) durch eine Verordnungsermächtigung den Verwaltungsorganen die Möglichkeit gibt, beim Auftreten gleichartiger Gefährdungen das Verbot auch auf andere Bereiche zu erstrecken".

Daß es beim Versandhandel von Verzehrprodukten zu spezifischen, konsumentenpolitisch negativ zu bewertenden Gefährdungen gekommen ist, wurde bereits dargetan. Die Verordnungsermächtigung des § 50 Abs 3 GewO 1994 verschafft dem Gesetzgeber die Möglichkeit, beim Auftreten gleichartiger Gefährdungen das Verbot auch auf andere, etwa auf die vom Obersten Gerichtshof angeführten Warensegmente zu erweitern. Wenn die Behörde von dieser Verordnungsermächtigung bislang keinen Gebrauch gemacht hat, kann dies keine Gleichheitswidrigkeit des Versandhandelsverbotes für Verzehrprodukte bewirken.

Die angefochtene Bestimmung in § 50 Abs 2 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 begegnet sohin auch nicht den vom Obersten Gerichtshof vorgetragenen gleichheitsrechtlichen Bedenken.

Der Antrag des Obersten Gerichthofes war daher abzuweisen.

3. Kosten waren den Beteiligten - soweit sie für abgegebene Äußerungen begehrt wurden - nicht zuzusprechen, da es im Fall eines - wie hier - aufgrund eines Gerichtsantrages eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Aufgabe des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg. 13.040/1992, 14.314/1995).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.