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VfGH vom 13.12.2004, g7/04

VfGH vom 13.12.2004, g7/04

Sammlungsnummer

17413

Leitsatz

Keine Verletzung der Verfahrensgarantien der Menschenrechtskonvention durch die im Verwaltungsstrafgesetz normierten Ausnahmen von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien beantragt in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G7/04 protokollierten Verfahren gemäß Art 140 Abs 1 iVm Art 129a Abs 3 und Art 89 B-VG, der Verfassungsgerichtshof wolle im § 51e Abs 2 Z 1 VStG idF BGBl. I 65/2002 die Wortfolge "der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder" als verfassungswidrig aufheben. In eventu wird der Antrag gestellt, in § 51e Abs 2 Z 1 VStG idF BGBl. I Nr. 65/2002 die Wortfolge "oder die Berufung" als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Vorschrift des § 51e VStG lautet wie folgt:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn


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1.
der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;


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2.
der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn


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1.
in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder


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2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder


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3.
im angefochtenen Bescheid eine 500 € nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder


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4.
sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.

(7) Die gemeinsame Durchführung der Verhandlung in verschiedenen Verfahren ist zulässig, wenn dies auf Grund des sachlichen Zusammenhangs der den Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsübertretungen zweckmäßig ist. Die Entscheidung über die gemeinsame Durchführung ist von den zuständigen Organen des unabhängigen Verwaltungssenats einvernehmlich zu treffen. Die die Verhandlung betreffenden Anordnungen und Entscheidungen sind im Falle der gemeinsamen Durchführung einer Verhandlung in Verfahren, die einerseits in die Zuständigkeit einer Kammer fallen, andererseits in die Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds, von der Kammer zu treffen, in Verfahren, die in die Zuständigkeit verschiedener Kammern oder verschiedener einzelner Mitglieder fallen, von dem in der Geschäftsordnung des unabhängigen Verwaltungssenats für diesen Fall bestimmten Organ. Die Leitung der Verhandlung obliegt dem nach landesrechtlichen Vorschriften zuständigen Organ."

2. In einem Verwaltungsstrafverfahren, das vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anhängig ist, wurde die Berufung - so im Folgenden der Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenats zu den Prozessvoraussetzungen -

"mehr als zwei Wochen nach der aufgrund der Hinterlegung erfolgten Bereithaltung des Straferkenntnisses zur Abholung eingebracht. In diesem Fall hat die Berufungsbehörde vor Einstieg in die Sache amtswegig zu ermitteln, wann das gegenständliche Straferkenntnis zugestellt worden ist. Im gegenständlichen Verwaltungsverfahren wäre im Falle der Anwesenheit des Berufungswerbers an der Abgabestelle im Zeitraum zwischen dem und dem von einer verspäteten Berufungseinbringung auszugehen.

Nach Ansicht des antragstellenden Senates kann nämlich aus dem Umstand der Nichtbeantwortung dieser Anfragen durch den Berufungswerber nicht auf die Abwesenheit des Berufungswerbers zwischen dem 16. und dem an der obangeführten Abgabestelle geschlossen werden, zumal auch der beantragte Zeuge Z bislang keine diese Annahme rechtfertigenden Angaben gemacht hatte. Im Falle des Verbots der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre daher die gegenständliche Berufung bei (faktisch alleiniger) Zugrundelegung der eine Anwesenheit an der Abgabestelle nahelegenden Angaben des Postzustellorganes auf dem Rückschein zurückzuweisen.

Aus dem bisherigen Ermittlungsverfahren kann aber nach Ansicht des antragstellenden Senates nicht die Anwesenheit des Berufungswerbers an der gegenständlichen Abgabestelle zwischen dem und dem als gesichert angenommen werden, zumal zwei notwendige Ermittlungsschritte, nämlich die Vernehmung des Zeugen Z und die des Berufungswerbers, noch nicht durchgeführt worden sind.

Diese Einvernahmen sind nach Ansicht des antragstellenden Senates durchaus geeignet, einen Beweis von der Abwesenheit des Berufungswerbers während des obangeführten Zeitraumes zu liefern.

So hat einerseits der Berufungswerber bislang die schriftlichen Anfragen des antragstellenden Senates nicht beantwortet [...] und sohin bislang keine näheren Angaben zu seinem Vorbringen vom erstattet [...]. Da es häufig vorkommt, dass ein Berufungswerber, welcher behördliche Anfragen nicht beantwortet, dennoch einer Ladung zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Folge leistet, und in diesem Fall zweckdienliche Angaben zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt tätigt, erscheint auch die Möglichkeit der Einvernahme des Berufungswerbers als nicht unwahrscheinlich.

Andererseits entspricht es der alltäglichen Erfahrung, dass ein Zeuge, der telefonisch (bzw. nicht unter Wahrheitspflicht) befragt verallgemeinernd angibt, keine zweckdienlichen Angaben machen zu können, im Falle einer unter Wahrheitspflicht erfolgten mündlichen Einvernahme vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, allenfalls nach entsprechender Befragung durch eine Partei, sehr häufig dennoch hilfreiche Informationen mitzuteilen vermag. Außerdem vermag sich ein Zeuge aufgrund der gesetzlich normierten Zwangsmaßnahmen nicht seiner Befragung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat zu entziehen.

Im Übrigen stellt im Falle einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat der persönliche Eindruck des einvernommenen Zeugen bzw. der einvernommenen Partei ein mitunter essentielles Beweismittel für die Art der Würdigung der getätigten Aussagen dar.

Da zudem sehr häufig eine einen Zeugen beantragende Partei durch die von ihr an den Zeugen gestellten Fragen einen entscheidenden Beitrag zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts leistet, erscheint außerdem eine Einvernahme eines beantragten Zeugen in Abwesenheit der Parteien kontraproduktiv für die Wahrheitsfindung.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheint daher im gegenständlichen Fall schon für die (amtswegige) Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - unabhängig von den durch die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung allfällig verletzten Parteienrechten - geboten.

Da im gegenständlichen Fall der antragstellende Senat zu prüfen hat, ob die Berufung des Berufungswerbers zurückzuweisen ist, und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für die Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich erscheint, ist im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 5le Abs 2 Z 1 VStG, durch welche das Verbot der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Falle der Zurückweisung einer Berufung normiert wird, zu beachten.

Da nach Ansicht des antragstellenden Senates - wie zuvor dargelegt - im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der allfälligen Erlassung eines Zurückweisungsbescheides geboten ist, hat der antragstellende Senat im gegenständlichen Fall, in welchem ohne Einvernahme des Berufungswerbers und des vom Berufungswerber beantragten Zeugen die Zurückweisung der gegenständlichen Berufung als geboten erscheint, § 5le Abs 2 Z 1 VStG anzuwenden. Es liegen daher die Antragsvoraussetzungen vor."

3. Zur inhaltlichen Begründung des Gesetzesprüfungsantrages führt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aus:

"Nach Ansicht der antragstellenden Behörde kann die Bestimmung des § 51e Abs 2 Z 1 VStG nur dahingehend ausgelegt werden, dass durch diese Bestimmung ein absolutes Verbot der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch einen unabhängigen Verwaltungssenat bzw. durch den unabhängigen Bundesasylsenat im Falle der intendierten Zurückweisung einer Berufung normiert wird.

In Anbetracht des Umstandes, dass durch § 51e Abs 3 VStG aufgrund der Nennung des Wortes 'kann' dem Verwaltungssenat ein verfassungskonform zu interpretierendes Ermessen eingeräumt worden ist, eine Verhandlung durchzuführen oder nicht, in § 51e Abs 2 VStG aber (ohne Bestimmung irgendeines Ermessensspielraumes) der Entfall der mündlichen Verhandlung normiert ist, muss davon ausgegangen werden, dass ein derartiges Ermessen durch die Bestimmung des § 51e Abs 2 VStG ausgeschlossen wird.

Nach Ansicht des antragstellenden Senates kann § 51e Abs 2 VStG schon deshalb nicht verfassungsgemäß dahingehend interpretiert werden, dass auch in diesen Fällen dem Verwaltungssenat ein Ermessen betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingeräumt wird, da in diesem Fall die Differenzierung zwischen § 51e Abs 2 VStG und § 51e Abs 3 VStG keinen Sinn machen würde, daher die in § 51e Abs 2 VStG bezeichneten Anwendungsfälle den in § 51e Abs 3 VStG genannten Anwendungsfällen angereiht werden müssten.

Außerdem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle des AVG und VStG 1998 (BGBl. I Nr. 158/1998), dass der Gesetzgeber bewusst und absichtlich in den Fällen des § 51e Abs 2 VStG generell die Durchführung einer mündlichen Verhandlung untersagt hat. Diese gesetzlichen Materialien sind für die nunmehr anzuwendende Bestimmung des § 51e Abs 2 VStG insofern relevant, da durch diese Novelle erstmals die gegenständliche Differenzierung in Sachverhalte, in welchen eine Verhandlung entfällt und in solche, in welchen von einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden kann, eingeführt wurde.

Der Text dieser Novelle wurde durch den Verfassungsausschuss des Nationalrates als Gesetzesantrag eingebracht.

Die Novellierungsformulierungen in diesem Gesetzesantrag lauten hinsichtlich des § 67d AVG und des § 51e VStG wie folgt:

'§67d samt Überschrift lautet:

'Öffentliche mündliche Verhandlung

(Verhandlung)

§67d. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn


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1.
der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;


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2.
der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist;


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3.
die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.'

§ 51e Abs 1 bis 3 wird durch folgende Absätze ersetzt:

'(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn


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1.
der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;


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2.
der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn


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1.
in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder


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2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder


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3.
im angefochtenen Bescheid eine 3 000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder


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4.
sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.'

Die bisherigen Absätze 4 und 5 des § 51e erhalten die Absatzbezeichnungen '(6)' und '(7)'.'

Im Bericht dieses Ausschusses (GP XX AB 1167) wird zum in weiterer Folge wortgleich mit dem Gesetzesantrag beschlossenen § 67d AVG ausgeführt wie folgt:

'Nach § 67d Abs 1 ist der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich verpflichtet, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Abs 2 bis 4 enthalten taxative Ausnahmen von diesem Grundsatz. In den in Abs 2 genannten Fällen hat die Verhandlung jedenfalls zu entfallen. Ob der unabhängige Verwaltungssenat in dem in Abs 3 genannten Fall eine Verhandlung durchzuführen hat, hängt in erster Linie von den Parteien ab, weil ein Entfall der Verhandlung gegen deren erklärten Willen unzulässig ist. Vorbehaltlich der Abs 2 und 4 haben die Parteien also im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten einen Rechtsanspruch auf Durchführung einer Verhandlung. Wird in dem in Abs 3 genannten Fall von keiner Partei eine Verhandlung beantragt, so kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Verhandlung absehen, er muß dies jedoch nicht; ob er trotzdem eine Verhandlung durchführt, steht in seinem Ermessen.'

Weiters wird in diesem Ausschussbericht zu § 51e VStG ausgeführt:

'Siehe sinngemäß die Erläuterungen zu Art 1 Z 29 (§67b AVG samt Überschrift) und Art 1 Z 30 (§67d AVG samt Überschrift). Ergänzend ist hinzuzufügen:

Nach § 51e Abs 2 dritter Satz VStG ist den Parteien vor Erlassung des Bescheides Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu geben. Nach § 51e Abs 3 vierter Satz VStG ist dem Beschuldigten vor der Fällung des Straferkenntnisses Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis der vorgenommenen Erhebungen zu äußern. Da § 45 Abs 3 AVG (Recht auf Parteiengehör) gemäß § 24 VStG auch im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten gilt, können beide Bestimmungen als überflüssig entfallen.'

Schon aus diesen Gesetzesmaterialien ist zu erschließen, dass der Gesetzgeber bewusst von der bis dahin gegoltenen Rechtslage, wonach der Verwaltungssenat in jedem Verfahren eine mündliche Verhandlung durchführen darf, abgegangen ist. Dies ergibt sich schon aus der Sperrung des Wortes 'jedenfalls', der Formulierung 'hat ... zu entfallen' und den Ausführungen, dass ein Rechtsanspruch der Parteien auf Durchführung einer Verhandlung durch die gesetzlichen Bestimmungen in § 67d Abs 2 und Abs 4 AVG (bzw. die Bestimmung des § 51e Abs 2 und Abs 4 VStG) beschränkt wird.

Dass diese Gesetzesbestimmungen als ein Verbot der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu interpretieren sind, wird zudem durch den Umstand gestützt, dass auch im Verwaltungsverfahrenskommentar von Hauer und Leukauf diese Bestimmungen dahingehend interpretiert werden, dass in den Fällen des § 51e Abs 2 VStG eine Verhandlung zu entfallen hat, und durch diese Bestimmungen das Recht der Parteien auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter anderem durch § 51e Abs 2 VStG beschränkt wird, sodass entsprechend den Erläuterungen des Ausschussberichts zur Novelle 1998 allen Parteien auf schriftli- chem Wege ein Parteiengehör einzuräumen ist (vgl. Hauer W., Leukauf O.; Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Wien 2003, 6. Auflage, § 51e Pkt. 1.3.4, Seiten 1662f).

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG darf daher dann keine Verhandlung durchgeführt werden, wenn eine Berufung zurückzuweisen ist.

Eine derart generelle Untersagung einer mündlichen Verhandlung widerspricht nach Ansicht des antragstellenden Senates Art 6 EMRK.

Art 6 Abs 1 EMRK normiert das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf eine mündliche Verhandlung (fair hearing) vor einem 'Tribunal', das 'über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen [den Beschuldigten] erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat'.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , B1737/01, und vom , B366/03, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ausgesprochen hat, wird den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK durch ein Tribunal nur entsprochen, das über volle Kognitionsbefugnis sowohl im Tatsachen- als auch im Rechtsfragenbereich verfügt, sodass eine gesetzliche Bestimmung mit dem Inhalt, dass allein die Höhe der angefochtenen Geldstrafe (weniger als € 500,-) von vornherein den Entfall der mündlichen Verhandlung nach sich zieht, als verfassungswidrig anzusehen wäre.

Begründend führt der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich aus, dass aufgrund des Umstandes, dass dem Verwaltungsgerichtshof - wie der EGMR im Fall Gradinger (EGMR , ÖJZ 1995, 954) festgestellt hat - im Gegensatz zum UVS keine volle Kognitionsbefugnis im Tatsachenbereich zukommt, die Verfahrensgarantie der mündlichen Verhandlung vom unabhängigen Verwaltungssenat erfüllt werden müsse (vgl. dazu auch EGMR im Fall Baischer vom , ÖJZ 2002, 394, Z 28 bis 30).

In einem Strafverfahren, das nur in einer einzigen Instanz vor einem Tribunal durchgeführt wird, folge nach der Rechtsprechung des EGMR aus dem durch Art 6 EMRK garantierten Recht 'gehört zu werden' das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung, von der nur in Ausnahmefällen abgesehen werden könne (so etwa EGMR in den Urteilen Håkansson und Sturesson gg. Schweden vom , Serie A Nr. 171-A, S. 20, Rn 64; Fredin [Nr. 2] gegen Schweden vom , Serie A Nr. 283-A; S. 10-11, Rn 21-22; Allan Jacobsson gegen Schweden [Nr. 2] vom , Slg 1998-I, S. 168, Rn 46).

Durch die angefochtene Bestimmung des § 51e Abs 2 VStG wird generell die Durchführung einer mündlichen Verhandlung untersagt. Ein derartig generelles Verbot der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verstößt nach Ansicht des antragstellenden Senates jedenfalls dann gegen Art 6 EMRK, wenn von diesem Verbot auch Verfahren betroffen sind, deren Ermittlungsverfahren erst nach einer vorherigen Einvernahme von Zeugen oder Parteien abgeschlossen werden kann.

Diese Ansicht zu § 51e Abs 2 VStG vertreten auch Walter/Thienel in ihrem Verwaltungsverfahrenskommentar, dass in den in § 51e Abs 2 VStG normierten Fällen die Verhandlung jedenfalls zu entfallen hat und dass der damit verfügte generelle Ausschluss einer Verhandlung gegen Art 6 MRK verstoße, zumal zumindest einzelne der darin genannten Entscheidungen in den Anwendungsbereich des Art 6 MRK fallen würden (vgl. Walter R., Thienel R.; Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze. II. Band; 2. Auflage, Wien 2000, S. 1029).

Da dem Berufungswerber im Falle der Vernehmung des von ihm namhaft gemachten Zeugen Z durch den Verwaltungssenat ein Fragerecht zusteht, welches die gleichzeitige Anwesenheit des Berufungswerbers und des einzuvernehmenden Zeugen (zweckmäßigerweise) voraussetzt, können nach Ansicht des antragstellenden Senates zudem auch aus diesem Grund diese gebotenen Ermittlungsschritte nicht durch die getrennten Einvernahmen des Zeugen Z und des Berufungswerbers gesetzt werden. Eine Nichtermöglichung eines unmittelbaren Befragungsrechts durch die beschuldigte Partei stellt daher nach Ansicht des antragstellenden Senates auch deshalb eine Verletzung des Gebotes der Durchführung eines fairen Verfahrens dar.

Folglich erscheint im gegenständlichen Fall auch aufgrund des Art 6 EMRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten, sodass jedenfalls aus diesem Grunde im Falle der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung ein Zurückweisungsbescheid des antragstellenden Senates als verfassungswidrig zu qualifizieren wäre."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie begründet diesen Antrag wie folgt:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien beantragt die Aufhebung einer Wortfolge in § 51e Abs 2 Z 1 VStG 'i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002'. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, ist die Z 1 des § 51e Abs 2 VStG jedoch nicht geändert worden (sondern nur dessen Z 3); seine geltende, auch im Anlassfall anzuwendende Fassung hat § 51e Abs 2 Z 1 VStG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/1998 erhalten, durch dessen Art 2 Z 23 die Abs 1 bis 3 des § 51e VStG durch neue Abs 1 bis 5 ersetzt worden sind.

Ob der Antrag damit dem 'strengen Formerfordernis' des § 62 Abs 1 VfGG entspricht, könnte fraglich sein, ist vor dem Hintergrund der wenig formalistischen, neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (vgl. mwH sowie Öhlinger/Hiesel, Verfassungsgerichtsbarkeit2 [2001], E 4 bis 19 zu § 62 VfGG) aber wohl zu bejahen, zumal sich der Antrag, gerade weil darin eine nicht existierende (spätere) Fassung angefochten wird, offenkundig nur auf die geltende Fassung des § 51e Abs 2 Z 1 VStG beziehen kann.

Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, dass dieser § 51e Abs 2 Z 1 VStG im Anlassfall anzuwenden hat. Richtig ist auch, dass § 51e Abs 2 VStG - im Unterschied zu § 51e Abs 3 VStG - kein Ermessen einräumt und dass daher in den darin genannten Fällen die mündliche Verhandlung jedenfalls (zwingend) zu entfallen hat (so auch ).

Die vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gegen den generellen Entfall der mündlichen Verhandlung bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK erhobenen Bedenken sind in der österreichischen Lehre vor allem von Thienel formuliert worden (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2 [1992], 146 ff; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensnovellen 1995 [1995], 44;

Verwaltungsverfahrensnovellen 1998 [1999], 93 ff; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000], 1026 ff Anm. 1 zu § 51e VStG). Dieser stützt sich zur Begründung seiner Auffassung auf drei neuere Urteile des EGMR (de Geouffre de la Pradelle, Serie A 253-B, Z 27 ff; Levages Prestations Service, RJD 1996-V, 1530, Z 36; JJ/NL, , 9/1997/793/994, Z 39f). Im Einzelnen ist hier freilich vieles strittig (vgl. die kontroversen Auffassungen von Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit [1997], 88 einerseits und Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensnovellen 1998 [1999], 93 ff in der Frage, ob Art 6 Abs 1 EMRK für das Wiedereinsetzungsverfahren gilt, oder VfSlg. 11.131/1986 einerseits und VfSlg. 14.076/1995 andererseits).

Zu § 51e Abs 2 Z 1 VStG hat der Verfassungsgerichtshof allerdings im Erkenntnis bereits Folgendes ausgeführt:

'Soweit der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen eine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinne des Art 6 EMRK bereits in dem der Zurückweisung vorangehenden Verfahrensstadium einfordert, ist im folgendes zu entgegnen:

Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung 'über eine strafrechtliche Anklage' oder 'über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen' (vgl. EKMR , X., Y., und Z. gg. Schweiz, Beschwerde Nr. 6916/75, DR 6, 101; vgl. auch Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit [1997], 87 f.). Die Verfahrensgarantie des 'fair hearing' iSd. Art 6 Abs 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozeßhindernisse entgegenstehen (vgl. das Urteil des EGMR vom , Golder, EuGRZ 1975, 91, insb. den letzten Absatz der Rz. 32; vgl. auch EKMR , Blay gg. Deutschland, Beschwerde Nr. 10865/84, DR 47, 188, mit Hinweis auf EKMR , X gg. Schweiz, Beschwerde Nr. 8000/77, DR 13, 81).

Die Regelung des § 51e Abs 2 Z 1 VStG, die den Entfall der mündlichen Verhandlung in jenen Fällen vorsieht, in denen zwar eine (negative) Entscheidung über den Zugang zu einem Verfahren vor dem Tribunal, nicht aber eine Entscheidung über die Sache selbst, nämlich über die 'strafrechtliche Anklage', gefällt wird, verstößt nicht gegen das in Art 6 Abs 1 EMRK normierte Mündlichkeitsgebot, zumal sich dann, wenn zulässigerweise schon der Zugang zu einem Verfahren in der Sache beim Tribunal beschränkt ist, die Frage der Einhaltung der von einem Tribunal allenfalls zu erfüllenden Garantien nicht stellen kann. Art 6 EMRK steht einer prozeßrechtlichen Regelung nicht entgegen, die den Zugang zu einem Verfahren in der Sache von der Einhaltung von Fristen und Formerfordernissen abhängig macht; solche Regelungen dienen der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege ('good administration of justice', vgl. EKMR , X. gg. Schweiz, Beschwerde Nr. 8407/78; EGMR , Ashingdane, EuGRZ 1986, 8, Rz 57; EGMR , Philis, ÖJZ 1991, 859; EKMR , Beschwerde Nr. 15780/89, ÖJZ 1994, 391; EGMR , Levages Prestations Services, ÖJZ 1997, 476).

Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Regelung begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Lichte des verfassungsgesetzlich in Art 6 Abs 1 EMRK verankerten Mündlichkeitsgebots.'

In diesem Zusammenhang darf auch auf die Zulässigkeitsentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom im Fall Franz Fischer gegen Österreich verwiesen werden, in dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, dass ein Verfahren nach § 363a StPO nicht die Entscheidung über die Stichhaltigkeit einer Anklage betrifft (ÖJZ 2003 816). Ähnlich verhält es sich mit interlokutorischen Verfahren, in denen es nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst geht (vgl. Zulässigkeitsentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom im Fall Lamprecht gegen Österreich, BNr. 71 888/01).

Die vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gegen § 51e Abs 2 Z 1 VStG im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK erhobenen Bedenken treffen demnach nicht zu."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Präjudizialität

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien beantragt die Aufhebung der genannten Wortfolgen offenkundig in der geltenden Fassung, die sie durch die Novelle BGBl. I 158/1998 erhalten haben. Mit der Zitierung von BGBl. I 65/2002 wird nur auf die Letztfassung des VStG hingewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenat an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt dessen Entscheidung in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung der antragstellenden Behörde im Anlassfall bildet (vgl. zB VfSlg. 9811/1983, 12.189/1989; ua. Z).

Im Anlassfall hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zu entscheiden, ob eine Berufung rechtzeitig eingebracht und damit zu behandeln ist, oder ob sie wegen Verspätung zurückgewiesen werden muss. Schon die mit dem Hauptantrag zur Aufhebung beantragte Wortfolge "der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder" (in § 51e Abs 2 Z 1 VStG) ist präjudiziell in der Bedeutung des Art 140 Abs 1 B-VG. Nach Aufhebung nämlich bloß der Wortfolge "oder die Berufung" [Eventualantrag] ließe sich unter die vom verbleibenden Text ("Antrag der Partei") getragene Vorschrift auch eine Berufung subsumieren. Der Hauptantrag ist daher zulässig.

2. In der Sache

Nach Abs 1 des § 51e VStG besteht für den unabhängigen Verwaltungssenat die grundsätzliche Verpflichtung, in seinen Verfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

"Die Verhandlung entfällt" unter den in den Z 1 und 2 des § 51e Abs 2 VStG normierten Voraussetzungen. Dies lässt sich, gestützt auf Gesetzesmaterialien und Entstehungsgeschichte des § 51e VStG, als ein Verbot der Durchführung einer mündlichen Verhandlung lesen; auch der Umstand, dass in den folgenden Abs 3 bis 5 leg. cit. Fälle näher umschrieben werden, in denen der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen kann, spricht für diese Lösung.

Gegen ein absolutes Verbot für den unabhängigen Verwaltungssenat, in den Fällen der Z 1 und 2 des § 51e Abs 2 VStG eine mündliche Verhandlung durchzuführen, lässt sich jedoch der Wortlaut dieses Abs 2 ins Treffen führen. Kontrastierend zu Abs 1 - "hat ... durchzuführen" - wird in Abs 2 nur vom Entfall der mündlichen Verhandlung gesprochen, was auch als Entfall der Verpflichtung, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, verstanden werden kann. Dies liegt vor allem deshalb nahe, als in Fällen einer Zurückweisung dieses Ergebnis nicht Voraussetzung für ein Verhandlungsverbot sein kann, wenn erst noch zu ermitteln und entscheiden ist, ob es überhaupt zu einer Zurückweisung kommen wird. Gleiches gilt auch in den Fällen einer Zurückweisung oder Abweisung eines Devolutionsantrages. Schließlich kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, dass er dem unabhängigen Verwaltungssenat verboten hätte, dort eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wo schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Hier kommt wohl nur die Ausnahme von der Verhandlungspflicht in Frage.

Bei diesem Ergebnis, dass es Abs 2 des § 51e VStG dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht verbietet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, sondern ihn in bestimmten Fällen nur von dieser Pflicht entbindet, erübrigt es sich, auf die weitere im Anfechtungsantrag und in der Äußerung der Bundesregierung enthaltene Argumentation einzugehen.

3. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "Der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder" in § 51e Abs 2 Z 1 VStG war daher als unbegründet abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Satz 1 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.