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VfGH vom 25.06.2015, G7/2015

VfGH vom 25.06.2015, G7/2015

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit des gänzlichen Ausschlusses der Gewährung von Verfahrenshilfe in Verwaltungsgerichtsverfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen

Spruch

I. § 40 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VerwaltungsgerichtsverfahrensgesetzVwGVG), BGBl I Nr 33/2013, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E599/2014 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten war ein Verfahren in einer agrarrechtlichen, nicht verwaltungsstrafrechtlichen, Angelegenheit anhängig. Dem unvertretenen Beschwerdeführer wurde dessen Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Kärnten unter Hinweis auf § 9 Abs 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VerwaltungsgerichtsverfahrensgesetzVwGVG), BGBl I 33/2013, zur Verbesserung binnen einer Frist von einer Woche zurückgestellt. Mit Schriftsatz vom beantwortete der Beschwerdeführer diesen Verbesserungsauftrag dahingehend, dass er für die Durchführung des Verbesserungsauftrages keine Ausbildung habe und daher um die Beigebung eines bestimmten Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer ersuche.

1.2. Mit Beschluss vom wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten dieses – als Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gedeutete – Ersuchen als unzulässig zurück. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nur in Beschwerdeverfahren betreffend Verwaltungsstrafsachen zulässig sei. Wenngleich in der Literatur Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit Art 6 EMRK geäußert würden, bestehe für das Landesverwaltungsgericht kein Anlass, die Bestimmung des § 40 VwGVG so zu interpretieren, dass auch in Administrativverfahren die Beigebung eines Verfahrenshelfers möglich wäre.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 40 VwGVG idF BGBl I 33/2013 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"§40 VwGVG entspricht weitgehend § 51a VStG idF vor BGBl I 33/2013 (RV 2009 BlgNR 24. GP, 8) und ist dementsprechend im zweiten Abschnitt des dritten Hauptstückes ('Verfahren in Verwaltungsstrafsachen') des VwGVG enthalten. Weitere Regelungen zur Gewährung von Verfahrenshilfe vor den Verwaltungsgerichten enthält das VwGVG nicht.

Aus dieser Rechtslage scheint zu folgen, dass die Beigebung eines Verfahrenshelfers ausschließlich in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen in Betracht kommt. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 40 VwGVG, der in seiner Terminologie erkennbar auf das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen abstellt. In dieselbe Richtung gehen die bereits dargelegte systematische Stellung des § 40 VwGVG im Abschnitt über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen sowie die Erläuterungen zu § 51a VStG idF vor BGBl I 33/2013, wonach diese Bestimmung die 'Verfahrenshilfe [vor den unabhängigen Verwaltungssenaten] in Verwaltungsstrafangelegenheiten' (RV 1090 BlgNR 16. GP, 18) regelt. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass das VwGVG die Beigebung eines Verfahrenshelfers lediglich in Verwaltungsstrafsachen vorsieht.

Diese Rechtslage scheint Art 6 EMRK zu widersprechen:

Art6 Abs 3 litc EMRK sieht (unter näher bezeichneten Umständen) die unentgeltliche Beigabe eines Verteidigers lediglich bei strafrechtlichen Anklagen iSd Art 6 Abs 1 EMRK vor. Dennoch leitet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unter bestimmten Umständen ein Recht auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche aus Art 6 Abs 1 EMRK selbst ab und hat hiefür beginnend mit seinem Urteil vom , Fall Airey , Appl. 6289/73, Z 26 ff., nähere Kriterien entwickelt.

Zunächst hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass der Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse (EGMR , Fall Del Sol , Appl. 46.800/99, Z 21). Diesem Gebot entspreche es nicht, wenn es für einen effektiven Zugang zum Gericht (auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche) unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde, eine solche Möglichkeit nach dem nationalen Recht jedoch nicht bestehe. Die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers könne beispielsweise geboten sein, wenn im konkreten Verfahren Anwaltszwang bestehe, das Verfahrensrecht kompliziert sei oder eine schwierig zu entscheidende Rechtsfrage vorliege. Zudem müsse der Anschein eines fairen Verfahrens gewahrt werden, wobei es auch auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Partei ankomme (EGMR , Fall Laskowska , Appl. 77.765/01, Z 51, 54).

Der effektive Zugang zum Gericht sei jedoch nicht absolut und könne auch beschränkt werden. Die Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers könne beispielsweise von der finanziellen Situation der Partei, deren (mangelnden) Erfolgsaussichten im Verfahren, den begrenzten Mitteln der öffentlichen Hand sowie der Rechte Dritter und der Beschleunigung des Verfahrens abhängig gemacht werden (EGMR, Fall Laskowska , Z 52). Grundsätzlich kein Gebot zur Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers bestehe dann, wenn ein Fall nicht derart komplex sei, sodass die Partei ihre Interessen selbstständig vertreten könne (EGMR , Fall Aliyeva , Appl. 272/03 [Zulässigkeitsentscheidung]). Die in der älteren Rechtsprechung noch vertretene Auffassung, wonach auch ein genereller Ausschluss der Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers in bestimmten Verfahren gerechtfertigt sein könne (EKMR , Fall Winer , DR 48, 154 [171 f.], zu Verfahren wegen übler Nachrede), wurde mittlerweile aufgegeben; es komme stets auf die Umstände des Einzelfalles an (EGMR , Fall Steel and Morris , Appl. 68.417/01, Z 61).

Der Verfassungsgerichtshof kann vorläufig nicht erkennen, dass das anscheinend im – auch zahlreiche unter den Zivilrechtsbegriff des Art 6 Abs 1 EMRK fallende Angelegenheiten umfassende – Verfahren vor den Verwaltungsgerichten vorgesehene Konzept der Beigebung eines Verfahrenshelfers ausnahmslos in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen dieser Auslegung des Art 6 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entspricht.

Insbesondere scheint die Regelung des § 40 VwGVG außerhalb von Verfahren in Verwaltungsstrafsachen keine Prüfung des Einzelfalles dahingehend zuzulassen, dass zB auf Grund der Komplexität des Verfahrens die Beigebung eines Verfahrenshelfers im konkreten Fall erfolgen kann. Zwar scheint es zutreffend zu sein, dass beispielweise durch die in § 9 VwGVG normierten Anforderungen an eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht, die auch 'ein durchschnittlicher Bürger […] ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann' (AB 2112 BlgNR 24. GP, 7), bzw. durch die anscheinend über die subsidiäre Anwendbarkeit des AVG (§17 VwGVG) sinngemäß anzuwendende Vorschrift über die Manuduktionspflicht für nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene Parteien dem rechtspolitischen Anliegen eines auch für unvertretene Parteien einfach handhabbaren Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten Rechnung getragen werden soll (vgl. Hesse , Bescheid- und Säumnisbeschwerde- verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2012, 289 [294]).

Dennoch scheint es auf Grund der Vielzahl der den Verwaltungsgerichten zur Entscheidung übertragenen Angelegenheiten nicht ausgeschlossen, dass in bestimmten Verfahren die Beigebung eines Verfahrenshelfers unumgänglich erscheint, zumal die Bedeutung der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten für die Beschwerdeführer auch angesichts des durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, BGBl I 51/2012, neu eingeführten Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit und des damit auch verbundenen beschränkten Zuganges zum Verwaltungsgerichtshof gestiegen sein dürfte. In den angesprochenen Fällen scheint aber die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers ausnahmslos nicht möglich zu sein. Damit dürfte aber auch das aus Art 6 EMRK abgeleitete Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht für jene Personen beeinträchtigt sein, die mangels finanzieller Mittel für eine anwaltliche Unterstützung ihre Ansprüche in bestimmten Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nur erschwert durchsetzen können. Diese Rechtslage scheint daher Art 6 EMRK in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht zu entsprechen."

4. Seitens der Bundesregierung und des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten wurde von einer meritorischen Äußerung jeweils Abstand genommen.

II. Rechtslage

Der in Prüfung gezogene § 40 VwGVG idF BGBl I 33/2013 lautet:

"Verfahrenshilfeverteidiger

§40. (1) Ist ein Beschuldigter außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und Personen, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist.

(2) Der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers kann schriftlich oder mündlich gestellt werden. Er ist ab Erlassung des Bescheides bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Wird der Antrag innerhalb der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt er als rechtzeitig gestellt. In dem Antrag ist die Strafsache bestimmt zu bezeichnen, für die die Beigebung eines Verteidigers begehrt wird.

(3) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach dem Sitz des Verwaltungsgerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person des Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(4) Hat der Beschuldigte innerhalb der Beschwerdefrist die Beigebung eines Verteidigers beantragt, so beginnt für ihn die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Verteidiger und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Verteidigers abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten zu laufen.

(5) Die Bestellung eines Verteidigers erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(6) In Privatanklagesachen sind die Abs 1 bis 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers auch gestellt werden kann, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen worden ist. Er kann frühestens gleichzeitig mit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde gestellt werden und ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(7) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen:

2.1. Art 6 Abs 3 litc EMRK sieht die unentgeltliche Beigabe eines Verteidigers lediglich bei strafrechtlichen Anklagen iSd Art 6 Abs 1 leg.cit. vor. Dennoch leitet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Recht auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers unter bestimmten Umständen auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche aus Art 6 Abs 1 EMRK ab. Hiefür entwickelte er – beginnend mit dem Urteil vom im Fall Airey , Appl. 6289/73, Z 26 ff. – nähere Kriterien. So hielt der Gerichtshof fest, dass der Zugang zu Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse (EGMR , Fall Del Sol , Appl. 46.800/99, Z 21) und eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Errichtung eines Rechtsschutzsystems bestehe, das dem Einzelnen den Zugang zu Gericht auch tatsächlich möglich macht. Wenn es für einen effektiven Zugang zu Gericht (auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche) im Einzelfall unentbehrlich sei, dass der Partei ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde, eine solche Möglichkeit nach nationalem Recht jedoch nicht bestehe, so sei besagtem Gebot nicht entsprochen.

2.2. § 40 VwGVG, der im zweiten Abschnitt des dritten Hauptstückes ("Verfahren in Verwaltungsstrafsachen") des VwGVG enthalten ist, entspricht weitgehend der Bestimmung des § 51a VStG idF vor BGBl I 33/2013 und stellt in seiner Terminologie auf das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen ab. Auch seine systematische Stellung im Abschnitt über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen bzw. die Erläuterungen zu § 51a VStG idF vor BGBl I 33/2013, wonach diese Bestimmung die "Verfahrenshilfe [vor den unabhängigen Verwaltungssenaten] in Verwaltungsstrafangelegenheiten" (RV 1090 BlgNR 16. GP, 18) regelt, lassen erkennen, dass die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach § 40 VwGVG ausschließlich in Verwaltungsstrafsachen in Betracht kommt. Weitere Regelungen zur Gewährung von Verfahrenshilfe vor den Verwaltungsgerichten enthält das VwGVG nicht.

2.3. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 6 EMRK ist der Zugang zum Gericht nicht absolut und kann von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden; nach den Umständen des Einzelfalles kann jedoch die unentgeltliche Beistellung eines Verfahrenshelfers unumgänglich sein. Nach dem derzeitigen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit, welches durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, neu eingeführt wurde, ist hingegen – außer in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen – die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers schlechthin nicht möglich. Dies wiegt umso schwerer, als den Verwaltungsgerichten eine rechtsstaatliche Filterungsfunktion zukommt und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Instanzenzug seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nur noch bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erfolgt.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung: Der gänzliche Ausschluss der Gewährung von Verfahrenshilfe in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, die unter Art 6 EMRK fallen, ist verfassungswidrig.

IV. Ergebnis

1. § 40 VwGVG idF BGBl I 33/2013, dessen sieben Absätze eine untrennbare Einheit bilden, ist daher wegen Verstoßes gegen Art 6 EMRK als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:G7.2015