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VfGH vom 06.10.1981, G7/81

VfGH vom 06.10.1981, G7/81

Sammlungsnummer

9227

Leitsatz

Marktordnungsgesetz; § 57i Abs 3 idF der Nov. BGBl. 269/1978 widerspricht Art 18 Abs 2 B-VG

Spruch

§57i Abs 3 des Marktordnungsgesetzes 1967 in der Fassung der Nov. BGBl. 269/1978 war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim VfGH ist eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der Milchhof Graz reg. Genossenschaft mbH gegen einen mit datierten Bescheid eines Organes des Milchwirtschaftsfonds anhängig.

Dieser Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Genossenschaft gemäß § 57m Abs 4, zweiter Satz, des Marktordnungsgesetzes 1967 idF der Nov. BGBl. 269/1978 und 672/1978 (in der Folge: MOG genannt) im Zusammenhalt mit § 201 BAO die Vorauszahlung auf die Beitragsschuld des zusätzlichen Absatzförderungsbeitrages für Juli 1979 in der Höhe von S 108.410,24 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Genossenschaft stützt ihre Beschwerde ausschließlich auf die Behauptung, daß die dem Bescheid zugrundeliegende Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Z 13.285-I 3/79, über die Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge im Bereich der Milchwirtschaft, gesetzwidrig sei.

2. Bei der Beratung über die Beschwerde haben sich beim VfGH Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Worte "und der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit S 0,16" in § 1 der genannten Verordnung ergeben. Zur Klärung dieser Bedenken hat der VfGH gemäß Art 139 Abs 1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit dieser Worte von Amts wegen zu prüfen (Beschluß vom , B493/79).

3. Bei der Beratung über die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte in der oben genannten Verordnung haben sich beim VfGH (auch) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 57i Abs 3 MOG ergeben. Zur Klärung dieser Bedenken hat der VfGH gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit dieses Absatzes von Amts wegen zu prüfen (Beschluß vom , V19/80).

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das MOG enthält zur Finanzierung allfälliger Milchüberschüsse folgende Vorschriften:

In § 57b MOG (idF der Nov. BGBl. 672/1978) ist vorgesehen, daß "das aus der zusätzlichen Absatz- und Verwertungsmenge sich ergebende gesamte Finanzierungserfordernis (§57i Abs 2)" wie folgt zu bedecken ist:

"Im Umfang des Anteiles,

a) welcher jener Milchmenge entspricht, die um 16% die Bedarfsmenge (§57f Abs 2) übersteigt, durch Mittel des Bundes;

b) welcher einer Milchmenge entspricht, die um weitere 0 bis 6% der Bedarfsmenge (§57f Abs 2) übersteigt, durch Mittel aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag (§57i Abs 1), sofern nicht § 57i Abs 1 letzter Satz zur Anwendung kommt;

c) welcher jener Milchmenge entspricht, die über die Gesamtrichtmenge (§57f Abs 1) hinaus von den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben übernommen wird, durch Mittel aus dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag (§57i Abs 1)."

Nach § 57f Abs 1 MOG ist die Gesamtrichtmenge diejenige Milchmenge, die in dem betreffenden Wirtschaftsjahr die Bedarfsmenge um höchstens 22% übersteigt.

In § 57f Abs 2 MOG ist die Bedarfsmenge als diejenige Milchmenge definiert, die im Wirtschaftsjahr zur Deckung des inländischen Absatzes von im Inland erzeugter Milch, berechnet auf Basis der Fetttrockenmasse, in bearbeiteter oder verarbeiteter Form voraussichtlich benötigt werden wird.

Gemäß § 57f Abs 3 MOG hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bis 31. Mai für das am folgenden 1. Juli beginnende Wirtschaftsjahr nach Anhörung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs die Bedarfsmenge und die Gesamtrichtmenge durch Verordnung festzusetzen.

Abweichend von § 57f Abs 3 MOG wurden für das Wirtschaftsjahr 1978/79 die Bedarfsmenge (mit 1,773.087 t Milch) und - die Gesamtrichtmenge (mit 2,145.435 t Milch) durch Gesetz, nämlich durch ArtIII Z 3 litb der MOG-Nov. BGBl. 269/1978 in der Fassung der MOG-Nov. BGBl. 672/1978 festgesetzt.

§57i Abs 1 MOG hat folgenden Wortlaut:

"Die Höhe der Beiträge ist nach Anhörung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen jeweils für ein Kalenderhalbjahr vor dessen Beginn durch Verordnung festzusetzen. Die Beiträge sind in einer Höhe zu bestimmen, daß der Finanzierungsanteil gemäß § 57b litb durch den allgemeinen Absatzförderungsbeitrag und der Finanzierungsanteil gemäß § 57b litc durch den zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag bedeckt wird. Dabei darf der zusätzliche Absatzförderungsbeitrag mit höchstens 3 S pro Kilogramm Milch festgesetzt werden. Sind für die Verwertung der übernommenen und die Gesamtrichtmenge (§57f) übersteigenden Mengen höhere Mittel erforderlich als sie durch den zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag aufzubringen sind, so ist dieses übersteigende Finanzierungserfordernis durch eine entsprechende Erhöhung des allgemeinen Absatzförderungsbeitrages zu bedecken."

Nach dem ersten Satz des § 57i Abs 2 MOG hat der Geschäftsführer des Milchwirtschaftsfonds die voraussichtliche zusätzliche Absatz- und Verwertungsmenge und das daraus sich ergebende gesamte Finanzierungserfordernis für jedes Kalenderhalbjahr bis vier Wochen vor Beginn dieses Halbjahres dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bekanntzugeben.

§57i Abs 3 MOG lautet:

"Im Zeitpunkt der Festsetzung vorhandene Fehlbeträge oder Überschüsse beim Aufkommen aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag einerseits und dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag anderseits sind bei der Festsetzung der Beiträge für das nächste Kalenderhalbjahr entsprechend zu berücksichtigen."

2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat bei Erlassung der im Anlaßfall kritisierten Verordnung, welche der VfGH in Prüfung gezogen hat, § 57i Abs 3 MOG anzuwenden, ebenso der VfGH. Die Bestimmung ist somit präjudiziell.

3. An die Stelle des § 57i Abs 3 MOG ist durch das Bundesgesetz BGBl. 286/1980 mit Wirksamkeit vom die Bestimmung des § 57i Abs 4 MOG getreten. Auf Grund des ArtIII Abs 3 des genannten Bundesgesetzes sind Fehlbeträge und Überschüsse aus den Jahren 1978/79 und 1979/80 gegenseitig aufzurechnen; ein Saldo ist dem § 57i Abs 4 entsprechend zu berücksichtigen. Die in Prüfung gezogene Bestimmung steht daher nicht mehr in Kraft.

4. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 57i Abs 3 MOG im Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens wie folgt formuliert:

"Es scheint, daß unter Aufkommen iS des § 57i Abs 3 MOG auch das Finanzierungserfordernis für Milchmengen zu verstehen ist, die unter der Bedarfsmenge liegen und im Inland nicht abgesetzt werden können. Das MOG enthält zwar in § 57b ein System für die auf Prognosen (Bedarfsmenge, Gesamtrichtmenge) beruhenden voraussichtlichen Finanzierungsanteile der einzelnen Beitragsarten. Das MOG scheint aber keine Regelung darüber aufzuweisen, was anläßlich der bei Anwendung des § 57i Abs 3 unerläßlichen rückschauenden Betrachtung eines Beitragszeitraumes als Aufkommen aus dem allgemeinen und dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag zu gelten hat. Zur Finanzierung dieses Aufkommens unter Zugrundelegung der tatsächlichen Werte sind sicherlich verschiedene Methoden denkbar und möglich.

Eine derartige Finanzierungsmethode besteht darin, zwar vom tatsächlichen Inlandsabsatz auszugehen, aber den Bundesanteil und den Anteil des allgemeinen Absatzförderungsbeitrages nicht mit 16% bzw. 6% des tatsächlichen Inlandsabsatzes, sondern mit 16% bzw. 6% der Bedarfsmenge (= 100%) zu bemessen. Diese Methode scheint der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Anlaßfall angewendet zu haben.

Eine andere Finanzierungsmethode besteht ebenfalls darin, vom tatsächlichen Inlandsabsatz auszugehen, zwecks Errechnung der Finanzierungsanteile aber den tatsächlichen Inlandsabsatz und nicht die Bedarfsmenge mit 100% anzusetzen. Hiebei ergeben sich für den Bundesanteil und beide Arten des Absatzförderungsbeitrages wieder andere Summen als bei Anwendung der erstgenannten Finanzierungsmethode.

Weitere Varianten ergeben sich je nach der Beantwortung der schon in der Beschwerde im Anlaßfall aufgeworfenen Frage, ob vom Finanzierungserfordernis - ausgehend vom tatsächlichen Inlandsabsatz - auch die Kosten jener Verbilligungsaktionen umfaßt werden, die im Inland zwecks Heranführung des Inlandsabsatzes an die Bedarfsmenge durchgeführt werden.

Darüber hinaus können alle diese Finanzierungsmethoden in Form einer Jahresrechnung für das vergangene Wirtschaftsjahr oder in Form von zwei Halbjahresrechnungen - diese Methode scheint der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Anlaßfall angewendet zu haben - erfolgen. Hiebei scheinen sich jedoch je nach der gewählten Methode ziffernmäßig verschieden hohe Finanzierungsanteile zu ergeben.

Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß es auch noch einige weitere Finanzierungsmethoden gibt.

Es scheint aber, daß für keine Methode - auch nicht für die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Anlaßfall offenkundig angewendete - sich im MOG ein Ansatzpunkt dafür finden läßt, daß sie allein die dem Gesetz entsprechende ist; auch nicht in § 57b, weil diese Bestimmung, welche die Bedeckung eines künftigen Finanzierungserfordernisses regelt, nur Milchmengen erfaßt, welche über der Bedarfsmenge (also dem voraussichtlichen Inlandsabsatz) liegen. Das MOG scheint auch keine Zielsetzung aufzuweisen, welche eine der oben angeführten Finanzierungsmethoden zur Folge hat.

Der VfGH steht in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB Slg. 7945/1976 und die dort angeführte Vorjudikatur) auf dem Standpunkt, Art 18 Abs 2 B-VG gebiete, daß die maßgebende gesetzliche Bestimmung nicht bloß eine formalgesetzliche Delegation, sondern eine hinreichende materiellrechtliche Determinierung der auf sie zu gründenden Verordnungen beinhalten, daß also der wesentliche Verordnungsinhalt durch das Gesetz vorausbestimmt sein muß. Der VfGH hat schon im Erk. Slg. 3487/1958 hervorgehoben, daß das Gesetz eine Regelung aller der Fragen, die für die Gestaltung als wesentlich anzusehen sind, enthalten muß.

Auf Grund dieser Rechtsprechung gelangt der VfGH im vorliegenden Fall zu folgenden - vorläufigen - Schlußfolgerungen:

Bei Erlassung der im § 57i Abs 1 MOG vorgesehenen Verordnung, mit welcher der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Höhe der Beiträge festzusetzen hat, ist der Bundesminister nach Abs 3 dieser Gesetzesbestimmung verpflichtet, im Zeitpunkt der Festsetzung vorhandene Fehlbeträge oder Überschüsse beim Aufkommen aus einer der beiden Beitragsarten entsprechend zu berücksichtigen. Auch wenn man die offenkundig mit dem Gesetz bezweckte Zielsetzung (Bedeckung des gesamten Finanzierungserfordernisses, also auch für Milchmengen unterhalb der Bedarfsmenge) als Stütze zur Auslegung des Gesetzes heranzieht, ist eine bestimmte, "richtige" Finanzierungsmethode dem Gesetz in keiner Weise zu entnehmen, da es nichts darüber enthält, wie ein Fehlbetrag zu finanzieren ist. Die Finanzierungsmethode scheint also in das Belieben des Verordnungsgebers gestellt zu sein.

Da § 57i Abs 3 MOG in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes den Inhalt der Verordnung nicht in einer derartigen Weise zu bestimmen scheint, daß die Überprüfung der inhaltlichen Gesetzmäßigkeit der im Verordnungsweg getroffenen Regelung möglich ist (VfGH 14. 6, 1979 B497/78), besteht das Bedenken, daß § 57i Abs 3 MOG wegen Verstoßes gegen Art 18 B-VG verfassungswidrig ist."

5. Die Bundesregierung hat zu diesen Bedenken des VfGH folgendes vorgebracht:

"Der vom VfGH geäußerten Ansicht, daß für die gemäß § 57i Abs 3 durchzuführende rückschauende Nachrechnung kein aus dem Gesetz erkennbares Berechnungssystem hervorgehe, kann die Bundesregierung jedoch aus folgenden Gründen nicht beipflichten:

Es liegt in der Natur und im Wesen einer nachprüfenden Kontrolleinrichtung, daß

a) an Stelle jedes Prognosewertes nunmehr der entsprechende tatsächlich eingetretene Wert eingesetzt werden muß, insbesondere also an Stelle der (geschätzten) Bedarfsmenge nunmehr der tatsächliche Inlandsverbrauch des vergangenen Wirtschaftsjahres;

b) das Berechnungsverfahren naturgemäß das gleiche sein muß wie bei der Prognoserechnung, da ja sonst kein Vergleich zwischen dem geschätzten und dem tatsächlichen Ergebnis gezogen werden kann.

Daraus ergibt sich, daß schon aus Gründen zwingender systemimmanenter Konsequenz der im Falle des § 57i Abs 3 einzuhaltende Berechnungsweg genau derselbe sein muß, wie bei der Prognoserechnung nach § 57b, nur daß die Prognosegrößen nun durch Realgrößen zu ersetzen sind:

Es wären somit, so wie es für die Prognoserechnung im § 57b vorgezeichnet ist, jene Milchmenge, die den Inlandsverbrauch des vergangenen Wirtschaftsjahres um weitere 0 bis 6% dieses Inlandsverbrauchs überstiegen hat, durch Mittel aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag abzudecken;

und jene Milchmenge schließlich, die darüber hinaus angeliefert, aber nicht im Inland verbraucht wurde, durch Mittel aus dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag zu bedecken.

Die Differenzen, die sich zwischen Prognoserechnung und rückschauender Nachrechnung für jeden einzelnen Bedeckungsbereich ergeben, sind sodann bei der prognostizierten Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge für das künftige Wirtschaftsjahr mit zu berücksichtigen.

Genau diese Berechnungsweise hat aber auch der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bei der Festsetzung der Absatzförderungsbeiträge in der Verordnung Zl. 13285/05-I/3/79 eingehalten: Wie schon in der Gegenschrift des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft im Verordnungsprüfungsverfahren V19/80 auf Seite 4 dargelegt wurde, ist auch der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bei seiner rückschauenden Nachrechnung davon ausgegangen, daß nur tatsächlich aufgetretene Werte zur Berechnung heranzuziehen sind, d.h. daß als Berechnungsgrundlage von 100% nicht die Bedarfsmenge, sondern der tatsächliche Inlandsverbrauch des abzurechnenden Vorjahres eingesetzt wurde.

Es mag sein, daß die Art, wie die dargelegte Berechnungsmethode im MOG systematisch formuliert wurde, nicht voll geglückt erscheint:

Möglicherweise wäre es systematisch richtiger gewesen, in einem eigenen Paragraphen das Berechnungsverfahren für Prognoserechnung und rückschauende Nachrechnung einheitlich festzulegen und in zwei gesonderten Bestimmungen daraufhin ausdrücklich festzulegen, welche Berechnungsgrößen im Prognoseverfahren einerseits und im rückschauenden Nachrechnungsverfahren andererseits einzusetzen wären. Die Bundesregierung ist jedoch der Auffassung, daß auch ohne ausdrückliche Darstellung des Berechnungsverfahrens und der einzusetzenden Rechnungsgrößen im § 57i Abs 3 MOG aus dem Wesen einer rückschauenden Nachrechnung, wie bereits dargelegt, sich das Berechnungsverfahren und die einzusetzenden Rechnungsgrößen eindeutig ergeben. Unter dieser Voraussetzung ist die analoge Heranziehung des im § 57b MOG dargestellten Berechnungsverfahrens nicht nur zulässig, sondern geradezu zwingend vorgegeben. Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, daß der Gesetzgeber auf eine ausdrückliche Wiederholung des im § 57b für die Prognoserechnung vorgezeichneten Rechnungsverfahrens im § 57i Abs 3 MOG für die rückschauende Nachrechnung verzichten zu können glaubte. Wenn aber eine Gesetzesstelle zwar dem Wortlaut nach nicht eindeutig formuliert ist, wohl aber zweifelsfrei jene Interpretationsregel feststeht, bei deren Anwendung der Inhalt der Norm eindeutig wird, kann diese Norm nicht als mit dem Determinierungsgebot des Art 18 B-VG in Widerspruch stehend angesehen werden. Da im vorliegenden Fall die Anwendung der Interpretationsregel "Analogie" aus logisch-systematischen Erwägungen unabweislich und zweifelsfrei gefordert ist, kann der Inhalt des § 57i Abs 3 aus der Heranziehung des gesamten Gesetzes eindeutig erschlossen werden, weshalb § 57i Abs 3 MOG dem Gebot des Art 18 Abs 2 B-VG zu entsprechen scheint."

6. Diese Darlegungen der Bundesregierung vermögen die Bedenken des VfGH nicht zu zerstreuen.

a) Bei der Festsetzung der Beiträge sind nach der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung vorhandene Fehlbeträge oder Überschüsse entsprechend zu berücksichtigen, also jedenfalls dem Finanzierungserfordernis hinzuzurechnen bzw. vom Finanzierungserfordernis abzuziehen. Der VfGH vertritt demnach die Ansicht, daß die Abweichung des Inlandsabsatzes von der Bedarfsmenge zwar keine nachträgliche Korrektur einer Verordnung nach § 57i Abs 1 MOG, die auf dem Berechnungsmodus des § 57b aufzubauen hat, rechtfertigt, wohl aber bei der Festsetzung neuer Beiträge in nachfolgenden Halbjahren ein allfälliger Fehlbetrag oder Überschuß vorzutragen ist.

Zum Zweck der Berechnung der vorzutragenden Beträge müssen in einer Endabrechnung abgelaufener Halbjahre die Prognosewerte mit den tatsächlichen Werten verglichen werden. Die Notwendigkeit eines solchen Vergleichs ergibt sich aus der sprachlichen Bedeutung der Worte "Fehlbeträge" und "Überschüsse". Hiebei verkennt der VfGH nicht, daß sich Fehlbeträge und Überschüsse auch aus anderen Gründen als aus der Abweichung des prognostizierten vom tatsächlichen Inlandsabsatz ergeben können, zB aus Ausfällen bei der Einbringung der Beiträge oder aus einer Änderung des ausländischen Milchpreises, die höhere Beträge für Subventionierungen des Exports von Milchprodukten erfordern. Es wäre aber nicht einzusehen, warum bei der Berechnung der Fehlbeträge und Überschüsse zwar diese anderen Faktoren, bei denen sich ja auch Prognosewerte als unrichtig erwiesen haben, zu berücksichtigen wären, während andererseits diese Berechnung weiterhin von der Bedarfsmenge, also dem prognostizierten Inlandsabsatz, und nicht vom tatsächlichen Inlandsabsatz ausgehen sollte.

Es hat sich somit die vorläufige Annahme des Gerichtshofes bestätigt, daß bei Berechnung der Fehlbeträge und Überschüsse zum Ende eines Wirtschaftsjahres auch hinsichtlich des Faktors Inlandsabsatz vom tatsächlichen Inlandsabsatz und nicht von der Bedarfsmenge (also dem vor Beginn des Jahres prognostizierten Inlandsabsatz) auszugehen ist. Der VfGH ist also der Auffassung, daß bei der Berechnung, die der Beitragsfestsetzung notwendigerweise vorauszugehen hat, auch jenes Finanzierungserfordernis zu berücksichtigen ist, das sich daraus ergibt, daß der tatsächliche Inlandsabsatz hinter den prognostizierten Werten (Bedarfsmenge) zurückbleibt.

b) In welcher Art und Weise diese Berücksichtigung jedoch zu erfolgen hat, geht weder aus der in Prüfung gezogenen Bestimmung allein, noch aus dem Zusammenhalt der verschiedenen, das System der Finanzierung der Überschußverwertung konstituierenden Regelungen hervor und kann auch nicht durch Bedachtnahme auf die gesetzlich verankerten Ziele der Milchmarktordnung entnommen werden.

Die Bundesregierung vermeint, es ergebe sich aus der Natur und dem Wesen einer nachprüfenden Kontrolle, daß das tatsächliche Finanzierungserfordernis analog dem Schema des § 57b MOG aufgeteilt werden müsse, wobei jeweils die Prognosegrößen durch Realgrößen zu ersetzen seien. Sie behauptet, daß diese - und nur diese - Analogie geradezu zwingend sei.

Dies trifft jedoch nicht zu. Es wäre ebenso möglich, den sich aus dem Zurückbleiben des tatsächlichen Inlandsabsatzes gegenüber der Bedarfsmenge ergebenden zusätzlichen Finanzierungsbedarf seinerseits im selben Verhältnis zu decken, wie jenen Finanzierungsbedarf, der prognostiziert wurde und die Regel des § 57b auf diese Weise analog anzuwenden. Auch könnte die Berechnung so durchgeführt werden, daß zur Deckung des gesamten tatsächlichen Finanzierungserfordernisses jene Beträge, die sich aus der (nach der Regel des § 57b erfolgten) Prognoserechnung ergeben, herangezogen werden und der Rest als die Gesamtrichtmenge überschreitender Teil, abgesehen vom Fall des § 57i Abs 1, 3. Satz MOG, durch weitere zusätzliche Absatzförderungsbeiträge - auf der Basis der Bedarfsmenge als 100% - zu decken wäre (diese Methode hat, wie der VfGH in dem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß dargelegt hat - entgegen der Auffassung der Bundesregierung -, offenkundig der Bundesminister bei Erlassung der Verordnung angewendet).

Es würde den gesetzlichen Bestimmungen aber auch nicht widersprechen, bei der Berechnung der Beiträge den zusätzlichen Finanzierungsbedarf, der sich aus dem Zurückbleiben des tatsächlichen Inlandsabsatzes ergibt, gar nicht unter analoger Heranziehung der in § 57b ausgewiesenen Finanzierungselemente zu bedecken, sondern davon auszugehen, daß dieser Betrag in anderer Weise entsprechend gedeckt werden kann, etwa durch allgemeine Fondsmittel (§3 Abs 3 MOG), wobei sowohl eine Deckung aus den Verwaltungskostenbeiträgen gemäß § 51 Abs 1 lita MOG als auch eine Deckung durch sonstige Einnahmen iS des § 3 Abs 3 litb MOG - zu den sonstigen Einnahmen des Fonds gehören insbesondere die Mittel, die der Bund dem Fonds zur Bedeckung des Abganges zur Verfügung stellt; (das war bereits wiederholt der Fall, vgl. die Bundesgesetze BGBl. 32/1972, 19/1975, 461/1975) - denkbar wäre.

Möglicherweise wären auch noch andere Berechnungsmethoden denkbar, die den gesetzlichen und verfassungsgesetzlichen Normierungen nicht widersprechen.

Jede der oben skizzierten Berechnungen führt zu einem völlig anderen Ergebnis. Ein Anhaltspunkt dafür, welche dieser Berechnungen gemäß § 57i Abs 3 MOG vom Gesetz geboten ist, um Fehlbeträge oder Überschüsse aus den Vorjahren zu berücksichtigen, ist nicht ersichtlich.

Durch die verschiedenen Berechnungsmethoden werden verschiedene wirtschaftspolitische Ergebnisse bewirkt: Die zuletzt skizzierte Methode dient im stärkeren Maß dem Ziel der Sicherung einer konstanten und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Milch und Milchprodukten aus der Inlandsproduktion, einer limitierten Absatzgarantie und damit auch der Sicherung der Existenzgrundlagen der Milchproduzenten; andere Methoden gewährleisten im stärkeren Maß die Anpassung der Milchproduktion an allfällige Änderungen und Entwicklungen des Bedarfs nach Milch und Milchprodukten. Völlig unterschiedlich wirken sich die verschiedenen Berechnungsmethoden in finanzieller Hinsicht aus: Zur Deckung der Kosten für die Erreichung dieser wirtschaftspolitischen Ziele werden einmal in stärkerem Maß die Produzenten herangezogen, in anderen Fällen trifft die Belastung in stärkerem Maß den Bund. Je nach der verwendeten Berechnungsmethode dominiert daher entweder das Ziel der Förderung des Bauernstandes oder der Vermeidung der Belastung des Staatshaushalts.

All diese verschiedenen Zielsetzungen finden jedoch im gesetzlichen Zielkatalog des § 3 Abs 1 MOG ihre Deckung. Es ist daher auch nicht möglich, die auf Grund grammatikalischer und systematischer Interpretation als zulässig erkannten Berechnungsmethoden teleologisch zu reduzieren und zu einer einzigen zulässigen Berechnungsmethode zu gelangen.

c) Zusammenfassend ergibt sich, daß die Anordnung des § 57i Abs 3, derzufolge die bei der Beitragsfestsetzung vorhandenen Fehlbeträge und Überschüsse beim Aufkommen aus dem allgemeinen Absatzförderungsbeitrag einerseits und dem zusätzlichen Absatzförderungsbeitrag andererseits "entsprechend zu berücksichtigen" seien, nicht geeignet ist, den Inhalt der zu erlassenden Verordnung ausreichend vorherzubestimmen. Nun gebietet aber Art 18 Abs 2 B-VG, daß die maßgebliche gesetzliche Regelung den Verordnungsgeber nicht bloß formal zur Verordnungserlassung delegiert, sondern eine hinreichende materiellrechtliche Vorherbestimmung der auf sie zu gründenden Verordnungen zum Inhalt hat, daß also der wesentliche Verordnungsinhalt durch das Gesetz vorherbestimmt sein muß (vgl. zB VfSlg. 7945/1976 und die dort angeführte Vorjudikatur). Der VfGH hat schon in VfSlg. 3487/1958 hervorgehoben, daß das Gesetz eine Regelung aller der Fragen, die für die Gestaltung als wesentlich anzusehen sind, enthalten muß.

Eine solche ausreichende Vorherbestimmung vermag die in Prüfung gezogene Bestimmung weder für sich allein noch im Zusammenhalt mit anderen Anordnungen des MOG zu bieten, obwohl der Regelungsgegenstand eine genauere Vorherbestimmung des verwaltungsbehördlichen Handelns ermöglichen würde und gerade im Bereich der Festsetzung von Abgaben ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine exakte gesetzliche Regelung besteht (vgl. die Darstellung der Judikatur bei Neisser - Welan, ÖJZ 1968, 60 ff.). Sie steht daher im Widerspruch zu Art 18 Abs 2 B-VG.

7. Es war daher - da die in Prüfung gezogene Bestimmung, wie oben dargelegt, dem Rechtsbestand nicht mehr angehört - auszusprechen, daß § 57i Abs 3 MOG verfassungswidrig war.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VerfGG.