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VfGH vom 01.10.1992, G64/92

VfGH vom 01.10.1992, G64/92

Sammlungsnummer

13178

Leitsatz

Keine Aufhebung der begünstigten Besteuerung der Umsätze von Kranken- und Pflegeanstalten hinsichtlich aller unmittelbar mit der Krankenbehandlung zusammenhängenden Leistungen nach dem UStG 1972; keine gleichheitswidrige Differenzierung zwischen ärztlichen Leistungen in bzw außerhalb von Krankenanstalten

Spruch

§ 10 Abs 2 Z 9 Umsatzsteuergesetz 1972 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach § 10 Abs 1 Umsatzsteuergesetz 1972 in der Fassung BGBl. 587/1983 (UStG) beträgt die Steuer 20 von Hundert der Bemessungsgrundlage. Nach Abs 2 ermäßigt sie sich auf 10 von Hundert unter anderem für

"9. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- und Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen;".

Bis zur Novelle BGBl. 410/1988 unterlagen neben anderen Tätigkeiten auch ärztliche Leistungen bloß einem ermäßigten Satz von 10 von Hundert der Umsatzsteuer (Z7 lita).

Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt. Seine Leistungen an Privatpatienten aus 1989 wurden mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion entgegen seinem Antrag zum Normalsteuersatz von 20 % der Umsatzsteuer unterzogen.

Die dagegen erhobene Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und die Rechtsverletzung durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen. Es sei unsachlich, die ärztlichen Leistungen in Krankenanstalten - zu denen insbesondere auch Privatambulatorien zählten - zu begünstigen, die gleichartigen Leistungen der Ärzte aber mit dem Normalsatz zu besteuern. Außerdem seien die Träger der Sozialversicherung von der Umsatzsteuer ganz befreit. Der nur im Amtsblatt veröffentlichte Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom , nach welchem Umsätze von Krankenanstalten im Sinne des Krankenanstaltengesetzes dann nicht die Begünstigung genießen sollten, wenn die Einkünfte aus diesen Anstalten jenen aus freiberuflicher Tätigkeit zuzurechnen seien, finde im Gesetz keine Deckung.

II. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der bei Behandlung der Beschwerde anscheinend anwendbaren Z 9 des § 10 Abs 2 UStG beschlossen.

1. Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. 410/1988 (627 BlgNR, 17.GP, 8) sollte durch die Beseitigung der Steuerermäßigung für die Umsätze der in der Z 7 genannten Gruppen von freien Berufen

"... ein Betrag zur Finanzierung der großen Steuerreform geleistet werden. Durch die beabsichtigte Neuregelung werden auch zahlreiche Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich bei Anwendung der gegenständlichen Begünstigungsvorschrift immer wieder ergeben haben und die zu einer unverhältnismäßig hohen Zahl von Rechtsmittelverfahren bis zu den Höchstgerichten führten, in Wegfall kommen. Überdies handelt es sich hiebei bereits um eine Maßnahme in Richtung einer Anpassung der umsatzsteuerlichen Bestimmungen an die EG-Richtlinien."

Eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen (Nr. 2820/AB vom , II-6221 BlgNR,

17. GP; veröffentlicht in SWK 1989, T 13, Heft 8) führt dazu in bezug auf ärztliche Leistungen folgendes aus:

"Die Anhebung des Steuersatzes für die Leistungen der freien Berufe gibt keinen Anlaß, auch den ermäßigten Steuersatz für die Umsätze der Krankenanstalten zu beseitigen. Wenngleich die Umsätze der Krankenanstalten auch ärztliche Behandlungsleistungen beinhalten, so handelt es sich hiebei doch nur um einen Teil der den Patienten gegenüber erbrachten Leistungen. Im Krankenhaus werden neben den Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen in erheblichem Ausmaß auch Betreuungsleistungen durch das nichtärztliche Personal erbracht. Ferner sind die mit den Spitalsleistungen verbundenen Aufwendungen, beispielsweise für medizinisch-technische Geräte, in der Regel bedeutend höher als die mit einer freiberuflichen ärztlichen Leistung verbundenen Kosten. Diese unterschiedliche Art der Leistungen der Krankenanstalten gegenüber den reinen ärztlichen Leistungen lassen auch eine differenzierte umsatzsteuerliche Behandlung dieser Leistungen als sachlich gerechtfertigt und somit als verfassungskonform erscheinen.

Zu bemerken ist ferner, daß nach § 6 Z 6 UStG 1972 die Umsätze der Sozialversicherungsträger untereinander, an die Versicherten und die mitversicherten Familienangehörigen echt steuerfrei sind. Diese weitgehende Begünstigung bewirkt im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 2 Abs 4 und des § 12 Abs 3 und 8 UStG 1972, daß sowohl die ärztlichen Leistungen als auch die Spitalsleistungen zur Gänze von der Umsatzsteuer entlastet werden, wenn es sich hiebei um Leistungen handelt, die durch die Sozialversicherung abgedeckt sind. Diese Auswirkung ergibt sich deshalb, weil die Sozialversicherungsträger aufgrund der genannten Gesetzesbestimmungen hinsichtlich aller Leistungen, auf die die Versicherten bzw. mitversicherten Angehörigen einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch haben, zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um 10%ige oder 20%ige Umsatzsteuerbeträge handelt. Hinsichtlich dieser Leistungen tritt somit keine Umsatzsteuerbelastung ein, sodaß in diesem in Österreich sehr großen Bereich keinesfalls der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein kann.

Die Leistungen der Krankenanstalten der Sozialversicherungsträger, auf die die Versicherten bzw. mitversicherten Angehörigen einen Anspruch haben, sind von der Umsatzsteuer echt befreit und daher ohne Umsatzsteuer abzurechnen. Dies trifft auch auf im Rahmen der Spitalsbehandlung erbrachte ärztliche Leistungen zu, sofern die Entgelte im Namen der Krankenanstalt vereinnahmt werden. Nur auf Leistungen, die außerhalb der Sozialversicherungspflicht durch eine Krankenanstalt eines Sozialversicherungsträgers erbracht werden oder bei denen die Entgelte im Namen der Ärzte vereinnahmt werden, was zum Beispiel bei den ärztlichen Sondergebühren der Fall sein kann, kommt die echte Steuerbefreiung nicht zur Anwendung, sodaß eine 10%ige Umsatzsteuer von der Krankenanstalt bzw. (ab ) eine 20%ige Umsatzsteuer vom Arzt in Rechnung gestellt werden muß.

Die Leistungen privater Ambulatorien unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von 10 %. Die von den Ambulatorien der Sozialversicherungsträger an Nichtversicherte bzw. an Versicherte, aber außerhalb der Sozialversicherungspflicht, erbrachten Leistungen sind - wie bei den Krankenanstalten - von der echten Steuerbefreiung nicht erfaßt und unterliegen daher ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz von 10 %. Diesbezüglich besteht sohin keine umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung der privaten Ambulatorien gegenüber den Ambulatorien der Sozialversicherungsträger.

Was die Leistungen im Rahmen der Versicherungspflicht betrifft, so sind diese einerseits echt steuerfrei, wenn sie von Ambulatorien der Sozialversicherungsträger erbracht werden, andererseits mit 10 % steuerpflichtig, wenn sie von privaten Ambulatorien erbracht werden. Die Steuerpflicht der Leistungen der privaten Ambulatorien führt allerdings zu keiner Umsatzsteuerbelastung, da der Sozialversicherungsträger, dem der Patient angehört, die vom Ambulatorium in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen kann. Auch im Bereich dieser Leistungen liegt somit - was die Umsatzsteuerbelastung betrifft - keine Ungleichbehandlung zwischen privaten Ambulatorien und den Ambulatorien der Sozialversicherungsträger vor."

Schließlich teilte das Bundesministerium für Finanzen mit Erlaß vom auf die Frage, ob durch Umwandlung einer Arztordination in eine Krankenanstalt (z.B. ein Ambulatorium) die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die ärztlichen Leistungen erreicht werden könne, "im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise im Bundesgebiet" folgendes mit (AÖFV 146/1990):

"Zu den Krankenanstalten im Sinne des Krankenanstaltengesetzes zählen allgemeine Krankenanstalten, Sonderkrankenanstalten, Heime für Genesende, Pflegeanstalten für chronisch Kranke, Gebäranstalten und Entbindungsheime, Sanatorien und selbständige Ambulatorien (§2 Abs 1 KAG). Zu den selbständigen Ambulatorien gehören Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen, wie z. B. auch chemisch-diagnostische Laboratorien. Krankenanstalten bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung als auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung (§3 Abs 1 KAG). Grundsätzlich wird eine Krankenanstalt im Sinne des Krankenanstaltengesetzes auch als Krankenanstalt im Sinne des § 10 Abs 2 Z 9 UStG 1972 anzusehen sein. Um jedoch eine umsatzsteuerrechtliche Ungleichbehandlung von gleichartigen ärztlichen Leistungen zu vermeiden, vertritt das Bundesministerium für Finanzen im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation die Rechtsauffassung, daß auf die Umsätze von Krankenanstalten im Sinne des Krankenanstaltengesetzes (wie z.B. von Ambulatorien) der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs 2 Z 9 UStG 1972 dann nicht zur Anwendung kommen kann, wenn die Einkünfte (Gewinnanteile) aus diesen Krankenanstalten den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 1 (oder Z 3) EStG 1988 zuzuordnen sind. Diese Rechtsauffassung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil in derartigen Fällen die persönliche (leitende und eigenverantwortliche) Tätigkeit des Arztes und nicht der 'Umsatz einer Krankenanstalt' im Vordergrund steht. Diese Betrachtungsweise muß gleichermaßen für die einkommensteuerliche wie für die umsatzsteuerliche Beurteilung gelten."

Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß dieser Erlaß als bloße "Mitteilung" nicht verbindlich ist und die dort vertretene Rechtsansicht in dem ohne Einschränkung auf Krankenanstalten schlechthin abstellenden Gesetz auch keine Grundlage findet. Er nahm daher an, daß Leistungen, die unmittelbar mit der Krankenbehandlung in Zusammenhang stehen, dann - nur dann und immer dann - begünstigt sind, wenn sie in Krankenanstalten erbracht werden. Es schien ihm dabei auch ohne Bedeutung zu sein, ob es sich um eine private oder um eine öffentliche Krankenanstalt handelt (sodaß nicht die Förderung öffentlicher Krankenanstalten beabsichtigt sein kann).

2. An diese Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken geknüpft:

"Geht man von der Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen aus, so scheint für die Begünstigung vor allem ausschlaggebend gewesen zu sein, daß die Leistungen der Krankenanstalten neben Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen Betreuungsleistungen durch das nichtärztliche Personal einschließen. Sind aber nach dem Gesetz von vornherein nur Leistungen begünstigt, die unmittelbar mit der Krankenbehandlung zusammenhängen, so ist nicht erkennbar, inwiefern die Bevorzugung von Krankenanstalten damit gerechtfertigt werden soll, daß hier außerdem auch nichtärztliche Leistungen erbracht werden. Den engsten Zusammenhang mit der Krankenbehandlung weist ja gerade die ärztliche Leistung auf, und diese ist daher auch in Krankenanstalten durch die Ermäßigung in erster Linie begünstigt. Jedenfalls kann der Verfassungsgerichtshof vorläufig nichts erkennen, was es rechtfertigen könnte, jene nichtärztlichen Leistungen, die 'mit der Krankenbehandlung in unmittelbarem Zusammenhang stehen' zusammen mit den ärztlichen in Anstalten zu begünstigen, ärztliche Leistungen außerhalb von Anstalten aber nicht. Mit EG-Richtlinien scheint diese Differenzierung nichts zu tun zu haben.

Der weitere Hinweis, die Aufwendungen z.B. für medizinisch-technische Geräte seien in Krankenanstalten regelmäßig höher als bei freiberuflichen Ärzten, scheint dem Verfassungsgerichtshof in seiner Allgemeinheit nicht zuzutreffen. Geht doch gerade der genannte Erlaß des Bundesministers für Finanzen im Bestreben nach 'verfassungskonformer Interpretation' selbst von der Einsicht aus, daß ein besonders hoher, die Ausstattung ärztlicher Ordinationen - insbesondere von Fachärzten - wesentlich übersteigender Aufwand für medizinische Einrichtungen nicht zum Wesen einer Krankenanstalt gehört und daß auch andere Gesichtspunkte für die Einrichtung einer Anstalt sprechen können. Es scheint daher, daß die in § 10 Abs 2 Z 9 UStG getroffene Abgrenzung begünstigter und nicht begünstigter Umsätze untauglich ist und dem Gleichheitssatz widerspricht."

Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Sie weist insbesondere darauf hin, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift angesichts des ermäßigten Steuersatzes für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen Zwecken dienen (§10 Abs 2 Z 12 UStG), also insbesondere für Körperschaften des öffentlichen Rechts, und der Steuerfreiheit von Umsätzen der Träger der Sozialversicherung (§6 Z 6 UStG) letztlich nur für Privatspitäler und auch dort nur für Leistungen an Privatpatienten oder außerhalb der Pflichtleistungen von Bedeutung sei.

III. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. In § 10 Abs 2 Z 9 UStG werden der Sache nach Leistungen, die unmittelbar mit der Kranken- und Kurbehandlung (oder der Betreuung von Pfleglingen) in Zusammenhang stehen, begünstigt; daß diese Begünstigung auf Umsätze von Kranken- und Pflegeanstalten beschränkt ist, verschlägt nichts (wie schon daraus zu erkennen ist, daß im Falle einer Teilaufhebung diese Beschränkung wegfallen könnte). Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

IV. Die Bedenken des Gerichtshofes treffen jedoch nicht zu. § 10 Abs 2 Z 9 UStG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

1. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes richten sich ausschließlich dagegen, daß alle "unmittelbar mit der Krankenbehandlung zusammenhängenden", mithin auch - und sogar in erster Linie - die ärztlichen Leistungen in Krankenanstalten begünstigt sind, ärztliche Leistungen außerhalb von Krankenanstalten jedoch nicht (eine Differenzierung, die erst die Novelle 1988 herbeigeführt hat).

Die Bundesregierung stellt dazu in Erwägung,

"daß § 10 Abs 2 Z 9 des Umsatzsteuergesetzes 1972 nicht nur Leistungen begünstigt, die unmittelbar mit der Krankenbehandlung zusammenhängen, sondern daneben auch Umsätze für Leistungen, die 'unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen'. Diese Wendung ist aber offensichtlich deshalb in § 10 Abs 2 Z 9 des Umsatzsteuergesetzes 1972 aufgenommen worden, weil die von den Krankenanstalten erbrachten Leistungen immer sowohl eine als Kranken- und Kurbehandlung und eine als Betreuungsleistung zu bezeichnende Komponente aufweisen."

und führt im einzelnen folgendes aus:

"Betrachtet man diese beiden Komponenten aus wirtschaftlicher Sicht, was gerade bei der Beurteilung von wirtschaftlichen Vorgängen geboten erscheint, an die umsatzsteuerrechtliche Vorschriften anknüpfen, so fällt auf, daß die ärztliche Leistung - wohlgemerkt bei einer wirtschaftlichen Betrachtung - auch im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung nicht im Vordergrund steht.

Nach den Auswertungsergebnissen der Kostenrechnung 1989, Teil II, Überregionale Auswertung, herausgegeben vom Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds, sind 55,4 % der gesamten Primärkosten der Krankenanstalten in Österreich Personalkosten. Nach derselben Quelle sind aber nur etwa 13 % des Personals Ärzte. Auch wenn man davon ausgeht, daß diese im Durchschnitt doppelt so viel verdienen, wie der Durchschnitt der sonstigen Bediensteten, bedeutet das nur, daß die Kosten der ärztlichen Leistungen 26 % der Personalkosten und damit nur etwa 14,4 % der Gesamtkosten der Spitalsbehandlung betragen. Daraus folgt, daß von der - aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht relevanten - Kostenseite betrachtet, die ärztliche Leistung in einer Krankenanstalt eine verhältnismäßig geringe Rolle spielt. Schon aus diesem Grund kann nach Ansicht der Bundesregierung die von freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärzten erbrachte Leistung - die ja vorwiegend Eigenleistung des Arztes ist - nicht mit Leistungen der Krankenanstalten verglichen werden.

Der Verfassungsgerichtshof meint weiters, daß das Argument, die Aufwendungen z.B. für medizinisch-technische Geräte seien in Krankenanstalten regelmäßig höher als bei freiberuflichen Ärzten, in seiner Allgemeinheit nicht zutreffe. Dem ist zwar im Grunde zuzustimmen, doch sind die medizinisch-technischen Geräte ein verhältnismäßig geringer Kostenfaktor in Spitälern. Insgesamt läßt sich aber im Lichte der obigen Ausführungen die Auffassung vertreten, daß wirtschaftlich betrachtet die Leistung der Ärzte eine untergeordnete Rolle spielt. Neben den tatsächlich in letzter Zeit äußerst kostenintensiven medizinisch-technischen Großgeräten ist nämlich auf die große Zahl von Krankenpflegern, medizinisch-technischen Angestellten sowie auf das Verwaltungspersonal und auf das technische Personal hinzuweisen. Legt man eine Durchschnittsbetrachtung an, so kann mit Recht behauptet werden, daß diese Kostenfaktoren typischerweise in Krankenanstalten anzutreffen sind, und daß - bei einer Durchschnittsbetrachtung - diese Kosten in einem wesentlich geringeren Umfang in Ordinationsstätten freiberuflicher Ärzte auftreten. In diesem Sinne werden durchaus unterschiedliche Leistungen im Umsatzsteuergesetz 1972 auch unterschiedlich behandelt.

Die unterschiedliche Behandlung von ärztlichen Leistungen außerhalb einer Krankenanstalt einerseits und der Leistungen der Krankenanstalten andererseits durch die bedeutend höhere Kostenbelastung, die Krankenanstalten zu tragen haben, läßt sich daher sehr wohl sachlich rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch auf das für eine Krankenanstalt - und nicht auch für eine Arztordination - für die Erbringung der ärztlichen Leistungen erforderliche qualifizierte Personal (Krankenschwestern, Operationshelfer usw.) und auf die hohen Ausstattungserfordernisse an besonderen Räumlichkeiten (Operationssäle usw.) und die hochwertigen medizinisch-technischen Geräte hingewiesen.

Zur Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Bestimmung läßt sich im übrigen noch ins Treffen führen, daß im Hinblick auf die oben dargestellten Kostenfaktoren, die durchschnittlichen Behandlungskosten in einer Krankenanstalt die durchschnittlichen Kosten einer Behandlung durch einen freiberuflichen niedergelassenen Arzt um ein Mehrfaches übersteigen. ..."

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen der Bundesregierung insgesamt zutreffen. Die Bedenken des Gerichtshofes lassen sich jedenfalls im Ergebnis zerstreuen. Zunächst ist der Bundesregierung einzuräumen, daß die besonderen Kosten der Behandlung und Betreuung durch nichtärztliches Personal ein wesentliches Merkmal der Kranken- und Pflegeanstalten und der sonstigen in § 10 Abs 2 Z 9 UStG genannten Einrichtungen ist, das eine besondere Behandlung der Leistungen dieser Anstalten insgesamt rechtfertigt. Dazu hat die Bundesregierung in der Verhandlung noch zutreffend dargetan, daß in den genannten Anstalten alle typischen Leistungen unmittelbar mit der Kranken- und Kurbehandlung (der Behandlung der Pfleglinge) in Zusammenhang stehen und nur außergewöhnliche Leistungen, wie die Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal, der Verkauf von medizinischen Geräten oder von Lebensmitteln in der Kantine oder die Überlassung von Fernsprechgeräten einen solch unmittelbaren Zusammenhang nicht aufweisen. Sodann ist in Betracht zu ziehen, daß die Umsätze der Träger der Sozialversicherung von der Umsatzsteuer befreit sind (§6 Abs 6 UStG) und auch für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, ein ermäßigter Steuersatz vorgesehen ist (§10 Abs 2 Z 12 UStG), sodaß die in Prüfung stehende Begünstigung im wesentlichen nur für Privatspitäler und -pflegeanstalten und auch dort nur für Leistungen an Privatpatienten oder außerhalb der Pflichtleistungen von Bedeutung ist.

Wenn der Gesetzgeber nun solchen - mit den schon begünstigten Anstalten in Konkurrenz stehenden - Einrichtungen wegen des höheren Anteils an nichtärztlichen Betreuungs- und Pflegeleistungen gleichfalls den günstigeren Steuersatz zubilligt und damit das Gewicht auf den Zusammenhang legt, in dem die verschiedenen Leistungen, darunter eben auch die ärztlichen, erbracht werden, nimmt er entgegen der vorläufigen Annahme des Prüfungsbeschlusses doch auf Unterschiede Bezug, die einen von der Besteuerung ärztlicher Leistungen außerhalb dieser Einrichtungen abweichenden Steuersatz tragen können. Daß sich im Einzelfall auch eine solche Einrichtung unter dem für die Begünstigung maßgeblichen Gesichtspunkt der ärztlichen (Gemeinschafts-)Praxis nähern und umgekehrt die ärztliche (Gemeinschafts-)Praxis insofern Züge einer Krankenanstalt des einschlägigen Typus annehmen kann, macht diese Anknüpfung an den institutionellen Rahmen, in dem die ärztliche Leistung jeweils als eine unter anderen Leistungen eines Unternehmens erbracht wird, nicht unsachlich.

Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ist daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.