VfGH vom 04.12.2013, G67/2013 ua
19822
Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Bestimmung des Pensionsgesetzes 1965 wegen sachlich nicht gerechtfertigter Differenzierung zwischen Arbeits- bzw Dienstunfällen und Berufskrankheiten im Zusammenhang mit dem Entfall der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage
Spruch
I. § 5 Abs 4 Z 2 des Bundesgesetzes vom über die Pensionsansprüche der Beamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965 – PG 1965), BGBl Nr 340, in der Fassung BGBl I Nr 130/2003, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss, Anträge und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1317/2012 eine auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Die Beschwerdeführerin war zunächst – in den Jahren 1978 bis 1983 über einige Monate hindurch im Rahmen der Privatwirtschaft, seit auf Basis eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund beim Bundessozialamt, Landesstelle Steiermark (vormals Landesinvalidenamt für Steiermark) – als Reinigungskraft beschäftigt gewesen. Nach mehrjähriger Nassarbeit mit Schadstoffeinwirkung auf Hände und Füße entwickelte sich bei ihr u.a. eine schwere, beruflich bedingte, chronische Hauterkrankung. Mit erfolgte daher eine Versetzung der Beschwerdeführerin in die Kanzlei der genannten Bundesdienststelle, wo sie zunächst als Hilfskraft und später als Kanzleikraft dienstverwendet wurde. Mit Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, vom wurde die Hauterkrankung der Beschwerdeführerin als Berufskrankheit anerkannt und gemäß §§173 ff. des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (im Folgenden: ASVG) eine Versehrtenrente von 20 % der Vollrente ab gewährt. Mit Wirksamkeit vom wurde die Beschwerdeführerin als Offizialin in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen und weiterhin im Kanzleidienst verwendet.
Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom wurde die Beschwerdeführerin mit Ablauf des in den Ruhestand versetzt. Da sie nach dem geboren sowie vor dem in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen worden war und sich am im Dienststand befunden hatte, war für sie im Wege der in § 99 PG 1965 geregelten Parallelrechnung eine Gesamtpension (aus anteiligem Ruhebezug und anteiliger Pension) zu ermitteln. Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter/Pensionsservice vom wurde die Gesamtpension der Beschwerdeführerin mit € 1.117,35 monatlich brutto bemessen, wobei hinsichtlich der Bemessung des Ruhebezuges der Beschwerdeführerin die Abschlagsregelung des § 5 Abs 2 leg.cit. zur Anwendung gebracht wurde.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies die Bundesministerin für Finanzen die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid ab. Begründend wird darin ausgeführt, dass eine Kürzung nach § 5 Abs 2 PG 1965 nur dann entfallen könne, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 5 Abs 4 Z 2 leg.cit. vorlägen. Im gegenständlichen Fall fehle es am Zuspruch einer Versehrtenrente nach dem Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (im Folgenden: B-KUVG) bzw. liege lediglich eine Berentung nach dem ASVG vor. Vollständigkeitshalber sei anzumerken, "dass die im letzten Satz der in Rede stehenden pensionsgesetzlichen Bestimmung enthaltene Ausweitung der Relevanz von nicht nach dem B-KUVG zugesprochenen Versehrtenrenten für einen allfälligen Kürzungsentfall lediglich im Zusammenhang mit Arbeits- oder Dienstunfällen, nicht jedoch bei einer Berufskrankheit vorgesehen ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
2. Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 idF BGBl I 130/2003 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[...]
3. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass der hiemit in Prüfung gezogene § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 idF BGBl I 130/2003 gegen den Gleichheitssatz verstößt, welcher es dem Gesetzgeber verbietet, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen (vgl. schon VfSlg 8169/1977 uva.).
3.1. Die Bestimmung des § 5 PG 1965 regelt die Bildung der Ruhegenussbemessungsgrundlage, wobei für Fälle einer vorzeitigen Ruhestandsversetzung diverse Abschlagsregelungen zum Tragen kommen. § 5 Abs 4 Z 2 leg.cit. sieht einen Abschlagsentfall für jene Fälle vor, in denen eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit überwiegend auf einen Dienstunfall (bzw. mehrere Dienstunfälle) oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten auf Grund dessen vom zuständigen Unfallversicherungsträger eine Versehrtenrente nach dem B-KUVG zuerkannt wurde. Gemäß § 5 Abs 4 Z 2 letzter Satz PG 1965 gelten in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erlittene Arbeits- oder Dienstunfälle als Dienstunfälle nach den §§90 und 91 B-KUVG und auf Grund solcher Arbeitsunfälle gebührende Unfall- oder Versehrtenrenten als Versehrtenrenten nach dem B-KUVG. Ein Entfall des Abschlages auf Grund einer Berufskrankheit, die in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erlitten wurde und zur Zuerkennung einer Rente durch einen anderen Unfallversicherungsträger geführt hat, ist hingegen nicht vorgesehen.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof kann vorläufig keine sachliche Rechtfertigung für
die in § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 vorgenommene Differenzierung zwischen Arbeits- oder Dienstunfällen einerseits und Berufskrankheiten andererseits erkennen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts der Beamten durch den Gleichheitsgrundsatz zwar ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offen gelassen; der Gesetzgeber ist lediglich gehalten, das Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den dem Beamten obliegenden Dienstpflichten steht (vgl. VfSlg 16.176/2001 mwH sowie 17.452/2005).
Weiters ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es die Unterschiede zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis rechtfertigen, die Rechte und Pflichten der Bediensteten jeweils unterschiedlich zu gestalten (vgl. VfSlg 17.428/2004 mwH); zwischen dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und der Materie des Sozialversicherungswesens bestehen tiefgreifende Verschiedenheiten (vgl. VfSlg 13.829/1994, 16.923/2003, 17.683/2005).
3.3. Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber in § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 die Entscheidung getroffen, Dienstunfälle und Berufskrankheiten, die zur Dienstunfähigkeit sowie zur Zuerkennung einer Versehrtenrente oder der Anhebung einer bereits bestehenden Versehrtenrente nach dem B-KUVG geführt haben, gleich zu behandeln. Gesundheitsschädigungen, die in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erlitten wurden und zur Zuerkennung einer Rente durch einen anderen Unfallversicherungsträger geführt haben, werden hingegen nur dann begünstigt, wenn es sich um Arbeits- und Dienstunfälle handelt. Damit dürfte der Gesetzgeber seinen ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten haben:
3.4. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Grundtatbestand des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 hinsichtlich der Berufskrankheiten darauf abstellt, dass nur qualifizierte Beschädigungen dazu führen, dass Betroffene eine Versehrtenrente nach dem B-KUVG erhalten können.
3.5. Auch wenn man zudem unter Berufskrankheiten körperliche Schädigungen versteht, die im Gegensatz zu Folgen eines Arbeits- oder Dienstunfalles nicht auf ein plötzliches, abgegrenztes Ereignis, sondern im Regelfall auf einer länger dauernden Einwirkung beruhen (vgl. Tarmann-Prentner in Sonntag (Hrsg.), ASVG 4 , 2013, § 177 Rz 1), sind die Rechtsfolgen, die an einen Arbeits- bzw. Dienstunfall und eine qualifizierte Berufskrankheit anknüpfen, sowohl innerhalb des Systems des B-KUVG als auch des ASVG regelmäßig gleich gelagert. Versicherungsleistungen etwa der Unfallheilbehandlung (§§96 ff. B-KUVG bzw. §§189 ff. ASVG) und Rehabilitation (§§99a ff. B-KUVG bzw. §§198 ff. ASVG), aber auch die
Gewährung von Versehrtenrenten (§§88 ff. B-KUVG bzw. §§203 ff. ASVG) knüpfen gleichermaßen sowohl an Arbeits- bzw. Dienstunfälle als auch an Berufskrankheiten an. Beide Versicherungsfälle können bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen überdies eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit (§14 BDG 1979) bzw. entsprechende Leistungen der sozialen Pensionsversicherung (Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension) nach sich ziehen (vgl. zB §§254 ff. [B-KUVG] bzw. §§273 ff. ASVG).
3.6. Es sind vorerst keine Unterschiede zwischen den beiden genannten Versicherungsfällen erkennbar, die eine differenzierte Behandlung im Bereich des Abschlagsentfalles als sachgerecht erscheinen ließen, weshalb eine Schlechterstellung von Berufskrankheiten, die in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft entstanden sind, im gegenständlichen Zusammenhang vorerst sachlich nicht gerechtfertigt erscheint."
4. Die Bundesregierung teilte im Gesetzesprüfungsverfahren mit, von einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen, und beantragte für den Fall der Aufhebung, dass der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimme, um eine Neuregelung erlassen zu können.
5. Mit den zu G91/2013, G92/2013 und G102/2013 protokollierten, auf Art 140 Abs 1 B-VG gestützten Anträgen begehrt der Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge die von ihm bereits amtswegig in Prüfung gezogene Ziffer 2 des § 5 Abs 4 PG 1965, diese zuletzt geändert durch die 2. Dienstrechts-Novelle 2003, BGBl I 130, als verfassungswidrig aufheben.
Den Beschwerden, anlässlich deren Behandlung der Verwaltungsgerichtshof diese Anträge stellte, liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
In dem zu G91/2013 protokollierten Verfahren steht die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof – eine Oberlehrerin für Werkerziehung, seit im Ruhestand – in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom wurde festgestellt, dass ihr – unter Zugrundelegung einer gemäß § 5 Abs 2 PG 1965 iVm § 106 Abs 1 Z 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984), BGBl 302, gekürzten Ruhegenussbemessungsgrundlage – ab eine Gesamtpension in Höhe von € 1.650,11 monatlich brutto gebühre. In der dagegen erhobenen Berufung begehrte die Beschwerdeführerin die Abstandnahme von der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage, weil ihre Dienstunfähigkeit (überwiegend) auf eine Berufskrankheit zurückzuführen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass ein rechtskräftiger Zuspruch einer Versehrtenrente bzw. die Anhebung einer bereits bestehenden Versehrtenrente nach dem B-KUVG auf Grund der behaupteten Berufskrankheit nicht erfolgt sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde, anlässlich deren Behandlung dieser den Antrag auf Aufhebung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 stellte.
Der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof in dem zu G92/2013 protokollierten Verfahren stand bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit Ablauf des als Fachschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Der Bemessung seines Ruhegenusses wurde ebenfalls eine nach § 5 Abs 2 PG 1965 iVm § 106 Abs 1 Z 2 LDG 1984 (auf 62 %) gekürzte Ruhegenussbemessungsgrundlage zugrunde gelegt. In der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, aus deren Anlass dieser einen weiteren Antrag auf Aufhebung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 stellte, brachte der Beschwerdeführer vor, dass während seiner Berufsausübung eine bedeutende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten sei, weshalb bei Kenntnis seiner "Berufskrankheiten" eine Kürzung des Ruhegenusses nicht hätte erfolgen dürfen.
In dem zu G102/2013 protokollierten Verfahren steht die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof seit in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Mit Bescheid des Personalamtes Graz der Telekom Austria Aktiengesellschaft vom wurde festgestellt, dass ihr – unter Zugrundelegung einer gemäß § 5 Abs 2 PG 1965 gekürzten Ruhegenussbemessungsgrundlage – ab eine Gesamtpension in Höhe von € 2.052,07 monatlich brutto gebühre. In der dagegen erhobenen Berufung begehrte die Beschwerdeführerin die Abstandnahme von der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage aus dem Grunde des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965, weil ihre Dienstunfähigkeit (überwiegend) auf eine Berufskrankheit zurückzuführen sei. Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Ruhestandsversetzung nicht auf eine Berufskrankheit zurückzuführen und der Beschwerdeführerin auch keine Versehrtenrente nach dem B-KUVG zuerkannt worden sei. Anlässlich der Behandlung der Beschwerde gegen diesen Bescheid richtete der Verwaltungsgerichtshof einen neuerlichen Antrag auf Aufhebung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen ausführt, teilt er die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gleichheitskonformität des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965. Zur Begründung verweist der Verwaltungsgerichtshof auf den Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes.
6. Die Bundesregierung verwies hinsichtlich der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf ihre zu G67/2013 vorgelegte Mitteilung, worin sie angegeben hatte, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.
7. Die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattete als beteiligte Partei in dem zu G102/2013 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes anschließt.
II. Rechtslage
§5 PG 1965 idF BGBl I 86/2013 lautet auszugsweise (die in Prüfung gezogene Ziffer 2 des 4. Absatzes, zuletzt geändert durch BGBl I 130/2003, ist hervorgehoben):
"Ruhegenußbemessungsgrundlage
§5. (1) 80% der Ruhegenußberechnungsgrundlage bilden die volle Ruhegenußbemessungsgrundlage.
(2) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, zu dem der Beamte frühestens seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung nach § 15 in Verbindung mit § 236c Abs 1 BDG 1979 bewirken hätte können, ist das Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage um 0,28 Prozentpunkte zu kürzen. Bei einer Ruhestandsversetzung nach § 207n BDG 1979 beträgt das Ausmaß der Kürzung 0,3333 Prozentpunkte pro Monat. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(2a) Bei einer Ruhestandsversetzung nach § 15b BDG 1979 beträgt das Ausmaß der Kürzung abweichend von Abs 2 0,12 Prozentpunkte pro Monat. Bei einer Ruhestandsversetzung nach § 15c BDG 1979 ist der sich nach der Anwendung des Abs 2 und der §§90a Abs 1 und 92 bis 94 ergebende Ruhebezug zusätzlich um 0,175% für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem die Beamtin oder der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet, zu verringern.
(2b) Abs 2 ist im Falle einer Versetzung in den Ruhestand nach § 15 oder § 15a BDG 1979, jeweils in Verbindung mit § 236b BDG 1979, nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand nach diesen Bestimmungen vor dem erfüllt werden.
(3) Bleibt der Beamte nach Vollendung seines 65. Lebensjahres im Dienststand, so ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage für jeden vollen Monat, der zwischen dem auf die Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Monatsersten und dem Monatsersten nach dem Übertritt (der Versetzung) in den Ruhestand liegt, um 0,28 Prozentpunkte zu erhöhen.
(4) Eine Kürzung nach Abs 2 findet nicht statt, wenn
1. der Beamte im Dienststand verstorben ist oder
2. wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit überwiegend auf einen Dienstunfall oder mehrere Dienstunfälle [§§90 und 91 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (B-KUVG), BGBl Nr 200/1967] oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten auf Grund dieses Dienstunfalls oder dieser Dienstunfälle oder dieser Berufskrankheit vom zuständigen Unfallversicherungsträger rechtskräftig eine Versehrtenrente oder die Anhebung einer bereits bestehenden Versehrtenrente nach dem B-KUVG zugesprochen wurde. Der rechtskräftig festgestellte Anspruch auf Versehrtenrente muss - allenfalls auch auf Grund rückwirkender Zuerkennung - zum Zeitpunkt des Anfalls des Ruhebezuges bestehen. Fällt der Anspruch auf Versehrtenrente (Anhebung der Versehrtenrente) spätestens mit Wirkung vom Zeitpunkt des Anfalls des Ruhebezuges rückwirkend weg, so ist die Kürzung nach Abs 2 rückwirkend vorzunehmen und die sich daraus unter Bedachtnahme auf § 40 ergebende Bundesforderung gegen künftige wiederkehrende Leistungen aufzurechnen. Gebührt dem Beamten deswegen keine (erhöhte) Versehrtenrente auf Grund des die Dienstunfähigkeit verursachenden Dienstunfalls (Dienstunfälle) oder der die Dienstunfähigkeit verursachenden Berufskrankheit, weil er bereits Anspruch auf Vollrente hat, so findet dennoch keine Kürzung nach Abs 2 statt, wenn die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter der Pensionsbehörde bescheinigt, dass dieser Dienstunfall (Dienstunfälle) oder diese Berufskrankheit für sich allein eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 10% bewirkt hat. In einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erlittene Arbeits- oder Dienstunfälle gelten als Dienstunfälle nach den §§90 und 91 B-KUVG und auf Grund solcher Arbeitsunfälle gebührende Unfall- oder Versehrtenrenten als Versehrtenrenten nach dem B-KUVG.
(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf – abgesehen vom Fall der Ruhestandsversetzung nach § 207n BDG 1979 - 62% der Ruhegenussberechnungsgrundlage (des ruhegenussfähigen Monatsbezuges) nicht unterschreiten und 90,08% der Ruhegenussberechnungsgrundlage (des ruhegenussfähigen Monatsbezuges) nicht überschreiten.
(6) […]
(7) Bei ab geborenen Beamtinnen und Beamten darf die Ruhegenussbemessungsgrundlage bei einer Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979 nach dem vollendeten 57. Lebensjahr 66,8% der Ruhegenussberechnungsgrundlage nicht unterschreiten, wenn innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand mindestens 120 Schwerarbeitsmonate (§15b Abs 2 BDG 1979) vorliegen.
"
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat die unter Punkt I. genannten Verfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
1. Zur Zulässigkeit
1.1. In dem von Amts wegen eingeleiteten, zu G67/2013 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verfahren insgesamt als zulässig.
1.2. Auch die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes sind zulässig:
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B VG bzw. des Art 139 B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Da es nicht denkunmöglich ist, dass der Verwaltungsgerichtshof im Zuge seiner zu treffenden Entscheidungen über die bei ihm anhängigen Beschwerden die von ihm angefochtene Bestimmung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 anzuwenden hat, ist von deren Präjudizialität auszugehen. Auch die Bundesregierung hat die Zulässigkeit der zu G91/2013, G92/2013 und G102/2013 protokollierten Anträge des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Zweifel gezogen.
2. In der Sache
2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten – vom Verwaltungsgerichtshof geteilten – Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen.
2.2. Auf Grund der Regelung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 werden Dienstunfälle und Berufskrankheiten, die zur Dienstunfähigkeit sowie zur Zuerkennung einer Versehrtenrente oder der Anhebung einer bereits bestehenden Versehrtenrente nach dem B-KUVG geführt haben, gleich behandelt. Gesundheitsschädigungen, die in einem sonstigen Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erlitten wurden und zur Zuerkennung einer Rente durch einen anderen Unfallversicherungsträger geführt haben, werden hingegen nur dann begünstigt, wenn sie aus Arbeits- bzw. Dienstunfällen resultieren.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof sieht seine im Prüfungsbeschluss ausgesprochenen Bedenken, wonach es keine sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Berufskrankheiten gibt, bestätigt; die in Prüfung gezogene bzw. angefochtene Regelung des § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 widerspricht daher dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG).
IV. Ergebnis
1. § 5 Abs 4 Z 2 PG 1965 idF BGBl I 130/2003 ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2013:G67.2013