VfGH vom 15.03.1986, G60/82

VfGH vom 15.03.1986, G60/82

Sammlungsnummer

10831

Leitsatz

GewO 1973; Auslegung von Kompetenzbestimmungen; durch §§71a, 77 Abs 3 und 4 idF BGBl. 619/1981 bewirkte Bindung an bestimmte Energiesparstandards für gewerbliche Waren, Dienstleistungen oder Betriebsanlagen - keine Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art; diese Bestimmungen können nicht auf den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) gestützt werden - Aufhebung der Regelung als kompetenzwidrig

Spruch

§71a und die Absätze 3 und 4 des § 77 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. 50/1974, idF der Novelle 1981, BGBl. 619/1981, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1987 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit der GewO-Novelle 1981, BGBl. 619/1981, wurden ua. Bestimmungen in die GewO aufgenommen, die im Gefolge der Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Einsparung von Energie, BGBl. 351/1980, dem Ziel des sparsamen Umgangs mit Energie dienen sollen:

Dabei wurde im Abschnitt 7 (Ausübung von Gewerben) des I. Hauptstückes der GewO 1973, der Verordnungsermächtigungen im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit und des Konsumentenschutzes enthält, unter Punkt h (Schutzbestimmungen) ein § 71a eingefügt.

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"(1) Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat durch Verordnung für Waren, die im Rahmen einer Gewerbeausübung in den inländischen Verkehr gebracht werden, sowie für Dienstleistungen, die im Rahmen einer Gewerbeausübung im Inland erbracht werden, Mindestanforderungen zur volkswirtschaftlich sinnvollen Nutzung von Energie festzulegen, wobei auf den Stand der Technik Bedacht zu nehmen ist. Die sinnvolle Nutzung von Energie betreffende ÖNORMEN oder Teile von ÖNORMEN können durch eine solche Verordnung für verbindlich erklärt werden.

(2) Der Stand der Technik im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen."

Weiters wurde das Betriebsanlagenrecht (Abschnitt 8 des I. Hauptstückes der GewO) insofern ergänzt, als die Behörde ermächtigt wurde, bei Erlassung eines eine gewerbliche Betriebsanlage genehmigenden Bescheides der sinnvollen Nutzung von Energie dienende Auflagen aufzunehmen. Diesem Ziel dienen die Abs 3 und 4 des § 77 GewO, die folgenden Wortlaut haben:

"(3) Im Genehmigungsbescheid gemäß Abs 1 hat die Behörde auf der Grundlage des vorgelegten Projektes und unbeschadet der gemäß § 74 Abs 2 zu schützenden Interessen unter Bedachtnahme auf den Stand der Technik (§71a Abs 2) auch der sinnvollen Nutzung der in der zu genehmigenden Betriebsanlage einzusetzenden Energie dienende Auflagen vorzuschreiben, soweit diese Auflagen für den Genehmigungswerber wirtschaftlich zumutbar und aus energiewirtschaftlichen Gründen geboten sind.

(4) Zur Erreichung des im Abs 3 festgelegten Zieles der sinnvollen Nutzung von Energie in gewerblichen Betriebsanlagen kann der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie durch Verordnung für die Errichtung und den Betrieb genehmigungspflichtiger Anlagen ÖNORMEN oder Teile von ÖNORMEN für verbindlich erklären. Auf bereits genehmigte Anlagen sind diese Vorschriften insoweit anzuwenden, als die dadurch bedingten Änderungen der Anlage ohne wesentliche Beeinträchtigung der durch den Genehmigungsbescheid erworbenen Rechte durchführbar sind, es sei denn, daß die erforderlichen Änderungen ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand und ohne größere Betriebsstörung durchgeführt werden können. § 82 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden."

II. Mit einem am beim VfGH eingebrachten Antrag begehren 70 Abgeordnete zum Nationalrat, "der VfGH wolle die Bestimmungen der §§71a und 77 Abs 3 und 4 der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerbeordnungsnovelle 1981 BGBl. 619 als verfassungswidrig aufheben".

Im Antrag wird ausgeführt, daß die einschreitenden Abgeordneten zum Nationalrat mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates verkörpern und daher antragslegitimiert seien.

Inhaltlich wird der Antrag auf folgende Bedenken gestützt:

"1. Die Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. 619, enthält in den neuen Bestimmungen der §§71a und 77 Abs 3 und 4 GewO Vorschriften zur Einsparung von Energie, die nach Meinung der Antragsteller in Ermangelung der kompetenzrechtlichen Deckung des Bundesgesetzgebers bundesverfassungswidrig sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH hat die Prüfung der kompetenzrechtlichen Deckung einer einfachen bundesgesetzlichen Regelung bei der Wortsinninterpretation der Kompetenzartikel anzusetzen (VfSlg. 5019/1965, 5679/1968; ferner 3227/1957, 3685/1960, 4349/1963). Sucht man zunächst nach Kompetenztatbeständen, die ihrem möglichen Wortsinn nach Energiesparvorschriften ohne bereichsmäßige Beschränkung abdecken, so läßt sich nur ein einziger Kompetenztatbestand anführen, der allerdings nur für bestimmte Krisenzeiten anwendbar ist. Kraft Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG ist der Bund in Gesetzgebung und Vollziehung zuständig, 'aus Anlaß eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen' zu treffen, worunter wohl auch Energiesparvorschriften zu den im Kompetenztatbestand genannten Zwecken fallen. Von diesem einen Kompetenztatbestand abgesehen, der ausschließlich für besondere Krisenfälle anzuwenden ist, erscheint kein Kompetenztatbestand kraft seines möglichen Wortsinns geeignet, bundesgesetzlichen Energiesparvorschriften ohne bereichsmäßige Beschränkung kompetenzrechtliche Deckung zu geben.

Daraus allein folgt freilich noch nicht, daß der Bund - von Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG abgesehen - überhaupt nicht zu einfachgesetzlichen Regelungen über das Energiesparen zuständig ist. So behaupten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der GewO-Novelle 1981 (798 BlgNR 15. GP), daß die in Rede stehenden Energiesparregelungen auf dem Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) basieren. Da der Wortsinn dieses Kompetenztatbestandes allein über Umfang und Inhalt des Begriffes keinen genügenden Aufschluß gibt, ist davon auszugehen, daß das Bundes-VerfassungsG die Begriffe, die es bei Aufstellung des Kompetenzkataloges verwendet, in jener Bedeutung gebraucht, die ihnen in der einfachen Gesetzgebung nach deren Stand im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel, d. i. am , zukam (VfSlg. 5019/1965).

Es ist demnach nunmehr zu untersuchen, wie sich die unterverfassungsrechtliche Lage am dargestellt hat und welche Schlüsse aus ihr auf das sogenannte entstehungszeitliche Begriffsverständnis des Bundes-Verfassungsgesetzgebers zu ziehen sind. Dabei ist - wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung betont - nicht so vorzugehen, daß man den Umfang des Gewerbekompetenzbegriffs, also hier des Begriffs 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie', im Bestand an einschlägigen Regelungen (also hier im Bestand an den sich kraft Bezeichnung oder Sachzusammenhang als gewerberechtliche Vorschriften auszeichnenden Bestimmungen) erschöpft sieht. Der Inhalt der Kompetenzartikel ist, wie der VfGH in dem gleichfalls für viele Entscheidungen repräsentativen Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 sagt, 'nach dem Stande der einfachen Gesetzgebung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung zu ermitteln ... Das bedeutet aber nicht, daß sich der Inhalt des Kompetenzartikels in der Gesamtheit der am Tage seines Wirksamwerdens geltenden Gesetze erschöpft, denn es sind auch Neuregelungen zulässig, sofern sie nur nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenzgrund angehören' (Vgl. ferner VfSlg. 3393/1958, 4117/1961, 4883/1964, 5748/1968, 6137/1970).

2. Anzusetzen ist demnach bei einer Bestandsaufnahme der einschlägigen einfachgesetzlichen Rechtslage vom genannten Stichzeitpunkt. Einschlägig ist in diesem Zusammenhang fraglos die GewO 1859 idF der letzten GewO-Novelle vor dem BGBl. 1925/277. An dieser Rechtslage interessieren zuerst und vor allem der § 54 GewO 1859, der mit 'Regelung einzelner Gewerbe' überschrieben ist, und das III. Hauptstück, das den Titel 'Erfordernis der Genehmigung der Betriebsanlagen bei einzelnen Gewerben' trägt.

§54 leg. cit. sah in Abs 1 vor, daß im Verordnungswege für bestimmte Gewerbe Buchführungsvorschriften und Bestimmungen über polizeiliche Kontrollen des Geschäftsbetriebes erlassen werden können. Abs 2 ermächtigte zur verordnungsweisen Erlassung von 'gewerbepolizeiliche(n) Regelung(en)', gleichfalls für bestimmte taxativ aufgezählte Gewerbe.

Im III. Hauptstück der GewO 1859 waren bestimmte Betriebsanlagen dem Erfordernis behördlicher Genehmigung unterworfen. Der Kreis dieser Betriebsanlagen wurde zum einen durch das Kriterium der Ausstattung 'mit Feuerstätten, Dampfmaschinen, sonstigen Motoren oder Wasserwerken', zum anderen ergänzend durch das Merkmal der Eignung zur Gefährdung der Nachbarn 'durch gesundheitsschädliche Einflüsse, durch die Sicherheit bedrohende Betriebsarten, durch üblen Geruch oder durch ungewöhnliches Geräusch' (§25) und drittens schließlich dadurch abgegrenzt, daß die Betriebsanlagen bestimmter, taxativ aufgezählter Gewerbe jedenfalls der Genehmigungspflicht (und überdies einem besonderen Genehmigungsverfahren) unterlagen (§27). Hiebei handelt es sich - wie es in Hellers Kommentar (Dr. Emil Hellers Kommentar zur Gewerbeordnung und ihren Nebengesetzen, I, 2. Auflage, hrsg von Laszky - Nathansky - Heller, 1937, 711) heißt - um Betriebsanlagen, 'die mit Rücksicht auf ihre Betriebsart, das verwendete Material oder den Arbeitsprozeß in höherem Maß als andere geeignet sind, öffentliches Interesse zu beeinträchtigen'. Die Genehmigung war davon abhängig zu machen, daß - erforderlichenfalls unter bestimmten Auflagen - die für die Genehmigungspflicht maßgeblichen Interessen hinreichend geschützt sind, wobei gem. § 26 insbesondere darauf zu achten war, daß 'für Kirchen, Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Anstalten und Gebäude aus derlei Gewerbeanlagen keine Störung erwachse und daß nicht etwa schon die Anlage der Arbeitsräume die Sicherheit des Lebens oder die Gesundheit der darin beschäftigten Personen gefährde'. Die Anlage mußte also, wie es in § 30 Abs 3 zusammenfassend hieß, 'in gewerbepolizeilicher Beziehung zulässig' sein.

Das gemeinsame Band, das die Regelungen in § 54 und im III. Hauptstück der GewO 1859 (Stand ) verband, besteht darin, daß es sich der Textierung wie der Sache nach um gewerbepolizeiliche Bestimmungen handelt. Gewerbepolizei stellt nach der in Theorie und Praxis herrschenden Terminologie einen, nämlich den Gewerbesektor betreffenden Teil der Verwaltungspolizei dar. Die Verwaltungspolizei umschreibt der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 3650/1959 - durchaus übereinstimmend mit den einschlägigen Äußerungen im Schrifttum (Antoniolli, Verwaltungsrecht 234; Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht (1980) 123 f) -, indem er Verwaltungs- und Sicherheitspolizei einander gegenüberstellt, wie folgt: 'Es gibt besondere Gefahren und allgemeine Gefahren. Eine Gefahr ist dann eine besondere, wenn sie entweder primär nur in einer bestimmten Verwaltungsmaterie auftritt oder wenn sie zwar nicht auf eine einzelne Verwaltungsmaterie beschränkt ist, aber innerhalb der einzelnen Materien in bestimmten, allein für diese typischen Abarten auftritt.' Die Energiesparvorschriften der GewO 1973 hingegen sind - wie noch näher darzulegen sein wird - auf die Abwehr gesamtwirtschaftlicher Gefahren oder Fehlentwicklungen gerichtet. Daß die GewO 1859 mit § 54 und mit dem III. Hauptstück Vorschriften eben der Art enthält wie die GewO 1973 idF GewO-Nov. 1981 mit den Energiesparvorschriften (§71a, § 77 Abs 3 und 4) und diese deshalb in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG Deckung fänden, trifft somit nicht zu.

3. Nun wäre es an sich denkbar, daß andere Bestimmungen des Gewerberechts vom Stande als die zunächst zum Vergleich herangezogenen Bestimmungen des § 54 GewO und des III. Hauptstücks dieses Gesetzes über den Rahmen einer gewerbepolizeilichen Regelung hinausgehen. Wäre solches Rechtsmaterial nachweisbar, könnte dies für eine kompetenzrechtliche Deckung von § 71a und § 77 Abs 3 und 4 von Relevanz sein. Indes auch dieser Weg führt zu einem negativen Ergebnis für die genannten Bestimmungen. Der GewO 1859 vom Stande sind Regelungen zur Gefahrenabwehr, die über die Abwehr von Gefahren hinausgehen, die speziell auf dem Gewerbesektor auftreten, überhaupt fremd gewesen.

Zum Nachweis hiefür ist zunächst auf die in engstem systematischen Zusammenhang mit § 54 GewO 1859 stehenden Regelungen zu sehen. Sie betreffen die 'Festsetzung von Maximaltarifen' (§51), die 'Ersichtlichmachung der Preise' (§52) und die 'Betriebspflicht bei einzelnen Gewerben' (§53).

Die 'Festsetzung von Maximaltarifen' war für bestimmte Gewerbe sowie für 'den Kleinverkauf von Artikeln, die zu den notwendigsten Bedürfnissen des täglichen Unterhalts gehören', vorgesehen. Von den mit diesem Kleinverkauf befaßten Gewerben abgesehen, unterwarf § 51 folgende Gewerbe seinem Regime: Rauchfangkehrergewerbe (§15 Abs 1 Z 7), Kanalräumergewerbe (§15 Abs 1 Z 8), Transport- und Platzdienstgewerbe (§15 Abs 1 Z 3: 'Unternehmungen periodischer Personentransporte', § 15 Abs 1 Z 4: 'Platzdienstgewerbe', § 15 Abs 1 Z 5: 'Schiffergewerbe auf Binnengewässern'). Es handelte sich also um konzessionierte Gewerbe. Bei Erteilung der entsprechenden Konzessionen war, von der Konzession für das Schiffergewerbe auf Binnengewässern abgesehen, gem. § 23 Abs 5 GewO 1859 (Stand ) 'auf die Lokalverhältnisse Bedacht zur nehmen', was - nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH () - die Pflicht zur Bedachtnahme auf den Lokalbedarf in sich schloß. Für die überwiegende Zahl der Gewerbe gilt also, daß sie über einen durch das Lokalbedarfserfordernis bedingten Marktvorteil verfügen (können) und mit dieser Vorteilsposition die potentielle Gefahr ihres Mißbrauchs verbunden ist. Aber auch in allen übrigen Anwendungsfällen des § 51 ging es um die Abwehr möglichen Mißbrauchs einer günstigen Marktposition, und zwar zu Lasten von Nachfragenden, die entweder einen lebenswichtigen Bedarf oder einen solchen Bedarf decken wollten, bei dessen Deckung man in der Regel ebenso wie bei der Deckung eines Bedarfs nach lebenswichtigen Gütern auf einen sehr eingeschränkten Kreis von im örtlichen Nahebereich angesiedelten Anbietern angewiesen ist. Daß eben diese Gefahren gesteuert werden sollten, wird im übrigen dadurch bestätigt, daß gem. § 51 Abs 3 die Festsetzung der Tarife 'nach Anhörung der Gemeindevertretungen' - bei den Personentransportgewerben 'über Antrag der Gemeindevertretung' (§51 Abs 4) - nach Einvernehmung der Handels- und Gewerbekammer (damals Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie) und der betreffenden Fachgenossenschaften erfolgt und nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinden bis auf Widerruf Geltung hatte. Auch § 51 GewO 1859 vom Stande stellt demnach zweifelsfrei eine gewerbepolizeiliche Regelung dar, bezieht sich nur aufGefahren, die auf dem Gewerbesektor auftreten und nicht (auch) auf solche, die die Gesamtwirtschaft betreffen.

Die Regelung der Ersichtlichmachung der Preise war gleichfalls und evidentermaßen nur gewerbepolizeilicher Natur; dies bedarf keiner näheren Begründung. Was die Betriebspflicht anbelangt, ist dieselbe Qualifikation vorzunehmen. Bäcker, Fleischer, Rauchfangkehrer, Kanalräumer und Transportgewerbetreibende durften nach § 53 'den begonnenen Gewerbebetrieb nicht nach Belieben unterbrechen, sondern (mußten) die beabsichtigte Betriebseinstellung vier Wochen früher der Gemeindebehörde anzeigen'. Auch hier geht es um die Sicherung der Versorgung mit typischerweise laufend nachgefragten (lebens)wichtigen Waren und Leistungen im Beziehungsfeld Gewerbetreibender - Konsument und somit um Gefahrenabwehr auf dem Gewerbesektor.

Wenn man nunmehr die übrigen Regelungen der GewO 1859 (Stand ) in den Blick nimmt, verändert sich das Bild nicht:

Das KP (Kundmachungspatent 1859) grenzte den Anwendungsbereich der GewO ab und enthielt Übergangsbestimmungen. Angesichts dieses Regelungsgehaltes ist das KP für die hier zu lösende Frage ohne Relevanz. Im I. Hauptstück (= § 1) der GewO 1859 vom Stande war die Einteilung der Gewerbe in freie, handwerksmäßige und konzessionierte festgelegt. Der Handelsminister war gem. § 1 Abs 4 ermächtigt, im Verordnungswege den Kreis der Handwerker um solche Gewerbe zu erweitern, bei denen es sich um Fertigkeiten handelt, welche die Ausübung im Gewerbe durch die Erlernung und längere Verwendung in demselben erfordern. Ferner war der Handelsminister befugt, die Gruppeneinteilung der handwerksmäßigen Gewerbe zu verändern (für handwerksmäßige Gewerbe einer Gruppe war ein einheitlicher Befähigungsnachweis erforderlich). Diese Bestimmungen, die durch weitere Regelungen im Gesetz ergänzt sind, betreffen den Zutritt zum Markt. Die einzige in § 1 selbst konkret angeführte Zutrittsvoraussetzung ist der Befähigungsnachweis für handwerksmäßige Gewerbe. Daß damit nicht auf gesamtwirtschaftliche Gegebenheiten oder Folgen gewerblicher Tätigkeit abgestellt wird, ist ebenfalls evident. Auch die näheren Bestimmungen über die Gewerbeantrittsvoraussetzungen, die im II. Hauptstück unter dem Titel 'Bedingungen des selbständigen Gewerbebetriebes' enthalten waren, knüpfen nicht an gesamtwirtschaftliche Faktoren an. Dies gilt - wie hervorzuheben ist - auch für das Lokalbedarfserfordernis (§18 Abs 3, § 23 Abs 4), denn diese Voraussetzung betrifft ebenfalls das Beziehungsfeld Gewerbetreibende - Konsumenten, ihre Erfüllung war also nicht nach gesamtwirtschaftlichen Faktoren zu beurteilen. Im IV. Hauptstück waren neben den schon behandelten gewerbepolizeilichen Bestimmungen in den §§51 bis 54 weitere Ausübungsvorschriften und Vorschriften über die Bestimmung des Umfangs der Gewerberechte enthalten. Die Umfangsbestimmung entbehrt jedes Bezugs zur vorliegenden Thematik. Die Ausübungsvorschriften betrafen die festen Betriebsstätten, Zweigetablissements und Niederlagen, den Gewerbebetrieb außerhalb des Standortes, die bezirksweise Abgrenzung (für Rauchfangkehrer, Kanalräumer, Abdecker), die Übersiedlung, die Namensführung, die äußere Bezeichnung, den Geschäftsführer (Pächter), den Übergang und die Zurücknahme der Gewerbeberechtigung, Auszeichnungen, das Aufsuchen von Bestellungen, den Druckschriftenvertrieb, die ausländischen Handlungsreisenden, das Feilbieten im Umherziehen und den Verkehr über die Grenze. Soweit diese Vorschriften nicht bloße Ordnungsvorschriften darstellten, sondern in die geschäftlichen Dispositionen eingriffen oder die Verwaltungsbehörden zu solchen Eingriffen ermächtigten, ist gleichfalls nirgendwo auf gesamtwirtschaftliche Faktoren abgestellt. Dies gilt auch für die bezirksweise Abgrenzung, die den im Bezirk niedergelassenen Gewerbetreibenden eine Monopolstellung zur Verrichtung bestimmter gewerblicher Arbeiten gab. Denn die Bezirksabgrenzung für Rauchfangkehrer durfte nur nach feuerpolizeilichen Rücksichten, jene für Kanalräumer und Abdecker nur aus sanitätspolizeilichen Rücksichten verfügt werden. Was die übrigen Hauptstücke anbelangt, so betrafen diese den Marktverkehr, das gewerbliche Hilfspersonal, die Genossenschaften, Übertretungen und Strafen, besondere administrative Verfügungen sowie Behörden und Verfahren. Die Regelungsinhalte sind im vorliegenden Zusammenhang 'versteinerungstheoretisch' fraglos unergiebig.

Es bleibt also daran festzuhalten, daß in der GewO 1859 vom Stande Gefahrenabwehr nur insoweit vorgesehen war, als es sich um Gefahren auf jenem Teilbereich der Wirtschaft handelte, der den gewerblichen Sektor ausmacht. Kurz, die GewO 1859 vom Stande ist bei der Regelung der Abwehr von Gefahren nirgendwo über den Rahmen der Gewerbepolizei hinausgegangen. Auch die gewerblichen Neben- und Sondergesetze, wie zB das BaugewerbeG oder das Hausierpatent, haben sich in diesem Rahmen gehalten.

4. Nun behaupten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der GewO-Novelle 1981, daß die hier kompetenzrechtlich zu prüfenden Bestimmungen - § 71a und § 77 Abs 3 und 4 - gewerbepolizeilichen Charakter haben (Seite 8). Dabei wird ausgeführt: "Auch wenn Motiv des Gesetzgebers die Energieeinsparung gewesen sein sollte, sind die Regelungen auf Grund ihres Gegenstandes (gewerbliche Waren, gewerbliche Betriebsanlagen), ihrer Art (Festlegung bestimmter Anforderungen) und infolge ihrer ausschließlichen Beschränkung auf Angelegenheiten des Gewerbes offensichtlich primär unter dem Gesichtspunkt des Gewerberechts zu beurteilen: Die vorliegenden Bestimmungen des Entwurfes sollen ausschließlich auf 'Waren, die im Rahmen einer Gewerbeausübung in Verkehr gebracht werden' und auf 'gewerbliche Betriebsanlagen' Anwendung finden; bestimmte Lebenssachverhalte werden demnach ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG erfaßt. § 71a sieht in diesem Rahmen eine Verordnungsermächtigung von einer für die Gewerbepolizei typischen Art vor; der Gesichtspunkt der gewerbepolizeilichen generell-abstrakten Regelung steht hier offenbar im Vordergrund. Gleiches gilt für die im § 77 Abs 3 und 4 vorgesehenen Betriebsanlagen."

Damit wird eine völlig unbegründete Behauptung aufgestellt. Denn welche besondere, also welche auf dem Verwaltungsgebiet der 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' auftretenden Gefahren mit dieser Regelung abgewehrt werden sollen - und die Abwehr solcher Gefahren ist für die Verwaltungspolizei begriffswesentlich -, sagen die Erläuterungen nicht. Dies ist auch verständlich, denn auf dem Gebiet des Gewerbes und der Industrie tauchen weder durch Waren oder Dienstleistungen, die nicht bestimmten Mindestanforderungen zur sinnvollen Nutzung der Energie entsprechen, noch durch Betriebsanlagen, die bestimmten Energiesparstandards nicht gerecht werden, besondere Gefahren auf.

Vielmehr dient die Bindung an bestimmte Energiesparstandards für gewerbliche Waren, Dienstleistungen oder Betriebsanlagen der Abwehr gesamtwirtschaftlicher Schäden. Diese Zielsetzung ist nicht nur ein aus den Materialien belegbares gesetzgeberisches Motiv, wie sich aus den Erläuterungen zur RV der Art 15a-Vereinbarung (268 BlgNR 15. GP) und die Bezugnahme auf diese Vereinbarung in den Erläuterungen zur RV der GewO-Nov. 1981 (798 BlgNR 15. GP) ergibt; die Zielsetzung ist vielmehr in den fraglichen Bestimmungen selbst explizit verankert und bestimmt daher deren Regelungsgehalt. Denn hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen sind 'Mindestanforderungen zur volkswirtschaftlich sinnvollen Nutzung der Energie' festzusetzen. Die Mindestanforderungen sind also nach Maßgabe volkswirtschaftlich sinnvoll erscheinenden Erfordernissen zu bestimmen. Daß man in der 2. Lesung des § 71a Abs 1 die Worte 'soweit dies im volkswirtschaftlichen Interesse erforderlich ist' gestrichen hat (Sten. Prot. 98. Sitzung 15. GP, S 9948, 9955), legt nur die Vermutung nahe, daß man sich der Hoffnung hingab, durch diese kosmetische Operation kompetenzrechtlichen Bedenken die Grundlage zu nehmen, ändert aber nichts an der Orientierung an volkswirtschaftlichen Erfordernissen. Denn die Beurteilung, was einer 'volkswirtschaftlich sinnvollen Nutzung der Energie' dient, ist auf volkswirtschaftliche Erfordernisse abzustellen. Die auf Energieeinsparung im Zuge der Betriebsanlagengenehmigung abzielenden Auflagen sind vorzuschreiben, 'soweit diese aus energiewirtschaftlichen Gründen geboten sind'. Auch mit energiewirtschaftlichen Gründen ist ein gesamtwirtschaftlicher Aspekt, nämlich die Sicherung der Energieversorgung insgesamt, unter Einbeziehung auch des gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsaspekts (Zahlungsbilanz) angesprochen (siehe in diesem Zusammenhang auch die energiepolitischen Ausführungen in den Erläut. zur RV der Art 15a-Vereinbarung in 268 BlgNR 15. GP, S 1).

Es erweist sich also als verfehlt, die fraglichen Bestimmungen der GewO 1973 dadurch kompetenzrechtlich legitimieren zu wollen, daß man sie als gewerbepolizeiliche Regelungen qualifiziert und damit in jene Art von Regelungen einordnet, die im Gewerberecht vom Stand unbestrittenermaßen anzutreffen sind. Denn die Qualifikation von § 71a und § 77 Abs 3 und 4 GewO 1973 als gewerbepolizeiliche Normen ist - wie gezeigt - unvertretbar.

5. Damit ist freilich die Kompetenzwidrigkeit von § 71a und § 77 Abs 3 und 4 GewO 1973 idF der Novelle 1981 noch nicht endgültig erwiesen, weil - um das für viele Erkenntnisse repräsentative Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 nochmals zu zitieren - 'sich der Inhalt des Kompetenzartikels (nicht) in der Gesamtheit der am Tage seines Wirksamwerdens geltenden Gesetzes erschöpft, denn es sind auch Neuregelungen zulässig, soferne sie nur nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenzgrund angehören', und demnach eine systematische Fortentwicklung des einschlägigen Rechtsbestandes vom vom betreffenden Kompetenzartikel gedeckt ist. Es kommt daher - wie Funk (Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, S. 78) es treffend formuliert hat - auf die Abstraktionshöhe an, "von der man ausgeht, um das 'System' zu ermitteln, das durch den Bestand von Einzelregelungen im Versteinerungszeitpunkt konstituiert wird" (vgl. auch VfSlg. 3201/1957, 3650/1959, 4410/1963, 5910/1969, 6011/1969, 6262/1970).

Es ist daher zu prüfen, ob auf Grund des Versteinerungsmaterials der Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' so abstrakt gefaßt werden kann, daß § 71a und § 77 Abs 3 und 4 GewO 1973 idF GewO-Nov. 1981, obgleich sie auf die Abwehr gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen abstellen, dennoch unter den genannten Kompetenztatbestand fallen oder - anders ausgedrückt - ob die genannten neuen Regelungen als systematische Fortentwicklung des Gewerberechts vom Stande verstanden werden können.

Zwei denkbare Argumentationswege zur Begründung einer positiven Antwort auf diese Frage sind zu prüfen. Der eine Weg wäre dieser: Es ließe sich geltend machen, daß gewerberechtliche Regelungen, da sie einen nicht unbedeutenden Bereich selbständiger Erwerbstätigkeit und damit wirtschaftlichen Tätigwerdens überhaupt betreffen, Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben und die Regelungen auch von gesamtwirtschaftlichen Vorstellungen und Einschätzungen geprägt sind. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß der damit hervorgehobene Zusammenhang zwischen gewerberechtlicher. Regelung bzw. Gewerbeausübung und gesamtwirtschaftlichen Gegebenheiten von jener Verbindung zu unterscheiden ist, die § 71a und § 77 Abs 3 und 4 zwischen Gewerbeausübung und Gesamtwirtschaft begründen. Die genannten Regelungen stellen tatbestandsmäßig auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse ab, denn nach Maßgabe dieser sind die Verordnungen gem. § 71a zu erlassen bzw. Auflagen gem. § 77 Abs 3 und 4 zu gestalten. Der Zusammenhang zwischen gewerblicher Tätigkeit und gesamtwirtschaftlichen Faktoren ist also selbst Regelungsinhalt und wird nicht bloß über die Wirkung einer die Gewerbeausübung regelnden Norm oder die bei Erlassung einer solchen Norm zugrunde gelegten gesamtwirtschaftlichen Vorstellungen vermittelt. Aber auch dann, wenn man von diesem Unterschied absieht, eignet sich der Gesichtspunkt der gesamtwirtschaftlich relevanten Auswirkung einer Norm nicht als systembildendes Kriterium, denn gesamtwirtschaftliche Auswirkungen hat so gut wie jede Regelung.

Der andere denkbare Argumentationsweg ist der, daß man das Abstellen auf gesamtwirtschaftliche Faktoren als eine Fortentwicklung der auf teilwirtschaftliche Aspekte abstellenden gewerbepolizeilichen Regelungen auf Grund der Erwägung qualifiziert, es handle sich um ein Aufsteigen vom Konkreteren zum Abstrakteren. Anders ausgedrückt, man könnte geltend machen, das Fortschreiten von der Gewerbepolizei zur Regelung, die auf Abwehr gesamtwirtschaftlicher Gefahren oder Fehlentwicklungen abstellt, begründe nur einen graduellen, aber keinen wesentlichen (qualitativen) Unterschied. Dieser Einwand ist zunächst nicht mehr als eine Behauptung. Denn ohne einen vorgegebenen Maßstab läßt sich die Grenze zwischen systemimmanent und systemtranszendent oder - anders gewendet - zwischen graduell und wesentlich (qualitativ) nicht ziehen. Sucht man nach einem solchen Maßstab, so zeigt sich, daß ein die fragliche Differenz als lediglich graduell erweisender Maßstab de lege lata nicht abgeleitet werden kann. Vielmehr sprechen die einschlägige juristische Terminologie und die Bereichsabgrenzungen, vor deren Hintergrund 1925 die Kompetenzartikel in Kraft gesetzt wurden, dafür, daß die in Prüfung gezogene Neuregelung keine systemimmanente Fortentwicklung bringt oder - in der anderen Formulierung - sich nicht generell, sondern wesentlich (qualitativ) vom Gewerberecht der Prägung 1925 abhebt.

Was den Aspekt der einschlägigen juristischen Terminologie anbelangt, ist folgendes festzuhalten: Der Begriff der Verwaltungspolizei ist geradezu auf die Abwehr von Gefahren gerichtet, die auf einzelnen Sektoren auftreten. Eine Einbeziehung der Abwehr der gesamtwirtschaftlichen Gefahren, also von Gefahren, die gerade nicht nur auf einem bestimmten Verwaltungssektor auftreten, in den Begriff der Verwaltungspolizei wäre daher schlechterdings verfehlt. Der Begriff verlöre jeden Abgrenzungswert. Dem Begriffsverständnis von Verwaltungspolizei als Gefahrenabwehr auf einzelnen Verwaltungssektoren entspricht es auch, daß Lehre und Rechtsprechung die Verwaltungspolizei im Rahmen der Kompetenzverteilung als Annexmaterie bezeichnet, die mit den einzelnen in der Kompetenzverteilung genannten Verwaltungssektoren verknüpft sind. Angesichts dieser Terminologie und der zum Teil ausdrücklichen Qualifikation der Regelungen der Gewerbeordnung als 'Gewerbepolizei' muß man davon ausgehen, daß nach dem entstehungszeitlichen Begriffsverständnis die Abwehr der gesamtwirtschaftlichen Gefahren, an deren Entstehen ua gewerbliche Tätigkeiten beteiligt sein können, gegenüber gewerbepolizeilicher Gefahrenabwehr eine andere Qualität darstellt.

Daß es sich um eine qualitative Differenz handelt, wird darüber hinaus noch durch folgenden versteinerungstheoretisch relevanten Befund deutlich bestätigt: Energiesparvorschriften für Gewerbetreibende oder für Gewerbebetreibende und andere und sonstige Gewerbeausübungsbeschränkungen, die auf gesamtwirtschaftliche Erfordernisse abstellten, waren zusammen mit gleichen Zielen dienenden Regelungen, die andere Wirtschaftssubjekte, nicht zuletzt Konsumenten, betrafen, einen anderen Regelungsbereich zugeordnet. Vorschriften dieser Art kannte man 1925, nämlich einmal aus Ministerialverordnungen (zB Verordnung des Ministers für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien vom betreffend Sparmaßnahmen beim Verbrauch von Gas, Elektrizität und Brennstoffen RGBl. 1917/370, aufgehoben mit BGBl. 1922/606), aufgrund des sogenannten Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes RGBl. 1917/307, das 1925 als Bundesverfassungsgesetz in Geltung stand, oder aufgrund seiner Vorgängerin, einer im wesentlichen inhaltsgleichen '§14-Verordnung' (Kaiserliche Verordnung vom , mit welcher die Regierung ermächtigt wird, aus Anlaß der durch den Kriegszustand verursachten außerordentlichen Verhältnisse die notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiet zu treffen, RGBl. 274). Zum anderen waren 1925 Regelungen der in Rede stehenden Art als Inhalt eigener '§14-Verordnungen' bekannt; verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die 1925 noch in Geltung gewesene Kaiserliche Verordnung über die Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen RGBl. 1917/131 idF BGBl. 1922/158, 1925/277. Es fehlt an jedem wie immer gearteten Anhaltspunkt, daß man in den kriegswirtschaftlichen Vorschriften, soweit sie die Gewerbeausübung betrafen, Regelungen gesehen hat, mit denen das Gewerberecht fortentwickelt werden sollte. Vielmehr spricht der Umstand, daß man regelungstechnisch Vorschriften für Gewerbetreibende oder solche für andere Wirtschaftssubjekte nicht voneinander getrennt hat und daß es sich um vorübergehend in Geltung gesetzte Regelungen handelt, ganz und gar dagegen, daß man mit jenen 'Gewerberecht' schaffen wollte.

6. Gegen die hier vorgetragene Argumentation könnte eingewendet werden: Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH seien die Zwecke einer Regelung kompetenzrechtlich irrelevant, sofern nicht der in Betracht kommende Kompetenztatbestand ausdrücklich auf den Regelungszweck abstellt. Mit der Gegenüberstellung von verwaltungspolizeilicher Gefahrenabwehr einerseits und Abwehr gesamtwirtschaftlicher Gefahren andererseits werde aber gerade auf den Regelungszweck abgestellt, ohne daß ein Regelungszweck im betreffenden Kompetenztatbestand ('Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie') ausdrücklich genannt wäre. Dieser Einwand ist indes verfehlt, weil er einen Argumentationstopos des VfGH ohne Berücksichtigung des Kontexts, in welchem er verwendet wird, heraushebt und jene Erkenntnisse des VfGH zu Kompetenzrechtsfragen nicht berücksichtigt, in denen eine allgemeine Aussage zur Irrelevanz bzw. Relevanz der Regelungszwecke nicht gemacht wird. Vermeidet man diese Einseitigkeit, so läßt sich zeigen, daß es ganz einfach nicht zutrifft, daß der VfGH dem Regelungszweck nur im Falle ausdrücklicher Erwähnung im Kompetenztatbestand Relevanz beimißt, und daß die Regelungszwecke unter anderem dann kompetenzrechtliche Bedeutung haben, wenn sie nach dem versteinerungstheoretischen Befund für eine Regelungsmaterie kennzeichnend sind.

Die Erkenntnisse, in denen der VfGH von einer kompetenzrechtlichen Irrelevanz der Regelungszwecke ausdrücklich spricht und auch explizit macht, welchen Konsequenzen diese behauptete Irrelevanz seines Erachtens in der konkreten Entscheidungsfrage hat, betreffen die kompetenzrechtliche Einordnung


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des Anerbenrechts (VfSlg. 2452/1952),


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des § 132 lita letzter Halbsatz GewO idF GewO-Nov. 1952, einer Verwaltungsübertretung, die bestimmte nicht gewerbsmäßige Handlungen verbot (VfSlg. 2733/1954),


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der Aufhebung von Bestimmungen der Reichsgaragenordnung (VfSlg. 2977/1956),


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eines LG zum Schutze des Namens 'W. A. Mozart' (VfSlg. 3288/1957),


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der Bodenwertabgabe (VfSlg. 4205/1962),


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einer gerichtlichen Strafbarkeit von Tierquälerei (VfSlg. 5649/1976) und


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der Festlegung von Mindestabständen von Kulturpflanzen an Grundstücksgrenzen, wobei die Geltendmachung der Einhaltung dieser Mindestabstände den Grundeignern im Klageweg überlassen war (VfSlg. 6344/1970).

Im Anerbenrechtserkenntnis und in der zuletzt erwähnten Entscheidung über den Mindestabstand von Kulturpflanzen war die Argumentation die, daß der landwirtschaftspolitische Zweck der beiden Regelungen diese noch nicht zu einer Regelung auf dem Gebiete der Bodenreform (heute Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) bzw. der Landeskultur (Landessache nach Art 15 Abs 1 B-VG) macht, sondern daß es sich beim Anerbenrecht um Zivilrecht, weil Erbrecht, handelt und im Hinblick auf das Erfordernis privatautonomer Geltendmachung auch die Kulturpflanzenmindestabstandsregelung privatrechtlicher Natur ist. Wohl aber hat der VfGH im Anerbenrechtserkenntnis jene Vorschriften des zur Kompetenzfeststellung vorgelegten Anerbenrechtsgesetzentwurfes, die die landwirtschaftlicher Betriebe zwecks Unterstellung unter die Sonderrechtserbfolge des Anerbenrechts regeln, als Regelung auf dem Gebiete der Bodenreform qualifiziert. Er begründete dies folgendermaßen: 'Der umittelbare Zweck, dem dieses Erfassungsverfahren dienen soll, ist die künftige Unterordnung dieser als Anerbenhöfe erfaßten und im Grundbuch vorgemerkten landwirtschaftlichen Betriebe unter eine Sondererbfolge ... Die Unterordnung der Anerbenhöfe unter diese für die Zukunft vorgesehene Sondererbfolge soll aber, wie in den Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzentwurf hervorgehoben wird, der andernfalls drohenden Zersplitterung des bäuerlichen Besitzes im Erbgang begegnen und so für die Zukunft die Erhaltung eines leistungsfähigen, gesunden Bauernstandes dauernd sichern. Ziel und Zweck der ... durchzuführenden Aktion ist also die Änderung der derzeit bestehenden Bodenbesitzverhältnisse an den in den §§1 und 2 bezeichneten landwirtschaftlichen Betrieben durch ihre Überführung in ein für diese Betriebe künftighin geltendes Sondererbrecht.' Zusammenfassend stellt dann der Gerichtshof noch fest: "Werden aber der Sinn und der Zweck der Erfassungsaktion ... erkannt und klargelegt, so zeigt sich

mit aller Deutlichkeit, daß es sich bei der Regelung ... um eine Aktion der Bodenreform im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 5 B-VG in der Fassung von 1929 handelt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1390, ausgesprochen hat, sind 'Angelegenheiten der Bodenreform' jene 'nicht unter Art 10 B-VG fallenden Aktionen auf dem Gebiete der Landeskultur, die die gegebenen Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse, den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen oder Bedürfnissen entsprechend, einer planmäßigen Neuordnung oder Regulierung unterziehen wollen'."

Zu § 132a GewO 1859 idF GewO-Nov. 1952 vertrat der Gerichtshof die Auffassung, daß der Zweck, die Gewerbetreibenden zu schützen, eine verwaltungsstrafrechtliche Bestimmung noch nicht zum Gewerberecht mache; im Rahmen der 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' dürften nur im Sinne dieses verfassungsrechtlichen Gewerbebegriffes gewerbsmäßige, aber unzulässigerweise ausgeübte Handlungen strafbar gestellt werden.

Was die Aufhebung der Bestimmungen der Reichsgaragenordnung anbelangt, betonte der VfGH, daß der Zweck der Regelung, 'die öffentlichen Verkehrsflächen für den fließenden Verkehr frei zu machen und möglichst wenig durch ruhende Kraftfahrzeuge zu belasten', für die kompetenzrechtliche Einordnung unmaßgeblich sei und daß es sich bei der Reichsgaragenordnung von einigen gewerberechtlichen Regelungen abgesehen, um Baurecht handle, das in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist. In den Ausführungen zum Kompetenztatbestand 'Kraftfahrwesen' stellt der VfGH jedoch sehr wohl auf den Regelungszweck ab, der Gerichtshof charakterisiert die versteinerungstheoretisch relevante Rechtslage dahin, 'daß der leitende Grundsatz der Regelung des Kraftfahrwesens am die Vorsorge für die Abwendung der Gefahren ist, die dem Lenker und der Allgemeinheit durch den Betrieb dh. durch die Ingangsetzung der Kraftfahrzeuge und das Fahren mit Kraftfahrzeugen drohen'.

Im Erkenntnis zum Salzburger Namensschutzgesetz betreffend den Namen W. A. Mozart heißt es, daß das Gesetz, vom Regelungszweck her betrachtet, dem Schutz des Ansehens eines großen Salzburgers, der Verhinderung des Mißbrauchs seines Namens und der Festigung lebendigen kulturellen Bewußtseins diene. 'Auf diesen Zweck allein', so heißt es dann im Erkenntnis, 'kann aber die Landeskompetenz nicht gestützt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob die zur Erreichung des Zweckes angeordneten Maßnahmen in die Bundesgesetzgebungskompetenz eingreifen.' Der Gerichtshof beantwortet diese Frage bejahend; das Gesetz greife nämlich in die Kompetenztatbestände 'Angelegenheiten des Schutzes von Marken und anderen Warenbezeichnungen', 'Zivilrechtswesen' und 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' ein.

Zur Bodenwertabgabe stellt der VfGH fest, daß der bodenpolitische Zweck der Abgabe kompetenzrechtlich nicht maßgeblich sei: es komme auf den Regelungsgegenstand an, dieser sei eine Abgabe, 'die ausschließlich für den Bund einzuheben' und 'dem Art 10 Abs 1 Z 4 B-VG ("Bundesfinanzen") zuzurechnen' ist. Hinsichtlich der Tierquälereibestimmung vertrat der VfGH die Auffassung, daß der Zweck, Tiere zu schützen, und die Zuständigkeit der Länder in Tierschutzangelegenheiten den Bund nicht hinderten, auf Grund des Kompetenztatbestandes 'Strafrechtswesen ...' (Art10 Abs 1 Z 6 B-VG) Tierquälerei mit gerichtlicher Strafe zu bedrohen.

Aus diesen Erkenntnissen läßt sich nur ableiten, daß bei der kompetenzrechtlichen Beurteilung, sofern nicht der betreffende Kompetenztatbestand ausdrücklich auf einen Regelungszweck abstellt, nicht von vornherein der Regelungszweck das maßgebliche Kriterium darstellt. Die Erkenntnisse belegen indes aus mehrfachen Gründen nicht, daß nach der Rechtsprechung des VfGH Regelungszwecke, die im Kompetenztatbestand nicht ausdrücklich genannt sind, kompetenzrechtlich überhaupt irrelevant sind.

Zuerst und vor allem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Anerbenrechtserkenntnis wie in der die Reichsgaragenordnung betreffenden Entscheidung Regelungszwecken sehr wohl kompetenzrechtliche Relevanz einräumt: im Anerbenrechtserkenntnis, wie dargelegt, bei der Qualifikation der Maßnahmen zur Erfassung der landwirtschaftlichen Betriebe für die Unterstellung unter das Anerbenrecht und in dem das Garagenrecht betreffenden Erkenntnis, soweit es um die Abgrenzung des Kompetenztatbestands 'Kraftfahrwesen' unter Berufung auf die versteinerungstheoretisch relevante Rechtslage geht.

Welche kompetenzrechtliche Relevanz der VfGH den Regelungszwecken zuerkennt oder nicht zuerkennt, ist aber nicht nur an Hand jener Erkenntnisse zu beurteilen, in denen eine ausdrückliche allgemeine Aussage zur kompetenzrechtlichen Bedeutung der Regelungszwecke zu finden ist und explizit gemacht ist, welche Konsequenzen diese allgemeine Auffassung für die Lösung des jeweiligen Kompetenzrechtsproblems hat, sondern es ist ganz allgemein die kompetenzrechtliche Judikatur zur Klärung der Frage heranzuziehen, welche kompetenzrechtliche Relevanz Regelungszwecke in der Rechtsprechung des VfGH haben. Tut man dies, so zeigt sich, daß der VfGH dem Regelungszweck sehr wohl kompetenzrechtliche Bedeutung beimißt, und zwar sowohl im Rahmen versteinerungstheoretischer Argumentation als auch im Rahmen der Auslegung nach Wortsinn und systematischem Zusammenhang.

Im Erkenntnis VfSlg. 2820/1955 sieht der VfGH die Regelungsmaterie

'Grundverkehr' mit Rücksicht auf die versteinerungstheoretisch

relevante Gesetzeslage unbestreitbar durch einen bestimmten

Regelungszweck verwaltungsbehördlicher Einflußnahme auf den

rechtsgeschäftlichen Verkehr mit bestimmten Grundstücken

gekennzeichnet. Der Gerichtshof führt aus, 'daß der Grundverkehr seit

seiner ersten gesetzlichen Regelung' im Jahre 1919 'wesentlich in

Maßnahmen mit dem Ziele bestand, den aus der Freiheit des Verkehrs

mit Grund und Boden ... erkennbar gewordenen Gefahren für die

bäuerliche Siedlung dadurch nach Möglichkeit zu steuern, daß die

Übertragung des Eigentums und die Einräumung des

Fruchtgenußrechtes ... aber auch die Verpachtung ... auf gewisse

längere Zeit grundsätzlich nur dann ... von der Behörde bewilligt

werden sollte, wenn sie nach den im Gesetze näher aufgezählten Anhalten dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit dies nicht in Frage kommt, an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht'. An dieser Rechtsauffassung festhaltend, hat der VfGH im Erkenntnis 5669/1968 den Regelungsbereich 'Grundverkehr' für überschritten erachtet, wenn die grundverkehrsbehördliche Genehmigung davon abhängig gemacht wird, daß der Grunderwerb dem öffentlichen Interesse 'an der sparsamen Verwertung der Bodenreserve' nicht widerspricht. Denn zum Grundverkehrsrecht gehörten 'nur Maßnahmen, die im Einzelfalle verhindern, daß der Grundverkehr dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht'.

Auch die Materie 'Ausländergrunderwerbsrecht' sieht der VfGH unter Berufung auf die einfachen landesgesetzlichen Regelungen, die durch die Herausnahme des Ausländergrunderwerbsrechts aus dem Zivilrechtswesen in Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG durch die B-VGN BGBl. 1969/27 eine kompetenzrechtliche Deckung fanden, durch einen bestimmten Regelungszweck gekennzeichnet. In VfSlg. 6313/1970 heißt es, 'daß der Verfassungsgesetzgeber die Verhinderung einer Überfremdung des in Österreich liegenden Grundbesitzes vor Augen hatte'.

Im Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 2192/1951 umschreibt der VfGH das Forstwesen im Rechtssatz unter ausdrücklichem Abstellen auf den Regelungszweck so: "Das 'Forstwesen' im Sinne des Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG umfaßt alle auf die Pflege, Erhaltung und auf den Schutz des Waldbestandes Bezug habenden Vorkehrungen, daher im besonderen auch die zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden erforderlichen Maßnahmen."

Gleichfalls am Regelungszweck sind die Überlegungen orientiert, die der VfGH in den Erkenntnissen VfSlg. 3649/1959 und 4206/1962 zur Abgrenzung des Forstwesens von der Bodenreform - ebenfalls auf Grund des maßgeblichen versteinerungstheoretischen Befundes - angestellt hat. Im Erkenntnis VfSlg. 3649 untersucht der VfGH das forstwirtschaftliche Bringungsrecht nach § 24 Reichsforstgesetz, um zu klären, ob die nach dem Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetz vorgesehenen Bringungsrechte verfassungs-, näherhin kompetenzrechtskonformerweise auch für Bewirtschaftung von Waldgrundstücken eingeräumt werden dürfen. Der Gerichtshof kommt zum Ergebnis, daß 'Waldgrundstücke sowohl Gegenstand forstlicher Maßnahmen als auch von Aktionen der Bodenreform sein können'. Bringungsrechte, die dazu dienen, Produkte zum Zwecke der Verwertung aus dem Wald zu schaffen, fielen unter den Kompetenztatbestand 'Forstwesen'. Bringungsrechte, die es ermöglichen sollen, die Bewirtschaftung ganzer landwirtschaftlicher Betriebe den modernen wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten, seien unter 'Bodenreform' zu subsumieren und könnten sich auch auf ein zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörendes Waldgrundstück erstrecken.

Im Erkenntnis VfSlg. 4206/1962 hat der VfGH an dieser Auffassung festgehalten.

Nach dem Rechtssatz des Kompetenzfeststellungserkenntnisses VfSlg. 4348/1963 fallen 'Maßnahmen zum Schutze des Waldes gegen Wildschäden ... in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder'. Der VfGH begründete diesen ausdrücklich auf den Regelungszweck abstellenden Rechtssatz damit, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel im Jahre 1925 'keine forstrechtliche Vorschrift die Regelung des Wildstandes und seine Verringerung zum Inhalte hatte, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer dem Walde aus einer Wildüberhege drohenden Gefahr'.

Zur Abgrenzung von Bundesstraßenangelegenheiten und Angelegenheiten der Straßenpolizei stellt der VfGH in VfSlg. 4349/1963 in Anwendung der Versteinerungstheorie fest: "Nur jener Inhalt des Bundesstraßengesetzes aus 1921, der als Vorschrift 'zur Verhütung von Beschädigungen der Bundesstraßen' oder 'zur Regelung und Sicherung des Verkehrs auf diesen', zu qualifizieren ist ..., kann dem Begriff 'Straßenpolizei' unterstellt werden."

Im sogenannten Strahlenschutzerkenntnis (VfSlg. 3650/1959) gelangt der VfGH auf Grund des versteinerungstheoretischen Befundes (Heranziehung der Anlage zur Kundmachung des Gesamtministeriums betreffend die Einrichtung des Ministeriums für Volksgesundheit StGBl. 1918/297) zum Ergebnis: 'Maßnahmen der Staatsgewalt, die der Abwehr von Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung (für die Volksgesundheit) dienen, gehören zur Sanitätspolizei und damit zum Gesundheitswesen (Art10 Abs 1 Z 12 B-VG), es sei denn, daß eine für eine bestimmte andere Kompetenzmaterie allein typische Abart dieser Gefahr bekämpft wird.'

Gleichfalls regelungszweckorientiert grenzt der VfGH das Veterinärwesen ab: 'Das Veterinärwesen umfaßt die Maßnahmen, die zu Erhaltung des Gesundheitszustandes von Tieren und zur Bekämpfung der sie befallenden Seuchen, sowie zur Abwendung der aus der Tierhaltung und der bei der Verwertung der tierischen Produkte mittelbar der Volksgesundheit drohenden Gefahren (Vieh- und Fleischbeschau, tierärztliche Lebensmittelpolizei usw.) erforderlich sind. Die künstliche Besamung ist aber reine tierzüchterische Angelegenheit.'

(VfSlg. 2073/1950; ebenso 4817/1964).

Im Wege einer Wortsinninterpretation und insbesondere einer systematischen Auslegung grenzt der VfGH 'Jugendfürsorge' und 'Jugendschutz' im Erkenntnis VfSlg. 2873/1955 wie folgt ab:

"Jugendfürsorge kann nun nichts anderes bedeuten als Fürsorge für die Jugend und dieser Sinn wird vollends deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß 'Jugendfürsorge' das Endglied der zusammenhängenden Reihe 'Mutterschaftsfürsorge' und 'Säuglingsfürsorge' ist. Unter Jugendfürsorge sind daher nur Maßnahmen der Befürsorgung und der Hilfe zu verstehen, die dazu dienen, die körperliche, geistige, seelische und sittliche Entwicklung von Jugendlichen zu unterstützen und zu fördern. Vollkommen zutreffend faßt das Bundesgrundsatzgesetz vom , BGBl. 99, das von ihm geregelte Gebiet der Jugendfürsorge als 'Jugendwohlfahrtspflege' zusammen und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen einem Minderjährigen öffentliche Jugendwohlfahrtspflege zu gewähren ist. - Unter den Begriff der 'Jugendfürsorge' können Maßnahmen polizeilichen Charakters nicht eingereiht werden. Diese werden als Jugendschutz im engeren Sinne und auch als Jugendschutzpolizei zusammengefaßt und der eigentlichen oder reinen Jugendfürsorge gegenübergestellt." Auch hier stellt der Gerichtshof ausdrücklich auf Regelungszwecke ab.

Gleiches geschieht schließlich in VfSlg. 2668/1954. Der Rechtssatz dieses Kompetenzfeststellungserkenntnisses lautet: "Maßnahmen zur Erleichterung der Familiengründung und zur Hebung der Geburtenfreudigkeit durch Gewährung von Familienbeihilfen fallen unter den Kompetenztatbestand: 'Bevölkerungspolitik' des Art 12 Abs 1 Z 2 B-VG in der Fassung von 1929. In der Begründung heißt es, es könne schon nach dem Sprachgebrauch kein Zweifel darüber bestehen, daß die geplanten Maßnahmen unter den Kompetenztatbestand 'Bevölkerungspolitik' des Art 12 fallen. Dazu komme, daß 'auch die systematische Stellung dieses Kompetenztatbestandes neben den Tatbeständen 'Volkspflegestätten' und vor allem 'Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge' für diese Subsumption spricht."

Es zeigt sich somit, daß der Argumentationstopos von der Irrelevanz der Regelungszwecke mißverstanden wird, wenn man behauptet, daß der VfGH den Regelungszwecken keine kompetenzrechtliche Bedeutung zumißt, sofern in den Kompetenzverteilungsbestimmungen der Bundesverfassung nicht ausdrücklich auf Regelungszwecke abgestellt ist. Vielmehr anerkennt der VfGH die kompetenzrechtliche Relevanz von Regelungszwecken sowohl dann, wenn Wortsinninterpretation und systematische Auslegung den Regelungszweck für die Abgrenzung einer Regelungsmaterie als bestimmend erscheinen lassen, als auch dann, wenn im Lichte der Versteinerungstheorie der Regelungszweck für die Abgrenzung einer Materie kennzeichnend ist.

7. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten: Die Energiesparvorschriften der GewO 1973 idF der GewO-Nov. 1981 - d. s.

§71a und § 77 Abs 3 und 4 - können nicht auf den Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) gestützt werden. Da evidentermaßen keiner der übrigen eine Bundesgesetzgebungs- und -vollziehungskompetenz begründenden Kompetenztatbestände als Kompetenzgrundlage in Betracht kommt, sind

§71a und § 77 Abs 3 und 4 GewO 1973 bundesverfassungswidrig."

III. Die Bundesregierung tritt dem Begehren der Antragsteller entgegen und beantragt, der VfGH wolle die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Eventualantrag, für das Außerkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

Begründend führt die Bundesregierung folgendes aus:

"Zum Punkt 1:

Unter diesem Punkt stellen die Antragsteller allgemeine Erwägungen zu der von ihnen behaupteten Verfassungswidrigkeit der §§71a und 77 Abs 3 und 4 der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Novelle BGBl. 619/1981 an, die in den nachfolgenden Punkten des Antrags näher ausgeführt werden.

Dazu ist folgendes festzuhalten:

Wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der zitierten Novelle ausgeführt wird, enthalten die von den Antragstellern angefochtenen Bestimmungen nach Auffassung der Bundesregierung Regelungen, die dem Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' zuzuordnen sind. Auch wenn das Motiv des Gesetzgebers die Energieeinsparung gewesen sein mag, sind die Regelungen auf Grund ihres Gegenstandes (gewerbliche Waren, gewerbliche Betriebsanlagen), ihrer Art (Festlegung bestimmter Anforderungen) und infolge ihrer ausschließlichen Beschränkung auf Angelegenheiten des Gewerbes offensichtlich primär unter dem Gesichtspunkt des Gewerberechtes zu beurteilen:

Die hier in Betracht kommenden Bestimmungen sollen ausschließlich auf 'Waren, die im Rahmen einer Gewerbeausübung in Verkehr gebracht werden' und auf 'gewerbliche Betriebsanlagen' Anwendung finden; bestimmte Lebenssachverhalte werden demnach ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG erfaßt (798 Blg NR, XV, Seite 8).

Zu den Punkten 2 und 3:

Zu den in diesen Punkten des Antrags enthaltenen Ausführungen ist vorauszuschicken, daß die von den Antragstellern wiederholt aufgeworfene Frage, ob die angefochtenen Bestimmungen der Gewerbepolizei zugerechnet werden können, nach Auffassung der Bundesregierung im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben kann. Ungeachtet der Ausführungen in den Erläuterungen der Regierungsvorlage kann die entscheidende Frage nur sein, ob dem Bund überhaupt eine Zuständigkeit zur Regelung zukommt. Diese Frage kann aber, wie nachstehend dargetan wird, nach Auffassung der Bundesregierung bejaht werden.

Die Beschwerdeführer gehen in ihren Ausführungen von der ihrer Auffassung nach maßgeblichen Rechtslage im Versteinerungszeitpunkt () aus. Dabei gelangen sie zu dem Ergebnis, daß der Gewerbeordnung 1859 vom Stande Regelungen zur Gefahrenabwehr, die über die Abwehr von Gefahren hinausgehen, die speziell auf dem Gewerbesektor auftreten, überhaupt fremd gewesen seien. Die Energiesparvorschriften der Gewerbeordnung 1973 seien hingegen auf die Abwehr gesamtwirtschaftlicher Gefahren oder Fehlentwicklungen gerichtet. Schließlich bringen die Antragsteller noch vor, daß die Gewerbeordnung 1859, soweit sie Bestimmungen enthalte, die der Versorgungssicherung dienen, stets nur die Sicherung der Versorgung mit typischerweise laufend nachgefragten lebenswichtigen Warenleistungen 'im Beziehungsfeld

Gewerbetreibender - Konsument' und somit lediglich die Gefahrenabwehr auf dem Gewerbesektor in die Regelung einbeziehe.

Mit dieser zuletzt genannten Auffassung wird von den Antragstellern immerhin eingeräumt, daß der Gewerbeordnung 1859 der Gesichtspunkt der Versorgungssicherung - somit ein gesamtwirtschaftlicher Aspekt - nicht zur Gänze fremd gewesen ist. In dem von den Antragstellern aufgezeigten Fall hat der Gesetzgeber die angestrebte Versorgungssicherung mit den Mitteln des Gewerberechts zu verwirklichen versucht. Kompetenzrechtlich ist dies insofern bemerkenswert, als es bei der Einordnung solcher Regelungen nicht auf den Zweck der Regelung ankommen kann, sondern in erster Linie auf die Mittel, mit denen dieser Zweck erreicht werden soll. Im vorliegenden Fall soll das Ziel der Regelung wie gesagt mit den Mitteln des Gewerberechts realisiert werden.

Die Antragsteller lassen bei ihrer historischen Betrachtung aber auch außer Betracht, daß außer der Gewerbeordnung 1859 auch andere Regelungen für das Verständnis des Kompetenztatbestandes 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' herangezogen werden müssen.

Zur Ermittlung des Begriffsinhaltes 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie' sind alle Vorschriften heranzuziehen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kompetenzbegriffes gewerbliche Tätigkeiten regelten. Eine Aufzählung solcher Vorschriften ist u. a. in der Verordnung des Bundesministers für Inneres und des Leiters des Handelsministeriums vom , RGBl. Nr. 151, enthalten. Wie sich aus den in dieser Verordnung aufgezählten Vorschriften ergibt, waren damals sowohl

a) Ausübungsbeschränkungen gewerblicher Tätigkeiten als auch

b) die Festlegung von Voraussetzungen, unter denen gewerbliche Betriebsanlagen zu genehmigen waren,

Inhalt gewerberechtlicher Vorschriften:

ad a)

So enthielt etwa das Gasregulativ, RGBl. Nr. 176/1906, Vorschriften über die Ausführung von Anlagen für die Verteilung und Verwendung brennbarer Gase durch zur Installation befugte Personen: neben den Regelungen über die Ausführung von Hauptrohrleitungen (§§10 bis 23) und Zuleitungen (§§24 bis 27) waren darin auch Vorschriften über die Installation von Gasinnenleitungen in Bauwerken (§§28 bis 48) sowie die Beschaffenheit von Gasverbrauchgegenständen (§§49 bis 58) enthalten.

Gemäß § 54 Abs 2 Gewerbeordnung 1859 konnte die Tätigkeit bestimmter Gewerbe sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht durch gewerbepolizeiliche Maßnahmen beschränkt werden.

§24 Gewerbeordnung 1859 ermächtigte den Handelsminister, wenn es öffentliche Rücksichten dringend geboten erscheinen ließen, andere als die im Hauptstück II aufgezählten Gewerbe im allgemeinen oder für bestimmte Bezirke bis zur gesetzlichen Regelung an eine Konzession zu binden. In den Verordnungen konnten Bestimmungen getroffen werden über die zur Erlangung der Konzession erforderliche persönliche und fachliche Befähigung der Bewerber, über die Beschaffenheit des Standortes und der Betriebsstätte, über die Art, den Umfang und die Bedingungen der Gewerbeausübung. Namentlich konnte festgesetzt werden, inwieweit die Ausübung durch Pächter oder Stellvertreter etwa untersagt oder der gleichzeitige Betrieb anderer Gewerbe unstatthaft erklärt wird. Ferner konnten Bestimmungen über die Verpflichtung zur Führung besonderer Bücher und Ausweise, über die Zulässigkeit besonderer gewerbepolizeilicher Regelungen, über die Berücksichtigung des Lokalbedarfes sowie über die Verleihungsinstanz getroffen werden.

Auf Grund dieser Bestimmungen sind u. a. die Verordnungen des Handelsministers vom , RGBl. Nr. 142, mit welcher der gewerbsmäßige Betrieb der Einlagerung von Erdöl und von Anlagen zur Leitung von Erdöl an eine Konzession gebunden und für die Genehmigung der Betriebsanlagen zur Leitung von Erdöl das Verfahren vorgezeichnet wird, gültig für den Bereich des Königreiches Galizien und Lodomerien samt dem Großherzogtum Krakau sowie die Verordnung des Handelsministers im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren vom , RGBl. Nr. 62, mit welcher das Gewerbe der Verarbeitung von Erdöl und das Gewerbe des Betriebes von Petroleum mittels Tankwagen an eine Konzession gebunden wird, erlassen worden. Damit wurde der gewerbsmäßige Betrieb der Einlagerung von Erdöl, von Anlagen zur Leitung von Erdöl (Pipelines), das Gewerbe der Verarbeitung von Erdöl sowie das Gewerbe des Betriebes von Pertroleum mittels transportabler Behälter und Abfüllung aus diesen (Tankwagenbetrieb) an eine Konzession gebunden. Beide Verordnungen sahen bei der Konzessionserteilung neben einer Bedachtnahme auf die Lokalverhältnisse auch eine Bedachtnahme auf gesamtwirtschaftliche Interessen nämlich die allgemeine Lage der Mineralölindustrie und des Mineralölkonsums vor. Gemäß der erstzitierten Verordnung war sogar bei der Bewilligung des Betriebes von (gewerblichen Betriebs-)Anlagen zur Leitung von Erdöl eine Bedachtnahme auf die allgemeine Lage der Mineralölindustrie und des Mineralölkonsums vorgesehen. § 3 dieser Verordnungen sah jeweils auch besondere gewerbepolizeiliche Maßnahmen (Tarife und Reglements) vor.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die in der Regierungsvorlage zu einem Gesetz betreffend Maßnahmen zur Regelung der Mineralölindustrie, 770 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XIX. Session, 1909, vorgesehenen gewerberechtlichen Maßnahmen zu verweisen. Wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zu der Regierungsvorlage ergibt (Seite 5 f.), war es der erklärte Zweck dieser Regelungen, die österreichische Petroleumindustrie von einem Abhängigkeitsverhältnis zur amerikanischen Petroleummacht zu bewahren bzw. die durch ein solches Abhängigkeitsverhältnis in weiterer Folge entstehende Gefahr einer schweren und ungerechtfertigten Belastung der Gesamtbevölkerung abzuwehren. Wenn auch der Zweck einer Regelung nach Auffassung der Bundesregierung für die kompetenzrechtliche Einordnung einer Regelung nicht maßgeblich sein kann, so zeigt dieses Beispiel doch sehr deutlich, daß bereits vor dem Inkrafttreten des B-VG gewerberechtliche Vorschriften gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte in ihren Regelungsbereich einbezogen. Die in der zitierten Regierungsvorlage in den Erläuterungen explizit gemachten Zielsetzungen werden in den zitierten Verordnungen ausdrücklich in den Wortlaut der Vorschriften einbezogen: Bei der Konzessionsverleihung ist 'auf die allgemeine Lage der Mineralölindustrie Bedacht zu nehmen'. Zur Abwehr der erwähnten Gefahren sollten die öffentlichen Machtfaktoren mit jenen Befugnissen ausgestattet werden, welche erforderlich waren, um eine Störung der natürlichen Entwicklung auf dem Gebiet der Petroleumindustrie zu verhindern. Diesem Standpunkt sollte § 3 dieses Gesetzes, der eine Konzessionierung des gewerbsmäßigen Betriebes der Einlagerung von Erdöl, des gewerbsmäßigen Betriebes von Anlagen zur Leitung von Erdöl (Pipelines), sowie der gewerbsmäßigen Verarbeitung von Erdöl, eine Bewilligungspflicht zum Vertrieb von Petroleum durch Zuführung mittels transportabler Behälter und durch Abfüllung aus diesen (Tankwagen) sowie eine Genehmigung der Tarife und Reglements vorsah, Rechnung tragen. Das mit der zitierten Regierungsvorlage eingebrachte Gesetz wurde zwar nicht beschlossen: an seine Stelle traten jedoch die vorerwähnten Verordnungen, die inhaltlich dieselben (bzw. noch weitergehendere) Maßnahmen als dies § 3 des Gesetzes betreffenden Maßnahmen zur Regelung der Mineralölindustrie normiert hätte, vorsahen. Infolge der inhaltlichen Gleichheit dieser Verordnungen mit dem als Regierungsvorlage eingebrachten zitierten Gesetzentwurf sowie im Hinblick auf den Umstand, daß die Verordnungen etwa zur selben Zeit erlassen wurden wie die Regierungsvorlage in das Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, kann gefolgert werden, daß den Verordnungen, RGBl. Nr. 143/1909, sowie RGBl. Nr. 62/1910, dieselben Motive wie sie aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu entnehmen sind, zugrunde lagen. Eine Kopie der Regierungsvorlage ist in der Anlage beigefügt.

Die in den Verordnungen enthaltenen Regelungen zeigen - insbesondere auch im Zusammenhalt mit den in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Gesetzes betreffenden Maßnahmen zur Regelung der Mineralölindustrie ausgeführten Überlegungen - deutlich, daß gerade in bezug auf Energieträger gesamtwirtschaftliche Interessen bereits zum Versteinerungszeitpunkt in gewerberechtlichen Vorschriften berücksichtigt wurden.

Die im Antrag des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Mock und Genossen aufgestellte Behauptung, bei der Erteilung von Konzessionen sei, von der Konzession für Schiffsgewerbe abgesehen, nur auf die Lokalverhältnisse und nicht auf die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen gewesen, steht daher mit der in diesen Verordnungen enthaltenen Regelung im Widerspruch.

Wenn nun durch die eingangs zitierte Gewerbeordnungs-Novelle für Waren, die im Rahmen einer Gewerbeausübung in den inländischen Verkehr gebracht werden, bzw. für Dienstleistungen, die im Inland erbracht werden, aus energieversorgungspolitischen Gründen Mindestanforderungen zur volkswirtschaftlich sinnvollen Nutzung von Energie festgelegt werden, handelt es sich inhaltlich um eine Ausübungsbeschränkung, die sich systematisch dem Gewerberecht, wie es sich zum Versteinerungszeitpunkt darstellte, zuordnen läßt. Ob man sie als eine 'gewerbepolizeiliche' Regelung ansieht, kann dabei, wie schon oben gesagt, dahingestellt bleiben.

ad b)

Das Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung 1859 (§§25 bis 30) enthielt Vorschriften betreffend die Beschaffenheit gewerblicher Betriebsanlagen. Der Schwerpunkt des den Gewerbebehörden bei Beurteilung der Zulässigkeit einer gewerblichen Anlage zustehenden freien Ermessens lag darin, daß diese Behörden alle Beziehungen einer projektierten Anlage auf ihre Umgebung und der vorauszusehenden Rückwirkungen auf das Gemeinwohl und die Rechte und Interessen der Anrainer abzuwägen hatten gegenüber den Vorteilen, welche sich aus dem Betrieb der projektierten Anlagen für den Projektanten und mittelbar für die Öffentlichkeit ergaben, und daß sie sich sodann auf jene Seite zu stellen hatten, auf welcher das öffentliche Wohl besseren Schutz fand (VGH vom , BudwA, Nr. 1107). Diese Judikatur legt im Zusammenhalt mit den in den Verordnungen, RGBl. Nr. 143/1909 sowie RGBl. Nr. 62/1910, enthaltenen Regelungen dar, daß bereits im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zum Versteinerungszeitpunkt eine Bedachtnahme auf das öffentliche Wohl und auf gesamtwirtschaftliche Interessen, insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Energieträgern, erfolgte. Wenn nun § 77 Abs 3 und 4 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 619/1981 Vorschriften über die Beschaffenheit genehmigungspflichtiger gewerblicher Betriebsanlagen zur Erreichung des Zieles einer sinnvollen Nutzung von Energie vorsieht, halten sich diese im Hinblick auf die im Versteinerungszeitpunkt bereits bestehende Rechtslage auf dem Gebiet des Gewerbewesens nach Ansicht der Bundesregierung im Rahmen der Materie 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie'.

In diesem Zusammenhang soll auch nochmals betont werden, was bereits einleitend vorgebracht wurde, nämlich die Zulässigkeit der Regelung einer Materie unter verschiedenen Gesichtspunkten. Im Erkenntnis VfSlg. 6262 hielt es der Verfassungsgerichtshof für zweckmäßig, zu betonen, daß es dem Bund nicht verwehrt sei, ungeachtet der im konkreten Fall vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen kompetenzrechtlichen Zuordnung, auf Grund seiner Kompetenz und beschränkt auf diese (z. B. 'Angelegenheiten des Gewerbes' ...) nach anderen Gesichtspunkten den Betrieb von Maschinen in bezug auf Lärmausstrahlung einer Regelung zu unterwerfen. Eine solche auf das Gewerberecht gestützte Regelung betreffend die Lärmausstrahlung von Maschinen enthält etwa der § 72 der Gewerbeordnung 1973.

Auch die §§71a und 77 Abs 3 und 4 Gewerbeordnung 1973 enthalten vergleichbare Regelungen, wobei der Gesichtspunkt, unter dem die Regelung vorgenommen wird, auch schon in der im Versteinerungszeitpunkt maßgeblichen Rechtslage vom Gewerberechtsgesetzgeber mitberücksichtigt wurde.

Zum Punkt 4:

In diesem Punkt setzen sich die Antragsteller mit der Frage auseinander, inwieweit die Regelung der §§71a und 77 Abs 3 und 4 der Gewerbeordnung 1973, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 619/1981, als gewerbepolizeiliche Regelung angesehen werden können.

Auch dazu ist zunächst auf die obenstehenden Ausführungen zu dieser Frage sowie zur sogenannten Gesichtspunktetheorie zu verweisen. In erster Linie geht es dem Gesetzgeber offenbar darum, den Gesichtspunkt des Energiesparens in den Regelungszusammenhang des Gewerberechts einzubeziehen, und zwar in einer Weise, wie dies etwa auch im Falle des bereits zitierten § 72 Gewerbeordnung 1973 besonders deutlich erkennbar geschehen ist. Nur der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang wiederholt werden, was die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 798 d. Blg. XV., Nr., auf Seite 11 zu vergleichbaren Regelungen in der geltenden Gewerbeordnung ausführen:

'Die Gewerbeordnung 1973 kennt eine Reihe von Verordnungsermächtigungen für den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, die sich auf Maßnahmen beziehen, die die Gewerbetreibenden bei der Gewerbeausübung zu treffen haben. Sie umfassen einerseits die Waren, die in den inländischen Verkehr gebracht werden, andererseits Dienstleistungen, die erbracht werden. Auf § 69 Abs 1, § 69 Abs 2 und § 71 Abs 2 sei im besonderen verwiesen. Diese Bestimmungen sollen im Interesse der sinnvollen Nutzung von Energie ergänzt werden, ...'

Wie in den Erläuterungen der Regierungsvorlage ausgeführt wird, kann der Zweck einer Regelung keinesfalls allein oder vorrangig zur Beurteilung der kompetenzrechtlichen Zuordnung herangezogen werden. Zwar dienen die von den Antragstellern bekämpften Regelungen unbestreitbar der Energieeinsparung; es kann allerdings nicht behauptet werden, diese sei der ausschließliche oder überwiegende Regelungsgesichtspunkt im Sinne der 'Gesichtspunktetheorie' der Judikatur (Regierungsvorlage 798 BlgNR XV., Seite 8).

Mit anderen Worten bedeutet dies, daß die Regelung als in den Gesamtzusammenhang des Gewerberechts einbezogen angesehen werden muß. Daß dies kein Novum gegenüber der historischen Rechtslage ist, wurde bereits ausgeführt.

Die damit verbundene Möglichkeit, gewisse Waren vom gewerblichen Verkehr auszuschließen, ist ebenso wie der Ausschluß gewisser Dienstleistungen eine prohibitive Maßnahme, die der Verwaltungspolizei - im vorliegenden Fall der Gewerbepolizei - zuzuordnen ist. Ähnlich ist die Situation bei der Genehmigung von gewerblichen Betriebsanlagen, bei der die zur Energieeinsparung im Gewerbebereich erforderlichen Auflagen vorgeschrieben und letztlich die Maßnahmen getroffen werden sollen, die der Sicherung der Einhaltung der vom Gesetzgeber angeordneten Regelung dienen sollen (vgl. Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, Seite 198 oben).

Zu den die Gewerbepolizei betreffenden Ausführungen der Antragsteller ist aus der Sicht der Bundesregierung schließlich noch folgendes zu bemerken:

Maßstab für die systematische Zuordnung einer Polizeivorschrift zu einer bestimmten Verwaltungsmaterie kann es nicht sein, ob die Bekämpfung dieser Gefahren bereits zum Versteinerungszeitpunkt vorgesehen war, bzw. ob diese Gefahr zu diesem Zeitpunkt überhaupt bekannt war. Nach Lehre und Judikatur ist bei der systematischen Zuordnung von Polizeivorschriften zu einem bestimmten Kompetenztatbestand darauf abzustellen, ob eine bestimmte Gefahr primär nur in einer bestimmten Verwaltungsmaterie auftritt (bzw. sofern sie nicht auf eine einzige Verwaltungsmaterie beschränkt ist, innerhalb dieser Materie in bestimmten, allein für diese typischen Abarten auftritt). Es ist daher zu prüfen, ob eine bestimmte Gefahr so umschrieben ist, daß Anknüpfungsmomente an Lebenssachverhalte, die inhaltlich einer bestimmten Materie zuzuordnen sind, gefunden werden können. Dabei ist hinsichtlich des Anknüpfungsmomentes sehr wohl vom Inhalt der zum Versteinerungszeitpunkt bestehenden Rechtslage auszugehen. In diesem Zusammenhang muß auch auf den 'Annexcharakter' der Verwaltungspolizei (vgl. Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, Seite 75), auf den auch die Antragsteller hinweisen ..., Bedacht genommen werden. Dieser Annexcharakter bringt es mit sich, daß verwaltungspolizeiliche Maßnahmen immer dann zulässig sind, wenn die 'Materienzuständigkeit' besteht, unabhängig davon, ob es eine derartige (polizeiliche) Maßnahme im Versteinerungszeitpunkt bereits gegeben hat. Trotzdem kann es bei der Feststellung von Zuständigkeiten ein wertvolles Indiz sein, ob zum Versteinerungszeitpunkt bereits verwaltungspolizeiliche Vorschriften im Rahmen dieser Materie bestanden bzw. an welche Lebenssachverhalte diese anknüpften.

Wie sich aus der Summe aller gewerberechtlichen Bestimmungen zum Versteinerungszeitpunkt ergibt, regelten gewerberechtliche Vorschriften auch die Abwehr von Gefahren, die durch gewerbliche Tätigkeit für die Allgemeinheit entstehen. Hauptsächliches gemeinsames Kriterium aller derartigen gewerbepolizeilichen Vorschriften war ihre Bezugnahme auf die gewerbliche Tätigkeit. Durch die in verschiedenen gewerberechtlichen Vorschriften enthaltene Bezugnahme auf wirtschaftliche Gegebenheiten (§51, § 24 sowie obzitierte Verordnungen) kann somit auf die Zulässigkeit einer verwaltungspolizeilichen Regelung der Gefahrenabwehr auf gesamtwirtschaftlichem Gebiet, insbesondere zur Sicherung der Versorgung mit Energieträgern, geschlossen werden.

Zum Punkt 5:

Wie bereits die obenstehenden Ausführungen zur Rechtslage im Versteinerungszeitpunkt zeigen, gibt es taugliche Ansätze, die einer systematischen Fortentwicklung zugänglich sind. Auch die Antragsteller haben zum Punkt 3 ihres Antrages ... ausgeführt, daß die 'Sicherung der Versorgung mit typischerweise laufend nachgefragten (lebens)wichtigen Waren und Leistungen' schon bisher Gegenstand gewerberechtlicher Regelungen war. Wenn auch der Antrag einschränkt, daß diese Regelungen nur im 'Beziehungsfeld Gewerbetreibender - Konsument' getroffen worden seien, so ist damit immerhin ein entwicklungsfähiger Ansatz dafür vorhanden, in gewerberechtlichen Regelungen auf Versorgungssicherungsaspekte Bedacht zu nehmen. Wenn die Antragsteller nun dahingehend argumentieren, daß gesamtwirtschaftliche Belange in eine gewerberechtliche Regelung nicht einbezogen werden dürfen, so spricht dagegen auch die oben dargelegte Rechtslage, aus der zu ersehen ist, daß solche gesamtwirtschaftliche Belange bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in gewerberechtlichen Regelungen berücksichtigt wurden. Dazu kommt, daß entgegen der Auffassung der Antragsteller ... das Gewerberecht eine Materie ist, bei der der enge Konnex zur gesamten Wirtschaft besonders ausgeprägt ist, sodaß Regelungen in diesem Bereich sehr wohl 'von gesamtwirtschaftlichen Vorstellungen und Einschätzungen geprägt sind'.

Zum Punkt 6:

Zu diesem Punkt gehen die Antragsteller auf die seit langer Zeit kontroversiellen Auffassungen über die Unterscheidung zwischen Inhalt und Zweck einer Norm bei der kompetenzrechtlichen Einordnung ein. Die Bundesregierung hat sich mit der Problematik im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage auf den Seiten 7 und 8 auseinandergesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen soll auch in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in der Regierungsvorlage verwiesen werden.

Zuzustimmen ist den Antragstellern, wenn sie ausführen, daß die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur anhand jener Erkenntnisse zu beurteilen ist, in denen eine ausdrückliche Aussage zur kompetenzrechtlichen Bedeutung der Regelungszwecke zu finden und explizit gemacht ist ..., sondern daß auch auf Erkenntnisse Bedacht zu nehmen ist, aus denen die Auffassung des VfGH schlüssig abgeleitet werden kann. Ein solches Erkenntnis ist etwa das Erkenntnis VfSlg. 6615, in dem der VfGH die von ihm geprüfte Bestimmung des § 10 Abs 2 des Bundesgesetzes BGBl. 97/1950 nicht der Jugendfürsorge (sic!), sondern dem Pressewesen zugeordnet hat. Eine solche Zuordnung erfolgte offenbar deshalb, weil ungeachtet des jugendschützerischen Zweckes die Regelung nach ihrem Inhalt dem Pressewesen zuzuordnen war. So wie etwa zwischen dem Zweck und dem Inhalt einer Verbreitungsbeschränkung nach dem zitierten Bundesgesetz zu unterscheiden ist (vgl. etwa Kafka - Novak, Praxis des Verfassungsrechts, II. Teil, S. 24), so sind auch im vorliegenden Fall der Zweck und der Inhalt der Energiesparregelungen in der Gewerbeordnung auseinanderzuhalten. Mag auch mit der Regelung das Ziel des Energiesparens verbunden sein, so ist der Inhalt der Regelung im Hinblick auf die bereits zu Punkt 1 angegebenen Kriterien doch ein gewerberechtlicher Inhalt. Ebenso verhält es sich mit dem ... angeführten Beispiel aus dem Bereich des Forstwesens. Die dort angeführte Regelung zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden mag zwar feuerpolizeiliche Zwecke im Auge haben, inhaltlich ist sie jedoch eine Regelung des Forstrechtes, weil der mit der Regelung angestrebte Zweck mit den Mitteln des Forstrechts verwirklicht wird.

Das ... angeführte Beispiel ist nach Auffassung der Bundesregierung ebenfalls nicht geeignet, die Rechtsmeinung der Antragsteller zu stützen. Der VfGH kam im Erkenntnis VfSlg. 4348 nicht zu dem Ergebnis, daß die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers vorliege, weil kein 'forstrechtlicher Zweck' angestrebt wird, sondern weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel keine forstrechtliche Vorschrift die Regelung des Wildstandes und seine Verringerung zum Inhalt hatte. Damit wird die Landeskompetenz aber nicht unter Berufung auf Landeszwecke angenommen, sondern aufgrund einer Versteinerung der Rechtslage. Die Bundesregierung vermag den Ausführungen der Antragsteller somit auch in diesem Punkte nicht beizupflichten."

IV. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

Die einschreitenden 70 Abgeordneten zum Nationalrat verkörpern mehr als ein Drittel der Mitglieder des Nationalrats. Daher ist die in Art 140 Abs 1 zweiter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 normierte Antragsvoraussetzung erfüllt. In dem durch einen von den antragstellenden Abgeordneten bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachten Antrag wurden - dem § 62 Abs 1 VerfGG entsprechend - die gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen bundesgesetzlichen Bestimmungen sprechenden Bedenken im einzelnen ausführlich dargelegt. Der Antrag ist daher - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - zulässig. Daran ändert - wie der VfGH in VfSlg. 8644/1979 ausführlich dargelegt hat - auch der Umstand nichts, daß zwischen der Einbringung des Antrags und der Beschlußfassung durch den VfGH Nationalratswahlen stattgefunden haben und im Gefolge dieser Wahlen einige der Einschreiter nicht mehr dem Nationalrat als Abgeordnete angehören. Denn bei einem Gesetzesprüfungsverfahren, das auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates durchgeführt wird, handelt es sich - wie der VfGH im eben genannten Erk. festgestellt hat - um ein Verfahren sui generis, in dem sich die Prüfung der Legitimation auf den Zeitpunkt der Antragstellung zu beziehen hat.

V. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. Die angefochtenen Bestimmungen stützen sich kompetenzrechtlich auf den Tatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG, demzufolge Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind. Von diesem Verständnis gehen auch die EB zur RV (798 BlgNR XV. GP) aus. Eine andere kompetenzrechtliche Deckung kommt in der Tat nicht in Betracht. Diesbezüglich besteht auch zwischen den Parteien dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens kein Streit.

Der VfGH hat daher zu prüfen, ob der genannte Kompetenztatbestand die angefochtenen Gesetzesbestimmungen trägt. Dazu hat er folgendes erwogen:

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes sind verfassungsrechtliche Begriffe, die in der Verfassung selbst nicht näher umschrieben sind, in dem Sinn zu verstehen, der ihnen nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der die entsprechenden Begriffe enthaltenden Verfassungsnormen zugekommen ist (VfSlg. 9337/1982 mwH auf die Vorjudikatur). Dementsprechend fallen unter den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art10 Abs 1 Z 8 erster Fall B-VG) alle Vorschriften, die nach dem Stand und der Systematik der einfachen Gesetze am als gewerberechtliche Vorschriften anzusehen waren (VfSlg. 2500/1953, 5024/1965 ua.). Neuregelungen können sich daher nur insoweit auf den genannten Kompetenztatbestand stützen, als sie ihrem Inhalt nach dem Rechtsgebiet "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" angehörten (VfSlg. 3393/1958). Eine solche Zugehörigkeit läßt sich - wie der VfGH in VfSlg. 3393/1958 dargelegt hat - noch nicht aus dem Umstand erschließen, daß die durch eine Regelung verpflichteten Personen ihrer Tätigkeit nach der Gewerbeordnung unterworfen sind; es muß vielmehr "geprüft werden, ob ein inhaltlicher Zusammenhang mit den in der GewO enthaltenen Regelungen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzartikel besteht".

Auch in VfSlg. 2733/1954 und 4117/1961 hat der VfGH deutlich zum Ausdruck gebracht, daß Maßnahmen "nur dann und nur insoweit als 'Angelegenheiten des Gewerbes' angesehen werden (können), als sie sich auch in ihrer inhaltlichen Regelung als eine solche Maßnahme darstellen" (VfSlg. 2733/1954). Gesetzliche Maßnahmen können daher nur soweit auf den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" gestützt werden, als es sich um "Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art" (VfSlg. 4117/1961) handelt.

Nur insoweit können daher gesetzliche Regelungen unter dem Gesichtspunkt der Regelung von Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie vom Bund erlassen werden. Es hieße den Inhalt der vom VfGH in Kompetenzfragen angewendeten sog. Gesichtspunktetheorie verkennen und gegen das bundesstaatliche Prinzip verstoßen, würde man unter Hinweis auf gewerberechtliche Aspekte der getroffenen Regelung und Berufung auf die Gesichtspunktetheorie den Inhalt des Kompetenztatbestandes über das eben skizzierte, von der bisherigen verfassungsgerichtlichen Judikatur klargestellte Maß hinaus ausweiten.

3. a) Im Rahmen der Regelung der Gewerbeausübung sind Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art - wie die Antragsteller der Sache nach richtig erkennen - solche, die dem Schutz des Gewerbes (vgl. VfSlg. 4117/1961), der Abwehr von vom Gewerbebetrieb unmittelbar ausgehenden Gefahren für die Gewerbetreibenden und ihre Arbeitnehmer, die Kunden, andere Gewerbetreibende oder als Nachbarn sonst von der Gewerbetätigkeit unmittelbar betroffene Personen und dem Konsumentenschutz (VfSlg. 9543/1982) dienen; diese Maßnahmen werden von der Lehre als gewerbepolizeiliche Maßnahmen bezeichnet. Auch die Hinweise der Bundesregierung auf die im Gasregulativ, RGBl. 176/1906, und in verschiedenen Bestimmungen der GewO 1859 (insbesondere § 54 Abs 2, § 24 und §§25 bis 30) enthaltenen Anordnungen bestätigen dieses Bild, da die angezogenen Regelungen ihrer Art nach ebenfalls solche gewerbepolizeilicher Art sind. (Die Hinweise der Bundesregierung auf eine nicht Gesetz gewordene RV können im Rahmen der vom VfGH zur Interpretation der Kompetenztatbestände verwendeten Auslegungsmethode nicht herangezogen werden.)

Die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte Bindung an bestimmte Energiesparstandards für gewerbliche Waren, Dienstleistungen oder Betriebsanlagen kann aber nicht als eine Maßnahme gewerbepolizeilicher Art qualifiziert werden; denn auf dem Gebiet des Gewerbes und der Industrie treten weder durch Waren oder Dienstleistungen, die nicht bestimmten Mindestanforderungen zur sinnvollen Nutzung der Energie entsprechen, noch durch Betriebsanlagen, die bestimmten Energiesparstandards nicht gerecht werden, besondere Gefahren derart auf, wie sie typischerweise mit gewerbepolizeilichen Mitteln verhindert werden. Es ist nicht möglich, Maßnahmen, die der Energieeinsparung dienen, als Maßnahmen gewerberechtlicher Gefahrenabwehr zu qualifizieren, wie dies die Bundesregierung in ihrer Äußerung versucht.

Die angefochtenen Regelungen haben vielmehr einen anderen Zweck, nämlich den einer - im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegenden - sinnvollen Nutzung von Energie. Solche Maßnahmen gehen ihrer Zielsetzung, ihrem Inhalt und ihrer Wirkung nach über die Funktion gewerbespezifischer Gefahrenabwehr und damit über eine spezifische gewerbepolizeiliche Ordnungs- und Sicherungsfunktion hinaus (vgl. Duschanek, Kompetenzrechtliche Überlegungen zu Energiesparvorschriften im Gewerberecht, ZfV 1981, 260 ff.; Azizi, Wirtschaftssteuerung durch Gewerberecht?, ÖZW 1984, 3 ff.).

Zurecht weisen die Antragsteller darauf hin, daß über gewerbespezifische Gefahrenabwehr hinausgehende Gewerbeausübungsbeschränkungen und insbesondere auch Energiesparvorschriften im Versteinerungszeitpunkt in der österreichischen Rechtsordnung bekannt waren, jedoch nicht als gewerberechtliche Vorschriften, sondern als kriegswirtschaftliche Vorschriften, die aufgrund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes oder als sog. "§14-Verordnungen" in Geltung standen (vgl. Punkt 5 des oben wiedergegebenen Antrags). Auch dies zeigt, daß nach der für die Interpretation des Kompetenztatbestandes "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" maßgeblichen historischen Rechtslage derartige Vorschriften eben nicht als solche des Gewerberechts in Geltung gestanden sind.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die in Prüfung stehenden Bestimmungen nicht auf den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art10 Abs 1 Z 8 B-VG) gestützt werden können, weil sie keine Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art (vgl. oben Punkt V. 2.) sind. Daran vermag auch die Tatsache, daß die angefochtene Regelung im Gefolge einer Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG - die aber die bundesverfassungsgesetzliche Kompetenzverteilung an sich unberührt gelassen hat - nichts zu ändern.

b) Diesem Ergebnis kann nicht mit Recht entgegengehalten werden, daß mit einer solchen Betrachtung auf die Zielsetzung der Regelung abgestellt wird, die Regelungszwecke nach der Rechtsprechung des VfGH kompetenzrechtlich aber nicht relevant seien. Wie nämlich die Antragsteller zu Recht dartun, würde die in der Judikatur mitunter verwendete Aussage, der Zweck einer Regelung sei kompetenzrechtlich irrelevant, sofern nicht der in Betracht kommende Kompetenztatbestand ausdrücklich auf diesen Regelungszweck abstellt, aus dem Zusammenhang gerissen und mißverstanden werden, wenn man daraus den Schluß ableiten wollte, daß die Regelungszwecke in solchen Fällen überhaupt ohne Bedeutung seien (vgl. dazu auch Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 1980, 81 f.).

Die Antragsteller kommen aufgrund einer Analyse der verfassungsgerichtlichen Judikatur vielmehr zu dem zutreffenden Ergebnis, daß der Regelungszweck kompetenzrechtlich sowohl dann relevant ist, wenn Wortsinninterpretation und systematische Auslegung den Regelungszweck für die Abgrenzung einer Regelungsmaterie als bestimmend erscheinen lassen, als auch dann, wenn im Lichte der Versteinerungstheorie der Regelungszweck für die Abgrenzung einer Materie kennzeichnend ist. Aus der jüngsten Judikatur ist für dieses Ergebnis neben der von den Antragstellern angeführten Judikatur etwa auch das Erk. VfSlg. 9337/1982 als Beleg anzuführen.

4. Da somit - wie aus dem Vorgesagten hervorgeht - Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG für die angefochtenen bundesgesetzlichen Bestimmungen keine kompetenzrechtliche Deckung zu geben vermag und eine andere verfassungsgesetzliche Kompetenzgrundlage für diese Bestimmungen nicht zu erkennen ist, waren § 71a und die Absätze 3 und 4 des § 77 GewO 1973 idF der Novelle 1981 als verfassungswidrig aufzuheben.

Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art 140 Abs 5 und 6 B-VG.