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VfGH vom 21.06.2000, g59/99

VfGH vom 21.06.2000, g59/99

Sammlungsnummer

15849

Leitsatz

Sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses von Sozialhilfeempfängern von der Selbstversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. § 16a Abs 1 ASVG idF der 50. Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, ermöglicht es den nicht in einer gesetzlichen Pensionsversicherung Pflicht- oder Weiterversicherten, sich in der Pensionsversicherung selbst zu versichern; Voraussetzung ist die Vollendung des 15. Lebensjahres und ein inländischer Wohnsitz. Beitragsgrundlage ist die um ein Sechstel ihres Betrages erhöhte halbe Höchstbeitragsgrundlage pro Kalendertag, bei vorangegangener Pflichtversicherung die um eine Sechstel ihres Betrages erhöhte Tagesbeitragsgrundlage in der Pflichtversicherung des dem Ausscheiden aus dieser vorangegangenen letzten Beitragsjahres (§76b Abs 5 iVm § 45 Abs 1 bzw. 76a Abs 1 ASVG). Soweit es nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten gerechtfertigt erscheint, ist auf seinen Antrag die Versicherung auf einer niedrigeren Beitragsgrundlage, jedoch nicht unter den im Gesetz enthaltenen Mindestbeiträgen zuzulassen (§76b Abs 5 letzter Satz iVm § 76a ASVG).

Abs 2 des § 16a ASVG bestimmt jedoch (zur Prüfung gestellter Teil hervorgehoben):

"(2) Von der Selbstversicherung sind Personen für die Zeit ausgeschlossen, während der sie

1. zu einer Weiterversicherung in der Pensionsversicherung berechtigt sind oder gemäß § 17 Abs 1 Z 1 berechtigt wären,

2. einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Geldleistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung oder nach einem Sozialhilfegesetz der Länder haben oder

3. ...(hier ohne Bedeutung)"

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 50. Novelle enthalten dazu keine Begründung.

II. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt die Aufhebung der Wortfolge "oder nach einem Sozialhilfegesetz der Länder" in § 16a Abs 2 Z 2 ASVG.

Er hat über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien gegen einen Bescheid der (ehemaligen) Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu erkennen, welcher der Berufung gegen einen Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes von Wien keine Folge gibt und die Selbstversicherung des Mitbeteiligten bewilligt, weil dieser Geldleistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt zwar durchlaufend, aber nur auf Grund monatlicher Anträge monatlich wiederkehrend erhält. Der Verwaltungsgerichtshof erwägt, der Auslegung der bei ihm beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt den Vorzug zu geben, weil die von der Behörde vorgenommene Differenzierung ungeachtet gleicher Höhe und monatlicher Wiederkehr derselben Leistung mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch zu stehen scheine und überdies angesichts der länderweise unterschiedlichen Lage keine für alle Bundesländer gleichmäßige Vollziehung erlauben würde.

Beim Verwaltungsgerichtshof sind jedoch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entstanden, die er wie folgt ausführt:

"5.1. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nämlich unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keinen sachlichen Grund dafür finden, Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach einem Landessozialhilfegesetz von der Selbstversicherung in der Pensionsverischerung auszuschließen.

Während die in derselben Bestimmung des § 16a Abs 2 Z. 2 ASVG als alternativer Ausschlußgrund genannten monatlich wiederkehrenden Geldleistungen aus einer 'eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung' der Harmonisierung des Rechtsinstituts der Selbstversicherung mit jenem der Weiterversicherung im Sinne des § 17 Abs 1 Z. 2 ASVG dient (in welche die Selbstversicherung nach ihrer Konzeption überleiten soll, wie § 16a Abs 2 Z 1 ASVG zeigt, wonach ab der Berechtigung zur Weiterversicherung die Berechtigung zur Selbstversicherung erlischt), findet dies im Ausschluß von Leistungsbeziehern nach einem Sozialhilfegesetz der Länder in § 17 ASVG über die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung keine Entsprechung.

5.2. Es besteht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr überhaupt kein Sachzusammenhang zwischen dem Umstand, daß jemand Geldleistungen aus dem Grunde der Hilfe zum Lebensunterhalt nach einem Sozialhilfegesetz bezieht, und der Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung.

5.3. Eine sachliche Rechtfertigung lassen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 50. Novelle zum ASVG (284 Blg. Sten. Prot. NR XVIII. GP, Seite 22 f) nicht erkennen, da sie diesbezüglich keine Begründung enthalten.

5.4. Der Bundesgesetzgeber könnte zwar beabsichtigt haben, durch den Ausschluß von Sozialhilfebeziehern vom Recht auf Selbstversicherung zu verhindern, daß Personen, die ansonsten auch im Alter einem Sozialhilfeträger zur Last fielen, durch (eigene oder von Dritten finanzierte) Beitragsleistungen zur gesetzlichen Pensionsversicherung einen Anspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung und damit auch auf eine (im Verhältnis zu Sozialhilfeleistungen: höhere) Ausgleichszulage erwerben könnten. Diese Überlegung könnte im Hinblick darauf, daß gemäß § 299 ASVG die Aufwendungen der Sozialversicherungsträger für Ausgleichszulagen diesen durch die Länder (nach Maßgabe des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes unter Beteiligung des Bundes) zu ersetzen sind, auch den finanziellen Interessen der Länder entgegenkommen.

5.5. Auch derartige Überlegungen vermögen jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine sachliche Rechtfertigung für die getroffene Einschränkung darstellen: Es ist insbesondere nicht einzusehen, aus welchen Grund nicht ein Leistungsbezieher der Sozialhilfe durch die Leistung von Beiträgen (sei es aus eigenen Mitteln, sei es aus Mitteln Dritter, die ihn zur Herstellung eines Pensionsanspruches unterstützen wollen) ebenso einen Anspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung erwerben können soll, wie jeder andere Bürger, der weder in der gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert ist noch aus dieser eine Leistung bezieht und der mit der Erfüllung der Wartezeit von 180 Versicherungsmonaten - bei vergleichbarer Einkommens- und Vermögenslage - ebenso einen Anspruch auf Ausgleichszulage erwerben würde.

Die angefochtene Regelung differenziert also innerhalb gleich einkommenschwacher Bevölkerungsgruppen zwischen jenen, die zur Erreichung dieses Einkommens eine (auch nur teilweise Zusatz-)Leistung aus der Sozialhilfe beziehen und jenen, bei denen dies (etwa aufgrund der Vermögenslage oder einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung Dritter) nicht der Fall ist.

Hinzu kommt, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die dem Gesetzgeber - in Ermangelung einer anderen Erklärungsmöglichkeit für die angefochtene Regelung - unterstellte Bedachtnahme auf die mußtmaßliche, künftige Einkommens- und Vermögenslage im Ruhestand in der Weise, daß von der gegenwärtigen Situation auf jene geschlossen wird, an sich jeder Sachgrundlage entbehrt, weil sie die (zwangsläufig noch unbekannte) künftig mögliche Lebens- und Berufsentwicklung der Betroffenen (man denke nur an die Änderung der für die Ausgleichszulage relevanten Einkommens- und Vermögenslage durch Eheschließung, an den Wegfall von Unterhaltspflichten durch den Tod der Verpflichteten, an Erbschaften uä, aber auch an das konjunkturbedingte oder durch Programme für Benachteiligte ermöglichte Erlangen eines Arbeitsplatzes) außer acht lassen muß.

6. Die Wendung 'oder nach einem Sozialhilfegesetz der Länder' in § 16a Abs 2 Z. 2 ASVG schließt daher in unsachlicher Weise Bezieher monatlich wiederkehrender Geldleistungen nach einem Sozialhilfegsetz für die Dauer dieses Bezuges von der Selbstversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung aus und verstößt daher gegen den Gleichheitssatz (Art7 Abs 1 B-VG)."

III. Die Bundesregierung pflichtet der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs bei, die angefochtene Regelung solle verhindern, daß Personen durch (relativ geringe) Beitragsleistungen einen Anspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung und damit auch auf eine (im Verhältnis zu den sonst gebührenden Sozialhilfeleistungen höhere) Ausgleichszulage erhalten können. Andernfalls käme es zu einer Verlagerung von derzeit im Rahmen der Sozialhilfe von den Ländern zu erfüllenden Aufgaben hin zu den Sozialversicherungsträgern, deren Leistungen dann nur minimale Beiträge und oftmals zu keiner Zeit eine Erwerbstätigkeit gegenüberstünden. Die Selbstversicherung habe über den möglichen Erwerb von Pensions- und Ausgleichszulagenansprüchen hinaus auch noch den vollen Krankenversicherungsschutz für Pensionisten einschließlich von Rehabilitations- und Gesundheitsvorsorgeleistungen und allfällige Ansprüche auf Hinterbliebenenpensionen und auf Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz zur Folge. Die Bundesregierung sieht die sachliche Rechtfertigung der angegriffenen Vorschrift daher darin (Hervorhebung im Original):

"Durch den Ausschluß der Möglichkeit, durch Beiträge, die aus Sozialhilfeleistungen finanziert werden, Pensionsansprüche aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu erwerben, soll vermieden werden, dass Sozialhilfebezieher lediglich durch eine (kurzfristige) Selbstversicherung (in der Regel auf Basis der Mindestbeitragsgrundlage, da gleichzeitig ein Beitragsgrundlagen-Herabsetzungsantrag gestellt wird) bis zum Erreichen der Mindestversicherungszeit (allgemeine Anspruchsvoraussetzung) die

(Invaliditäts-/Erwerbsunfähigkeits-)Pension mit Ausgleichszulage und vollen Krankenversicherungsschutz etc. erhalten, ohne vielleicht jemals erwerbstätig gewesen zu sein. Ohne die in Rede stehende 'Auffangbestimmung' ergäbe sich eine Verlagerung der derzeit von den Ländern (Sozialhilfe) zu erbringenden Leistungen zu den Sozialversicherungsträgern, der - wie oben erwähnt - nur eine minimale Beitragsleistung gegenüberstünde.

Auf die zusätzlichen Auswirkungen eines solchen Vorgehens auf den Bundesbeitrag sowie im Rahmen des Finanzausgleiches muss in diesem Zusammenhang ebenfalls hingewiesen werden."

Zur behaupteten Belastung der Versichertengemeinschaft und des Bundes führt die Bundesregierung in einer über Einladung des Verfassungsgerichtshofs vorgenommenen Ergänzung ihrer Stellungnahme folgendes aus:

"1. Vorauszuschicken ist, dass die gesetzliche Pensionsversicherung im Umlageverfahren finanziert wird, d.h. die Beiträge der gerade Aktiven werden dazu benötigt, um die Pensionen der gerade in Pension befindlichen Personen zu finanzieren: In Österreich wird dazu neben den Beitragseinnahmen noch ein nicht urheblicher Finanzierungsanteil des Bundes benötigt. Im Jahr 1998 betrug der Finanzierungsbeitrag des Bundes rund 21 Prozent der Gesamtaufwendungen der gesetzlichen Pensionsversicherung: Bei einer durchschnittlichen Pensionsleistung von 9.158 S (ohne Ausgleichszulage) wurden durch den Bund rund 2.130 S 'finanziert', der Rest entfiel auf die Gemeinschaft der Beitragszahler. In diesem Sinne bedeutet jeder neue Beitragszahler - sei es aus einer Pflichtversicherung, sei es aus einer freiwilligen oder einer Selbstversicherung - zwar kurz- und mittelfristig einen Gewinn für die gesetzliche Pensionsversicherung, langfristig entstehen daraus aber Leistungen, die durch die eigenen Beiträge niemals abgedeckt werden: Sie müssen durch die zukünftigen Beitragszahler sowie durch Zuschüsse des Bundes abgedeckt werden.

Inwiefern durch eine Einbeziehung von Sozialhilfeempfängern in die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für den Bund oder die Versichertengemeinschaft im einzelnen eine Belastung entstehen würde, kann auch unter Einbeziehung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. des Hauptverbandes aus folgenden Gründen nicht berechnet werden.

Voraussetzung dafür wäre ein entsprechendes Datenmaterial über die Bezieher von Sozialhilfeleistungen der Bundesländer. Es sind zwar im Statistischen Jahrbuch für die Republik Österreich einige Zahlen über die Sozialhilfe vorhanden, es fehlt aber bei diesen Zahlen insbesondere der Anhaltspunkt, für wie viele Personen eine Selbstversicherung mit entsprechenden leistungsrechtlichen Auswirkungen in Betracht kommen könnte; ebenso fehlen allgemeinere Angaben über Alter, Gesundheitszustand, etc.

2. Aus der Sicht der Bundesregierung ist festzuhalten, dass durch die bestehende Rechtslage vermieden werden soll, dass Versicherungsanwartschaften zu Mindesttarifen erworben würden, welche in weiterer Folge


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
über die Leistungsfinanzierung auf Grund der Beitragseinnahmen im Umlageverfahren zu einer Belastung der Versichertengemeinschaft in der Pensionsversicherung,
-
über die Finanzierung der Ausgleichszulagen nach § 2 FAG (dem § 299 ASVG ist seit Jahrzehnten durch das Finanzausgleichsrecht derogiert) sowie über die Bundesbeiträge zu einer Belastung des Bundes sowie
-
über die Pflichtversicherung von Pensionisten in der Krankenversicehrung nach § 8 Abs 1 Z 1 lita ASVG zu einer Belastung der Krankenversicherungsträger führen.

Sozialhilfeträger, die für ihre Pflegebefohlenen Ansprüche auf gesetzliche Pensionen erreichen könnten, würden sich die entsprechenden Aufwendungen (und Krankenleistungen), welche an sich von ihnen zu erbringen wären, ersparen und den Aufwand im Ergebnis (bis auf minimale Beitragszahlungen im Mindestausmaß) auf den Bund überwälzen.

Unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der in Frage kommenden Personen muss nämlich darauf hingewiesen werden, dass die im Einzelfall erbrachte Beitragsleistung in keinem Verhältnis zu dem daraus resultierenden Leistungsanspruch stehen kann:

Mindestbeitrag 2000: S 1.662,12 x 180 Monate (Wartezeit für die normale Alterspension)

= S 299.181,60,

AZ (Monats-)Richtsatz 2000: S 8.312,00 (ergibt nach drei Jahren

des Bezuges eine

Gesamtsumme S 349.104,00).

Eine Konsumation der dem Betrag entsprechenden Leistung würde hier somit bereits vor Ablauf von drei Jahren eintreten. Der weitere Aufwand wäre de facto vollständig vom Bund (Ausgleichszulagenersätze bzw. Bundesbeiträge) zu übernehmen."

(Nach § 299 Abs 1 ASVG wäre die Ausgleichszulage dem Sozialversicherungsträger von dem Land zu ersetzen, in dem der Sitz des Trägers der Sozialhilfe liegt, der für den Empfänger der Ausgleichszulage zuständig ist oder wäre. Nach Abs 2 richtet sich jedoch eine Beteiligung des Bundes am Aufwand der ausgezahlten Ausgleichszulagen nach den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen. Und nach diesen - zB § 2 Abs 1 FAG 1993 idF BGBl. 297/1995 - trägt der Bund die ausgezahlten Ausgleichszulagen.)

Der Mitbeteiligte des Anlaßbeschwerdeverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof spricht sich in einer Äußerung gegen die vom Verwaltungsgerichtshof in Erwägung gezogene Auslegung des Gesetzes aus.

IV. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Es ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem bei ihm anhängigen Verfahren die angegriffene Vorschrift anzuwenden hätte. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

2. Die vorgetragenen Bedenken treffen aber nicht zu.

Der Verfassungsgerichthof hatte bereits in VfSlg. 9809/1983 eine ähnliche Vorschrift zu beurteilen. Durch den zweiten Satz des § 76 Abs 2 ASVG idF der 35. Novelle - er steht noch in Geltung - wird nämlich bei der Selbstversicherung zur Krankenversicherung im Falle eines Anspruchs auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit der Herabsetzung der Beitragsgrundlage verwehrt. Diese Vorschrift hielt der Verfassungsgerichtshof für sachlich begründet:

"Ihr offenkundiger Sinn ist es, zu vermeiden, daß die Gruppe von Personen mit den schlechtesten wirtschaftlichen Verhältnissen durch Inanspruchnahme des niedrigsten Beitragssatzes die auf den Sozialhilfeträgern liegende Last der Versorgung im Krankheitsfall auf die Risikogemeinschaft der Versicherten überwälzt. Die Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten endet daher dort, wo die öffentliche Hand eingreifen muß, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse so schlecht sind, daß der Lebensbedarf nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln beschafft werden kann. Wem nicht einmal die Selbstversicherung auf der niedrigsten zulässigen Stufe aus eigenen Kräften und Mitteln zuzumuten ist, weil ihm öffentliche Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt werden muß, dessen Leistungsunfähigkeit wird überhaupt nicht mehr in Betracht gezogen. Die Möglichkeit der Selbstversicherung ist ihm zwar nicht schlechterdings verschlossen - weshalb der Träger der Sozialhilfe ihn durch entsprechende Stützung auch veranlassen kann, von ihr Gebrauch zu machen -, doch ist ihm das nur auf eine Weise möglich, die die Versichertengemeinschaft nicht belastet.

Die Absicht des Sozialversicherungsgesetzgebers, die Risikogemeinschaft der Versicherten durch die Möglichkeit der Selbstversicherung nicht mit allen schlechten Risken zu belasten und doch jene wirtschaftlich Minderbemittelten zu begünstigen, die noch nicht in den Genuß der Sozialhilfe kommen, ist keineswegs unsachlich. Keine Verfassungsbestimmung trägt dem Gesetzgeber auf, die Möglichkeit der Teilnahme an der Sozialversicherung durch Selbstversicherung wenn überhaupt, dann auch jedermann zu ermöglichen. Es ist auch nicht verwerflich, wenn bei Festlegung des Kreises der zur Selbstversicherung Berechtigten oder bei Festlegung der Bedingungen der Selbstversicherung darauf Bedacht genommen wird, daß die Versichertengemeinschaft nicht übermäßig belastet wird. Deshalb ist der Gesetzgeber auch nicht verhalten, die Leistungsfähigkeit des Versicherten durchgängig und ohne Rücksicht auf die sonstige Sach- und Rechtslage zur Grundlage der Beitragsbemessung zu machen."

Diese Überlegungen gelten mutatis mutandis auch für die hier in Prüfung stehende Vorschrift. Diese begnügt sich zwar nicht damit, die Herabsetzung der Beitragsgrundlage auszuschließen, sondern versagt Sozialhilfeempfängern die Möglichkeit der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung überhaupt. Offenbar bewirkt aber die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung auch zu den Regelbedingungen eine Belastung der Versichertengemeinschaft und des für den Ausfall eintretenden Bundes, die bei den wirtschaftlichen Verhältnissen der in Rede stehenden Personengruppe im gegenwärtigen Finanzierungssystem regelmäßig nur der Entlastung der zuständigen Sozialhilfeträger dienen würde.

Daß die Lage von Sozialhilfeempfängern eine andere ist als jene von Personen in gleichen Verhältnissen ohne Anspruch auf Sozialhilfe, ist offenkundig. Wenn der Gesetzgeber Lücken im Sozialversicherungssystem nur insoweit schließt, als nicht ohnedies schon die Sozialhilfe am Zuge ist, und solcherart vermeidet, daß die Versichertengemeinschaft mit schlechten Risken einer ihr an sich fremden Personengruppe belastet wird und der Bund mit übernehmen muß, was Sache der Sozialhilfeträger ist, kann ihm von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden. Daß sich das ausschlaggebende Risiko im Einzelfall nicht verwirklichen muß, ändert an der für die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme ausreichenden generellen Einschätzung der Verhältnisse bei Sozialhilfeempfängern nichts.

Ob eine Lösung zweckmäßiger wäre, die Sozialhilfeempfänger in das Sozialversicherungssystem einbezieht und nur die Kosten insgesamt den für die Sozialhilfe Verantwortlichen überbürdet, ist eine rechtspolitische Frage und vom Verfassungsgerichtshof nicht zu untersuchen.

Der Antrag ist folglich abzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs 4 erster Satz VerfGG).