VfGH vom 06.12.1990, g63/90
Sammlungsnummer
12568
Leitsatz
Aufhebung von Regelungen über das unterschiedliche Pensionsalter von Mann und Frau wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; kein adäquater Ausgleich für die Doppelbelastung sowie für eine allfällige erhöhte körperliche Beanspruchung der Frau; keine Rechtfertigung durch biologische Gründe; jedoch Zulässigkeit differenzierter Pensionsregelungen als Ausgleich für eine erhöhte physische oder psychische Belastung bestimmter Personengruppen; besondere Bedeutung des Vertrauensschutzes im Pensionsrecht; keine sofortige Gleichsetzung des Pensionsalters von Frau und Mann
Spruch
Die Wortfolge "bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 lita und die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 litb sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 2 Z 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 484/1984, und schließlich die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im § 253b Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 609/1987, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Oberste Gerichtshof beantragte am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG, die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im § 253b Abs 1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und führte dazu aus:
Mit Bescheid vom habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 270 iVm § 253b ASVG abgewiesen, weil der Antragsteller das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Die dagegen erhobene Klage sei abgewiesen worden, weil der Kläger das in § 253b ASVG bestimmte Anfallsalter noch nicht erreicht habe. Auch das Oberlandesgericht Wien habe im Hinblick auf die genannte Gesetzesstelle der Berufung keine Folge gegeben; das Berufungsgericht habe jedoch die ergänzende Feststellung getroffen, daß nach dem Pensionsakt 24 Beitragsmonate zur Pflichtversicherung innerhalb der letzten 36 Kalendermonate nachgewiesen seien, womit - abgesehen vom Anfallsalter - den Anspruchsvoraussetzungen des § 253b Abs 1 lita bis d ASVG entsprochen sei. In der dagegen erhobenen Revision sei vom Kläger die Verfassungswidrigkeit der eingangs erwähnten Wortfolge des § 253b Abs 1 ASVG geltend gemacht worden.
Der Oberste Gerichtshof hegt gegen die im anzuwendenden § 253b ASVG enthaltene unterschiedliche Altersregelung für männliche und weibliche Versicherte verfassungsrechtliche Bedenken.
Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G223/88 protokolliert.
1.2. Des weiteren stellte das Oberlandesgericht Wien am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ebenfalls den Antrag, die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im § 253b Abs 1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und führte aus:
Mit Bescheid vom habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente bei langer Versicherungsdauer mangels Vollendung des 60. Lebensjahres des am geborenen Antragstellers abgewiesen. In der nachfolgenden Klage sei ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des § 253b Abs 1 ASVG wegen ungleicher Behandlung männlicher und weiblicher Versicherter geltend gemacht worden. Das Erstgericht habe das Klagebegehren abgewiesen. Gegen dieses Urteil richte sich die an das antragstellende Gericht erhobene Berufung, soweit das Pensionsbegehren ab abgewiesen worden sei.
Das Oberlandesgericht Wien hegt gegen die im anzuwendenden § 253b ASVG enthaltene unterschiedliche Altersregelung für männliche und weibliche Versicherte verfassungsrechtliche Bedenken.
Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G33/90 protokolliert.
1.3. Der Oberste Gerichtshof stellte weiters am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 litb ASVG und die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 2 Z 1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben und bringt vor:
Mit Bescheid vom habe die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 271 ASVG unter Berufung auf § 235 Abs 1 leg.cit. abgewiesen, weil die für die Erfüllung der Wartezeit (§236 ASVG iVm ArtIV Abs 4 der 40. ASVG-Novelle) erforderliche Mindestanzahl an Versicherungsmonaten nicht vorgelegen sei. In der dagegen erhobenen Klage habe die Klägerin die Verfassungswidrigkeit des die Mindestzahl der zur Erfüllung der Wartezeit erforderlichen Versicherungsmonate anordnenden § 236 Abs 1 Z 1 ASVG behauptet. Gegen das die Klage abweisende Urteil habe die Klägerin Berufung erhoben und angeregt, das Berufungsgericht möge einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen. Gegen das das erstgerichtliche Urteil bestätigende Urteil des Oberlandesgerichtes richte sich die an den Obersten Gerichtshof erhobene Revision der Klägerin, in der die verfassungsrechtlichen Bedenken wiederholt werden. Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes hege gegen den im vorliegenden Fall unter Bedachtnahme auf ArtIV Abs 12 und 13 der 40. ASVG-Novelle anzuwendenden § 236 Abs 1 Z 1 litb und Abs 2 Z 1 zweiter Halbsatz ASVG insoweit Bedenken, als die Erhöhung der Wartezeit und die Verlängerung der Rahmenfrist bei männlichen Versicherten erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres, bei weiblichen Versicherten hingegen schon bei Vollendung des 50. Lebensjahres beginnt. Diese Verschiedenheit sei eine direkte Folge des unterschiedlichen Anfallsalters der normalen Alterspension, auf die der Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres, die Versicherte schon nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch habe (§253 Abs 1 ASVG). Der Oberste Gerichtshof sehe sich daher veranlaßt, gegen die in seinem Antrag erwähnten Gesetzesstellen nach Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, auch wenn sich die Unsachlichkeit auf den Anlaßfall nicht auswirke.
Dieses Gesetzesprüfungsverfahren ist beim Verfassungsgerichtshof zu G235/88 protokolliert.
1.4. Der Oberste Gerichtshof stellte am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den weiteren Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 lita ASVG und die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 litb ASVG sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 2 Z 1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Bescheid vom habe die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgewiesen, weil die am geborene Antragstellerin die für die Erfüllung der Wartezeit zum erforderliche Mindestzahl der Versicherungsmonate nicht nachweisen habe können. Die hierauf erhobene Klage wurde abgewiesen, weil selbst bei Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Zeiten zu keinem Stichtag eine ausreichende Zahl von Versicherungsmonaten vorläge. Auch die gegen dieses Urteil erhobene Berufung sei abgewiesen worden. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richte sich die an den antragstellenden Obersten Gerichtshof erhobene Revision. Der Oberste Gerichtshof hege gegen die angefochtenen Wortfolgen des § 236 ASVG verfassungsrechtliche Bedenken, zumal der erkennende Senat bereits mit Beschluß vom die Aufhebung der Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im § 253b Abs 1 ASVG wegen unterschiedlicher Regelung der Alterspension für männliche und weibliche Versicherte beantragt habe. Ob sich dies im Anlaßfall auswirke, brauche nicht näher erörtert zu werden, weil es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht darauf ankomme, ob sich die Unsachlichkeit einer Regelung auf den Anlaßfall auswirke (vgl. VfSlg. 3585/1959, 8806/1980, 9336/1982 und 9755/1983).
Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichtshof zu G63/90 protokolliert.
1.5. Der Oberste Gerichtshof stellte schließlich am gemäß Art 140 Abs 1 B-VG den Antrag, die Wortfolge "bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 1 Z 1 litb ASVG sowie die Wortfolge "bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" im § 236 Abs 2 Z 1 ASVG als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Bescheid vom habe die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgewiesen, weil die für die Erfüllung der Wartezeit zu dem (nach Vollendung des 50., aber auch des 55. Lebensjahres liegenden) Stichtag erforderliche Mindestzahl an Versicherungsmonaten nicht vorliege. Die hierauf erhobene Klage wurde abgewiesen. Auch der Berufung wurde keine Folge gegeben. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richte sich die an den Obersten Gerichtshof erhobene Revision, über die jedoch nicht entschieden werden könne, weil der antragstellende Senat gegen die angefochtenen Gesetzesstellen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hege.
Das Verfahren über diesen Antrag ist beim Verfassungsgerichshof zu G144/90 protokolliert.
2. Die Bundesregierung hat Äußerungen erstattet, in denen sie jeweils den Antrag stellt, die angegriffenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Kläger im Anlaßverfahren zu G223/88 hat als Beteiligter ebenfalls eine Äußerung erstattet, mit der er den Antrag des Obersten Gerichtshofes "unterstützt".
3. Durch das ASVG wird unter anderem Vorsorge für Versicherungsfälle des Alters getroffen, und zwar für eine allgemeine Alterspension (§§253, 270), für eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§§253a, 270) und für eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§253b, 270); Anfallsalter ist für die allgemeine Alterspension bei Männern das vollendete 65., bei Frauen das vollendete 60. Lebensjahr, für die beiden vorzeitigen Alterspensionen bei Männern das vollendete 60. Lebensjahr und bei Frauen das vollendete 55. Lebensjahr.
Vorsorge trifft das ASVG weiters für den Versicherungsfall einer geminderten Arbeitsfähigkeit.
Die Leistungen der Pensionsversicherung sind mit Ausnahme der Abfindung nach § 269 Abs 1 Z 1 ASVG (auch) an die Leistungsvoraussetzung der Erfüllung einer bestimmten Wartezeit (Mindestzahl von Versicherungszeiten) geknüpft. Für die Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit genügen gemäß § 236 Abs 1 Z 1 lita ASVG bei einem Stichtag vor der Vollendung des 55. (bei männlichen Versicherten) bzw. 50. Lebensjahres (bei weiblichen Versicherten) 60 Versicherungsmonate (kurze Wartezeit), die innerhalb der letzten 120 Kalendermonate liegen müssen. Bei einem späteren Stichtag erhöht sich nach § 236 Abs 1 Z 1 litb ASVG die kurze Wartezeit für jeden weiteren Lebensmonat um einen Versicherungsmonat bis zum Höchstausmaß von 180 Monaten, wobei sich nach § 236 Abs 1 Z 1 ASVG die Rahmenfrist von 120 Kalendermonaten für jeden weiteren Lebensmonat um zwei Kalendermonate bis zum höchsten Ausmaß von 360 Kalendermonaten vor dem Stichtag erhöht. Die unterschiedliche Regelung für männliche und weibliche Versicherte zielt auf die Unterschiedlichkeit des Anfallsalters bei einer normalen Alterspension ab.
Die §§236 Abs 1 und 2 und 253b Abs 1 ASVG in den hier maßgeblichen Fassungen - die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben - haben folgenden Wortlaut:
§ 236 Abs 1 und 2 ASVG idF der 40. Novelle, BGBl. Nr. 484/1984:
"§236 (1) Die Wartezeit ist erfüllt, wenn am Stichtag (§223 Abs 2) Versicherungsmonate im Sinne des § 235 Abs 2 in folgender Mindestzahl vorliegen:
1. für eine Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sowie aus dem Versicherungsfall des Todes
a) wenn der Stichtag vor Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen, vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, 60 Monate;
b) wenn der Stichtag nach Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen, nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, erhöht sich die Wartezeit nach lita je nach dem Lebensalter des (der) Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat um jeweils ein Monat bis zum Höchstausmaß von 180 Monaten;
2. für eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters, und zwar
a) für die Alterspension (Knappschaftsalterspension), die vorzeitige Alterspension (Knappschaftsalterspension) bei Arbeitslosigkeit und die vorzeitige Alterspension (Knappschaftsalterspension) bei langer Versicherungsdauer - unbeschadet § 276 Abs 3 - 180 Monate;
b) für den Knappschaftssold 240 Monate.
(2) Die gemäß Abs 1 Z 1 und 2 für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestzahl von Versicherungsmonaten muß
1. im Falle des Abs 1 Z 1 innerhalb der letzten
120 Kalendermonate vor dem Stichtag liegen; dieser Zeitraum verlängert sich, wenn der Stichtag nach Vollendung des 55. Lebensjahres bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, je nach dem Lebensalter des (der) Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat um jeweils zwei Kalendermonate bis zum Höchstausmaß von 360 Kalendermonaten;
2. im Falle des Abs 1 Z 2 innerhalb der letzten
360 Kalendermonate vor dem Stichtag liegen."
§ 253b Abs 1 ASVG idF der 44. Novelle, BGBl. Nr. 609/1987:
"§253b (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn
a) die Wartezeit (§236) erfüllt ist,
b) am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,
c) innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw. Z 6 sind und
d) der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs 2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist; eine Erwerbstätigkeit auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach § 5 Abs 2 litc jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt. Als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge.
Fallen in den Zeitraum der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag gemäß litc Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw. Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 6, so verlängert sich der Zeitraum um diese Zeiten bis zum Höchstausmaß von
42 Kalendermonaten."
4. Die Anträge sind wie folgt begründet:
4.1. Durch die angefochtenen Gesetzesstellen würden für männliche und weibliche Versicherte ein unterschiedliches Anfallsalter, unterschiedliche Wartezeiten und unterschiedliche Rahmenfristen für Pensionsansprüche festgelegt bzw. würde von solchen ausgegangen. Gegen diese unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen hegt der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom Z 10 Ob S 71/88 (hg. G223/88), folgende Bedenken:
"Ein unterschiedliches Pensionsanfallsalter für Männer und Frauen wurde in Österreich zum ersten Mal durch die Kaiserliche Verordnung vom RGBl 138 betreffend die Pensionsversicherung von Angestellten, mit der das Gesetz vom RGBl 1907/1 betreffend die Pensionsversicherung der in privaten Diensten und einiger in öffentlichen Diensten Angestellten novelliert wurde, eingeführt. Nach dem auf § 31 Abs 1 des als 'Angestelltenversicherungsgesetz 1928' wiederverlautbarten Angestelltenversicherungsgesetz vom BGBl 388 zurückgehenden § 257 Abs 1 GSVG 1938 hatten in der Angestelltenversicherung Anspruch auf die Altersrente im Ausmaß der Invalidenrente ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit 1. unmittelbar Versicherte männlichen Geschlechtes, die das 65., solche weiblichen Geschlechtes, die das 60.Lebensjahr vollendet hatten, wenn sie in keinem angestelltenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis standen; 2. unmittelbar Versicherte männlichen Geschlechtes, die das 60., solche weiblichen Geschlechtes, die das 55.Lebensjahr vollendet hatten, mindestens 180 anrechenbare Beitragsmonate aufwiesen und in keinem angestelltenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis standen.
In der deutschen Sozialversicherung war als Altersgrenze für Männer und Frauen seit das 70.Lebensjahr, seit in der Angestelltenversicherung und seit auch in der Invalidenversicherung das 65.Lebensjahr festgesetzt. Diese Rechtslage galt seit aufgrund der Verordnung vom dRGBl I 1912 (GBlÖ 1938/703) über die Einführung der Sozialversicherung im Lande Österreich auch in Österreich.
Anläßlich der Budgetberatung 1946 verlangte ein Abgeordneter die Herabsetzung der Altersgrenze für weibliche Versicherte und Witwen in der gesamten Rentenversicherung von 65 auf 60 Jahre. Bald darauf befaßten sich drei weitere Anträge mit dieser Forderung, wobei der gemeinsame Antrag der Abgeordneten Grubhofer, Krisch und Elser lautete:
'Aus staatsfinanziellen Gründen ist die Herabsetzung des Rentenbezugsalters auf die ursprüngliche Grenze, wie sie in den österreichischen Sozialversicherungsgesetzen festgelegt war (55 Jahre bei Frauen, 60 Jahre bei Männern), zur Zeit nicht tragbar. Um aber doch für die Frauen eine Erleichterung zu verschaffen, wird der Sozialminister aufgefordert, wenigstens vorläufig das für den Bezug aller Altersrenten festgesetzte Alter von 65 Jahren bei allen weiblichen Versicherten auf das vollendete Alter von 60 Jahren herabzusetzen' (568 BlgNR 5.GP).
Dieser Aufforderung wurde erst mit dem am in Kraft getretenen Bundesgesetz vom BGBl 80 über die Herabsetzung der Altersgrenze für weibliche Versicherte und Witwen in der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung getragen. Nach dessen § 1 erhielten weibliche Versicherte, wenn die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten war, die Altersinvalidenrente, das Altersruhegeld oder die Alters-Knappschaftsvollrente nach Vollendung des 60.Lebensjahres. Diese Renten gebührten nach § 4 leg cit jedoch vor der Vollendung des 65.Lebensjahres nur, wenn die Anspruchsberechtigte weder in einer an sich rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung stand noch einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachging. Sie fielen mit dem Ablauf des Monates weg, in dem nachträglich die Berechtigte in eine an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung eintrat oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnahm.
In der Regierungsvorlage zu diesem Bundesgesetz (555 BlgNR 5. GP) wurde ua ausgeführt:
'Die 1939 eingeführten und vorläufig noch gültigen reichsrechtlichen Versicherungsvorschriften anerkennen einen Rentenanspruch wegen Alters durchwegs erst vom vollendeten 65. Lebensjahr an. Es ist das Bestreben der österreichischen Verwaltung und der begreifliche Wunsch der Versicherten, wieder zu den günstigeren österreichischen Altersgrenzen zurückzukehren. Der allgemeinen Herabsetzung der Altersschwelle steht die gegenwärtige unzureichende finanzielle Lage der Sozialversicherung entgegen. Das gegenständliche Gesetz soll aber den Willen beweisen, den durch die deutsche Gesetzgebung verursachten sozialen Rückschritt zu beseitigen und der erste Schritt auf diesem Wege sein.
In Verfolgung dieser Absicht setzt der § 1 des Entwurfes für die unmittelbar Versicherten weiblichen Geschlechtes in allen Rentenversicherungszweigen die Altersstufe von 65 auf 60 Jahre herunter. Die gleiche Maßnahme für männliche Versicherte muß einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben, in dem die materielle Auswirkung derselben tragbar erscheint. Daß der Beginn mit den Frauen gemacht wird, erklärt sich aus deren körperlicher Beschaffenheit, die eher als bei Männern die allgemeine Annahme rechtfertigt, daß bereits mit 60 Jahren Arbeits(Berufs)unfähigkeit gegeben ist'.
Das unterschiedliche Anfallsalter für männliche und weibliche Versicherte wurde vom ASVG zunächst für die ordentliche Alterspension, durch die 3.ASVGNov BGBl 1957/294 für die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit und durch die 8.ASVGNov BGBl 1960/294 für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer übernommen.
Hingegen wird bei der Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG und der Berufsunfähigkeitspension gemäß § 273 Abs 3 ASVG kein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Versicherten gemacht und für beide Geschlechter die Vollendung des 55.Lebensjahres gefordert. Dem entsprechen auch die Regelungen des § 133 Abs 2 GSVG und des § 124 Abs 2 BSVG.
Ein unterschiedliches Anfallsalter entsprechend den Bestimmungen der §§253, 253a und 253b ASVG enthalten auch die §§130 Abs 1, 131 Abs 1 und 131a Abs 1 GSVG sowie die §§121 Abs 1, 122 Abs 1 und 122a Abs 1 BSVG. Auch § 1 Sonderunterstützungsgesetz (SUG) sieht unterschiedliche Altersgrenzen für Männer und Frauen vor.
In anderen Gesetzen wird hingegen in den Anspruchsvoraussetzungen kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. So gilt gemäß § 51 Abs 1 NVG (ohne daß dies allerdings bisher praktische Bedeutung erlangt hätte) allgemein für den Anspruch auf Alterspension die Vollendung des 65.Lebensjahres als Voraussetzung, gemäß § 50 Rechtsanwaltsordnung für den Anspruch auf Altersversorgung das 68.Lebensjahr und gemäß § 65 Abs 1 Ärztegesetz (dem allerdings durch die Verordnung vom BGBl 662 nur mehr eingeschränkte Bedeutung zukommt) das 65. Lebensjahr.
Vor allem aber wird bei den öffentlich Bediensteten in den Anspruchsvoraussetzungen kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht. Sowohl nach den §§13 und 15 BDG als auch nach den §§87 und 99 RDG ist der Übertritt in den Ruhestand (und damit der Anspruch auf Pension) für Männer und Frauen gleich geregelt.
Gegen die unterschiedliche Regelung des Pensionsalters wurden schon seit langem von einem Teil der Lehre Bedenken erhoben (Fürböck, Familienrecht und Sozialversicherung RdA 1977, 8; Mentasti, Die gegenwärtige und künftige Stellung der Frau in der Pensionsversicherung in Tomandl, Die Frau in der Sozialversicherung 121; Ivansits, Unterschiedliche Pensionsaltersgrenzen für Männer und Frauen - ein Verfassungsproblem? RdA 1987, 467).
Auch der Oberste Gerichtshof hat Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der ungleichen Regelung des Pensionsanfallsalters für Männer und Frauen, insbesonders in der hier anzuwendenden Bestimmung des § 253b ASVG.
Nach Art 7 Abs 1 B-VG sind alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Dieser Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz ist sowohl objektiver Wertmaßstab als auch verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht, das Gesetzgebung und Vollziehung bindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet der Gleichheitsgrundsatz allerdings nicht zu einer absoluten Gleichbehandlung der Geschlechter, so daß Differenzierungen zulässig sind. Während in älteren Erkenntnissen (VfSlg 651/1926, 2979/1956) als Rechtfertigung für eine ausnahmsweise ungleiche Behandlung ausschließlich die 'Natur der Frau' herangezogen wurde, wurden im Erkenntnis Slg 1526/1947 auch 'objektive Merkmale oder die Natur und Eigenart der Geschlechter' genannt. Im Erkenntnis 8871/1980, mit dem jene Bestimmungen der Sozialversicherungsgesetze aufgehoben wurden, die unterschiedliche Bedingungen für den Anspruch auf Witwer- bzw. Witwenpension festlegten, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß nur solche Ungleichheiten (vorübergehend) sachlich sein könnten, die wenigstens in der Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken würden. Ungleichheiten, denen diese Funktion nicht zukomme und die die bestehenden Unterschiede noch vertieften, seien verfassungswidrig. Gesetzliche Bestimmungen würden invalidieren, wenn sich die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse durch Neuregelung anderer Rechtsgebiete oder aufgrund gesellschaftlicher Entwicklung änderten (vgl auch VfSlg 5854/1968, 7330/1974, 7844/1976, 7974/1977, 8212/1977). Dem Gesetzgeber sei nicht verwehrt, von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn es dadurch zu einzelnen Härtefällen oder zu einzelnen unsachlichen Begünstigungen komme (vgl VfSlg 7891/1976, 8457/1978), doch hänge die Zulässigkeit einer ungleichen Auswirkung einer generellen Norm auch vom Ausmaß dieser Ungleichheit ab. Das zulässige Maß an Ungleichheiten sei nach den Schwierigkeiten zu beurteilen, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde und nach dem Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen (vgl auch Berger, Die Gleichheit von Mann und Frau in Österreich EuGRZ 1983, 614).
Der Gesetzgeber hat - wie dargestellt - die unterschiedliche Regelung des Pensionsalters für Männer und Frauen ausschließlich damit begründet, daß die körperliche Beschaffenheit der Frauen eher als bei Männern die Annahme rechtfertige, daß bereits mit 60 Jahren Arbeits(Berufs)unfähigkeit gegeben sei. In der Lehre wurde als weiterer Grund angeführt, daß der Gesetzgeber wahrscheinlich den Umstand berücksichtigt habe, daß Frauen in der Regel in erster Linie mit der Erziehung der Kinder und der Versorgung des Haushalts betraut seien und für sie dadurch im Falle der Berufstätigkeit eine größere Belastung als für die Männer entstehe (Marschall, Gutachten für den 1.Österreichischen Juristentag I/4, 56 f).
Beide Begründungen vermögen nicht voll zu überzeugen.
Gegen eine sich aus der körperlichen Beschaffenheit der Frauen ergebende frühere Arbeitsunfähigkeit spricht vor allem die erheblich höhere durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen gegenüber jener der Männer. Sie betrug im Jahr 1986 für damals geborene Männer 71 Jahre, für Frauen 77.73 Jahre, für damals 55jährige Männer 21.04 Jahre, für Frauen 25.63 Jahre, für damals 60jährige Männer 17.36 Jahre, für Frauen 21.29 Jahre, für damals 65jährige Männer 13.91 Jahre, für Frauen 17.18 Jahre (Demographisches Jahrbuch Österreichs 1986, 156 f; Statistisches Handbuch für die Republik Österreich 1987, 49), was im Zusammenhang mit dem früheren Pensionsalter zu einer wesentlich höheren Pensionsbezugsdauer der Frauen führt (vgl dazu Ivansits aaO 469). In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß der Gesetzgeber bei den öffentlich Bediensteten keinen Unterschied im Anfallsalter zwischen Männern und Frauen macht. Zwar handelt es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete (VfSlg 5241/1966; JBl 1988, 442), doch müßte die in den Sozialversicherungsgesetzen angenommene frühere Arbeitsunfähigkeit von Frauen aufgrund ihrer körperlichen Konstitution wohl auch für Frauen im öffentlichen Dienst gelten, bedenkt man, daß in vielen Fällen pragmatisierte Frauen die gleiche Tätigkeit wie Vertragsbedienstete verrichten, jedoch eine unterschiedliche Pensionsregelung besteht. Andererseits hat der Gesetzgeber im § 255 Abs 4 ASVG bei der (erleichterten) Invaliditätspension Männer und Frauen gleich behandelt. Bei beiden Geschlechtern nimmt hier der Gesetzgeber an, daß ein 55 Jahre alter Versicherter nicht mehr auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann als jene, die er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate ausgeübt hat. Dazu kommt, daß die derzeitige gesetzliche Regelung nicht berücksichtigt, welche Tätigkeit eine Frau verrichtet hat, sondern alle Frauen gleich behandelt. Es ist sicherlich denkbar, daß in Berufen, die mit größerer körperlicher Anstrengung verbunden sind, Frauen wegen ihrer körperlich schwächeren Konstitution früher arbeitsunfähig werden als Männer und bezüglich solcher Berufe eine unterschiedliche Pensionsregelung sachlich gerechtfertigt wäre. In zahlreichen Berufen, vor allem auf dem Angestelltensektor, spielt jedoch die körperliche Belastung - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete Rolle. Ob die bei ein bis zwei Drittel aller Frauen in der Postmenopause auftretenden klimakterischen Beschwerden (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch255, 861) für sich allein eine allgemeine Senkung des Pensionsalters von Frauen gegenüber Männern rechtfertigt, kann bezweifelt werden. Gegen die vom Gesetzgeber zur Begründung herangezogenen Argumente bestehen daher jedenfalls wesentliche Bedenken.
Aber auch die von der Lehre zur Begründung herangezogene Doppelbelastung der Frau durch Beruf und Haushalt stellt kein entscheidendes Argument für die unterschiedliche Behandlung dar. Hier berücksichtigt das Gesetz zunächst nicht, daß ein nicht unerheblicher, durchaus ins Gewicht fallender und daher nicht zu vernachlässigender Teil der berufstätigen Frauen alleinstehend ist. Für sie unterscheidet sich die Belastung durch Beruf und Haushalt nicht von jener der alleinstehenden Männer. Wenngleich die in der Revision enthaltene Statistik über den Prozentsatz der kinderlosen Frauen nicht ohne weiteres aussagekräftig ist, weil sie Frauen bereits ab dem 15.Lebensjahr einbezieht, also ab einem Alter, in dem auch Frauen üblicherweise noch nicht verheiratet sind und auch noch keine Kinder haben, kann doch nicht übersehen werden, daß vor allem in der jüngeren Generation die Tendenz, keine familiären Bindungen einzugehen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen zunimmt. Auch von den Frauen der älteren Generation, die jetzt in das Pensionsalter kommen, sind aufgrund des durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Männermangels viele unverheiratet und ohne Nachkommen geblieben. Auch für sie gilt das Argument von der Doppelbelastung daher nicht allgemein. Dazu kommt aber noch die seit der Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe durch das Gesetz BGBl 1975/412 geänderte Rechtslage. Während das seinerzeitige Recht in den §§91 und 92 ABGB aF davon ausging, daß der Mann das Haupt der Familie ist, in dieser Eigenschaft das Hauswesen zu leiten hat und die Frau ihm in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen hat, ist seither die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit im § 91 ABGB gesetzlich festgelegt. Soweit aber Änderungen im Bereich eines Rechtsgebietes die für ein anderes Rechtsgebiet maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern, ist bei Beurteilung der Verfassungsgemäßheit der Regelung dieses anderen Rechtsgebietes auf die so geschaffenen Verhältnisse Bedacht zu nehmen ( RdA 1981, 141). Wenngleich sich sicherlich in der älteren Generation der Grundsatz der partnerschaftlichen Ehe noch nicht in größerem Umfang durchgesetzt hat und bezüglich dieser allenfalls zu berücksichtigen wäre, daß deren jetzt in das Pensionsalter kommende Frauen noch einen Großteil ihres Ehe- und Familienlebens unter der alten Familienrechtslage zugebracht haben, ist gerade in der jüngeren Generation in dieser Richtung sicher ein Umdenken im Gang, was letzten Endes auch mit ein Grund für die Änderung der gesetzlichen Bestimmungen war. Da seit der Änderung der Gesetzeslage immerhin bereits 12 Jahre vergangen sind, kann davon ausgegangen werden, daß sich der Grundsatz der partnerschaftlichen Ehe bereits in einem nicht unerheblichen Ausmaß durchgesetzt hat, so daß die Zahl der nun nicht mehr doppelbelasteten Frauen keine zu vernachlässigende Größe mehr darstellt. Würde der gegenwärtige gesetzliche Zustand unverändert beibehalten, so würde sich die Ungleichbehandlung der Geschlechter weiter verstärken. Es können jedoch nur solche Ungleichbehandlungen (vorübergehend) sachlich sein, die wenigstens in Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken würden ( RdA 1981, 141), was hier nicht der Fall wäre. Diesen Umstand übersieht auch die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom (EuGRZ 1987, 291 und NJW 1987, 1541), worin ausgesprochen wurde, es sei mit Art 3 Abs 2 GG vereinbar, daß Frauen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Unterschied zu Männern bereits mit Vollendung des 60.Lebensjahres beziehen können. Das Bundesverfassungsgericht meinte in diesem Zusammenhang, der Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, der sich schon vollzogen habe und noch vollziehe und die Angleichung der Rechtsordnung an die gebotene Gleichstellung von Frau und Mann ließe erwarten, daß die Umstände, welche die verfassungsrechtliche Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Nachteilsausgleiches beeinflussen, im Laufe der weiteren Entwicklung an Einfluß verlieren würden. Wann dies der Fall sein werde und welche Folgerungen daraus zu ziehen seien, habe aber in erster Linie der Gesetzgeber zu beurteilen. Abgesehen davon, daß dadurch im Falle der Untätigkeit des Gesetzgebers die Notwendigkeit entsteht, in regelmäßigen Abständen den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wird hiedurch die Ungleichbehandlung laufend weiter verstärkt. Ob der Gesetzgeber durch Übergangsregelungen eine vorübergehende Ungleichbehandlung in sachlich gerechtfertigter Weise aufrechterhalten könnte, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, weil solche Übergangsregelungen nicht vorliegen. Der Gesetzgeber hat vielmehr unterschiedslos und ohne Rücksicht auf die auch zahlenmäßig ins Gewicht fallenden Teile der männlichen und weiblichen Versicherten, für die völlig gleiche Voraussetzungen vorliegen, das Pensionsalter der Frauen generell niedriger festgesetzt, als jenes der Männer. Auch die weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes sind keine zwingende Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Geschlechter im Pensionsrecht. Er meint, würde es sich allein um einen Ausgleich für die Doppelbelastung der Frauen handeln, könnte es zweifelhaft sein, ob eine unterschiedliche Behandlung auch zugunsten von Frauen ohne diese Doppelbelastung und zum Nachteil von Männern mit einer solchen statthaft wäre. Der Gesetzgeber habe aber weitere Umstände in typisierender Betrachtungsweise berücksichtigen dürfen, so zB daß das Ausbildungsdefizit der Frauen, das ihre berufliche Stellung und damit ihr Arbeitsentgelt sowie ihre Rentenerwartung in der Vergangenheit maßgeblich beeinträchtigt habe, in typischen Fällen durch eine Antizipierung der erwarteten Stellung der Frau als spätere Mutter verursacht worden sei. Ähnliche Ursachen dürften auch vielfach die Beschäftigung in unteren Lohngruppen und die geringeren Aufstiegschancen der Frau im Beruf haben. Die typischen Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten von Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung hätten zudem bei Frauen häufig zur Folge, daß sie im Gegensatz zu Männern von der Inanspruchnahme des (der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer vergleichbaren) flexiblen Altersruhegeldes bei Vollendung des 63.Lebensjahres deswegen keinen Gebrauch machen könnten, weil sie die besonderen Voraussetzungen einer 35jährigen Versicherungszeit nicht erfüllten. All das lasse sich aber im Kern auf die Funktion oder jedenfalls die mögliche Stellung weiblicher Versicherter als Ehefrau und Mutter, also auf biologische Umstände zurückführen. Hier wird nach Ansicht des erkennenden Senates übersehen, daß die unbestrittenermaßen bestehenden beruflichen Nachteile der Frauen durch Schwangerschaft und Geburt, die für die jetzt in das Pensionsalter tretenden Frauen noch nicht durch gesetzliche Maßnahmen ausgeglichen wurden (vgl die Verbesserung der Ersatzzeitenregelung in § 227 Abs 1 Z 3 und 4 ASVG) sowie Kindererziehung und die aus diesen Gründen vielleicht erfolgte Beschäftigung in unteren Lohngruppen und die geringeren Aufstiegschancen nicht dadurch ausgeglichen werden können, daß den Frauen das Recht zur früheren Pensionierung eingeräumt wird. Denn gerade ein früherer Pensionsantritt verstärkt noch die Benachteiligung der Frauen, da sie hiedurch noch weniger anrechenbare Zeiten erlangen und damit die Höhe der Pension noch geringer wird. Von einer bestehende Benachteiligung ausgleichenden Regelung kann daher in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden.
Dagegen, daß der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Regelung des Pensionsanfallsalters die durch die Unterbrechung einer entgeltlichen Tätigkeit durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bei Frauen bestehenden schlechteren Versicherungsverläufe ausgleichen wollte, spricht im übrigen auch die durch die 40.ASVG-Novelle getroffene Neuregelung der Wartezeit für Leistungen aus dem Versicherungsfall der verminderten Arbeitsfähigkeit im § 236 ASVG. Diese beträgt bei männlichen Versicherten, wenn der Stichtag vor Vollendung des 55.Lebensjahres liegt, bei weiblichen Versicherten, wenn der Stichtag vor Vollendung des 50.Lebensjahres liegt, 60 Monate. Wenn der Stichtag
nach Vollendung des 55.Lebensjahres bei männlichen Versicherten und
nach Vollendung des 50.Lebensjahres bei weiblichen Versicherten liegt, beträgt die Wartezeit je nach Lebensalter des Versicherten für jeden weiteren Lebensmonat jeweils ein Monat mehr bis zum Höchstausmaß von 180 Versicherungsmonaten. Diese Bestimmung bedeutet eine Benachteiligung weiblicher Versicherter. Während etwa für einen Mann mit 55 Jahren eine Wartezeit von 60 Monaten für den Anspruch auf eine Pensionsleistung wegen verminderter Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist, gelangt eine Frau gleichen Alters nur dann in den Genuß der Leistung, wenn sie 120 Versicherungsmonate aufzuweisen hat.
Mit Recht verweist schließlich die Revision auch auf die zunehmende, bereits nicht unbeträchtliche Zahl von Frauen mit Teilzeitbeschäftigung, bei denen naturgemäß die Doppelbelastung durch Beruf und Haushaltsführung nicht mehr so schwer ins Gewicht fällt.
Da somit gewichtige Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der derzeitigen gesetzlichen Regelung bestehen, hält es der Oberste Gerichtshof für geboten, dem hiefür ausschließlich zuständigen Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, die angefochtene Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit zu überprüfen."
4.2. Die zu G235/88, G63/90 und G144/90 protokollierten Anträge des Obersten Gerichtshofes enthalten ähnliche Begründungen.
4.3. Das Oberlandesgericht Wien führt im Beschluß vom , Z 32 Rs 255/89 (hg. G33/90), seine Bedenken zusätzlich wie folgt aus:
"Die im ASVG in den Regeln zur Pensionsversicherung zum Ausdruck kommende Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Versicherten ist nicht in allen Fällen hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung ohne Bedenken geblieben. Anders als im Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§253a ASVG), wo sich besonders für diesen Versicherungsfall ein spezifischer Unterschied zwischen Mann und Frau zu deren Lasten, nämlich schwere Vermittelbarkeit und ein darauf abstellender sozialversicherungsrechtlicher Ausgleich ergibt (vgl. OLG Wien , 32 Rs 251/89), fehlt es in § 253b ASVG an einer erkennbar kompensatorisch, die Ungleichheit sachlich berücksichtigenden Regelung im Fall der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer. Das Anfallsalter ist bei der normalen Alterspension für Männer das 65. und für Frauen das 60. Lebensjahr. Bei den Frühpensionen liegt das Anfallsalter (§§253a und 253b ASVG) je fünf Jahre darunter. Nicht differenziert das ASVG zwischen Mann und Frau hingegen beim Versicherungsfall in § 255 ASVG. Die bestehenden beruflichen Nachteile der Frauen durch Schwangerschaft und Geburt, die für die jetzt in das Pensionsalter tretenden Frauen noch nicht durch gesetzliche Maßnahmen ausgeglichen wurden, sowie Kindererziehung und die aus diesen Gründen vielleicht erfolgte Beschäftigung in unteren Lohngruppen mit geringeren Aufstiegschancen werden aber nicht dadurch ausgeglichen, daß den Frauen das Recht zur früheren Pensionierung gemäß § 253b ASVG eingeräumt wird. Gerade ein früherer Pensionsantritt verstärkt noch die Benachteiligung der Frauen, weil sie hiedurch weniger anrechenbare Zeiten erlangen und damit die Pensionshöhe noch geringer wird. Von einer bestehenden Benachteiligung ausgleichenden Regelung kann daher im Lichte der Anforderungen an den Gleichbehandlungsgrundsatz kaum gesprochen werden. Dagegen, daß der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Regelung des Pensionsanfallsalters die durch die Unterbrechung einer entgeltlichen Tätigkeit durch Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung bei Frauen bestehenden schlechteren Versicherungsverläufe ausgleichen wollte, spricht auch die durch die 40.ASVG-Novelle getroffene Neuregelung der Wartezeit für Leistungen aus dem Versicherungsfall der verminderten Arbeitsfähigkeit im § 236 ASVG. Diese beträgt nämlich bei männlichen Versicherten bei einem Stichtag vor Vollendung des 55. Lebensjahres bzw. bei weiblichen Versicherten des 50. sechzig Monate. Liegt aber der Stichtag danach, erhöht sich die Wartezeit je nach Lebensalter des Versicherten jeweils um einen Monat bis zum Höchstausmaß von 180 Versicherungsmonaten. Das bedeutet eine Benachteiligung weiblicher Versicherter, für die anders als bei Männern nach Vollendung des 55.Lebensjahres nicht bloß eine Wartezeit von 60 Monaten sondern eine von 120 Monaten erforderlich ist.
Der Gesetzgeber hat durch die 8.ASVG-Novelle unterschiedslos, ohne Rücksicht auf zahlenmäßig ins Gewicht fallende Teile der männlichen und weiblichen Versicherten, für die völlig gleiche Voraussetzungen vorliegen, in § 253b ASVG das Pensionsalter für Frauen generell niedriger festgesetzt als für Männer."
Aus diesen besonders vom Obersten Gerichtshof dargelegten Gründen habe es der antragstellende Senat des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht für geboten erachtet, dem hiefür ausschließlich zuständigen Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, die angefochtene Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit zu überprüfen.
5. Die Bundesregierung tritt unter Vorlage einer Reihe von Unterlagen den von den antragstellenden Gerichten in den Gesetzesprüfungsanträgen geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken - mit ebenfalls im wesentlichen wörtlich übereinstimmenden Äußerungen - wie folgt entgegen:
Für die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau wird zunächst darauf verwiesen, daß schon bei der Einführung der Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b ASVG durch die 8. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 294/1960, mit Wirksamkeit ab davon ausgegangen worden sei, daß die Arbeitskraft bei Versicherten im fortgeschrittenen Alter den Anforderungen des Arbeitsprozesses nicht mehr entspräche und dies bei weiblichen Versicherten fünf Jahre früher zu erwarten sei als bei männlichen. Die Annahme des Gesetzgebers anläßlich der Einführung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer, daß die Arbeitskraft bei Frauen früher unter das für den Verbleib im Arbeitsprozeß notwendige Maß sinke, habe nach wie vor eine Entsprechung in den Tatsachen; dies erweise sich aus der Zahl der Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw. der dauernden Erwerbsunfähigkeit (in diesen Fällen finde eine Beurteilung der Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Sachverständige statt): Während im Dezember 1987 192.650 Pensionen an Männer und 162.297 Pensionen an Frauen ausbezahlt worden seien, habe die Erwerbsquote der 45- bis 55-jährigen Männer im Jahre 1987 90,8 % (im Jahre 1981 92,7 %), die der Frauen gleichen Alters im Jahre 1987 59,3 % und im Jahre 1981 56,3 % betragen. Das durchschnittliche Pensionsanfallsalter bei Neuzugängen im Dezember 1987 in den Fällen der Berufsunfähigkeit in der Gruppe der Angestellten, die vom Berufsbild her den Beamten am ähnlichsten sei, habe bei Männern 55,1 Jahre, bei Frauen 50,8 und damit 4,3 Jahre weniger als bei Männern betragen.
Tatsächlich sei bei der Einführung der vorzeitigen Alterspension mit der altersmäßig unterschiedlichen Regelung für Männer und Frauen ein im Sozialversicherungsrecht bereits verankertes Prinzip übernommen worden. Auch das antragstellende Gericht weise darauf hin, daß ein unterschiedliches Pensionsalter für Männer und Frauen erstmals bereits durch die Kaiserliche Verordnung vom , RGBl. Nr. 138, eingeführt worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien gehe hervor, daß der ursprüngliche Grund für die Herabsetzung des Pensionsanfallsalters bei Frauen ein versicherungstechnischer (versicherungsmathematischer) gewesen sei, der der faktischen Stellung der Frau in der Gesellschaft Rechnung getragen habe: Obwohl männliche und weibliche Versicherte zu gleich hohen Beitragszahlungen verpflichtet gewesen seien, seien bei den Frauen Leistungen für den Versicherungszweig der Witwerversorgung nicht angefallen und habe auch der Anspruch auf Kinderversorgung bei Frauen ersichtlich nicht den gleichen Wert gehabt (Technischer Bericht zur Novellierung des Gesetzes vom , RGBl. Nr. 1/1907, betreffend die Pensionsversicherung der Angestellten, Beilage zu 2187 Blg. zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses). Es hieße in den Materialien (Bericht des Unterausschusses des sozialpolitischen Ausschusses, 2187 Blg. zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses) dann weiters: Wenn auch ein teilweiser Ausgleich in der Verschiedenheit der Stellung schon dadurch hergestellt sein dürfte, daß weibliche Angestellte aus mannigfachen Ursachen durchschnittlich früher der Invalidität anheimfallen, würde den weiblichen Versicherten mit der Neuregelung der Vorteil eingeräumt, daß die Wartezeit für die Altersrenten gegenüber den Männern um fünf Jahre verkürzt werde.
Die Bundesregierung verweist sodann darauf, daß erst mit der 36. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 282/1981, und den "Parallelnovellen" zum GSVG und zum BSVG die Witwerpension an die Witwenpension angeglichen worden sei. Die Tatsache, daß im Dezember 1987 erst eine geringe Anzahl Witwerpensionen ausbezahlt worden sei, hänge insbesondere mit der geringeren Erwerbstätigkeit der Frauen zusammen. Soweit im Antrag des Obersten Gerichtshofes auf statistische Werte betreffend die Lebenserwartung von Männern und Frauen Bezug genommen werde, sei anzumerken, daß die Statistik nicht auf berufstätige Frauen abgestellt sei. Eine wissenschaftlich fundierte Aussage über Auswirkungen einer Doppelbelastung lasse sich aus der Lebenserwartung daher nicht ableiten. Das Motiv des Gesetzgebers, anläßlich der Herabsetzung des Anfallsalters für weibliche Versicherte von 65 auf 60 Jahre in der Rentenversicherung mit Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 80/1948, der körperlichen Beschaffenheit der Frauen Rechnung zu tragen, sei somit keineswegs hinfällig. Die Festsetzung eines niedrigeren Anfallsalters für weibliche Versicherte hänge - nach wie vor - mit medizinischen Erkenntnissen und auch mit sozial- und gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen zusammen, durch die die Annahme, daß mit dem Erreichen dieses Anfallsalters das von den im Arbeitsprozeß Stehenden verlangte Maß an Arbeitskraft nicht mehr erwartet werden könne, gerechtfertigt werde. Die Voraussetzungen für ein Abgehen von den unterschiedlichen Altersgrenzen lägen auch heute noch nicht vor; dies werde - wie die Bundesregierung argumentiert - zusätzlich durch nachfolgende Ausführungen belegt:
"Es ist unbestreitbar, daß die dem Familien- wie auch dem Sozialrecht zugrundeliegenden gesellschaftlichen Verhältnisse einem Wandel unterliegen. Dieser Wandel kommt besonders deutlich in der Familienrechtsreform zum Ausdruck, vor allem im Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. Nr. 412/1975. Die Familienrechtsreform ist vom Gedanken der Gleichberechtigung und Partnerschaft von Mann und Frau in der Ehe getragen.
Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, das für ein bestimmtes Rechtsgebiet gewählte Ordnungsprinzip auch auf ein anderes Rechtsgebiet zu übertragen (so ADAMOVICH, Gebietet der Gleichheitsgrundsatz die Anpassung anderer Rechtsgebiete an die Familienrechtsreform?, RdA 1977, 7). Die angefochtene Regelung stellt aus dieser Sicht also ein Abweichen von einem das Familienrecht betreffenden Ordnungssystem für den Bereich der sozialen Pensionsversicherung dar, die gemessen an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als solche zweifellos noch nicht verfassungswidrig ist. Denn für die sachliche Rechtfertigung einer Bestimmung kommt es vor allem auf den Tatsachenbereich, nicht aber auf die rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers in anderen Bereichen an. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 8871/1980 dazu freilich ausgeführt, daß, soweit Änderungen im Bereich eines Rechtsgebietes die für ein anderes Rechtsgebiet maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse ändern, bei Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung dieses anderen Rechtsgebietes auf die so geschaffenen Verhältnisse Bedacht zu nehmen sei. Die Bundesregierung verkennt nicht die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes im o.zit. Erkenntnis, wonach die Familienrechtsreform die tatsächlichen Verhältnisse derart verändert habe, daß daraus ein direkter Einfluß auf die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Mann und Frau resultiere. Die Bundesregierung vermeint jedoch, daß die Familienrechtsreform gerade im gegebenen Zusammenhang noch keineswegs einen derartigen Wandel der tatsächlichen Verhältnisse bewirkt hat, welcher einen unmittelbaren Einfluß auf den Bereich der Sozialversicherung bedingen würde. Dazu kommt, daß das frühere Pensionsanfallsalter im Unterschied zu einer bloß der Ehefrau gewährten Hinterbliebenenpension wohl kaum einen tatsächlich wirksamen Faktor bei der Aufrechterhaltung von Ungleichheiten (im Sinne der Familienrechtsreform) darstellt. In diesem Sinn wirkt die in Rede stehende Differenzierung zwar nicht 'in der Richtung eines Abbaues der Unterschiede', aber auch nicht in der gegenteiligen Richtung.
Die im Antrag des OGH zitierte Argumentation des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, Vorschriften von der Art der hier in Rede stehenden dienten auch dem Ausgleich von Benachteiligungen, die sich etwa aus dem Ausbildungsdefizit der Frauen, den geringeren Aufstiegschancen, den typischen Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten von Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung ergeben ... wird von der Bundesregierung nicht vertreten.
Der Gesetzgeber hat daher den Grundgedanken der Familienrechtsreform dort, wo die tatsächlichen Verhältnisse dies nahegelegt haben, grundsätzlich auf den Bereich der Sozialversicherung, vor allem im Zuge der 36. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 282/1981, und die entsprechenden Parallelnovellen übertragen. Aber auch der durch die 35. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 585/1980, neu eingeführte Tatbestand bei der Invaliditätspension (§255 Abs 4 ASVG) und der durch die 39. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 590/1983, eingeführte Tatbestand bei der Berufsunfähigkeitspension (§273 Abs 3 ASVG), wonach als eine der Voraussetzungen die Vollendung des 55. Lebensjahres - unabhängig vom Geschlecht - genannt ist, führt in Richtung des Abbaues von Ungleichheiten.
Für den vorliegenden Fall ist jedoch von der Tatsache auszugehen, daß sich die Einstellung zu einem so traditionsverbundenen Bereich wie dem der Familie und der Stellung der Geschlechter zueinander innerhalb weiter Kreise der Bevölkerung nicht plötzlich und ganz entscheidend im Sinne des Kernsatzes der Familienrechtsreform ändern kann. Entgegen der Behauptung des antragstellenden Gerichts sind die Rollen von Mann und Frau im Beruf und im gesellschaftlichen Leben zur Zeit noch nicht austauschbar; noch immer überwiegt daher die Rolle der Frau als Haushaltsführerin und Kindererzieherin. In diesem Zusammenhang ist auf den vom Bundeskanzleramt herausgegebenen Frauenbericht 1985 zu verweisen, dem entsprechendes einschlägiges Zahlenmaterial und wissenschaftliche Schlußfolgerungen zu entnehmen sind. Dessen ungeachtet hat der Gesetzgeber durch die oben dargestellten gesetzlichen Schritte im Rahmen der Pensionsversicherung seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, den vor sich gehenden Wandel im Bereich der Beziehungen der Geschlechter zueinander, wie er durch die Familienrechtsreform widergespiegelt wird, auch im Bereiche der Sozialversicherung entsprechend zu berücksichtigen.
Die trotz der Familienrechtsreform nahezu unveränderte Rolle der Frau als Haushaltsführerin und Kindererzieherin im täglichen Leben wird bereits aus wenigen Kapiteln aus der Broschüre 'Frauen in Österreich, 1975 bis 1985', die auf Daten des Frauenberichts 1985 basiert, deutlich. Zu 'Haushaltsführung' wird folgendes ausgeführt:
'87 % der erwachsenen Frauen (ab 19) führen einen eigenen Haushalt. Davon leben 20 % allein, 25 % führen einen Zwei-Personen-Haushalt, die Mehrzahl, nämlich 54 %, einen Drei- bzw. Mehrpersonenhaushalt. Fast jede zweite (47 %) lebt mit eigenen Kindern im Haushalt. Im Vergleich dazu: Nur 7 % aller erwachsenen Männer führen ihren Haushalt überwiegend selbst - die meisten davon sind alleinstehend.'
Zu 'Doppelbelastung' wird folgendes zusammengefaßt:
'Die Mithilfe der Männer im Haushalt und bei der Kinderbetreuung ist im Zunehmen begriffen. Von einer wirklichen Arbeitsteilung kann aber nicht die Rede sein. Nach wie vor liegt die Hauptverantwortung für Haushaltsführung und Kindererziehung bei den Frauen. Zwei Beispiele: 74 % der Frauen, aber nur 6 % der Männer geben an, zumindest einmal pro Tag zu kochen. In 99 % der Fälle ist es die Mutter, die ein Kind zum Kinderarzt begleitet.'
Weiters wird ausgeführt:
'Der Alltag der meisten erwachsenen Frauen wird von familiären Zusammenhängen bestimmt. Ihr Tagesablauf ist weitgehend von den Bedürfnissen und Fixpunkten der übrigen Familienmitglieder abhängig: Von Arbeitsbeginn und Arbeitszeiten des Mannes, Schulzeiten und Stundenplan der Kinder, Öffnungszeiten von Kindergärten, Geschäften, Banken, Ämtern. Das gilt nicht nur für Hausfrauen. Es zeigt sich, daß auch berufstätige Frauen hinsichtlich Wahl des Arbeitsplatzes und Arbeitsausmaß Rücksicht auf den Tagesrhythmus von Mann und Kindern nehmen (müssen).'
Diese Situation spiegelt sich auch in den Arbeitsmarktdaten wider. Im Jahresdurchschnitt 1987 ergibt sich für die vorgemerkten Arbeitslosen nach dem Hauptgrund ihrer Schwervermittelbarkeit folgendes Bild:
Von insgesamt 45.850 Personen dieser Gruppe sind 20.266 Männer und 25.584 Frauen. Aus den Gründen der Mobilitätsbeschränkung (Arbeitszeit/-ort) zählen 3.934 Männer und 17.890 Frauen zu der Gruppe der schwervermittelbaren Personen (Tabelle AL 700 der Statistik der Arbeitsmarktverwaltung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales).
Auch das Argument des antragstellenden Gerichts, durch verstärkte Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung falle 'naturgemäß die Doppelbelastung durch Beruf und Haushaltsführung nicht mehr so schwer ins Gewicht', ist nicht stichhaltig. Dabei wird nämlich übersehen, daß es vor allem verheiratete Mütter mit Kindern sind, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (Bericht über die Soziale Lage 1987, S 201). Wenn der Oberste Gerichtshof argumentiert, daß bei teilzeitbeschäftigten Frauen die Doppelbelastung durch Beruf und Haushaltsführung nicht so schwer ins Gewicht fällt, so geht er offensichtlich selbst davon aus, daß teilzeitbeschäftigte Frauen die Rolle der Haushaltsführung voll ausfüllen, übersieht dabei jedoch die zusätzliche Aufgabe der Kinderbetreuung, die gerade im Falle der teilzeitbeschäftigten Frauen wohl auch diesen überwiegend zufällt."
Nach Meinung der Bundesregierung ergibt sich hieraus, daß "für die Mehrzahl der Frauen ein Ausgleich durch ein günstigeres Anfallsalter nach wie vor sachlich gerechtfertigt ist".
Es solle abschließend auch nicht unerwähnt bleiben, daß das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom , 1 BvR 455/82 (EuGRZ 1987, S. 291), bei Prüfung dieser Gleichheitsfrage vor einem im wesentlichen doch gleichen Hintergrund der sozialen Tatsachen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen zum Entscheidungszeitpunkt noch keinen, die bestehende gesetzliche Differenzierung invalidierenden entscheidenden "Wandel in den tatsächlichen Verhältnissen" gefunden hat. Der Klarheit halber werde aber darauf hingewiesen, daß die im Antrag des Obersten Gerichtshofes zitierte Argumentation des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, Vorschriften von der Art der hier in Rede stehenden dienten auch dem Ausgleich von Benachteiligungen, die sich etwa aus dem Ausbildungsdefizit der Frauen, den geringeren Aufstiegschancen, den typischen Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten von Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung ergeben, von der Bundesregierung nicht vertreten wird.
6. Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge wegen ihres sachlichen Zusammenhanges gemäß § 187 ZPO iVm § 35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
6.1. Zur Zulässigkeit:
Es ist offenkundig, daß die antragstellenden Gerichte die jeweils angefochtenen Bestimmungen bei Erledigung der bei ihnen anhängigen Rechtsmittelverfahren anzuwenden hätten. Die Bundesregierung stellt die Zulässigkeit der Anträge in ihrer Äußerung nicht in Abrede. Auch im Verfahren sind keine Prozeßhindernisse hervorgekommen. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind daher zulässig.
6.2. In der Sache selbst:
6.2.1. Gemäß Art 7 Abs 1 B-VG iVm Art 2 StGG sind alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich. Vorrechte des Geschlechtes sind ausgeschlossen. Gesetzliche Regelungen, die nach dem Geschlecht unterscheiden, widersprechen daher dem Gleichheitssatz, sofern keine sachliche Rechtfertigung für die geschlechtsspezifische Unterscheidung vorliegt.
Die von den antragstellenden Gerichten angefochtenen Regelungen des ASVG unterscheiden nach dem Geschlecht. Die antragstellenden Gerichte verneinten die sachliche Rechtfertigung der Unterscheidung.
6.2.2.1. Die Bundesregierung meinte, daß das im Gesetz vorgesehene niedrigere Pensionsalter seine Rechtfertigung in der Doppelbelastung der Frau infolge Haushaltsführung und Obsorge für Kinder und sonstige Angehörige finde.
Die antragstellenden Gerichte führten unter Bezugnahme auf die Familienrechtsreform aus, daß Ungleichbehandlungen nur vorübergehend sachlich sein können, wenn sie wenigstens in Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken. Die Familienrechtsreform der siebziger Jahre, vor allem aber das Bundesgesetz vom über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412/1975, zielen auf eine partnerschaftliche Beziehung der Geschlechter ab. Diese Reform strebt einen Abbau der Unterschiede im Tatsächlichen an, soweit solche Unterschiede nicht biologisch oder durch Lebensumstände bedingt sind (vgl. ua. den Bericht des Justizausschusses, 1662 BlgNR 13.GP).
Die Bundesregierung meinte hiezu, "daß sich die Einstellung zu einem so traditionsverbundenen Bereich wie dem der Familie und der Stellung der Geschlechter zueinander innerhalb weiter Kreise der Bevölkerung nicht plötzlich und ganz entscheidend im Sinne des Kernsatzes der Familienrechtsreform ändern kann" und daß noch immer sowohl die Haushaltsführung als auch die Kindererziehung überwiegend von Frauen besorgt werden. Dies wurde auch von den antragstellenden Gerichten nicht in Abrede gestellt. Auch das von der Bundesregierung vorgelegte statistische Material zeigt, daß das traditionelle Rollenbild der Frau in der Haushaltsführung und Kindererziehung nur allmählich dem von der Familienrechtsreform vorgegebenen partnerschaftlichen Verhalten weicht.
Es blieb im Verfahren unbestritten, daß Frauen bisher die Hauptlast der Haushaltsführung und Kindererziehung trugen und noch immer tragen, sodaß verheiratete Frauen ebenso wie Frauen, die in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann leben, vor allem aber Frauen, denen die Obsorge für Kinder oder sonstige Angehörige obliegt und die überdies berufstätig sind, in der Regel einer doppelten Belastung ausgesetzt waren und noch sind.
Der Oberste Gerichtshof wies darauf hin, daß die gegenwärtige Regelung sich auch zum Nachteil von Frauen auswirken könne. Der Oberste Gerichtshof legte diese Nachteile nicht im Detail dar. Sie ergeben sich aber aus der Zusammenschau der pensionsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Das frühere Entstehen des Pensionsanspruches führt bei Einschränkungen oder Stillegungen von Betrieben oder Betriebsteilen vielfach zu einem besonderen Druck auf Frauen, vorzeitig und ungewollt aus dem Berufsleben auszuscheiden und damit eine niedrigere Pension in Kauf zu nehmen. Auch im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes kann die bei Frauen schon bei niedrigerem Alter bestehende Pensionsberechtigung zu einem geringeren Bestandschutz des Arbeitsverhältnisses führen als bei einem gleichaltrigen Mann: Obwohl die rechtliche Auswirkung einer Pensionsberechtigung auf die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung durch die Rechtsprechung nicht in allen Fragen im Detail entschieden wurde (vgl. etwa VwGH in ArbSlg. 10206/1983 und EA Wien vom , Z VI Re 361/85, RdW 1986, S. 282), kann wohl nicht bezweifelt werden, daß im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof verlangten Interessenabwägung (siehe WBl. 1989, S. 217) ein bereits bestehender Pensionsanspruch zu berücksichtigen ist, und zwar zum Nachteil des gekündigten Arbeitnehmers bzw. der gekündigten Arbeitnehmerin. Gleiches gilt auch für einen Sozialvergleich (§105 Abs 4 Satz 4 zweiter Halbsatz ArbVG), wo ebenfalls aufgrund des gebotenen Interessenvergleiches ein schon aktueller Pensionsanspruch einer Frau zu geringerem Kündigungsschutz führt als eine bloße Pensionsanwartschaft eines gleichaltrigen männlichen Dienstnehmers. Daß der unterschiedliche Eintritt in das Pensionsalter im Erwerbsleben zu einer Zurücksetzung der Frau führen und damit einen weiteren Anlaß zu ihrer Diskriminierung geben kann, wird auch in der Lehre betont (vgl. zB Mentasti, Die gegenwärtige und zukünftige Stellung der Frau in der Pensionsversicherung, in: Tomandl (Hrsg.),
Die Frau in der Sozialversicherung - ihre gegenwärtige und zukünftige Stellung, Wien 1976, 121).
6.2.2.2. Ferner führte die Bundesregierung zur Rechtfertigung des unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsanfallsalters aus, daß die Arbeitskraft von Frauen früher unter das für den Verbleib im Arbeitsprozeß notwendige Ausmaß sinke als jene der Männer. Die antragstellenden Gerichte führten aus, daß es sicherlich denkbar sei, daß in Berufen, die mit größerer körperlicher Beanspruchung verbunden sind, Frauen wegen ihrer körperlich schwächeren Konstitution früher arbeitsunfähig würden als Männer und bei solchen Berufen eine unterschiedliche Pensionsregelung sachlich gerechtfertigt wäre. Die derzeitige Regelung berücksichtige aber nicht, welche Tätigkeiten eine Frau tatsächlich verrichtet habe.
6.2.3.1. Das System der Pensionsversicherung nach dem ASVG beruht nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Versorgungsgedanken, was sich etwa schon daran zeigt, daß die Mittel der Pensionsversicherungsträger nicht allein durch Beiträge der Versicherten, sondern wesentlich auch durch einen Beitrag (Zuschuß) des Bundes (§80 ASVG) aufgebracht werden. Schon aus diesem Grund kann der Gesetzgeber, ohne mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch zu geraten, bei der Gestaltung des Leistungsrechtes auch sozialpolitische Ziele verwirklichen und etwa unterschiedliche Belastungen von Personen oder Personengruppen im Arbeitsleben bei der Gestaltung des Leistungsrechtes berücksichtigen. Hiebei kann der Gesetzgeber eine Durchschnittsbetrachtung anstellen. Härtefälle können ebenso unberücksichtigt bleiben wie Einzelfälle einer Begünstigung (vgl. hiezu VfSlg. 8871/1980).
Der Verfassungsgerichtshof geht - wie bereits dargelegt - davon aus, daß viele Frauen aufgrund ihrer traditionellen gesellschaftlichen Rolle besonderen Belastungen durch die Haushaltsführung und Obsorge für Kinder ausgesetzt waren und noch ausgesetzt sind. In Übereinstimmung mit den antragstellenden Gerichten ist aber der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß auch bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung die Festlegung eines unterschiedlichen Pensionsalters für Frauen und Männer kein geeignetes Mittel ist, um den Unterschieden in der gesellschaftlichen Rolle der Frauen und Männer angemessen Rechnung zu tragen.
6.2.3.2. Zu Recht wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, daß eine nicht unerhebliche und daher nicht zu vernachlässigende Anzahl berufstätiger Frauen gar nicht der erwähnten Doppelbelastung ausgesetzt sei und daß die derzeitige Regelung auch nicht berücksichtige, in welchem Maße Frauen tatsächlich durch die Haushaltsführung und Kindererziehung besonders belastet sind.
Daß es keinen adäquaten Ausgleich für die bei einer bestimmten Anzahl der Frauen bestehende Doppelbelastung durch Beruf und Familie darstellt, wenn für sozialversicherte Frauen generell ein niedrigeres Pensionsanfallsalter festgesetzt wird als für Männer, zeigt sich besonders deutlich in jenen Fällen, in denen Frauen wegen der Obsorge für Kinder ihre Berufslaufbahn später beginnen oder unterbrechen mußten: Sie haben dadurch gegenüber Männern und Frauen, die ihre Berufslaufbahn unmittelbar nach der Ausbildung begonnen haben und ununterbrochen fortsetzen konnten, in ihrer pensionsrechtlichen Stellung bedeutende Nachteile. Entweder kommen sie überhaupt nicht in den Genuß der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Frühpension) oder sie müssen aufgrund der geringeren Versicherungszeiten (Beitragszeiten und Ersatzzeiten) eine niedrigere Pension in Kauf nehmen. Daran vermag auch die derzeitige Ersatzzeitenregelung in § 227 Abs 1 Z 3 und 4 lita und b ASVG nichts zu ändern.
Aus der von der Bundesregierung vorgelegten statistischen Aufstellung über das "Durchschnittliche Pensionszugangsalter" ergibt sich, daß der Unterschied im tatsächlichen Pensionszugangsalter zwischen Männern und Frauen weit unter der gesetzlich vorgesehenen Differenz von fünf Jahren liegt.
In den letzten drei von der Statistik erfaßten Jahren (1986 bis 1988) wurden folgende Unterschiede im tatsächlichen Pensionszugangsalter festgestellt:
in Pension wegen
Jahr geminderter Alterspension Insgesamt
Arbeitsfähigkeit
Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen
1986 53,72 53,13 62,13 59,51 58,01 57,65
1987 53,89 52,76 61,73 59,37 57,87 57,42
1988 54,18 52,77 61,80 59,34 57,90 57,31
Was immer der Grund dafür gewesen sein mag, daß der Unterschied im tatsächlichen Pensionszugangsalter zwischen Männern und Frauen weit unter fünf Jahren liegt, das Verfahren hat jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die besondere Belastung durch die Haushaltsführung und Obsorge für Kinder tatsächlich durch das niedrigere Pensionszugangsalter von Frauen abgegolten wird. Das niedrigere Pensionsanfallsalter für Frauen kommt eher jener Gruppe von Frauen zugute, deren Berufslaufbahn nicht durch Haushaltsführung und Obsorge für Kinder unterbrochen war, die also mehr Versicherungszeiten erwerben konnten als jene Frauen, deren Belastung abgegolten werden soll.
Die von der Bundesregierung vorgelegten Statistiken bestätigen, daß die Belastung von Frauen zunimmt, je mehr Kinder zu betreuen sind. Je größer diese Belastung jedoch ist, umso weniger ist eine Frau in der Regel in der Lage, die für einen frühen Pensionsantritt erforderlichen Versicherungszeiten zu erwerben.
Die angefochtenen Bestimmungen begünstigen somit vorwiegend jene Frauen, die der Belastung, die das niedrigere Pensionsalter ausgleichen soll, gar nicht oder wesentlich weniger ausgesetzt waren als Frauen, die infolge Haushaltsführung und Obsorge für Kinder ihre Berufslaufbahn unterbrechen mußten, und deren tatsächliches Pensionsanfallsalter daher in Wahrheit jenem der Männer in der Regel gleichkommt. Ein Vertreter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten drückte diese Konsequenz der angefochtenen Regelungen in der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof mit den Worten aus:
"In der Praxis ist es tatsächlich so, daß das, was sich auf den ersten Blick als ein großzügiges Geschenk für die Frauen darstellt, gar keines ist, weil es in der sozialen Wirklichkeit sehr selten zu erreichen ist, und wenn, dann gerade von Frauen, die einer Doppelbelastung nicht unterliegen oder von Frauen aus sozial stärkeren Schichten, die die Möglichkeit haben, durch eine Weiterversicherung während solcher Unterbrechungszeiten diese Versicherungsjahre zu erwerben."
6.2.3.3. Auch die Behauptung der Bundesregierung, daß bei Frauen früher als bei Männern die Arbeitskraft unter das für den Verbleib im Arbeitsprozeß notwendige Ausmaß sinke, gilt keineswegs allgemein. Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, daß es noch immer Berufe gibt, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden und die erhöhte körperliche Beanspruchung mit sich bringen. Selbst eine Durchschnittsbetrachtung rechtfertigt aber nicht eine (scheinbare oder wirkliche) Begünstigung aller Frauen in gleicher Weise, also eine rein geschlechtsspezifische Differenzierung, wohl aber würde sie eine nach der Art der Tätigkeit differenzierende Regelung rechtfertigen (vgl. zB ArtVII des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes).
Auch der statistische Vergleich des Pensionszugangsalters bei Männern und Frauen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit stützt die Argumente der Bundesregierung nicht. Er zeigt vielmehr folgendes Bild:
Bei selbständig Erwerbstätigen und Bauern bestand im langjährigen Durchschnitt überhaupt kein Unterschied im Pensionszugangsalter von Männern und Frauen. In der Pensionsversicherung der Selbständigen lag der Unterschied während des statistisch erfaßten Zeitraumes (1970 bis 1988) meist unter einem Jahr, wobei in der Mehrzahl der Jahre das Pensionszugangsalter von Frauen über jenem der Männer lag (1972, 1978 bis 1988). Auch in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft und jener der Bauern gab es keine signifikanten Unterschiede. Im Bereich der Versicherung der österreichischen Eisenbahnen war das Pensionszugangsalter wegen geminderter Arbeits(Erwerbs)fähigkeit von Frauen in den Jahren 1976 bis 1988 stets höher als jenes der Männer. Ähnliches gilt auch für das Pensionsanfallsalter von Arbeitern. In der Zeit von 1970 bis 1984 war das Pensionszugangsalter von Arbeiterinnen sogar höher als jenes der Arbeiter. Lediglich in den Jahren 1985 bis 1988 war das Pensionszugangsalter wegen geminderter Arbeitsfähigkeit von Arbeiterinnen geringfügig niedriger als jenes der Arbeiter.
Ein signifikanter Unterschied bestand lediglich bei Angestellten. Nur in dieser Gruppe war das Pensionszugangsalter wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bei Frauen während des gesamten statistisch erfaßten Zeitraumes (von 1970 bis 1988) stets niedriger als jenes der Männer.
Da es keinen einsichtigen Grund dafür gibt, daß gerade in der Gruppe der Angestellten die Minderung der Arbeitskraft von Frauen im Vergleich zur Arbeitskraft von Männern größer sein sollte, wogegen dies bei anderen Berufsgruppen (etwa Arbeiterinnen und Bäuerinnen) nicht zutrifft, haben Unterschiede im Pensionsanfallsalter wegen geminderter Arbeitsfähigkeit offensichtlich ganz andere Gründe als biologische oder sonstige geschlechtsspezifische.
Die oben zitierten statistischen Unterlagen wurden in der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof mit den Parteien eingehend erörtert. Die Vertreterin der Bundesregierung wies darauf hin, daß Arbeiterinnen häufig im Verlauf ihrer Berufstätigkeit in das Angestelltenverhältnis übernommen werden, sodaß die "Statistik nach oben verzerrt" werde.
Dies würde jedoch noch immer nicht erklären, warum sich das tatsächliche Pensionsanfallsalter wegen geminderter Arbeitsfähigkeit von Arbeiterinnen, die bis zu ihrer Pensionierung Arbeiterinnen bleiben, nicht von jenem von Arbeitern unterscheidet, während bei Angestellten (unter Einschluß von Arbeiterinnen, die in das Angestelltenverhältnis übernommen wurden) signifikante Unterschiede bestehen. Es kann wohl nicht ernstlich angenommen werden, daß Arbeiterinnen, die in das Angestelltenverhältnis übernommen werden, im allgemeinen früher berufsunfähig werden als Arbeiterinnen, die bis zur Pensionierung Arbeiterinnen bleiben.
Auch mit anderen Fakten konnte die Bundesregierung nicht belegen, daß die für die berufliche Tätigkeit erforderliche Leistungsfähigkeit generell bei Frauen in einem niedrigeren Lebensalter wegfällt als bei Männern. Die dem Verfassungsgerichtshof von den Parteien vorgelegten und von ihm eingeholten weiteren Unterlagen belegen die Behauptungen der Bundesregierung ebenfalls nicht. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für deren Zutreffen ergeben.
Die bestehenden Unterschiede im gesetzlich festgelegten Pensionsalter lassen sich daher auch nicht durch biologische Gründe rechtfertigen.
6.2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, wenn er bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift. Dieser aus dem Gleichheitssatz erfließende Vertrauensschutz bedarf dann besonderer Beachtung, wenn Personen schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit ihre Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Pension eingerichtet haben (vgl. VfSlg. 11288/1987 und 11665/1988). Der Verfassungsgerichtshof hatte daher zu prüfen, ob eine Beseitigung der derzeitigen Regelung nicht zu einem so intensiven Eingriff in erworbene Rechtspositionen führt, daß dadurch eine andere Unsachlichkeit und somit Gleichheitswidrigkeit bewirkt würde.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß der Vertrauensschutz zwar eine Beibehaltung der bisherigen Regelung für jene Frauen rechtfertigt, die nahe dem Pensionsalter sind und die daher ihre Lebensführung bereits auf den herannahenden Ruhestand eingerichtet haben. Die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Regelung für alle Frauen, also auch für jene, die dem Pensionsalter fern sind, würde aber für den überwiegenden Teil berufstätiger Frauen ein Vertrauen in die ständige Aufrechterhaltung einer an sich gleichheitswidrigen Regelung schaffen. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen im Erkenntnis VfSlg. 8871/1980 (Witwerpension), die in gleicher Weise auch für den Abbau von Unterschieden im Pensionsalter gelten. In diesem Erkenntnis führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Ein Grund für die zumindest vorläufige Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung könnte allerdings im Bestreben gefunden werden, erworbene Anwartschaften unberührt zu lassen und die Hinterbliebenenversorgung zugunsten des Mannes allmählich auszubauen; die erheblichen Kosten der Verwirklichung dieses Zieles und die technischen Schwierigkeiten einer sofortigen Angleichung auf niedrigerem Niveau könnten dann die vorübergehende Hinnahme einer ungleichen Behandlung nahelegen.
Solche Überlegungen führen aber im vorliegenden Fall nicht zum Ergebnis, daß der gegenwärtige Rechtszustand völlig unverändert beibehalten werden darf. ... Es können indessen nur solche Ungleichbehandlungen (vorübergehend) sachlich sein, die wenigstens in der Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken würden."
6.2.5. Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Überlegungen:
Es fällt in den rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers, unterschiedliche Belastungen von Personen oder Personengruppen im Arbeitsleben bei Gestaltung des Leistungsrechtes der Pensionsversicherung entsprechend zu berücksichtigen.
Die angefochtenen Regelungen, die allgemein bloß nach dem Geschlecht unterscheiden und Frauen als eine einheitliche Gruppe Männern gegenüberstellen, berücksichtigen in Wahrheit nicht jene Besonderheiten, die zu ihrer Rechtfertigung dienen sollen. Sie kommen vorwiegend jenen Frauen zugute, deren Rollenbild sich von jenem der Männer nicht unterscheidet, während jene Frauen, die durch Haushaltsführung und Obsorge für Angehörige besonders belastet sind, von solchen Regelungen in wesentlich geringerem Maße Gebrauch machen können. Das unterschiedliche Maß der Belastung von Frauen und die tatsächliche körperliche Beanspruchung findet in derart undifferenzierten Regelungen keinen Niederschlag. Solche Regelungen sind daher ungeeignet, den aufgezeigten faktischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber kann allerdings, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehend Nachteile, die Gruppen von Personen im Arbeitsleben etwa durch erhöhte physische oder psychische Belastung typischerweise erleiden, durch eine entsprechende Gestaltung des Leistungsrechtes und dabei etwa auch durch Festlegung eines niedrigeren Pensionsanfallsalters abgelten.
Den angefochtenen - bloß nach dem Geschlecht differenzierenden - Regelungen fehlt jedoch die sachliche Rechtfertigung. Sie verletzen den Gleichheitsgrundsatz und waren daher aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war auf die weiteren Bedenken der antragstellenden Gerichte nicht mehr einzugehen.
6.2.6. Der Gesetzgeber ist jedoch durch den Gleichheitsgrundsatz keineswegs gehalten, sogleich und schematisch für Männer und Frauen das gleiche Pensionsalter festzusetzen. Eine sofortige schematische Gleichsetzung des gesetzlichen Pensionsalters für Männer und Frauen wäre dem Gesetzgeber sogar verwehrt, weil er damit den Schutz des Vertrauens in eine im wesentlichen über Jahrzehnte geltende gesetzliche Differenzierung verletzen würde. Dem Vertrauensschutz kommt aber gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zu.
Der Gesetzgeber muß bei Schaffung einer alle verfassungsrechtlichen Aspekte berücksichtigenden einfachgesetzlichen Rechtslage den Abbau der Unsachlichkeit der bisherigen Regelung einerseits und den Vertrauensschutz andererseits gegeneinander abwägen. Diese Abwägung fällt in seinen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum. Er kann für jene Personen, die dem Pensionsalter nahe sind, im Sinne des Vertrauensschutzes auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechtes die bisherigen Unterschiede im Pensionsalter aufrecht erhalten, wenn - und nur wenn - er gleichzeitig Regelungen schafft, die einen allmählichen Abbau der bloß geschlechtspezifischen Unterscheidung bewirken.
6.2.7. In diesem Zusammenhang sieht sich der Verfassungsgerichtshof zu folgendem Hinweis veranlaßt:
Mit Bundesgesetz vom , BGBl. 410/1990, wurde das Gleichbehandlungsgesetz geändert. Aus dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (1411 BlgNR 17.GP) geht hervor, daß mit dieser Novelle der sachliche Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes erweitert werden sollte, um der internationalen Entwicklung Rechnung zu tragen. Im besonderen weist der Bericht des Ausschusses auf die sogenannte Lohngleichheitsrichtlinie vom (75/117/EWG), Abl. Nr. L 45/75, S. 19, und die Gleichbehandlungsrichtlinie vom (76/207/EWG), Abl. Nr. L 39/76, S. 40, der Europäischen Gemeinschaften hin. Der sogenannte autonome Nachvollzug dieser Richtlinien im österreichischen Recht ist ein Ziel der Novelle. Der Ausschußbericht weist auch auf die besondere Rolle des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) für die Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsrechtes hin. Wenn daher österreichische Gerichte österreichische Gesetze zu interpretieren haben, die wesentlich an den Rechtsbestand der Europäischen Gemeinschaften anknüpfen, so ist auch eine Harmonisierung mit der Rechtsprechung des EuGH zu erwarten. In diesem Zusammenhang wird daher auf das ; Douglas Harvey Barber vs. Guardian Royal Exchange Assurance Group) hingewiesen, in welchem ausgesprochen wurde, daß es gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 119 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verstoße, wenn in einem privaten Betriebspensionssystem nach dem Geschlecht unterschiedliche Altersvoraussetzungen vorgesehen sind. Die Begründung des EuGH stützt sich hiebei auch auf die beiden obgenannten Richtlinien.
Auch das Betriebspensionsgesetz, BGBl. 282/1990, "erfüllt im wesentlichen die Forderungen der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften", wobei im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (1318 BlgNR 17.GP) auch auf die Richtlinie vom (86/378/EWG), Abl. Nr. L 225/86, S. 40, hingewiesen wird. Diese Richtlinie befaßt sich - ebenso wie das Betriebspensionsgesetz - mit Systemen der sozialen Sicherheit, die die gesetzliche Pensionsversicherung ergänzen sollen. Art 6 Abs 1 litf der genannten Richtlinie bestimmt ausdrücklich, daß ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, wenn geschlechtsspezifisch ein unterschiedliches Pensionsalter vorgesehen wird. Allerdings enthält Art 9 der Richtlinie den Vorbehalt, daß Mitgliedstaaten die Gleichbehandlung bei der Festsetzung des Pensionsalters aussetzen können, bis eine entsprechende Richtlinie erlassen wird. Den Entwurf jener Richtlinie, die die in Art 9 der Richtlinie vom genannte Aussetzung beendet, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am dem Rat zur Beschlußfassung übersandt (KOM (87) 494 endg., Ratsdok. 9466/87). In Art 9 (1) dieses Richtlinienvorschlages wird festgelegt, daß bei Festlegung des Pensionsalters für die Gewährung einer Alterspension die gleiche Altersgrenze für beide Geschlechter festgesetzt werden muß. Diese Bestimmung war vom EuGH im obgenannten Erkenntnis vorweggenommen worden.
Das Betriebspensionsgesetz umschreibt in seinem § 18 allgemein das Gleichbehandlungsgebot, ohne gleichzeitig zu bestimmen, daß die von diesem Gesetz erfaßten betrieblichen Pensionszusagen wenigstens während einer Übergangszeit ein unterschiedliches Pensionsalter für Männer und Frauen vorsehen dürfen, wie dies Art 9 der Richtlinie vom ,(86/378/EWG), selbst für Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften vorsah. Weder die Gesetzesmaterialen noch die Ausführungen der Bundesregierung in der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof geben Aufschluß darüber, warum der österreichische Bundesgesetzgeber die innerstaatlichen Bestimmungen über Pensionssysteme, die die gesetzliche Pensionsversicherung ergänzen sollen, den entsprechenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften, die ein unterschiedliches Pensionsalter für Männer und Frauen als mit dem Gleichbehandlungsgebot unvereinbar ansehen, vorbehaltslos angepaßt hat. Es ist offenkundig, daß damit eine Harmonisierung solcher ergänzender Pensionssysteme mit den derzeit noch geltenden Bestimmungen des ASVG, die ein unterschiedliches Pensionsalter vorsehen, erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht wird.
Die Frage, ob der Gleichheitssatz des Art 7 Abs 1 B-VG iVm Art 2 StGG nicht zumindest in Teilbereichen eine gewisse Harmonisierung des Sozialversicherungsrechtes mit Regelungen betreffend Pensionssysteme gebietet, die die gesetzliche Pensionsversicherung ergänzen sollen (so der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers nach § 1 Abs 1 des Betriebspensionsgesetzes), ist von den Bedenken der antragstellenden Gerichte nicht umfaßt. Daher hatte der Verfassungsgerichtshof auch diese Frage nicht abschließend zu beurteilen. Der Gesetzgeber wird aber bei einer Neuregelung des Pensionsanfallsalters die Frage der Harmonisierung (innerstaatlicher) arbeitsrechtlicher und (innerstaatlicher) sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen in seine Überlegungen einbeziehen müssen.
7. Die Fristsetzung für das Inkrafttreten der Aufhebung und der Ausspruch über die Kundmachung stützen sich auf Art 140 Abs 5 B-VG, der Ausspruch, daß frühere Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, auf Art 140 Abs 6 B-VG.