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VfGH vom 14.06.2016, G72/2016

VfGH vom 14.06.2016, G72/2016

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der generellen Ausnahme des wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahrens von der Möglichkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Normenkontrolle; keine Erforderlichkeit im Sinne einer Unerlässlichkeit der Regelung des VfGG für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens

Spruch

I. In § 62a Abs 1 Z 4 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl Nr 85, in der Fassung BGBl I Nr 124/2015, wird die Wortfolge "§52 Abs 1 WEG 2002 und" als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl G378/2015 ein auf Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG gestützter Antrag anhängig, mit dem die Antragstellerin begehrt § 63 AußStrG idF BGBl I 52/2009 und in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG idF BGBl I 92/2014 die Wortfolge "§52 Abs 1 WEG 2002 und" als verfassungswidrig aufzuheben. Der Antrag wurde aus Anlass einer Zulassungsvorstellung verbunden mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen einen Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gestellt. Mit dem Sachbeschluss wurde der Rekurs gegen eine Abweisung eines Antrages auf Abrechnungsüberprüfung nach §§20 Abs 3 und 34 Abs 3 iVm 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 gegen die Hausverwaltung für das Abrechnungsjahr 2009 abgewiesen.

2. Bei der Behandlung des Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "§52 Abs 1 WEG 2002 und" in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG idF BGBl I 124/2015 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"2. Um die Zulässigkeit des Antrages beurteilen zu können, hat der Verfassungsgerichtshof § 62a Abs 1 VfGG anzuwenden. Die Bestimmung des § 62a Abs 1 Z 4 VfGG ist daher präjudiziell (vgl. VfSlg 8028/1977, 9912/1984, 16.631/2002, 18.014/2006; ).

3. Die Annahme der Antragstellerin, wonach sich die den § 52 Abs 1 WEG 2002 betreffende Ausnahme nur auf das 'materielle (Wohnungseigentums-) Recht', nicht aber auf das 'Verfahrensrecht' beziehe, findet in Wortlaut und Systematik des § 62a Abs 1 VfGG keine Deckung.

4. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung das Bedenken, dass sie gegen Art 140 Abs 1a erster Satz B VG verstoßen dürfte:

5. Der mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle BGBl I 114/2013 eingefügte Art 140 Abs 1a erster Satz B VG bestimmt, dass die Stellung eines Antrages gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden kann, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. Die entsprechenden einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen – darunter § 62a VfGG – wurden mit dem Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, BGBl I 92/2014, kundgemacht. In den Erläuterungen zur RV dieses Bundesgesetzes heißt es auszugsweise (263 BlgNR 25. GP, 2 f., 4):

'Zu den Ausnahmen der §§57a Abs 1 und 62a Abs 1 im Einzelnen:

Gemäß Art 139 Abs 1a erster Satz und Art 140 Abs 1a erster Satz B VG kann die Stellung eines Antrages gemäß Art 139 Abs 1 Z 4 bzw. Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. In der im Bericht des Verfassungsausschusses wiedergegebenen Begründung des im Verfassungsausschuss eingebrachten gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (AB 2380 d.B. XXIV. GP, 9) wird dazu ausgeführt, dass in bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (etwa in Provisorialverfahren) die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln könne. Dies gelte auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen hätten, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stoße (etwa im Insolvenz- oder Exekutionsverfahren). Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B VG sei der Begriff 'erforderlich' auch hier im Sinne von 'unerlässlich' zu verstehen.

[…]

Zu Z 4 (Verfahren gemäß § 37 Abs 1 MRG,§ 52 Abs 1 WEG 2002 und § 22 Abs 1 WGG) und Z 5 (Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen und über die Räumung von Mietgegenständen):

Bei diesen Verfahren handelt es sich durchwegs um Verfahren, deren Zweck eine rasche Klärung der Rechtslage ist und die nach ihrer Konzeption keine Verzögerung dulden.' (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original)

5.1. Die in den Erläuterungen zitierte Stelle des Berichts des Verfassungsausschusses, AB 2380 BlgNR 24. GP, 9, lautet – auszugsweise – wie folgt:

'In bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (zB im Provisorialverfahren) könnte die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln. Dies gilt auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen haben, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stößt (zB im Insolvenzrecht). Die Stellung eines Parteiantrages soll daher durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden können, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B VG (vgl. insb. Art 11 Abs 2 sowie zuletzt Art 136 Abs 2 in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) ist der Begriff 'erforderlich' auch hier im Sinne von 'unerlässlich' zu verstehen (vgl. VfSlg 17.340/2004 mwH).'

5.2. Nach dem in diesen Zitaten deutlich werdenden Willen des (Verfassungs)Gesetzgebers und dem Wortlaut des Art 140 Abs 1a erster Satz B VG dürfte die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nur in jenen Fällen für unzulässig erklärt werden, in denen dies 'unerlässlich' für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist (vgl. zum Erfordernis der 'Unerlässlichkeit' die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art 11 Abs 2 B VG, beginnend mit VfSlg 8945/1980 und die Rechtsprechung zu Art 136 Abs 2 B VG, zB ua.; ; ; jeweils mwN).

6. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis G346/2015-15 vom die Wortfolge '§37 Abs 1 MRG,' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG wegen Verstoßes gegen Art 140 Abs 1a erster Satz B VG aufgehoben.

Im Lichte dieses Erkenntnisses geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Bedenken, die ihn zur Aufhebung der Wortfolge '§37 Abs 1 MRG,' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG veranlasst haben, auch auf die Wortfolge '§52 Abs 1 WEG 2002' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG zutreffen dürften."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der auf die Äußerung zu G542/2015 vom verwiesen wird. Dort wird den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten:

"2. Mit Erkenntnis vom , G346/2015, hat der Verfassungsgerichtshof in einem von Amts wegen eingeleiteten Prüfungsverfahren die Wortfolge '§37 Abs 1 MRG,' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof begründete die Aufhebung im Wesentlichen damit, dass die Notwendigkeit der Vermeidung einer Verfahrensverzögerung (mit der die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme argumentiert hatte) kein Grund sei, der den Bundesgesetzgeber berechtige, von der ihm durch Art 140 Abs 1a erster Satz B VG eingeräumten Ermächtigung in der Weise Gebrauch zu machen, dass er pauschal alle in § 37 Abs 1 des MietrechtsgesetzesMRG, BGBl Nr 520/1981, genannten Verfahren ausnehme. Der Zweck der Verfahren gemäß § 37 Abs 1 MRG weise keine Besonderheiten auf, die es erforderlich (im Sinne von 'unerlässlich') machten, zu seiner Sicherung die Stellung eines Antrages gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz für unzulässig zu erklären.

Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes, nun auch die Wortfolge '§52 Abs 1 WEG 2002' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, wird damit begründet, dass der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon ausgehe, 'dass die Bedenken, die ihn zur Aufhebung der Wortfolge '§37 Abs 1 MRG,' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG veranlasst haben, auch auf die Wortfolge '§52 Abs 1 WEG 2002' in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG zutreffen dürften'. Der Verfassungsgerichtshof geht demnach vorläufig davon aus, dass es nicht 'unerlässlich' für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens ist, in Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle für unzulässig zu erklären.

3. Aus folgenden Gründen ist die geforderte Unerlässlichkeit in Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 nach Ansicht der Bundesregierung aber dennoch gegeben: § 52 WEG 2002 enthält besondere Bestimmungen betreffend das wohnungseigentumsrechtliche Außerstreitverfahren; Abs 1 dieser Bestimmung lautet:

'(1) Über die Anträge in den folgenden Angelegenheiten entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist, im Verfahren außer Streitsachen:

1. Nutzwertfestsetzung (§9 Abs 2) und Nutzwertneufestsetzung (§9 Abs 3);

2. Duldung von Änderungen und Erhaltungsarbeiten einschließlich der Entschädigung eines dadurch beeinträchtigten Wohnungseigentümers (§16 Abs 2 und 3);

3. Minderheitsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers (§30 Abs 1 und 2) einschließlich der sonstigen Angelegenheiten der Wohnungseigentümer der Liegenschaft, über die nach dem 16. Hauptstück des Zweiten Teils des ABGB im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, wie etwa Benützungsregelungen (§17);

4. Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft (§24 Abs 6);

5. Aufhebung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über eine zur außerordentlichen Verwaltung zählende Veränderung an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft (§29);

6. Durchsetzung der Pflichten des Verwalters mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgelts (§§20 Abs 1 bis 7, 31 Abs 3);

7. Festsetzung einer abweichenden Abrechnungsperiode (§34 Abs 2);

8. Bestellung eines vorläufigen Verwalters (§23), Rechtswirksamkeit einer Kündigung oder gerichtliche Auflösung des Verwaltungsvertrags (§21);

9. Zulässigkeit eines vereinbarten oder Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels oder einer abweichenden Abrechnungs- oder Abstimmungseinheit (§32 Abs 2, 5 und 6), verbrauchsabhängige Aufteilung von Aufwendungen (§32 Abs 3), benützungsabhängige Einhebung von Energiekosten bei Gemeinschaftsanlagen (§32 Abs 4);

10. Zustimmung zur Nachfinanzierung (§41);

11. Fortsetzung der Bauführung bei Insolvenz (§44).'

Auf Grund des Verweises in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG sind die Verfahren über die in § 52 Abs 1 WEG 2002 genannten Anträge vom Parteiantrag auf Normenkontrolle ausgenommen.

Anders als die Verfahren gemäß § 37 Abs 1 MRG, die häufig Zweiparteienverfahren sind, sind Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 regelmäßig für die gesamte Eigentümergemeinschaft von Relevanz; die einzelnen Wohnungseigentümer sind zumeist auch als Parteien in das Verfahren einzubeziehen. Während etwa die Überprüfung der Angemessenheit des Mietzinses für ein bestimmtes Mietverhältnis (§37 Abs 1 Z 8 MRG) die Interessen der anderen Mieter nicht berührt, sind von sämtlichen der in § 52 Abs 1 WEG 2002 genannten Angelegenheiten alle anderen Wohnungseigentümer zumindest mittelbar betroffen. Aus diesem Grund ist der soziale Störwert derartiger Verfahren für die Eigentümergemeinschaft besonders hoch. Es ist zu bedenken, dass Eigentümergemeinschaften bei größeren Anlagen aus mehreren hundert Wohnungseigentümern bestehen können. Es ist daher schon im Hinblick auf die große Anzahl Betroffener unerlässlich, dass diese Verfahren raschestmöglich beendet werden.

Hinzu kommt, dass die durch Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 entstandene Spannungssituation erst durch die endgültige Entscheidung aufgelöst werden kann. Einstweilige Verfügungen kommen teilweise schon auf Grund des Gegenstands des Verfahrens nicht in Betracht (etwa bei Verfahren betreffend die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft gemäß § 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002) und sind jedenfalls durchwegs nicht geeignet, die durch das Verfahren entstandenen Unsicherheiten zu beseitigen, weil erst die endgültige Entscheidung die notwendigen Weichenstellungen trifft.

Für die Unerlässlichkeit einer möglichst raschen Entscheidung spricht auch der Umstand, dass die Verfahren allesamt Angelegenheiten betreffen, die für das (zukünftige) Zusammenleben auf der Liegenschaft besonders wichtig sind, sodass ein langer Schwebezustand äußerst problematisch wäre (etwa bei Verfahren betreffend die Duldung von Änderungen und Erhaltungsarbeiten gemäß § 52 Abs 1 Z 2, betreffend die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft gemäß § 52 Abs 1 Z 4 oder betreffend die Durchsetzung der Pflichten des Verwalters gemäß § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002). Da die Verfahren in die Zukunft wirken, fällt jede Verzögerung besonders ins Gewicht.

Es ist daher in Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 unerlässlich, die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle durch eine gesetzliche Ausnahmebestimmung für unzulässig zu erklären.

4. Zusammenfassend wird festgehalten, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge des § 62a Abs 1 Z 4 VfGG nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

Die Bundesregierung beantragt, die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung möge der Verfassungsgerichtshof eine Frist für das Außerkrafttreten von einem Jahr bestimmen. Diese Frist erscheine erforderlich, um legistische Vorkehrungen zur Schaffung einer Nachfolgebestimmung zu ermöglichen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. § 62a Abs 1 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl 85, idF BGBl I 124/2015, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs 1 Z 1 litd B VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:

1.-3. […]

4. im Verfahren gemäß

§52 Abs 1 WEG 2002 und § 22 Abs 1 WGG;

5.-10. […]"

2. § 52 Abs 1 des Bundesgesetzes über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002WEG 2002), BGBl I 70/2002, idF BGBl I 111/2010, lautet wie folgt:

"§52. (1) Über die Anträge in den folgenden Angelegenheiten entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist, im Verfahren außer Streitsachen:

1. Nutzwertfestsetzung (§9 Abs 2) und Nutzwertneufestsetzung (§9 Abs 3);

2. Duldung von Änderungen und Erhaltungsarbeiten einschließlich der Entschädigung eines dadurch beeinträchtigten Wohnungseigentümers (§16 Abs 2 und 3);

3. Minderheitsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers (§30 Abs 1 und 2) einschließlich der sonstigen Angelegenheiten der Wohnungseigentümer der Liegenschaft, über die nach dem 16. Hauptstück des Zweiten Teils des ABGB im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, wie etwa Benützungsregelungen (§17);

4. Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft (§24 Abs 6);

5. Aufhebung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über eine zur außerordentlichen Verwaltung zählende Veränderung an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft (§29);

6. Durchsetzung der Pflichten des Verwalters mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgelts (§§20 Abs 1 bis 7, 31 Abs 3);

7. Festsetzung einer abweichenden Abrechnungsperiode (§34 Abs 2);

8. Bestellung eines vorläufigen Verwalters (§23), Rechtswirksamkeit einer Kündigung oder gerichtliche Auflösung des Verwaltungsvertrags (§21);

9. Zulässigkeit eines vereinbarten oder Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels oder einer abweichenden Abrechnungs- oder Abstimmungseinheit (§32 Abs 2, 5 und 6), verbrauchsabhängige Aufteilung von Aufwendungen (§32 Abs 3), benützungsabhängige Einhebung von Energiekosten bei Gemeinschaftsanlagen (§32 Abs 4);

10. Zustimmung zur Nachfinanzierung (§41);

11. Fortsetzung der Bauführung bei Insolvenz (§44)."

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

B. In der Sache

1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden. Die vorläufige Annahme, die in Prüfung gezogene Wortfolge verstoße gegen Art 140 Abs 1a B VG, hat sich als zutreffend erwiesen.

1.1. Vorauszuschicken ist, dass Art 140 Abs 1a B VG (ebenso wie Art 139 Abs 1a B VG) – anders als bei Anträgen nach Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG – eine nicht nach der Qualität des Anfechtungsobjekts, sondern eine nach den Verfahren differenzierende Beschränkung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bildet. Sie wurde gleichzeitig mit der Erweiterung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Bereich der Normenkontrolle durch die B VG-Novelle BGBl I 114/2013 in das B VG aufgenommen. Die Schaffung des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG und die Ausweitung des Kreises der antragsbefugten ordentlichen Gerichte ergänzt das System der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle im Interesse des Rechtsschutzes (, Pkt. 2.1.). Die Verpflichtung der (ordentlichen) Gerichte, bei Bedenken betreffend die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG) und die den Parteien eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten zustehende Befugnis, diese Bedenken allenfalls von sich aus an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehen in engem historischen und systematischen Zusammenhang.

1.2. Der Verfassungsgesetzgeber war, wie sich aus den Materialien ergibt, davon bestimmt, Verfahrensverzögerungen durch Parteianträge auf Gesetzesprüfung möglichst hintanzuhalten. Zu diesem Zweck wurde eine an Art 144 Abs 2 B VG angelehnte Befugnis zur Ablehnung von Parteianträgen eingefügt, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (Art140 Abs 1b B VG; vgl. ). In einer vom Verfassungsausschuss vorgeschlagenen, am Tag der Beschlussfassung über die Novellierung des Art 140 B VG angenommenen Entschließung zur Vermeidung mutwilliger Verfahrensverzögerungen kommt zum Ausdruck, dass der Verfassungsgerichtshof über die Ablehnung von "Gesetzesbeschwerden" entscheidet und das Gerichtsverfahren nur im Einzelfall unterbrochen wird. Daneben werden die Schaffung von Ausnahmen in Angelegenheiten des Exekutions- und Insolvenzrechts als vorzusehende Ausnahmen ausdrücklich genannt, für Angelegenheiten der öffentlichen Bücher die Sicherstellung des Vertrauens in diese gefordert; schließlich wird formuliert, dass – ganz allgemein und nicht beschränkt auf bestimmte Materien – eine "Inanspruchnahme der verfassungsrechtlichen Ausnahmen […] nur [stattfinden soll], sofern […] die Ausnahme zur Sicherung des Verfahrenszwecks erforderlich (d.h. unerlässlich) ist." (Entschließung vom , 310/E 24. GP).

1.3. Vor diesem Hintergrund ist die Bestimmung des Art 140 Abs 1a B VG als eine eng begrenzte Ausnahme von der grundsätzlich gegen alle Bundes- und Landesgesetze offen stehenden Anfechtungsberechtigung anzusehen, die durch die Erforderlichkeit des Ausschlusses des Rechtsbehelfs im Hinblick auf den Zweck des (gerichtlichen) Verfahrens bestimmt wird, wobei den mit dem zeitlichen Aspekt zusammenhängenden Elementen der Sicherung des Verfahrenszwecks wenigstens auch durch andere verfahrensrechtliche Vorkehrungen Rechnung getragen werden sollte (vgl. Art 140 Abs 1b B VG, Art 140 Abs 8 B VG, § 62a Abs 6 VfGG, § 80a Abs 2 AußStrG).

2. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem (oben bei I.3. wiedergegebenen) Prüfungsbeschluss unter Hinweis auf den Wortlaut des Art 140 Abs 1a erster Satz B VG und die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes BGBl I 92/2014 (263 BlgNR 25. GP) vorläufig davon aus, dass die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz nur in jenen Fällen für unzulässig erklärt werden dürfte, in denen dies "unerlässlich" für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist.

2.1. Zur Auslegung des Erfordernisses der "Unerlässlichkeit" verweisen die Gesetzesmaterialien ausdrücklich auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art 11 Abs 2 B VG (AB 2380 BlgNR 24. GP, 9) und auf Art 136 Abs 2 B VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012:

"In bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (zB im Provisorialverfahren) könnte die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln. Dies gilt auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen haben, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stößt (zB im Insolvenzrecht). Die Stellung eines Parteiantrages soll daher durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden können, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B VG (vgl. insb. Art 11 Abs 2 sowie zuletzt Art 136 Abs 2 in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) ist der Begriff 'erforderlich' auch hier im Sinne von 'unerlässlich' zu verstehen (vgl. VfSlg 17.340/2004 mwH)."

2.2. Zu Art 11 Abs 2 B VG hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass sich die "Unerlässlichkeit" einer abweichenden Regelung in einem Materiengesetz aus "besonderen Umständen" oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben kann (vgl. VfSlg 19.787/2013 mwN). Von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen sind nur dann zulässig, wenn sie nicht anderen Verfahrensbestimmungen, etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes widersprechen (vgl. VfSlg 15.218/1988, 17.340/2004; vgl. zu Art 136 Abs 2 B VG zB ; ).

2.3. Die Kriterien der Erforderlichkeit in Art 11 Abs 2 B VG und in Art 136 Abs 2 B VG verfolgen im Hinblick auf die Begrenzung der Ermächtigungen das Ziel der Wahrung einer Einheitlichkeit im Verfahrensrecht vor Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichten. Damit sind sie gleich dem Art 140 B VG, der eine möglichst umfassende Kontrolle der Gesetze am Maßstab der Bundesverfassung bezweckt, auf die Verwirklichung der durch das Siebente Hauptstück maßgeblich ausgeformten Rechtsstaatlichkeit gerichtet.

2.4. Eine an diesem Regelungszweck ausgerichtete historisch-systematische Auslegung des Art 140 Abs 1a B VG führt daher zum Ergebnis, dass die in dieser Bestimmung mit dem Kriterium der Erforderlichkeit beschränkte Ermächtigung an den Gesetzgeber, den Zugang zum Verfassungsgerichtshof zu begrenzen, eng im Sinne einer "Unerlässlichkeit" zu verstehen ist. Unerlässlich ist die Ausnahme der Möglichkeit, eine Gesetzesbeschwerde zu erheben, in Verfahren, in denen die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG und die nachfolgende Durchführung eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof den Zweck des Verfahrens vereiteln würde (zB in Provisorialverfahren). Im Hinblick auf Rechtssachen, für die der Ausschluss der Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG nicht unerlässlich ist, ist gegebenenfalls nach Art 140 Abs 8 B VG durch Bundesgesetz zu bestimmen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem das Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, eine neuerliche Entscheidung der Rechtssache vor dem ordentlichen Gericht ermöglicht.

3. Die im Prüfungsbeschluss vorläufig getroffene Annahme, dass es jedenfalls nicht für alle Fälle des § 52 Abs 1 WEG 2002 zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens im beschriebenen Sinn unerlässlich sein dürfte, die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz für unzulässig zu erklären, hat sich im Gesetzesprüfungsverfahren bestätigt.

3.1. § 62a Abs 1 Z 4 VfGG sieht unter anderem vor, dass in Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG unzulässig ist. Die Bestimmung regelt in Abs 1 die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit in einer Reihe von wohnungseigentumsrechtlichen Angelegenheiten, nämlich im Wesentlichen bei wohnungseigentumsrechtlichen Leistungs-, Feststellungs- und Rechtsgestaltungsbegehren. Abs 2 enthält besondere, von den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG abweichende Verfahrensvorschriften. Abs 3 enthält Zuständigkeitsregeln für das Verfahren auf Nutzwertfeststellung oder Nutzwertneufestsetzung für bestimmte Gemeinden.

3.2. Für die Bestimmung des Inhalts des § 62a Abs 1 Z 4 VfGG ist sohin unter anderem § 52 Abs 1 WEG 2002 maßgeblich. Durch die Verweisung in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG wird der Kreis der durch die Aufzählung umschriebenen Verfahren vom Anwendungsbereich des Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG ausgenommen.

3.3. Im Einzelnen sind von der Verweisung auf § 52 Abs 1 WEG 2002 folgende Angelegenheiten erfasst: Anträge auf Nutzwertfestsetzung und Nutzwertneufestsetzung (Z1); Duldung von Änderungen und Erhaltungsarbeiten einschließlich der Entschädigung eines dadurch beeinträchtigten Wohnungseigentümers (Z2); Minderheitsrechte des einzelnen Wohnungseigentümers (Z3); Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft (Z4); Aufhebung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über eine zur außerordentlichen Verwaltung zählende Veränderung an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft (Z5); Durchsetzung der Pflichten des Verwalters mit Ausnahme der Herabsetzung des Entgelts (Z6); Festsetzung einer abweichenden Abrechnungsperiode (Z7); Bestellung eines vorläufigen Verwalters, Rechtswirksamkeit einer Kündigung oder gerichtliche Auflösung des Verwaltungsvertrags (Z8); Zulässigkeit eines vereinbarten oder Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels oder einer abweichenden Abrechnungs- oder Abstimmungseinheit, verbrauchsabhängige Aufteilung von Aufwendungen, benützungsabhängige Einhebung von Energiekosten bei Gemeinschaftsanlagen (Z9); Zustimmung zur Nachfinanzierung (Z10); Fortsetzung der Bauführung bei Insolvenz (Z11).

3.4. Die Materialien zur B VG Novelle BGBl I 114/2013 enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Verfassungsgesetzgeber die Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG 2002 schlechthin als solche ansieht, anlässlich derer die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG jedenfalls unzulässig sein soll.

3.5. Die Bundesregierung versucht, die Ausnahme damit zu rechtfertigen, dass in Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002, anders als in Verfahren gemäß § 37 Abs 1 MRG, regelmäßig keine Zweiparteienverfahren vorliegen würden, sondern die Verfahren für die gesamte Eigentümergemeinschaft von Relevanz seien. Deshalb sei der "soziale Störwert" derartiger Verfahren für die Eigentümergemeinschaften besonders hoch, insbesondere da Eigentümergemeinschaften bei größeren Anlagen aus mehreren hundert Wohnungseigentümern bestehen könnten. Eine rasche Beendigung der Verfahren sei daher unerlässlich. Die Spannungssituation könne auch nicht durch einstweilige Verfügungen aufgelöst werden, da diese teilweise auf Grund des Gegenstandes nicht in Betracht kämen und jedenfalls nicht geeignet seien, die Unsicherheiten zu beseitigen. Die Unerlässlichkeit lasse sich auch dadurch erklären, dass die ausgenommenen Verfahren Angelegenheiten betreffen würden, die für das zukünftige Zusammenleben auf der Liegenschaft besonders wichtig seien. Da die Verfahren in die Zukunft wirken würden (zB bei Verfahren über die Duldung von Änderungen und Erhaltungsarbeiten gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002), falle jede Verzögerung besonders ins Gewicht.

3.6. Alleine der zeitliche Aspekt der "Verfahrensverzögerung" aber auch der "soziale Störwert" durch die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG sind für sich genommen kein Grund, der den Bundesgesetzgeber berechtigt, von der ihm durch Art 140 Abs 1a erster Satz B VG eingeräumten Ermächtigung in der Weise Gebrauch zu machen, dass er pauschal alle in § 52 Abs 1 WEG 2002 genannten Verfahren ausnimmt. Im Hinblick auf besonders dringliche Angelegenheiten werden gegebenenfalls auch andere Maßnahmen erforderlich sein bzw. wird das Gericht im Einklang mit § 62a Abs 6 VfGG Handlungen vorzunehmen und Anordnungen zu treffen haben, die im Sinne dieser Bestimmung keinen Aufschub dulden. Im Übrigen liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Bundesgesetzgebers, entsprechende Vorkehrungen auf Grundlage des Art 140 Abs 1a zweiter Satz B VG zu treffen (vgl. in diesem Zusammenhang zB § 80a Abs 2 AußStrG und die Erläuterungen zur RV dieser Bestimmung, 263 BlgNR 25. GP, 8).

3.7. Der Zweck der Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG 2002 weist somit keine Besonderheiten auf, die es erforderlich (im Sinne von "unerlässlich") machten, zu seiner Sicherung die Stellung eines Antrages nach Art 140 Abs 1 Z 1 litd B VG durch Bundesgesetz pauschal für alle in § 52 Abs 1 WEG 2002 genannten Verfahren für unzulässig zu erklären.

3.8. Die Prüfung der generellen Ausnahme aller Verfahren gemäß § 52 Abs 1 WEG 2002 erbringt daher das Ergebnis, dass diese nicht erforderlich zur Sicherung des Verfahrenszwecks ist. Die entsprechende Wortfolge in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG verstößt daher gegen Art 140 Abs 1a erster Satz B VG.

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge "§52 Abs 1 WEG 2002 und" in § 62a Abs 1 Z 4 VfGG ist wegen Verstoßes gegen Art 140 Abs 1a erster Satz B VG als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.

3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art 140 Abs 7 zweiter Satz B VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G72.2016